4b O 268/06 – Kompakt-Luftschleiergerät

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 915

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Februar 2008, Az. 4b O 268/06

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Kompakt-Luftschleiergeräte mit einem Gehäuse, wenigstens einem in dem Gehäuse angebrachten Gebläse, wenigstens einer in dem Gehäuse anströmseitig des Gebläses angeordneten Luftansaugöffnung und einer in einer Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) abströmseitig des Gebläses angeordneten Einrichtung zur Erzeugung eines schwenkbaren Luftschleiers,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen in der Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) ein Düsenkörper von zylindrischer Kontur angeordnet ist, und der Düsenkörper aus zwei Zylindersegmenten besteht, die als Strangpress-Hohlprofilstücke ausgebildet sind und an ihren Enden durch kreisförmige Stirnwandungen unter Bildung eines in Strömungsrichtung der Luft konvergenten, durchgehenden Düsenschlitzes verbunden sind;

2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den zu Ziffer 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei

aa) die Angaben zu a) bis d) für die Zeit ab dem 02.12.1995 und die Angaben zu e) für die Zeit ab dem 14.11.1999 zu machen sind,

bb) der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1. der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 02.12.1995 bis zum 13.11.1999 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 14.11.1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 20 % und der Beklagten zu 80 % auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VI. Der Streitwert wird auf 450.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 44 15 xxx C2 (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage K 1). Die Offenlegung der Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 02.11.1995. Am 14.10.1999 wurde die Erteilung des Klagepatents veröffentlicht.

Am 15.01.2008 reichte die Beklagte die aus der Anlage B9` ersichtliche Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent ein.

Der für den vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

„Kompakt-Luftschleiergeräte mit einem Gehäuse, wenigstens einem in dem Gehäuse angebrachten Gebläse, wenigstens einer in dem Gehäuse anströmseitig des Gebläses angeordneten Luftansaugöffnung und einer in einer Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) abströmseitig des Gebläses angeordneten Einrichtung zur Erzeugung eines schwenkbaren Luftschleiers, bei denen in der Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) ein Düsenkörper von zylindrischer Kontur angeordnet ist und der Düsenkörper aus zwei Zylindersegmenten besteht, die als Strangpress-Hohlprofilstücke ausgebildet sind und an ihren Enden durch kreisförmige Stirnwandungen unter Bildung eines in Strömungsrichtung der Luft konvergenten, durchgehenden Düsenschlitzes verbunden sind.“

Nachfolgend eingeblendet sind die Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift. Die Figur 1 zeigt eine Kaltluftschleieranlage im Querschnitt, die Figur 2 enthält eine vergrößerte Darstellung der Zylindersegmente.

Die Beklagte bietet unter der domain A.com unter anderem in deutscher Sprache Lüftungs- und Ventilationssysteme, darunter das Luftschleiergerät Typ B (siehe Anlage K 5), für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland an; auf die als Anlage K 4 vorgelegten Auszüge des Internetauftritts der Beklagten wird verwiesen. Nachfolgend wird hieraus eine Ausschnittskopie aus der Dokumentation „B A complete range of REAL air curtains“ eingeblendet, die die Funktionsweise der Luftschleiergeräte des Typs B veranschaulicht.

Als Verkaufsstelle ihrer Produkte in Deutschland benennt die Beklagte im Rahmen ihres Internetauftritts die C GmbH, auf deren Handelshof ein Mitarbeiter der Klägerin die aus der Anlage K 6 ersichtlichen Lichtbildaufnahmen machte; nachfolgend wird die Seite 7 dieser Dokumentation wiedergegeben, welche eine Nahaufnahme der Düse eines von der Beklagten stammenden Luftschleiergerätes zeigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Unter anderem weise die angegriffene Ausführungsform auch einen „durchgehenden“ Düsenschlitz auf.

Nach teilweiser Klagerücknahme – soweit sie ursprünglich auch Verurteilung zur Herstellungsunterlassung sowie bereits für die Zeit ab dem 02.12.1995 Auskunft und Rechnungslegung auch zu den Daten gemäß Ziffer I. 2e) des Tenors begehrt hat -,

beantragt die Klägerin zuletzt,

im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie zusätzlich einen Antrag auf Vernichtung gem. § 140a PatG gestellt hat.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen,
3. weiter hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

Die Beklagte meint, der Düsenschlitz sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht „durchgehend konvergent“ im Sinne des Klagepatents ausgestaltet, da – insoweit in tatsächlicher Hinsicht unstreitig – der Düsenschlitz im Bereich von ca. 1 – 2 cm vor der Abrisskante um 3 mm breiter sei als an seiner davor gelegenen engsten Stelle. Ihre Vertriebshandlungen mit der angegriffenen Ausführungsform seien – so die Ansicht der Beklagten – jedenfalls nicht rechtswidrig bzw. zumindest nicht schuldhaft erfolgt, was sich anhand des aus den Anlagen B 1 bis B 4 ersichtlichen, unstreitigen vorprozessualen Schriftverkehrs der Parteien ergebe. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Aussetzungsantrages macht die Beklagte geltend, das Klagepatent werde aufgrund ihrer Nichtigkeitsklage wegen einer offenkundigen Vorbenutzung und mangelnder erfinderischer Tätigkeit vernichtet werden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung, Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung sowie auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung im aus dem Urteilstenor näher ersichtlichen Umfang. Ein Vernichtungsanspruch der Klägerin besteht hingegen nicht. Für eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten besteht keine Veranlassung.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Kompakt-Luftschleieranlage. Bei einer derartigen Anlage wird Umgebungsluft durch eine Luftansaugöffnung direkt in das Gehäuse gesaugt, so dass keine besonderen Luftzuführungskanäle für die Anlage erforderlich sind und diese ohne wesentliche bauliche Veränderungen in fertige Tore, Eingänge usw. eingebaut werden kann. Die Ausblasvorrichtung der Luft ist zweckmäßigerweise verstellbar.

Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents sind derartige Anlagen seit längerem bekannt, wobei sich frühere Ausführungsformen als zu aufwendig und teuer in der Herstellung erwiesen hätten. Als nächstliegenden Stand der Technik erwähnt das Klagepatent die DE-OS 22 45 265, welche eine Düsenwalze aus zwei Zylindersegmenten aufweist, die zwischen sich einen Längsspalt bilden und durch in dem Längsspalt angeordnete Klötze auf Abstand gehalten werden. Die Zylindersegmente sind aus Blechen geformt und haben anströmseitig einen Schlitz, der im Betrieb die Geräuscherzeugung begünstigt. Als nachteilig kritisiert das Klagepatent daran, dass die Zylindersegmente nur eine geringe Formstabilität aufwiesen. Zudem beeinträchtigten die über die Länge des Düsenspalts verteilt angeordneten Abstandsklötze aufgrund dadurch bedingter Spaltunterbrechungen die Ausgestaltung eines gleichmäßigen homogenen Luftschleiers.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, eine Kompakt-Luftschleieranlage für Tore, Gebäudeeingänge und dergleichen zu schaffen, die mit geringen Gestehungskosten realisiert werden kann und leicht zu steuern ist. Insbesondere soll eine Warm- oder Kaltluftschleieranlage für breite Gebäudeöffnungen geschaffen werden, die über die gesamte Düsenbreite einen gleichmäßigen, ungestörten Luftschleier erzeugt und eine schnelle Anpassung an variable Zugwirkungen ermöglicht. Schließlich soll die Anlage mit geringem Energieverbrauch, insbesondere auch mit geringem Druckverlust in der Ausblasdüse arbeiten.

Das Klagepatent löst die gestellte Aufgabe mit einer Kompaktluftschleieranlage, welche die nachfolgend wiedergegebenen Merkmale seines Anspruchs 1 aufweist:

(1) Kompaktluftschleieranlage mit
(a) einem Gehäuse (1),
(b) wenigstens einem Gebläse (4), das in dem Gehäuse (1) angeordnet ist,
(c) wenigstens einer Luftansaugöffnung (2), die in dem Gehäuse (1) angeordnet ist, und
(d) einer Einrichtung zur Erzeugung eines schwenkbaren Luftschleiers, die in einer Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) (5) abströmseitig des Gebläses (4) angeordnet ist.

(2) In der Gehäuseöffnung (Luftausblasöffnung) (5) ist ein Düsenkörper (6) von zylindrischer Kontur angeordnet.

(3) Der Düsenkörper (6) besteht aus zwei Zylindersegmenten (7, 8).

(4) Die Zylindersegmente (7, 8) sind
(a) als Strangpress-Hohlprofilstücke ausgebildet,
(b) an ihren Enden durch kreisförmige Stirnwandungen (12) verbunden.

(5) Die Verbindung der Zylindersegmente (7, 8) erfolgt unter Bildung eines in Strömungsrichtung der Luft konvergenten, durchgehenden Düsenschlitzes (9).

II.

Die von der Beklagten vertriebene Kompakt-Luftschleieranlage Typ B verletzt das Klagepatent in wortsinngemäßer Weise. Die Vertriebshandlungen der Beklagten sind auch nicht gerechtfertigt.

1)
Es ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 1 bis 4 des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch macht. Insofern erübrigen sich weitergehende Ausführungen zu diesen Merkmalen. Darüber hinaus verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch das Merkmal 5 des Klagepatents wortsinngemäß.

a)
Das Merkmal 5 des Klagepatents setzt voraus, dass die Verbindung der – den Düsenkörper bildenden – Zylindersegmente unter Bildung eines in Strömungsrichtung der Luft konvergenten, durchgehenden Düsenschlitzes erfolgt.

aa)
Zu Recht verstehen die Parteien – insoweit noch übereinstimmend – unter der Voraussetzung der in Strömungsrichtung „konvergenten“ Ausgestaltung des Düsenschlitzes, dass die beiden Zylindersegmente, deren gewölbten Innenflächen den Düsenschlitz bilden, sich „aufeinander zu bewegen“ sollen, mit anderen Worten: In Strömungsrichtung gesehen soll sich der Düsenschlitz im Interesse einer Steigerung des Strömungsdrucks verengen, indem der Abstand zwischen den Innenflächen der Zylindersegmente verkleinert wird. Unstreitig ist dies zumindest partiell der Fall bei der angegriffenen Ausführungsform – unterschiedlicher Auffassung sind die Parteien allein darüber, ob der Düsenschlitz nach der Lehre des Klagepatents über seine gesamte Länge konstant konvergent ausgebildet sein muss. Letzteres ist allerdings zu verneinen und folgt insbesondere nicht aus dem Teilmerkmal „durchgehend“, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.

bb)
Der Düsenschlitz der angegriffenen Ausführungsform ist „durchgehend“ im Sinne des Klagepatents.

Das Teilmerkmal „durchgehend“ stellt an die Ausgestaltung des Düsenschlitzes der Kompakt-Luftschleieranlage eine völlig selbständige Anforderung neben dem Erfordernis seiner Konvergenz. Dem Fachmann wird bereits durch die mittels Komma erfolgte Trennung der Worte „konvergent“ und „durchgehend“ in der Formulierung des Anspruchswortlauts 1 zum Ausdruck gebracht, dass diese beiden Adjektive nicht etwa aufeinander rückbezogen sind, sondern jeweils gesonderte Eigenschaften des Düsenschlitzes entsprechend der Lehre des Klagepatents beschreiben: Der Düsenschlitz soll einerseits „konvergent“ und zudem „durchgehend“ sein. Bestätigt wird dieses grammatikalische Verständnis des Anspruchswortlautes anhand Spalte 1, Zeilen 65 – 67 des Klagepatents, wo diese beiden Worte im Beschreibungstext ebenfalls durch ein Komma getrennt sind. Ebenso deutet Spalte 3, Zeile 41 des Klagepatents auf die Richtigkeit dieser Auslegung hin, weil dort allein von einem „konvergenten“ Düsenschlitz gesprochen wird. Vor allem aber findet der Fachmann in Spalte 1, Zeilen 41 – 47 einen deutlichen Hinweis darauf, was das Klagepatent sich unter einem „durchgehenden“ Düsenschlitz vorstellt und welche besondere technische Bedeutung dieser Anforderung gegenüber dem Erfordernis der Konvergenz zukommt. Denn dort kritisiert das Klagepatent den nächstliegenden Stand der Technik wie folgt:

„ … Die Düsenwalze kann daher nicht ohne die Abstandsklötze im Längsspalt zur Anwendung kommen, wenn nicht im Betrieb Verformungen des Düsenspalts in Kauf genommen werden sollen. Die über die Länge des Düsenspalts verteilt angeordneten Abstandsklötze stellen Spaltunterbrechungen dar, die die Ausbildung eines gleichmäßigen homogenen Luftschleiers beeinträchtigen.“

Diese Ausführungen verdeutlichen, dass der Auslegung der Beklagten, wonach das Klagepatent mit dem Wort „durchgehend“ zum Ausdruck bringen wolle, bei seinem Austritt müsse der Düsenstrahl zwingend seine größte „Verschlankung“ haben, nicht gefolgt werden kann. Dass der Düsenschlitz der angegriffenen Ausführungsform zunächst konvergiert, um sodann – nach der Art einer sog. Venturi-Düse – zu seinem Ende hin wieder zu divergieren, steht einer wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals 5 keineswegs entgegen. Das Wort „durchgehend“ verlangt nicht, dass die Verengung des Düsenschlitzes bis zur Abrisskante kontinuierlich gesteigert sein müsse. Vielmehr werden auch Ausführungsformen erfasst, bei denen der Schlitz teilweise divergent ist. Mit dem Wort „durchgehend“ verbindet der Fachmann vielmehr das Verständnis, dass bei der Konstruktion keine Abstandshalter eingebaut werden sollen, weil diese zu unerwünschten Spaltunterbrechungen führen, die den ungehinderten Luftaustritt stören. Letzteres soll mittels eines „durchgehenden“ – also keine Abstandshalter aufweisenden Düsenschlitzes – vermieden werden.

Auch der Verweis der Beklagten auf die Figuren 1 und 2 des Klagepatents vermag ihre Sichtweise nicht zu stützen. Selbst wenn anhand derer eine kontinuierliche Verengung des Düsenschlitzes zu erkennen sein sollte, bliebe zu beachten, dass die Figuren nur bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigen, auf welche das Klagepatent gerade nicht beschränkt ist.

Da die angegriffene Ausführungsform unstreitig keine solchen Abstandshalter aufweist, sondern über einen ununterbrochenen Düsenspalt verfügt, ist deren Düsenspalt „durchgehend“ im Sinne des Klagepatents.

Insoweit kann es dahinstehen, ob der Düsenschlitz bei der angegriffenen Ausführungsform in Anbetracht der Anlage B 8 tatsächlich ab dem Bereich von ca. 1 – 2 cm vor der Abrisskante eine Ausweitung von ca. 3 mm gegenüber dem Abstand der Zylindersegmente im vorhergehenden Bereich erfährt. Auch dürfte es sich – bejahenden Falles – eher um eine bloße Fertigungstoleranz handeln, ohne dass damit (beabsichtigte) Strömungsveränderungen verbunden wären, so dass selbst dann zumindest von einer das Klagepatent verletzenden sog. verschlechterten Ausführungsform auszugehen wäre.

2)
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, aufgrund einer Lizenzerteilung durch die Klägerin zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform berechtigt gewesen zu sein.

a)
Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2007 diesbezüglich vorgebracht hat, eine bereits vorbereitete schriftliche Lizenzvereinbarung sei seinerzeit entgegen einer zunächst vorhandenen Absicht der Parteien letztlich nicht von ihnen unterzeichnet worden, ist bereits deshalb wegen § 154 Abs. 2 BGB nicht von einer rechtswirksamen Lizenzvereinbarung auszugehen. Besondere Umstände des Einzelfalles, die trotz beabsichtigter, aber unterbliebener Beurkundung Anlass zur Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses gäben, sind nicht dargetan, weshalb es dahinstehen kann, ob der betreffende – von der Klägerin bestrittene – Vortrag in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ist.

b)
Auch aus der als Anlagen B1- B 4 – auflagewidrig nicht in deutscher Übersetzung – vorgelegten Korrespondenz der Parteien, ergibt sich mitnichten der Abschluss einer Lizenzvereinbarung oder ein sonstiger Rechtfertigungsgrund für die Vertriebshandlungen der Beklagten. Aus dieser Korrespondenz geht lediglich hervor, dass man sich über die grundlegende Basis einer Zusammenarbeit verständigt hatte, wobei offen bleibt, auf welche Gegenstände genau sich diese Kooperation bezog. Auch räumt die Beklagte selbst ein, dass es beispielsweise noch der Überlassung von Zeichnungen durch die Klägerin bedurfte. Eine nähere Konkretisierung der Kooperation ergibt sich auch nicht aus der Anlage B 2. Aus dieser folgt vielmehr, dass die Klägerin die von der Beklagten hergestellten Produkte offenbar nicht abrief – bereits dies spricht gerade gegen eine Einwilligung bzw. Lizenzeinräumung. Gleiches gilt auch für die Anlage B 3. In der Anlage B 4 kündigte die Beklagte sogar ausdrücklich an, bis zu einer gegenseitigen Übereinkunft von einem Vertrieb abzusehen. Zusammengefasst lässt sich den Anlagen B 1 bis B 4 also allenfalls die einseitige Meinung der Beklagten entnehmen, dass sie möglicherweise der Klägerin Elemente für die Herstellung erfindungsgemäßer Produkte bereitstellen sollte. Eine Einwilligung zum Vertrieb an Dritte durch die Beklagte selbst stand jedoch überhaupt nicht im Raum. Vor allem aus der Anlage B 5 ergibt sich deutlich, dass die Klägerin mit einer Veräußerung durch die Beklagte keineswegs einverstanden war, so dass zumindest die danach erfolgten Vertriebshandlungen ohne weiteres rechtswidrig waren.

III.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebes der angegriffenen Ausführungsform aus § 139 Abs. 1 PatG. Der dem Grunde nach zuerkannte Entschädigungsanspruch findet seine Grundlage in § 33 Abs. 1 PatG. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform hat die Beklagte das Klagepatent in zumindest fahrlässiger Weise verletzt, so dass sie gemäß § 139 Abs. 2 PatG zum Schadenersatz verpflichtet ist. Entgegen ihrer Ansicht durfte die Beklagte sich entsprechend den unter II. 2) geschilderten Gründen auch nicht zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform berechtigt fühlen. Da die konkrete Entschädigungs- und Schadenshöhe derzeit noch nicht feststehen, ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin daran anzuerkennen, die entsprechenden Verpflichtungen der Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, diese Ansprüche zu beziffern, hat die Beklagte im zuerkannten Umfang über ihre Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

Ein Anspruch auf Vernichtung gem. § 140a PatG war nicht zuzusprechen, weil die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch Eigentum oder Besitz an der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland hatte.

IV.

Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits gem. § 148 ZPO im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vom 15.01.2008 (Anlage B 9`) ist abzulehnen.

Die Entscheidung über die Aussetzung steht im Ermessen des Verletzungsgerichtes, wobei dieses summarisch anhand des ihm vorgelegten Sachverhaltes die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage überprüft. Aufgrund der Tatsache, dass die Aussetzung für die Klägerin wegen der regelmäßig langen Verfahrensdauer von Nichtigkeitsklagen einen erheblichen Einschnitt in ihre Rechte, vor allem den zeitlich begrenzten Unterlassungsanspruch bedeutet, und außerdem ein Missbrauch vermieden werden soll, kommt eine Aussetzung in der Regel in der I. Instanz nur dann in Betracht, wenn es in hohem Maße wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund des Einspruchs oder der Nichtigkeitsklage widerrufen oder vernichtet wird (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug).

1)
Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist hier zunächst zu berücksichtigen, dass eine Aussetzung regelmäßig bereits dann nicht veranlasst ist, wenn die Nichtigkeitsklage erst so kurzfristig vor dem Haupttermin im Verletzungsprozess erhoben wird, dass dem Patentinhaber eine angemessene Erwiderung auf das Nichtigkeitsvorbringen nicht mehr möglich ist (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 3, 54 – Sportschuhsohle). Auch unter Berücksichtigung, dass bereits im Oktober 2007 als Anlage B 9 ein Entwurf der Nichtigkeitsklage zur hiesigen Akte gereicht war und die Klägerin zu diesem vorsorglich schriftsätzlich Stellung nahm, hat die Beklagte durch ihr zögerliches Verhalten zu erkennen gegeben, dass sie ihrer Nichtigkeitsklage selbst keine überwiegend wahrscheinlichen Erfolgsaussichten beimaß. Jedenfalls sind keine anderen triftigen Gründe für ihr zögerliches Verhalten ersichtlich, insbesondere ist nicht dargetan, dass die Parteien konkrete, ernsthafte Vergleichsgespräche geführt hätten.
2)
Vor allem aber sind auch in der Sache jedenfalls keine überwiegenden Erfolgsaussichten für die Nichtigkeitsklage feststellbar.
a)
Bei den Entgegenhaltungen D 1 und D 2 handelt es sich jeweils um im Erteilungsverfahren geprüften Stand der Technik. Es bestehen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Nichtigkeitsklage keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte bzw. unter keinem Gesichtspunkt vertretbare Entscheidung der fachmännisch besetzten Erteilungsbehörde, so dass eine abweichende Beurteilung der Kammer nicht veranlasst ist.
b)
Die Entgegenhaltung D 5 wird nur unterstützend für die Ausführungen zur
D 4 herangezogen, so dass auch diese jedenfalls nicht selbständig zum Erfolg der Nichtigkeitsklage verhelfen kann und daher Entsprechendes wie zur D 4 gilt.

c)

Ein Aussetzungsantrag, der auf eine angeblich offenkundige Vorbenutzung gestützt ist, welche nicht lückenlos durch liquide Beweismittel (insbesondere Urkunden) belegt ist, sondern (zumindest in Teilen) auch auf einen Zeugenbeweis angewiesen ist, muss ohne Erfolg bleiben (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636 f. – Ventilbohrvorrichtung). Da nämlich eine Vernehmung der angebotenen Zeugen nur im Nichtigkeitsverfahren, jedoch nicht im Verletzungsprozess erfolgt, ist bereits unvorhersehbar, in welcher Weise die benannten Zeugen überhaupt aussagen werden, und ob ihre Aussagen, wenn sie für die Nichtigkeitsklägerin günstig sind, für glaubhaft gehalten werden. Schon wegen dieser gänzlich unsicheren Prognose verbietet sich auch vorliegend die Annahme, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Patents wegen offenkundiger Vorbenutzung (Entgegenhaltungen D 3 und D 4) zu erwarten, weil die Beklagte insoweit jedenfalls auch Zeugenbeweis anbietet (vgl. S. 4 der Nichtigkeitsklage). Auf diesen wird es jedenfalls hinsichtlich der Entgegenhaltung D 3 auch ankommen, da die Klägerin diesbezüglich eine nachträgliche Manipulation der Unterlagen behauptet; zudem ergeben sich nicht sämtliche relevanten tatsächlichen Umstände aus der Urkunde D 3 selbst (vgl. S. 9 der Nichtigkeitsklage). Letzteres wirkt sich daher auch auf die Frage einer – im Hinblick auf eine Kombination der Entgegenhaltungen D 3 und D 4 – geltend gemachten fehlenden erfinderischen Tätigkeit aus.

Soweit die Beklagte auf das im Haupttermin überreichte Muster verweist, ist dieses bereits deshalb nicht geeignet, eine offenkundige Vorbenutzung darzutun, weil es erkennbar spaltunterbrechende Elemente und damit keinen „durchgehenden“ Düsenschlitz im Sinne des Klagepatents aufweist.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus
§§ 709, 108 ZPO.