4b O 277/07 – Schutzrelaisprüfer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1042

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Dezember 2008, Az. 4b O 277/07

Die Beklagten werden verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorstand der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

ein Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln, wobei das durch die Schutzeinrichtung zu schützende Betriebsmittel mit allen seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung simuliert wird, die in der Simulation berechneten, vom zu schützenden Betriebsmittel und weiteren Parametern abhängigen Prüfströme an die an die Prüfeinrichtung angeschlossene Schutzeinrichtung ausgegeben werden, und die Prüfeinrichtung anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlverhalten der Schutzeinrichtung erfasst und entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung auswertet,

in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden oder zur Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten,

bei dem die Schutzeinrichtung als Differentialschutzrelais/ -system ausgebildet ist und bei dem die Vorgabe der Prüfströme unter der Verwendung der Auslösekennlinie IDIFF = f(ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom, wobei die Prüfeinrichtung automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit vom simulierten Betriebsmittel, der Stromwandlerverhältnisse, der Fehlerart und des Fehlerortes berechnet und an das zu prüfende Differentialschutzrelais/ -system ausgibt.

B.
Die Beklagten werden verurteilt,

I.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorstand bzw. Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Computerprogramme, insbesondere die heute so bezeichnete A für B-Automatische Relais-Prüfsysteme,

in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Inland anzubieten oder zu liefern, mit denen

ein Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln durchführbar ist,

wobei das durch die Schutzeinrichtung zu schützende Betriebsmittel mit allen seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung simuliert wird, die in der Simulation berechneten, vom zu schützenden Betriebsmittel und weiteren Parametern abhängigen Prüfströme an die an die Prüfeinrichtung angeschlossene Schutzeinrichtung ausgegeben werden, und die Prüfeinrichtung anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung erfasst und entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung auswertet,

wobei die Schutzeinrichtung als Differentialschutzrelais/ -system ausgebildet ist und bei dem die Vorgabe der Prüfströme unter Verwendung der Auslösekennlinie IDIFF = f(ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom, wobei die Prüfeinrichtung automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit vom simulierten Betriebsmittel, der Stromwandlerverhältnisse, der Fehlerart und des Fehlerortes berechnet und an das zu prüfende Differentialschutzrelais/ -system ausgibt;

II.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorstand bzw. Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

automatische Relais-Prüfsysteme insbesondere der heute so bezeichneten Typen C, D, E, F und G,

in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Inland anzubieten oder zu liefern, mit denen

ein Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln durchführbar ist,

wobei das durch die Schutzeinrichtung zu schützende Betriebsmittel mit allen seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung simuliert wird, die in der Simulation berechneten, vom zu schützenden Betriebsmittel und weiteren Parametern abhängigen Prüfströme an die an die Prüfeinrichtung angeschlossene Schutzeinrichtung ausgegeben werden, und die Prüfeinrichtung anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung erfasst und entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung auswertet,

wobei die Schutzeinrichtung als Differentialschutzrelais/ -system ausgebildet ist und bei dem die Vorgabe der Prüfströme unter Verwendung der Auslösekennlinie IDIFF = f(ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom, wobei die Prüfeinrichtung automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit vom simulierten Betriebsmittel, der Stromwandlerverhältnisse, der Fehlerart und des Fehlerortes berechnet und an das zu prüfende Differentialschutzrelais/ -system ausgibt;

ohne

im Fall des Anbietens wenigstens in der selben Schriftgröße wie die maximale Schriftgröße des Angebots ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass diese Relais-Prüfsysteme nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 904 XXX B1 zur Benutzung des soeben beschriebenen Verfahrens verwendet werden dürfen.

C.
Die Beklagten werden verurteilt,

der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen – Rechnungen und Lieferscheinen – betreffend die Angaben zu C.I. und C.II. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu A. sowie B.I. und B.II. bezeichneten Handlungen im Falle der Beklagten zu 1. seit dem 15.11.1998 und im Falle der Beklagten zu 2. seit dem 24.02.2006 begangen haben,

und zwar unter Angabe,

I.
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer

II.
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

III.
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie der Internetwerbung zusätzlich der jeweiligen Domain, der Schaltungszeiträume und Zugriffszahlen,

IV.
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

die Angaben zu Ziffer C.IV. auch für die Beklagte zu 1. nur für die Zeit ab dem 19.03.2003 zu machen sind

und

den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, der seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
D.
Es wird festgestellt, dass

I.
die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, an die Klägerin für die zu Ziffer A. bezeichneten, in der Zeit vom 15.11.1998 bis zum 18.03.2003 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

II.
die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer A. sowie Ziffern B.I. und B.II. bezeichneten und im Falle der Beklagten zu 1. seit dem 19.03.2003 bzw. im Falle der Beklagten zu 2. seit dem 24.02.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

E.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

F.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

G.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 €, die auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden kann, vorläufig vollstreckbar.

H.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 904 XXX B1 (Anlage K 1, Klagepatent). Das Klagepatent geht auf die europäische Patentanmeldung EP 98 916 XXX.5 zurück, welche aus der am 06.03.1998 eingereichten internationalen Patentanmeldung PCT/EP98/01XXX hervorgegangen ist. Die Anmeldung des Klagepatents wurde als WO 98/045XXX am 15.10.1998 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland wurde am 19.02.2003 vom Europäischen Patentamt veröffentlicht.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Prüfung von Differentialschutzrelais/ -systemen. Sein im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierender Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln (1), wobei
das durch die Schutzeinrichtung zu schützende Betriebsmittel (1) mit allen seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung (51) simuliert wird, die in der Simulation berechneten, vom zu schützenden Betriebsmittel (1) und weiteren Parametern abhängigen Prüfströme an die an die Prüfeinrichtung (51) angeschlossene Schutzeinrichtung ausgegeben werden, und
die Prüfeinrichtung (51) anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlverhalten der Schutzeinrichtung erfasst und entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung auswertet,
dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzeinrichtung (24) als Differentialschutzrelais/ -system (24) ausgebildet ist und dass die Vorgabe der Prüfströme unter der Verwendung der Auslösekennlinie (68) IDIFF = f(ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom, wobei die Prüfeinrichtung (51) automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit vom simulierten Betriebsmittel, der Stromwandlerverhältnisse, der Fehlerart und des Fehlerortes berechnet und an das zu prüfende Differentialschutzrelais/ -system (24) ausgibt.“

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren des Klagepatents zeigen eine erfindungsgemäße Prüfeinrichtung mit Anschaltung an die zu überprüfenden Differentialschutzrelais (Fig. 4) sowie ein Diagramm der betrieblichen Differentialstromkennlinie in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern (Fig. 5) und die Darstellung des Prüfverfahrens in der Ebene nach Figur 5 (Fig. 6).

Die Beklagte zu 1. hat unter dem 13.06.2008 beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben. Eine Entscheidung hierüber steht derzeit noch aus.

Die Beklagte zu 1. bietet an und vertreibt auf ihrer deutschen Internetseite H automatische Prüfsysteme für elektromechanische, statische und digitale Schutzrelais unter der „Familienbezeichnung“ B. Diese Produktfamilie besteht aus den Gerätetypen C,D, E, F und G (nachfolgend gemeinsam als B bezeichnet).

Die B – Prüfsysteme werden durch die sogenannte A – Prüfsoftware bedient, die die Beklagte zu 1. ebenfalls über ihre Internetseite in Deutschland anbietet und vertreibt. Zum allgemeinen Lieferumfang der B – Geräte gehört der so bezeichnete I, welcher mit den Geräten zusammen ausgeliefert wird. Optional hierzu kann der Kunde ein Softwaremodul mit der Bezeichnung J erwerben. Diese Software dient der vollautomatischen Überprüfung von Differentialschutzrelais.

Unter dem Unterpunkt „Engineering“ gelangt der Betrachter des Internetauftritts der Beklagten zu 1. zu dem nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Bildschirm (vgl. Anl. K 25, Bl. 2), auf dem sich Angaben zu der Beklagten zu 2. befinden:

Die Klägerin ist der Ansicht, der Vertrieb der streitgegenständlichen Software J, der regelmäßig im Verbund mit dem für die Durchführung des Prüfverfahrens notwendigen Relais-Prüfsystems erfolge und die Erteilung von Einzellizenzen für die Anwendung des mit dieser Kombination ausführbaren Verfahrens stelle eine unmittelbare Patentverletzungshandlung dar, da die angegriffenen Prüfsystem mit der in Rede stehenden Software die technische Lehre des klagepatentgemäßen Verfahrens ihrem Wortsinne nach verwirkliche. Das isolierte Anbieten und Vertreiben der beiden angegriffenen System-Komponenten (Software J; Relais-Prüfsystem B) stelle des weiteren jeweils eine mittelbare Patentverletzung dar, da beide Komponenten für sich betrachtet wesentliche Elmente für die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens darstellten. Da die Relais-Prüfsysteme in Verbindung mit einer der anderen angebotenen Softwarekomponenten auch in nicht patentverletzender Weise genutzt werden könnten, scheide insoweit ein Schlechthinverbot aus.
Die Beklagte zu 2. biete Dienstleistungen an, in deren Rahmen sie das durch das Klagepatent geschützte Verfahren selber anwende bzw. zur Anwendung anbiete. Dies folge bereits aus dem oben wiedergegebenen Internet-Auftritt der Beklagten zu 1., mit welchem die Beklagte zu 1. das Geschäftsgebaren der Beklagten zu 2. aktiv unterstütze und das Angebot der Beklagten zu 2. sich insoweit auch zueigen mache, als sie dort formuliere, dass beide Beklagten die Dienstleistungen der Beklagten zu 2. anböten. Hieraus folge, dass beide Beklagten auch gesamtschuldnerisch zur Verantwortung zu ziehen seien.

Die Beklagten seien der Klägerin gegenüber daher zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte im Wesentlichen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen,

darüber hinaus hat die Klägerin begehrt,

den Beklagten aufzugeben,
im Falle der Lieferung der Relais-Prüfsysteme den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin zu zahlenden Vertragsstrafe von 2.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die oben genannten Relais-Prüfsysteme nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu dem oben beschriebenen Verfahren zu verwenden

und

im Rahmen der Auskunftserteilung die Beklagten zu verurteilen,

bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, die Namen und Anschriften der Empfänger anzugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit aufgrund der gegen das Klagepatent eingereichten Nichtigkeitsklage auszusetzen

Sie sind der Ansicht, dass der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der behaupteten Verletzungshandlungen der Beklagten zu 2. gänzlich unzureichend sei, so dass sie hierauf nicht erwidern könnten. Es werde lediglich der Internet-Auftritt der Beklagten zu 1. zum Beleg der Tatsache herangezogen; diesen habe die Beklagte zu 2. sich jedoch nicht zurechnen zu lassen. Das klagepatentgemäße Verfahren werde von den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht. Insbesondere werde nicht das zu überprüfende Betriebsmittel mit all seinen Parametern simuliert, sondern nur dessen Verhalten. Des weiteren fehle es u.a. auch an der Verwendung der Stromkennlinie.

Das Klagepatent werde sich in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, da dessen Gegenstand in unzulässiger Weise erweitert worden sei. Zudem sei die Erfindung für den Fachmann nicht nacharbeitbar und schließlich habe der vorbekannte Stand der Technik dem Fachmann die Lösung des Klagepatents nahegelegt.

Die Klägerin tritt auch dem Vortrag zur Nichtigkeit des Klagepatents entgegen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Die von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen und vertriebenen Relais-Prüfsysteme C,D, E, F und G verwirklichen in Verbindung mit der Prüfsoftware J die technische Lehre des Klagepatents ihrem Wortsinn nach. Beide Komponenten stellen isoliert betrachtet jeweils wesentliche Elemente zur Durchführung des patentgemäßen Verfahrens dar. Die Beklagten sind deshalb zur Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet. Abzuweisen war die Klage lediglich insoweit, als den Beklagten für den Fall des isolierten Vertriebs der Relais-Prüfsysteme aufgegeben werden sollte, ein Vertragsstrafeversprechen mit ihren Abnehmern zu vereinbaren und sie darüber hinaus auch Angaben zu den Empfängern ihrer Direktwerbung machen sollten. Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen, besteht nicht.

I.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergibt sich – worauf der Klägervertreter zutreffend hingewiesen hat – bereits aus § 39 ZPO infolge der rügelosen Verhandlung der Beklagten im frühen ersten Termin. Hiergegen hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auch keine weiteren Einwendungen mehr erhoben, sondern klargestellt, dass sich der Vortrag der Beklagten insoweit auf die gerügte mangelnde Substantiierheit des Vorwurfs der Verletzungshandlungen hinsichtlich der Beklagten zu 2. bezogen habe.

II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Prüfung von Differentialschutzrelais /
– systemen.

Differentialschutzrelais sind elektrische Bauteile, die im Bereich des Netzschutzes eingesetzt werden. Dieser Netzschutz dient dazu, das elektrische Energieübertragungsnetz vor den Auswirkungen von Fehlern (wie beispielsweise einen Kurz- oder einen Erdschluss) in einzelnen Netzteilen zu schützen. Die Netzschutzgeräte messen über Stromwandler den Strom und eventuell auch die Spannung (dann über entsprechende Spannungswandler) und müssen den Fehlerfall vom Normalbetrieb unterscheiden. Wenn der Fehlerfall festgestellt wird, dann wird der dazugehörige Leistungsschalter ausgeschaltet und somit das fehlerhafte Netzteil oder das durch den Fehler gefährdete Bauteil vom restlichen Versorgungsnetz getrennt. Hierdurch bleibt entweder das gefährdete Bauteil oder das restliche Versorgungsnetz vor den Auswirkungen des Fehlers geschützt.

Das allgemein bekannteste Netzschutzmittel ist die auch in den gemeinen Haushalten übliche Schmelzsicherung. Bei dieser wird bei einer auftretenden Strom- oder Spannungsspitze ein in dem Stromkreislauf befindlicher elektrisch leitender wärmeempfindlicher Teil abgeschmolzen mit der Folge, dass der Stromkreis unterbrochen wird.

Der Differentialschutz wird überwiegend bei Transformatoren eingesetzt. Diese Transformatoren haben die Aufgabe, Spannung in einem Netz herab- oder heraufzutransformieren, also entweder zu vermindern oder zu erhöhen. Dies erfolgt idealerweise durch einander gegenüberliegende Spulen mit verschiedenen Anzahlen von Wicklungen, die bewirken, dass die Spannung, die eingangsseitig auf die Primärspule angelegt wird, durch die Sekundärspule um ein ganzzahliges Vielfaches vervielfacht oder reduziert und dann abgegeben wird.

Bei einem Trafodifferentialschutz werden die Ströme der Primärseite und der Sekundärseite ermittelt. Diese werden dann auf eine Bezugsseite des Transformators mithilfe des bekannten Umwandlungsverhältnisses umgerechnet. Die beiden ermittelten Ströme sind – unter Berücksichtigung des Übersetzungsfaktors – gleich groß. Wird diese Grundforderung nicht eingehalten, neigt der Schutz zum Auslösen.

Neben dem Schutz von Transformatoren können solche Differentialschutzrelais auch zum Schutz anderer Betriebsmittel verwendet werden, wie etwa Sammelschienen, Generatoren, Leitungen, Kabel usw.

Um sicherzustellen, dass diese Betriebsmittel auch wirksam geschützt werden, ist es erforderlich, dass die Differentialschutzrelais/ -systeme auch ordnungsgemäß funktionieren, d.h. sie müssen bei den richtigen (Fehler-)Stromgrößen auslösen, um eine Beschädigung des Betriebsmittels zu verhindern.

Zu diesem Zwecke ist es erforderlich, die Schutzrelais zu überprüfen, wobei die Funktionsüberprüfung bei anlagenspezifischer Parametrierung / Einstellung des Differentialschutzrelais möglich sein muss.

Im in der Klagepatentschrift gewürdigten vorbekannten Stand der Technik waren bereits Prüfverfahren bekannt, wie etwa die sogenannte 380 Volt-Methode, an der das Klagepatent kritisiert, dass mit dieser Methode wegen der kleinen Prüfgrößen nur eingeschränkte und oft keine eindeutigen und missverständliche Aussagen möglich seien. Zudem sei diese Methode aufgrund örtlicher Bedingungen nicht immer durchführbar.

Weitere vorbekannte Verfahren realisieren durch Software Schaltgruppenanpassungen und Nullstromeliminationen. An diesen Verfahren wird bemängelt, dass sie fast ausschließlich eine einseitige Stromeinspeisung an einem einzigen Punkt im Kennlinienfeld vorsehen, was ebenfalls keine verlässliche Aussage über die Funktionstüchtigkeit des Differentialschutzrelais zulasse. Zwar sei es ebenfalls bekannt, mit einem zweiten regelbaren Stromgenerator eine zweiseitige Einspeisung vorzunehmen, diese Methode sei aber besonders aufwendig und setze spezielle Kenntnisse des Anwenders voraus. Zudem sei eine solche Prüfung auf eine ein- und zweipolige Fehlersimulation beschränkt.

Insgesamt sei keines der vorbekannten Prüfverfahren geeignet, ohne Umverdrahtung eine komplette Überprüfung des Relais vorzunehmen, zudem sei eine Prüfung der gesamten Stabilisierungskennlinie nicht möglich.

Schließlich beschreibt das Klagepatent als nächstliegenden Stand der Technik ein Verfahren zur Prüfung von Differentialschutzeinrichtungen (Igel et al. Prüfung von Schutzeinrichtungen, etz 1995, Heft 18, S. 14 ff., Anl. K 7) bei dem das durch die Differentialschutzeinrichtung zu schützende Betriebsmittel mit all seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung simuliert wird. Bei diesem werden die in der Prüfeinrichtung berechneten – vom zu schützenden Betriebsmittel und weiteren Parametern abhängigen – Prüfströme an die an die Prüfeinrichtung angeschlossene Schutzeinrichtung ausgegeben. Durch die Prüfeinrichtung wird anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung erfasst und entsprechend der spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung ausgewertet. Eine Kritik wird an diesem Prüfverfahren nicht geäußert.

Vor diesem technischen Hintergrund stellt das Klagepatent sich die Aufgabe, ein Verfahren zur Prüfung von Differentialschutzrelais oder –systemen so weiterzubilden, dass bei einem Differentialschutzrelais/ -system sämtliche für die Schutzfunktion relevanten Parameter in einfacherer und genauerer Weise geprüft werden können und damit eine vollständige Prüfung möglich ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der vorliegend allein interessierende Patentanspruch 1 die Kombination der folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen (24) von Betriebsmitteln (1),

2. wobei das durch die Schutzeinrichtung (24) zu schützende Betriebsmittel (1) mit allen seinen wichtigsten Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung (51) simuliert wird,

3. die in ihrer Simulation berechneten, vom zu schützenden Betriebsmittel (1) und weiteren Parametern abhängigen Prüfströme werden an die Schutzeinrichtung (24) ausgegeben, die an die Prüfeinrichtung (51) angeschlossen ist, und

4. die Prüfeinrichtung (51) erfasst anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung (24) und

5. wertet das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung aus,

6. die Schutzeinrichtung (24) ist als Differentialschutzrelais/ -system ausgebildet und

7. die Vorgabe der Prüfströme erfolgt unter Verwendung der Auslösekennlinie (68) IDIFF = f (ISTAB), mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom,

8. wobei die Prüfeinrichtung (51) automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit

a) vom simulierten Betriebsmittel,

b) der Stromwandlerverhältnisse,

c) der Fehlerart und

d) des Fehlerortes

berechnet

und

9. an das zu prüfende Differentialschutzrelais/ -system (24) ausgibt.

III.
Der Sach- und Streitstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung lässt die Feststellung zu, dass die angegriffenen Ausführungsformen bei der Durchführung der Funktionsprüfung von Differentialschutzrelais von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbar Gebrauch machen.

Dies steht zwischen den Parteien lediglich hinsichtlich der Fragen, ob es sich bei dem von den angegriffenen Ausführungsformen durchzuführenden Test um Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln handelt (Merkmal 1) und ob die Schutzeinrichtung als Differentialschutzrelais/ -system ausgebildet ist (Merkmal 6) nicht im Streit.
Zunächst sei vorab darauf hingewiesen, dass die Klägerin ausschließlich eine wortsinngemäße Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents geltend macht, weswegen es den Beklagten verwehrt ist, den Formstein-Einwand mit der Behauptung geltend zu machen, dass sie sich im vorbekannten Stand der Technik entsprechend dem Siemens-Handbuch nach Anl. NK 18 bewege. Im Verletzungsrechtsstreit kann sie nicht damit gehört werden, dass eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents ausscheide, da diese keine Erfindung darstelle.

Zu den im einzelnen streitigen Merkmalen sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

1.
Nach Merkmal 2. soll das zu schützende Betriebsmittel mit allen seinen wichtigen Parametern mittels einer Software in einer Prüfeinrichtung simuliert werden. Bei diesem Merkmal handelt es sich um ein „wesentliches“ Merkmal der Erfindung (vgl. Anl. K 1, Sp. 3 Z. 31 ff.). Das Schutzobjekt wird mittels Software simuliert, so dass es mit seinen wesentlichen Parametern nachgebildet wird. Diese Simulation geschieht in der Prüfeinrichtung selbst und die in der Simulation berechneten Ströme werden anschließend an das an der Prüfeinrichtung angeschlossene Differentialschutzrelais/ -system ausgegeben (a.a.O.).

Als Parameter benennt das Klagepatent in Spalte 6 Z. 24, 25 die Schaltgruppe, die Wandlungsübersetzungsverhältnisse, die Sternpunkterdung etc.. Diese Parameter dienen der Berechnung derjenigen Ströme, die an dem Betriebsmittel im Echtbetrieb auftreten können. Sie sind zwingend erforderlich, um mit der Prüfeinrichtung den Normal- wie auch den Fehlerbetrieb nachahmen zu können, um die Funktionalität der Schutzeinrichtung bestätigen zu können. Aufgrund dessen erkennt der Fachmann – der die Patentschrift mit dem Bestreben liest, ihr einen technisch funktional sinnvollen Inhalt beizumessen – auch, dass diese Parameter die wichtigsten Parameter im Sinne des Klagepatents sind, da es sich hierbei um diejenigen handelt, die er für die Berechnung der auftretenden Stromgrößen benötigt (Klagepatent Sp. 3, Z 31 – 39).

Für die technische Lehre des Klagepatents ist es maßgeblich, dass mit einer hinterlegten Software sichergestellt wird, dass sich die Prüfeinrichtung exakt so verhält, wie es das Betriebsmittel tun würde. Es kommt vor diesem Hintergrund gerade nicht darauf an – wie die Beklagten meinen –, dass das Betriebsmittel virtuell in seiner Gesamtheit simuliert wird. Dass das Verhalten des Betriebsmittels im Fehlerfall simuliert wird, wird von den Beklagten zugestanden. Dies ist aber bei der gebotenen verständigen und funktionsorientierten Auslegung dieses Merkmals bereits ausreichend. Es entspricht zudem den Angaben der Beklagten zu 1. in ihrem Internetauftritt gemäß Anl. K 18, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen wird, in der den J betreffend werbend behauptet wird:

„Hierbei ist es möglich, das Verhalten z.B. eines durch den Diff.-Schutz zu schützenden Transformators für innere und äußere kurzschlussartige Fehler exakt zu simulieren.“

Diese Aussage wird auch noch einmal in dem A-Benutzerhandbuch, welches in Ablichtung als Anl. K 16 zur Akte gereicht wurde, die insoweit in Bezug genommen wird, auf Seite 92 zu Punkt 4.5 „J“ wiederholt.

2.
Mit den vorstehenden Ausführungen zu 1. wird zugleich die Verwirklichung des Merkmals 3 durch die angegriffenen Ausführungsformen bestätigt, wonach die in der Simulation berechneten (…) Prüfströme an die Prüfeinrichtung ausgegeben werden.

Das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich dieses Merkmals beschränkt sich darauf, dass es sich eben nicht um in der Simulation berechnete Prüfströme handele. Dieses Teilmerkmal beziehe sich auf die Simulation, die Gegenstand des Merkmals 2 sei. Insoweit ist den Beklagten zu folgen. Da es sich aber – wie vorstehend ausgeführt – auch bei den angegriffenen Ausführungsformen um erfindungsgemäße Simulationen handelt, ist eine entsprechende Verwirklichung dieses Merkmals gegeben.

3.
Merkmal 4 verlangt, dass die Prüfeinrichtung anhand der angelegten Prüfströme das Betriebs- und Fehlerverhalten der Schutzeinrichtung erfasst. Die Beklagten haben hierzu in den vorbereitenden Schriftsätzen geltend gemacht, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen das Fehlerverhalten nicht erfasst werde. Diese Behauptung ist aber bereits im Hinblick auf die eigenen Darstellungen der Beklagten nicht nachvollziehbar. Die Beklagten stellen in dem als Anl. K 12 zur Akte gereichten Werbeprospekt zu den angegriffenen Ausführungsformen auf Seite 2 in der linken Spalte selber dar, dass die Reaktion des Schutzrelais in Echtzeit synchron zur Signalausgabe erfasst und direkt ausgewertet wird. Zugestanden wird daneben, dass das Betriebsverhalten erfasst wird. Wieso eine Prüfeinrichtung die für die Prüfung maßgebliche Größe des Fehlerverhaltens gerade nicht erfassen soll, ist unerfindlich. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter hierzu – den Prospektangaben entsprechend – ausgeführt, dass die angegriffenen Ausführungsformen prüften, ob das Schutzrelais richtig arbeite oder nicht. Dies impliziert aber gerade, dass auch das Fehlerverhalten erfasst wird, wenn letzteres geprüft wird. Soweit der Beklagtenvertreter zu diesem Merkmal weiter ausgeführt hat, dass die Beklagten den Transformator, der von dem Schutzrelais geschützt werden soll, für die Prüfung des Relais gar nicht benötigten, hat dies erkennbar nichts mit der Verwirklichung dieses Merkmals oder der technischen Lehre des klagepatentgemäßen Verfahrens zu tun, da der Transformator gerade nicht Gegenstand der Prüfung ist, sondern nur die Schutzeinrichtung. Es stellt lediglich einen Vorteil der Erfindung dar, dass die Schutzeinrichtung auch geprüft werden kann, wenn sie sich bereits im Betrieb, d.h. in den Transformator-Stromkreis eingebunden befindet, eine Bedingung ist dies aber gerade nicht.

4.
Hinsichtlich des Merkmals 5., wonach das Betriebs- und Fehlerverhalten entsprechend den spezifizierten Toleranzangaben der Schutzeinrichtung ausgewertet werden sollen, kann auf die vorstehenden Ausführungen zu 3. verwiesen werden, da sich der Vortrag der Beklagten darauf beschränkt hat, dass entsprechend der eigenen Ausführungen das nicht erfasste Fehlerverhalten auch nicht ausgewertet werden könne.

5.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal 7 verwirklichten, welches erfordert, dass die Vorgabe der Prüfströme unter Verwendung der Auslösekennlinie (68) IDIFF = f (ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom erfolge, hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zugestanden. Aufgrund dessen erübrigen sich auch hierzu weitere Ausführungen sowie ein Verweis auf Seite 97 der Anl. K 16, Nr. 4.5.3..

6.
Die Merkmalsgruppe 8. befasst sich mit der Ausgabe der notwendigen sekundären Prüfströme, die in Abhängigkeit

a) vom simulierten Betriebsmittel,
b) der Stromwandlerverhältnisse,
c) der Fehlerart und
d) des Fehlerortes

von der Prüfeinrichtung berechnet werden.

zu a)
Das Bestreiten hinsichtlich der Berechnung des sekundären Prüfstromes in Abhängigkeit von den simulierten Betriebsmitteln (Merkmalsgruppe a)) beschränkt sich ebenfalls wiederum auf die Ansicht, dass das Klagepatent fordere, dass die Betriebsmittel insgesamt simuliert werden müssten. Insoweit kann an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen zu III.1. verwiesen werden.

zu b)
Die Beklagten gestehen zu, dass die angegriffenen Ausführungsformen „allenfalls“ eine Berechnung in Abhängigkeit der Stromwandlerverhältnisse durchführen, so dass weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.

zu c)
Nach diesem Teilmerkmal soll die Prüfeinrichtung automatisch die notwendigen sekundären Prüfströme in Abhängigkeit der Fehlerart ausgeben. An Fehlerarten sind beispielsweise Kurzschlüsse zwischen zwei leitenden Bauteilen oder Leitungen
denkbar oder etwa Erdschlüsse von einem der leitenden Elemente. Jede dieser Fehlerarten verursacht unterschiedliche Fehlerströme, die von dem Schutzrelais jeweils erkannt werden müssen, wenn ein effektiver Schutz erreicht werden soll.

Im Hinblick auf den zur Akte gereichten Screenshot gem. Anlage K 29 ist das Bestreiten der Verwirklichung des Merkmals 8)c) nicht ausreichend. Es ist unzutreffend, dass eine Berechnung des sekundären Prüfstromes in Abhängigkeit der Fehlerart in der Prüfeinrichtung nicht stattfindet. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist mit dem Klagepatent nicht gefordert, dass der Bediener die Fehlerart frei wählen und eingeben können soll. Ebenso wenig ist zwingend vorausgesetzt, dass alle möglichen und/oder bestimmte Fehlerarten (separat) berücksichtigt werden müssen. Eine solche Auswahl- / Eingabemöglichkeit würde den Bedienkomfort und die Prüfvielfalt sicherlich erhöhen, sie ist aber zur Verwirklichung der Schutzrechtslehre technisch nicht zwingend. Aus dem Screenshot ist jedoch ersichtlich, dass eine bestimmte Fehlerart angegeben wird. Hierbei handelt es sich um einen Kurzschluss auf allen drei Leitungen L1-L2-L3. Unter Berücksichtigung eines solchen „simulierten“ Fehlers wird dann die entsprechende Fehlerstromgröße ausgegeben, um das Betriebsverhalten des Schutzrelais überprüfen zu können. Dies ist aber gerade das, was das Klagepatent fordert. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, einfach zu bestreiten, dass eine Berechnung nach der Fehlerart stattfindet. Wäre dies so, dann wäre nicht einsichtig, wieso die Fehlerart überhaupt angegeben wird. Wobei es gerade nicht darauf ankommt, ob diese Fehlerart eingegeben werden muss oder etwa als Programmbestandteil fest installiert wurde.

zu d)
Die angegriffenen Ausführungsformen berechnen die Prüfströme auch in Abhängigkeit des Fehlerortes. Zwar ist den Beklagten zuzustimmen, dass diese Abhängigkeit nicht unmittelbar den als Anlagen K 26 – K 29 zur Akte gereichten Screenshots zu entnehmen ist. Die Klägervertreter haben aber in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass es sich bei dieser Abhängigkeit ebenfalls um einen zwingend zu berücksichtigenden Parameter handelt. Bei dem angegriffenen Prüfverfahren können für die Sequenzprüfung verschiedene Vorgaben gewählt und eingestellt werden. Bei der Sequenzart „test_15“ werden ein Start und ein Schlusswert für die Größe ISTAB eingegeben und die Anzahl der in diesem Bereich zu prüfenden Stromgrößen. Für jede zu prüfende Stromgröße kann dann gewählt werden, wie viele Testpunkte gesetzt werden sollen. Wie vorstehend ausgeführt, ist die Fehlerart bei den angegriffenen Ausführungsformen fest voreingestellt. Diese Fehlerart, Kurzschluss an allen drei Leitern L1 – L2 – L3, kann aber entweder innerhalb des (beispielsweise) Transformators auftreten oder außerhalb dieses Bauteiles im allgemeinen Netz. Je nachdem, wo der Fehlerort liegt, ergeben sich aber ganz unterschiedliche Werte für den Primär- und/oder den Sekundärstrom, so dass die Ausgabe eines bestimmten Stromwertes, wie dies bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolgt, zwingend auch eine Voreinstellung des Fehlerortes bedingt, da man ansonsten nicht zu der Ausgabe eines Prüfstromes gelangen könnte.

Aufgrund dieser zwingend gegebenen Kausalität ist das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend. Es hätte ihr vielmehr oblegen, darzutun, wie die angegriffenen Ausführungsformen auf andere – nicht patentgemäße – Weise zu der Bestimmung der auszugebenden Stromgrößen gelangen, wenn eine verlässliche und realitätstreue Prüfung erfolgen soll.
7.
Aufgrund des Rückbezuges des Merkmals 9 hinsichtlich der Prüfströme, die an das Differentialschutzrelais ausgegeben werden, ist wegen der Frage der Verletzung auf die vorstehenden Ausführungen zu 6. zu verweisen, da das Bestreiten der Beklagten sich auch alleine auf diesen Rückbezug beschränkt. Die Ausgabe eines Prüfstromes als solchen an das Relais bestreiten auch die Beklagten nicht.

IV.
Der Vertrieb der angegriffenen B-Prüfeinrichtungen und der angegriffenen Software J verletzen die technische Lehre des Klagepatents zudem jeweils mittelbar.

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

1.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen.

a)
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es – wie vorliegend – Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler).

Dies bezieht sich vorliegend auch auf die Software, die ausdrücklich in Merkmal 2 benannt wurde.

b)
Mit den angegriffenen Ausführungsformen kann, wie zwischen den Parteien zu Recht außer Streit steht, ein Verfahren zur Prüfung von Schutzeinrichtungen von Betriebsmitteln durchgeführt werden (Merkmal 1).

c)
Den vorstehenden Ausführungen unter III. folgend handelt es sich bei den Prüfeinrichtungen (mit der angegriffenen Software DIFF Monitor) um solche, mit denen wortsinngemäß auch die Verfahrensmerkmale 2 bis 9 des Anspruchs 1 verwirklicht werden können.

2.
Die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung sind gegeben.
§ 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen und/oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Offensichtlichkeit ist dabei anzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat; OLG Düsseldorf, InstGE 9, 66 – Trägerbahnöse). Verlangt ist ein hohes Maß an Voraussehbarkeit der Bestimmung der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung seitens der Angebotsempfänger oder Abnehmer der Mittel (BGH, GRUR 2001, 228 – Luftheizgerät; BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug).

Dies zugrundegelegt ist vorliegend die erforderliche Offensichtlichkeit anzunehmen. Dies folgt aus den zahlreichen von der Klägerin zitierten Textstellen in den Internet-Auftritten sowie dem Benutzerhandbuch gem. Anl. K16, in welchem ausdrücklich jeweils die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens dargestellt wird. Das Benutzerhandbuch bezieht sich insgesamt auf die Automatischen Relais-Prüfsysteme der Beklagten mit der Bezeichnung A. Bereits in diesem Handbuch, welches nicht speziell zu der Benutzersoftware „J“ ausgegeben wird, werden in dem Abschnitt 4 alle zur Verfügung stehenden Prüfmonitore dargestellt und in ihren Einsatzmöglichkeiten vorgestellt. Hierunter befindet sich eben auch der „J“ in Unterabschnitt 4.5. Zudem wird in dem Prospekt nach Anlage K 12 die „B Familie“ beworben und gerade die Vorzüge des modularen Softwarepaketes herausgestellt. Zusätzlich zu der Standardsoftware bietet nach den dortigen Angaben

„die A-Software verschiedene komfortable, speziell auf die Überprüfung unterschiedlicher Schutzfunktionen abgestimmte Prüfmonitore. Mit diesen können Prüfungen unterschiedlicher Relais vereinfacht, automatisiert und damit deutlich beschleunigt werden.“ (Anl. K 12, Bl. 5 linke Spalte)

Der „J“ bietet den dortigen Angaben zufolge die vollautomatische Prüfung von Differentialschutzrelais.

Aufgrund dessen ist es offensichtlich, dass der Abnehmer, der ein Prüfsystem für Differentialschutzrelais erwerben will, eben auch diese Software dazu erwerben wird, um dann die gewünschten Prüfungen in patentgemäßer Weise durchführen zu können.

V.
Die Beklagte zu 2. ist für die geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert.

Sie rügt hinsichtlich ihrer Passivlegitimation, dass die Klägerin keinen schlüssigen Vortrag dazu gebracht habe, dass die Beklagte zu 2. selber die technische Lehre des Klagepatents verletzt. Der Internet-Auftritt der Beklagten zu 1. gem. Anl. K 25 und die dortigen Angaben zu der Beklagten zu 2. mit dem folgenden Inhalt:

„H GmbH

(…)
Wir bieten umfassende Dienstleistungen in folgenden Bereichen an:

 Planung
 Projektierung und Inbetriebnahme
 Revisionsprüfungen
 Störungsanalyse
 Aus- und Weiterbildung“

könne ihr nicht zugerechnet werden, da die Beklagte zu 1. die Verantwortung für diese Internet-Seite habe.

Es ist für die schlüssige Behauptung einer patentverletzenden Handlung jedoch ausreichend, darzutun, dass die Beklagte zu 2. in der Bundesrepublik Deutschland umfassende Dienstleistungen im Bereich der Revisionsprüfungen und Störungsanalyse anbietet. Hierfür bedarf es, solange diese Behauptung nicht bestritten wird, nicht einmal eines Nachweises. Um sich des Vorwurfs einer Behauptung ins Blaue hinein zu entheben, kann ein entsprechender Beleg zur Akte gereicht werden.

Wird eine solche Behauptung – wie vorliegend – aufgestellt, ist es unerheblich, ob zum Nachweis für diese Tatsache auf eine eigene Verlautbarung der Beklagten zu 2., auf eine solche der Beklagten zu 1. oder eines anderen Dritten abgestellt wird.

Hierauf ist der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung durch die Kammer hingewiesen worden. Die tatsächliche Behauptung der Klägerin hat er gleichwohl nicht bestritten, sondern lediglich die Rechtsansicht der Beklagten wiederholt, dass der Vortrag der Klägerin nicht ausreichend substantiiert sei.

Die Behauptung der Klägerin hat in Ermangelung eines Bestreitens durch die Beklagte mithin als zugestanden zu gelten, § 138 Abs. 3 ZPO.

VI.
Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Klageansprüche wie folgt:

1.
Die Beklagten sind der Klägerin gem. Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 9, 10 PatG im beantragten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet.
Hinsichtlich der eigenen unmittelbaren Patentverletzung sind die Beklagten uneingeschränkt zur Unterlassung zu verurteilen. Soweit sich der Unterlassungsantrag auf die mittelbare Verletzung durch Angebot und Vertrieb der Software bezieht, ist eine uneingeschränkte Untersagung auszusprechen, da nicht ersichtlich ist, dass der J auch in anderer, nicht patentverletzender Weise Verwendung finden kann.

Bezüglich der mittelbaren Patentverletzung durch den isolierten Vertrieb der Prüfeinrichtungen B kommt hingegen nur – wie beantragt – eine eingeschränkte Verurteilung in Betracht, da diese Prüfeinrichtungen auch mit anderen Prüfprogrammen als dem J eingesetzt werden können. Die Ausgestaltung des Warnhinweises war im Anschluss an die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in der geschehenen Weise konkreter zu fassen.

Zurückzuweisen war die Klage jedoch insoweit, als die Klägerin darüber hinaus begehrt hat, dass die Beklagten im Falle der Lieferung mit ihren Abnehmern ein Vertragsstrafeversprechen zugunsten der Klägerin vereinbaren. Es ist nicht ersichtlich, dass die gewerblichen Abnehmer nicht bereits aufgrund des Warnhinweises davon Abstand nehmen werden, das erfindungsgemäße Verfahren ohne Zustimmung der Klägerin anzuwenden. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung hierzu geltend gemacht, dass die besondere Form des Vertriebs durch Außendienstmitarbeiter befürchten lasse, dass die Außendienstmitarbeiter diesen Warnhinweis gegenüber den Kunden der Beklagten derart „abschwächten“, dass diese Warnung nicht mehr ernst genommen werde. Dies stellt aber eine bloße Mutmaßung dar, die den Außendienstmitarbeitern der Beklagten ein doloses Verhalten unterstellt, für das es keine konkreten Anhaltspunkte gibt.

2.
Mit Rücksicht auf die bereits vorgefallenen Angebots- und Vertriebshandlungen haften die Beklagten der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG gesamtschuldnerisch (§ 840 BGB) auf Schadenersatz. Sie haben schuldhaft gehandelt. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten dies bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Die Klägerin hat deshalb ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).

Der mittelbare Verletzer hat denjenigen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die unmittelbare Patentverletzung entsteht. Ausreichend für eine schlüssige Darlegung eines Schadenersatzanspruches ist es, wenn nach der Lebenserfahrung eine hinreichend Wahrscheinlichkeit einer unter Verwendung des Mittels begangenen Verletzungshandlung besteht (BGH, GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; LG Düsseldorf, 4b O 220/06, Urteil vom 22.02.2007 – Handyspiele). Im vorliegenden Fall sprechen das von den Beklagten verfasste Benutzerhandbuch gem. Anl. K 16 sowie die Internet-Angebote bereits dafür, dass es unter Verwendung der von den Beklagten zur Verfügung gestellten angegriffenen Ausführungsformen zur tatsächlichen Durchführung des patentgemäßen Verfahrens gekommen ist.

Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch für das in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichte Klagepatent findet seine Rechtsgrundlage in Art. II § 1
IntPatÜG.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, schulden die Beklagten Auskunft und Rechnungslegung (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Hinsichtlich der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger).

In Bezug auf diesen Anspruch war die Klage jedoch insoweit abzuweisen, als dass die Klägerin zusätzlich die Angabe der Anschriften der Empfänger direkter Werbung, wie etwa Rundschreiben, verlangt hat. Im Rahmen des Rechnungslegungsanspruchs hat der Schuldner alle diejenigen Einzelheiten mitzuteilen, die der Schutzrechtsinhaber für die Ermittlung der betreffenden Leistungsansprüche und für eine zumindest stichprobenweise Überprüfung der gemachten Angaben auf ihre Richtigkeit benötigt. Hierfür ist aber die begehrte detaillierte Angabe von Anschriften von Empfängern von Rundschreiben nicht erforderlich. Eine Plausibilitätsprüfung der gemachten Angaben anhand der geschuldeten Angaben zu Anzahl und Menge der Werbung ist der Klägerin aber ohne weiteres ohne zusätzliche Angaben möglich. Hiermit kann auch das wirkliche Werbevolumen festgestellt werden, was – wie der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung ausführte – Beweggrund für diese Art der Antragsfassung gewesen sei. Insoweit sind im übrigen auch schützenswerte Interessen der Beklagten anzuerkennen, die ihre Kundenadressen nicht ohne nähere Anhaltspunkte für Patentverletzungen preisgeben müssen.

VII.
Eine Aussetzung des Verfahren kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht in Betracht.
Nach der Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine dem Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.
Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Verhalten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

1.
Es erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent wegen einer unzulässigen Erweiterung gem. Art. 138 (1) c) EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG vernichtet werden wird.

Begründet wird dies von der Beklagten zu 1. im anhängigen Nichtigkeitsverfahren damit, dass es hinsichtlich des erteilten Anspruchs 1 in dessen Merkmal 7:

dass die Vorgabe der Prüfströme unter Verwendung der Auslösekennlinie (68) IDIFF = f (ISTAB) erfolgt, mit IDIFF = Differentialstrom und ISTAB = Stabilisierungsstrom erfolgt

zunächst in der veröffentlichten WO-Schrift gem. Anl. K 2, die als ursprüngliche Offenbarung heranzuziehen ist, in deren Anspruch 4 hieß:
dass die Vorgabe der Prüfgrößen in der transformierten Ebene der Auslösekennlinie IDIFF = f(ISTAB) bzw. der angepassten transformierten Ströme IS= f(IP) erfolgt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten findet sich die entsprechende Offenbarung des nunmehr erteilten Wortlauts jedoch in den von der Klägerin bezeichneten Beschreibungsstellen der NK 2, nämlich auf Seite 16 Z. 20 – 24 einerseits und den folgenden Ausführungen auf Seite 17, insbesondere den Zeilen 16 – 26. Der Fachmann kann diesen Beschreibungsstellen bei verständiger Würdigung gerade den Wortlaut entnehmen, der im Erteilungsverfahren Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden hat.
2.
Die Erfindung in dem Klagepatent ist für den Fachmann auch so offenbart, dass dieser sie ausführen kann, Art. 138 Abs. 1 b) EPÜ. Insoweit machen die Beklagten geltend, dass es dem Klagepatent an einer Anweisung fehle, wie die Prüfströme zu errechnen seien. Es fehle an der Angabe einer entsprechenden Formel. Dem steht jedoch entgegen, dass der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit abgeschlossenem Hochschul- oder Fachhochschulstudium mit dem Studienschwerpunkt elektrische Messtechnik und mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Planung und Konzeption von elektrischen Messgeräten zur Funktionsüberprüfung von elektrischen Bauteilen, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, in Kenntnis der entsprechenden Parameter eine Gleichung anzugeben, nach der sich die auszugebenden Prüfströme rechnerisch bestimmen lassen.
3.
Die Entgegenhaltungen, auf die sich die Beklagten hinsichtlich des Arguments der fehlenden Erfindungshöhe beziehen, liegen im Wesentlichen nicht in deutscher Übersetzung vor, obwohl die Beklagten bereits im frühen ersten Termin auf das Übersetzungserfordernis hingewiesen wurden. Diese Vorlage ist erforderlich, weil die Kammer für die von ihr anzustellende Prognoseentscheidung in der Lage sein muss, die Entgegenhaltungen selber auf ihren gesamten Offenbarungsgehalt hin zu überprüfen.
Eine nur teilweise Übersetzung ist insoweit ebenfalls nicht ausreichend. Soweit die Beklagten in der Duplik 3 Fragmente aus der NK 11 übersetzt haben, ist aus diesen Stellen nicht einmal erkennbar, ob sich die herangezogenen Textstellen auf die selbe „Charakteristik“ beziehen. Ebenso fehlt es an einer Erläuterung dazu, dass hiermit eine erfindungsgemäße „Auslösekennlinie“ gemeint sein soll.
Eine in deutscher Sprache zur Verfügung stehende Entgegenhaltung ist zunächst der als Anlage K 7 zur Akte gereichte Aufsatz von Igel et al., der vorstehend unter II. als Stand der Technik zitiert wurde. Eine für die Beklagten günstige Prognose des Ausgangs des Nichtigkeitsverfahrens scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil es sich bei dieser Veröffentlichung um in dem Erteilungsverfahren des Klagepatents berücksichtigten und gewürdigten Stand der Technik handelt. Die Beklagte zu 1. führt in ihrer Nichtigkeitsklage selber aus, dass diese Entgegenhaltung Anlass gewesen sei, die Merkmale des ursprünglichen Unteranspruchs 4 in den Hauptanspruch mit aufzunehmen. Gleichwohl sei dem Fachmann aus einer Kombination der – ebenfalls in deutscher Sprache vorliegenden – Entgegenhaltung NK 19 (EP 0561XXX) mit der Entgegenhaltung nach Anlage K 7 nahegelegt, das erfindungsgemäße Verfahren aufzufinden. Die NK 19 befasst sich mit einem Verfahren zur Ermittlung von IST-Auslösekennlinien von Schutzrelais. Sie beschreibt ein Verfahren, mit dem – ausgehend von einer theoretischen Auslösekennlinie – an einem Schutzrelais schnell festgestellt werden kann, wie der tatsächliche Verlauf der Auslösekennlinie ist. Diese Kennlinie ist bei dem Verfahren nach dem Klagepatent aber nicht Gegenstand der Prüfung, sondern stellt nur einen Parameter dar, anhand dessen die Funktionalität des Differentialschutzrelais überprüft werden kann. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, wie der Fachmann ausgehend von dieser Entgegenhaltung unter Heranziehung der Aufsatzes gem. Anl. K 7 zu der technischen Lehre des Klagepatents gelangen soll. Die Ausführungen der Beklagten scheinen insoweit nicht frei von einer – unzulässigen – rückschauenden Betrachtungsweise zu sein.

VIII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin war nur gering und hat keine besonderen Kosten verursacht. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO.