Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Dezember 2008, Az. 4b O 269/08
I.
Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl vom 10.11.2008 wird aufgehoben.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungskläger.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
Der Verfügungskläger macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Ansprüche wegen Verletzung des am 11.08.2004 angemeldeten und am 05.01.2005 eingetragenen Gebrauchsmusters DE 20 2004 012 XXX (Anlage P 5) sowie des am 18.08.2008 angemeldeten und am 23.10.2008 eingetragenen Gebrauchsmusters DE 20 2008 011 XXX (Anlage P 6) geltend. Beide Gebrauchsmuster betreffen verbesserte Straßen- oder Bodeneinläufe mit Rückhalteeinrichtungen für Leichtflüssigkeiten. Eingetragene Inhaberin beider Gebrauchsmuster ist die A S.L., Marbella / Malaga / Spanien.
Die A S.L. und die B GmbH schlossen mit der Verfügungsbeklagten im Oktober 2007 einen Lizenzvertrag für den Vertrieb von C. Dem Lizenzvertrag lagen als Vertragsschutzrechte eine europäische sowie eine deutsche Patentanmeldung der A S.L. (Lizenzgeberin) zugrunde. Die Herstellung der Vertragsprodukte, der C, oblag der B GmbH. Der Vertrieb wurde der Verfügungsbeklagten als Lizenznehmerin übertragen. Der Lizenzvertrag endete durch Kündigung zum 01.10.2008.
Der Verfügungskläger suchte am 18.10.2008 das Betriebsgelände, auf dem sich die von der Verfügungsbeklagten genutzte Halle befindet, auf und fotografierte u.a. durch das Fenster das Innere der Halle. Am 08.11.2008 begab sich der Verfügungskläger erneut zu diesem Betriebsgelände und fotografierte vier Paletten mit versandfertigen Produkten.
Mit Schriftsatz vom 10.11.2008, dem u.a. die erwähnten Fotografien beigefügt waren, stellte der Verfügungskläger beim Amtsgericht Waldbröl einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Amtsgericht Waldbröl erließ am selben Tage ohne Anhörung der Verfügungsbeklagten antragsgemäß per Beschluss eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Verfügungsbeklagten untersagt wurde „C-Produkte, für welche der Antragsteller und/oder die A Consulting SL C/.D, Spanien Schutzrechte besitzt (Straßen- oder Bodeneinlauf mit Rückhalteeinrichtung für Leichflüssigkeiten; Sickerschacht) herzustellen, zu vertreiben oder in Verkehr zu bringen“. Zur Begründung führte das Amtsgericht u.a. aus, der Sachverhalt ergebe sich aus der Antragsschrift, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werde. Wegen des weitergehenden Inhalts des amtsgerichtlichen Beschlusses wird auf Blatt 4 bis 6 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Beschluss des Amtsgerichts Waldbröl, mit dem die beglaubigte Abschrift des Antrages auf einstweilige Verfügung verbunden wurde, wurde dem Verfügungskläger am 10.11.2008 persönlich ausgehändigt. Die Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Verfügungsbeklagte erfolgte am 11.11.2008.
Mit Schriftsatz vom 11.11.2008 – beim Landgericht Düsseldorf am 12.11.2008 eingegangen – legte die Verfügungsbeklagte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Waldbröl Widerspruch ein und beantragte zudem die Aufhebung wegen veränderter Umstände.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte verletze das schutzfähige Gebrauchsmuster DE 20 2004 012 XXX (Anlage P 5) ebenso wie das schutzfähige Gebrauchsmuster DE 20 2008 011 XXX (Anlage P 6). Die von der Verfügungsbeklagten hergestellten Produkte seien Nachbauten der Patentgegenstände. Zudem habe die Verfügungsbeklagte – insoweit unstreitig – bis zum 17.11.2008 die C-Produkte unverändert im Internet angeboten. Zur Geltendmachung der daraus folgenden Unterlassungsansprüche sei er prozessführungsbefugt. Die einstweilige Verfügung sei der Verfügungsbeklagten ordnungsgemäß vollzogen worden, insbesondere seien die von ihm gefertigten Fotografien übergeben worden.
Der Verfügungskläger beantragt,
die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Waldbröl vom 10.11.2008 aufrecht zu halten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag des Verfügungsklägers vom 10.11.2008 zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, bei Zustellung der einstweiligen Verfügung hätten sämtliche Fotos, die als Anlagen im Antrag angeführt und diesem beigefügt gewesen sein sollen, gefehlt. Zwischenzeitlich seien an ihre Verfahrensbevollmächtigten zwar Anlagen übersandt worden, nicht jedoch die Fotos. Darüber hinaus bestreitet die Verfügungsbeklagte die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers sowie eine Verletzung der geltend gemachten Schutzrechte. Sie stelle her und vertreibe ein neues Produkt, welches auf einer völlig anderen Bauform basiere, die nicht den Merkmalen der in Rede stehenden Schutzrechte entspreche. Sie beruft sich des weiteren auf Erschöpfung und bemängelt widersprüchliches Verhalten des Verfügungsklägers. Die Änderung der Internetseite habe sie umgehend in Auftrag gegeben. Es sei schließlich kein Verfügungsgrund zu erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl vom 10.11.2008 ist aufzuheben. Der Antrag auf Aufhebung gemäß § 927 ZPO wegen veränderter Umstände ist zulässig und begründet. Der nach den §§ 936, 940, 924 Abs. 1 ZPO statthafte Widerspruch gegen den Beschluss hat in der Sache Erfolg.
I.
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO ist zulässig. Zwischenzeitlich ist die Hauptsacheklage – Aktenzeichen 4b O 276/08 – bei der Kammer anhängig (§ 927 Abs. 2 ZPO).
Der Antrag ist begründet. Der Verfügungskläger hat die Vollziehungsfrist von einem Monat (§§ 929 Abs. 2, 936 ZPO) nicht gewahrt, so dass es an einer Wirksamkeitsvoraussetzung der Beschlussverfügung fehlt.
Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl vom 10.11.2008 ist dem Verfügungskläger unstreitig am selben Tage persönlich ausgehändigt und damit zugestellt worden. Die Vollziehungsfrist begann folglich am 10.11.2008 und endete mit Ablauf des 10.12.2008. Dass bis zu diesem Tage der Verfügungsbeklagten eine vollständige Ausfertigung der einstweiligen Verfügung zugestellt wurde, die auch die als Anlage zur Antragsschrift eingereichten Fotografien umfasste, ist nicht festzustellen. Der Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl vom 10.11.2008 ist lediglich eine feste Verbindung der beglaubigten Abschrift des Antrages auf einstweilige Verfügung mit dem Beschluss zu entnehmen (Blatt 6 der Gerichtsakte), nicht aber auch eine feste Verbindung mit sämtlichen Anlagen der Antragsschrift. In dem Zustellungsprotokoll des Gerichtsvollziehers heißt es nur: „In obiger Sache erfolgte die Zustellung der einstweiligen Verfügung am 11.11.2008.“ (Blatt 8 der Gerichtsakte). Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, sie habe die Fotografien zu keinem Zeitpunkt erhalten. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Verfügungskläger hat hierauf lediglich entgegnet, seines Wissens nach seien die Fotografien mitübergeben worden. Wann, wie und durch wen dies erfolgt sein soll, hat er nicht näher dargelegt. Dies war unzureichend. Er hat für seine – bestrittene – Behauptung zudem keine Beweismittel angeboten. Der Nachweis einer fristgerechten Vollziehung ist von seiner Seite demnach nicht geführt.
Soweit der Verfügungskläger vorgebracht hat, es komme auf die fristgerechte Zustellung auch der Fotografien nicht an, weil die Verfügungsbeklagte die von ihr hergestellten Produkte kenne, ist dies unzutreffend. Mit der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung dokumentiert zum einen der Gläubiger seinen Willen, von der erwirkten Verfügung Gebrauch zu machen. Zum anderen wird der mit einer – ohne vorherige Anhörung erlassenen – Beschlussverfügung auf Unterlassung in Anspruch genommene Schuldner erstmals davon in Kenntnis gesetzt, welcher Rechtsverstoß ihm vorgeworfen wird und welche konkrete Handlung ihm untersagt ist. Der Schuldner wird dadurch (erstmalig) in die Lage versetzt, die Vorwürfe zu überprüfen und sein Handeln in Kenntnis des Durchsetzungswillens des Gläubigers darauf einzustellen. Dies bedingt, dass er vollständig informiert wird. Dass er die von ihm begangene Handlung – naturgemäß – als solche bereits kennt, ist ohne Belang (zur erforderlichen vollständigen Zustellung: OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 986; OLG München NJW-RR 2003, 1722; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 929 Rn. 13 m. w. Nachw.).
Ausgehend hiervon ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beschlussverfügung des Amtsgerichts Waldbröl mit Blick auf den Sachverhalt ausdrücklich Bezug auf die Antragsschrift nimmt. Eigenständige Ausführungen zum vorgeworfenen Verletzungstatbestand enthält der Beschluss nicht, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht. Dem Beschluss selbst ist deshalb nicht zu entnehmen, welche (vermeintlich rechtswidrigen) Handlungen der Verfügungsbeklagten untersagt wurden. Dies erschließt sich – in dem hier relevanten Punkt – auch nicht durch die Bezugnahme auf die Antragschrift allein. In dieser ist keine aussagekräftige Erläuterung zum Verletzungsgegenstand enthalten.
II.
Der zulässige Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Waldbröl ist ebenfalls begründet. Ein Unterlassungsanspruch wegen Gebrauchsmusterverletzung, den der Verfügungskläger im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann, ist auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht festzustellen. Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 24 Abs. 1 GebrMG scheitert bereits an dem fehlenden Nachweis des Verfügungsklägers, aktiv legitimiert zu sein.
Eingetragene Inhaberin der streitgegenständlichen Gebrauchsmuster DE 20 2004 012 XXX (Anlage P 5) und DE 20 2008 011 XXX (Anlage P 6) ist die A S.L.. Dass diese den Verfügungskläger ermächtigt hat, im eigenen Namen die Rechte aus den genannten Schutzrechten geltend zu machen, ist seitens des Verfügungsklägers nicht ausreichend dargelegt und sodann glaubhaft gemacht worden.
Im Schriftsatz vom 5.12.2008 hat der Verfügungskläger vorgetragen, er sei von der Schutzrechtsinhaberin zur Prozessführung ermächtigt. Eine entsprechende Bestätigung sei als Anlage P 2 dem Schriftsatz beigefügt. Eine Anlage P 2 wurde jedoch tatsächlich nicht zur Akte gereicht; auch nicht in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2008.
In diesem Termin überreichte der Verfügungskläger vielmehr eine auf den 18.12.2008 datierte Ermächtigung der A S.L.. In dieser überträgt der Verfügungskläger als Geschäftsführer der A S.L. die Prozessführungsbefugnis hinsichtlich der im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Schutzrechtsansprüche auf sich selbst. Die Verfügungsbeklagte hat die Wirksamkeit dieser Ermächtigung erheblich bestritten. Es sei nicht dargetan, dass der Verfügungskläger derzeit alleiniger und damit vertretungsbefugter Geschäftsführer der A S.L. sei. Angesichts dessen oblag es dem Verfügungskläger, dies darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies gelang ihm nicht. Er trug lediglich vor, er sei seit 2005 alleiniger Geschäftsführer und es habe im November 2008 einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter bezüglich der Ermächtigung gegeben. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen pauschal ist und mit der dem Gericht als Kopie überreichten Satzung der A S.L., die vom 12. März 2005 datiert und in der nach Artikel 12 unter Paragraph 3 angegeben ist, dass der Verfügungskläger als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft im Mai 2003 abberufen wurde, schwer in Einklang zu bringen ist, konnte der Verfügungskläger seinen Vortrag nicht mittels schriftlicher Urkunden belegen. Seine Bereitschaft, derartige Unterlagen nachzureichen, genügt nicht. Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers hatte die Verfügungsbeklagte bereits schriftsätzlich bestritten; die Gewährung einer Schriftsatzfrist verbietet sich überdies angesichts des Eilcharakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Schließlich mangelt es an der Darlegung, dass das aus der vorgelegten Ermächtigung vom 18.12.2008 ersichtliche Insichgeschäft nach spanischem Recht zulässig ist.
Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung der weiteren zwischen den Parteien strittigen Fragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.