Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Juli 2008, Az. 4b O 210/07
I. Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland
a)
das Logo des Europäischen Patentamtes mit der Unterschrift „Worlwide Patent“ wie nachstehend wiedergegeben zu verwenden;
BLATT 3;
b)
die Kombination von A mit anderen Materialien als patentiert zu bezeichnen, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
„PATENT PROTECTED IN CONFORMITY WITH LAW
New Wind has patented a way of combining A® with other materials suitable to make moulded high-tech mattresses without using any glue. A special patent to safeguard yours and our desire of innovation”,
solange nicht für die so beworbene Produkteigenschaft Patentschutz mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland oder andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besteht;
c)
A® Kopfkissen mit feuerresistenten Eigenschaften als weltweit patentiert zu bezeichnen, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
„ALSO FIRE-PROOF!!
From today moulded A® pillows can be supplied on request in Class 1 IM and British Standard Crib 5 fireproof foam, preserving their unique properties. A New Wind world patent developed in our research laboratories.“,
solange nicht Patentschutz mit Wirkung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien oder anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, USA und Japan für die so beworbene Produkteigenschaft besteht;
d)
das DNA Form Spring System als patentiert zu bezeichnen, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
„PATENT PROTECTED IN CONFORMITY WITH LAW
New Wind has patented DNA foam-spring® system, a patent to safeguard yours and our desire of innovation”,
solange nicht für die so beworbene Produkteigenschaft Patentschutz mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland oder für andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besteht.”
2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter 1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.05.2007 begangen hat, und zwar aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie eventuelle Abrufe im Internet, sowie eventuelle Angebote;
3.
an die Klägerin € 1.359,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2007 zu zahlen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. genannten Handlungen seit dem 09.05.2007 entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 51.359,80.
T a t b e s t a n d
Beide Parteien stellen her und vertreiben unter anderem Matratzen aus dem Schaumstoff Polyurethan.
Am 02.12.2003 meldete die Beklagte das EP 1 430 xxx A1 mit der Bezeichnung „Polsterteil und Verfahren zu dessen Herstellung“ mit einer italienischen Priorität vom 17.12.2002 an (vgl. Anlage TW 2); die Anmeldung wurde am 23.06.2004 veröffentlicht.
Auf der Messe „INTERZUM“, die vom 09. bis 12.05.2007 in Köln stattfand, verteilte die Beklagte einen Prospekt (Anlage K 2, Anlage TW 7), der unter anderem die aus dem Urteilstenor zu I.1. ersichtlichen Angaben enthielt. Bei der „INTERZUM“ handelt es sich um eine Fachmesse, auf der Zulieferer und Hersteller im Bereich der Möbelindustrie und verwandter Branchen, wie etwa Schlafsystemen, vertreten sind.
Mit dem aus der Anlage K 6 ersichtlichen Schreiben vom 06.07.2007 mahnten die Patentanwälte der Klägerin die Beklagte ab (Anlage K 6).
Mit Schreiben vom 07.04.2008 teilte das Europäische Patentamt mit, das angemeldete EP 1 430 814 A1 in der aus der Anlage TW 3 näher ersichtlichen Fassung erteilen zu wollen.
Nachdem die Beklagte zwischenzeitlich Übersetzungen der Patentansprüche auch in die Amtssprachen Englisch und Französisch eingereicht und die Erteilungsgebühr entrichtet hatte, erteilte das Europäische Patentamt mit Beschluss vom 29.05.2008 (Anlage TW 6) das EP 1 430 814 A1, wobei angekündigt wurde, dass der Hinweis über die Erteilung am 25.06.2008 bekannt gemacht werde.
Die Klägerin ist der Ansicht, die oben wiedergegebenen Passagen aus dem Prospekt der Beklagten enthielten irreführende Werbung im Sinne von § 5 UWG. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin beantragt,
im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie die in Ziffer I. 1b) – d) am Ende jeweils vorhandenen Zusätze nicht auf „andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“ bezogen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Unterlassungsantrag sei jedenfalls deshalb unbegründet, weil im Hinblick auf den Beschluss des Europäischen Patentamtes vom 29.05.2008 keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe.
Die Klageschrift ist der Beklagten am 14. Dezember 2007 zugestellt worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.
I.
Die unter Ziffer I.1 a) – d) zuerkannten Unterlassungsansprüche ergeben sich aus §§ 5 Abs. 1, 3 i.V.m. 8 Abs. 1 UWG.
1a)
Die Klägerin ist hinsichtlich des unter Ziffer I.1a) des Urteilstenors zuerkannten Unterlassungsanspruchs aktiv legitimiert.
Die Vorschriften des UWG werden insoweit nicht durch die spezialgesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verdrängt, so dass die fehlende Markeninhaberschaft der Klägerin unschädlich ist. Zum einen ist zu beachten, dass das Markengesetz für Fälle der irreführenden Verwendung einer fremden Marke keine eigenständigen Regelungen enthält, so dass die Annahme einer Verdrängung des UWG durch das Markengesetz den Wettbewerbsschutz in derartigen Fällen leer laufen ließe. Zum anderen fehlt es vorliegend auch an der für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Markengesetzes erforderlichen markenmäßigen Benutzung des EPA-Logos durch die Beklagte.
b)
Die vom Unterlassungsgebot unter Ziffer I.1a) betroffene Prospektpassage ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG.
Die Abbildung des Logos des Europäischen Patentamtes in Verbindung mit der Bildunterschrift „Worlwide Patent“ – letztere wird der verständige Betrachter als „Worldwide Patent“ lesen -, enthält einen Widerspruch in sich. Das Europäische Patentamt kann lediglich europäische Patente erteilen, jedoch suggeriert die Bildunterschrift „Worl(d)wide Patent“, dass auch im außereuropäischen Raum Patentschutz für die Beklagte existiere. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich eine Irreführung der relevanten Verkehrskreise nicht mit dem Argument verneinen, dass derjenige, welcher das Logo des Europäischen Patentamtes kenne, sich in der Regel darüber im Klaren sei, auf welches räumliche Gebiet sich dessen Kompetenzen beschränken, und er daher nur von einem Patentschutz in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einschließlich zugehöriger überseeischer Gebiete ausgehe. Insofern decken sich der Aussageinhalt des Prospekts und die objektive Schutzrechtslage keineswegs.
2)
Auch die mit Ziffer I. 1b) des Urteilstenors untersagte Prospektangabe ist irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG.
a)
Solange lediglich eine (offengelegte) Anmeldung eines Patents vorliegt, darf nicht mit dem Hinweis auf ein bereits erteiltes Patent geworben werden (Benkard/Ullmann, PatG, 10. Auflage, § 146 Rn 28 m.w.N.). So hat etwa der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass eine Werbung mit Kürzeln wie „Dpa“ „Dpa.“ und „D.P.a.“ für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen nur eine Patentanmeldung besteht, unlauter ist (vgl. BGH GRUR 1961, 241, 242 – Socsil; 1966, 92, 93 – Bleistiftabsätze). In Fällen (offengelegter) Patentanmeldungen muss vielmehr in geeigneter Weise zum Ausdruck kommen, dass noch kein Patentschutz erteilt wurde (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10. Auflage, § 146 Rn 34 ff. mit Beispielen).
Unstreitig war der Beklagten während der Messe „INTERZUM“, die in der Zeit 09.05. bis 12.05.2007 stattfand, noch kein Patentschutz erteilt worden. Vielmehr hatte die Beklagte zu dieser Zeit lediglich die Anmeldung des EP 1 430 814 A1 offengelegt. Da die Beklagte den Umstand, dass sich das besagte Patent noch im Erteilungsverfahren befand, überhaupt nicht kenntlich machte, war ihr Werbeverhalten schon aus diesem Grunde unlauter. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt, dass sich der Prospekt ausschließlich an patentrechtlich geschulte Kreise richtete (vgl. zu dieser Einschränkung Benkard/Ullmann, PatG, 10. Auflage, § 146 Rn 34); denn aus dem Umstand, dass an der Messe nur Fachunternehmen teilnahmen, folgt keineswegs, dass auch allen Teilnehmern der juristische Unterschied zwischen den Rechtswirkungen eines lediglich angemeldeten Patents (nach Offenlegung) und eines erteilten Patents bewusst war.
b)
Die aus den unter a) wiedergegebenen Gründen ausgelöste Wiederholungsgefahr ist nicht nachträglich aufgrund des aus der Anlage TW 6 ersichtlichen Beschlusses des Europäischen Patentamtes über die Erteilung des EP 1 430 814 A1 beseitigt worden. Gegen die Annahme einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr sprechen hier mehrere rechtliche Erwägungen.
aa)
Für die Frage des Bestehens einer Wiederholungsgefahr ist der Schluss der mündlichen Verhandlung maßgebend (Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG, 10. Auflage, § 139 Rn 31). Insofern darf die Kammer ihrer Entscheidung nur solche tatsächlichen Umstände zugrunde legen, die bis zum 19.06.2008 eintraten. Bis zu diesem Zeitpunkt lag allerdings noch keine wirksame Patenterteilung vor. Denn gemäß Art. 97 Abs. 3 EPÜ wird die Entscheidung über die Erteilung eines Europäischen Patents erst in dem Zeitpunkt wirksam, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Erteilung hingewiesen worden ist. Wie das Deckblatt des Beschlusses gemäß Anlage TW 6 zeigt, war als Datum für den Hinweis auf die Erteilung des EP 1 430 xxx A1 erst der 28.06.2008 vorgesehen.
bb)
Ungeachtet dessen wäre selbst im Falle eines noch vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung veröffentlichten Hinweises auf die Patenterteilung nicht von einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr auszugehen.
An die Beseitigung einer Wiederholungsgefahr sind anerkanntermaßen strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 14, 163, 167; BGH, GRUR 1959, 367, 364; BGH, GRUR 1965, 198, 202). Sie kann nur angenommen werden, wenn besondere Umstände gegeben sind, die zuverlässig erwarten lassen, dass jede Wahrscheinlichkeit für die Wiederholung fehlt (BGH, GRUR 2003, 1031, 1033 – Kupplung für optische Geräte). In der Regel kann die Wiederholungsgefahr im Prozess nur durch eine bedingungslos und unter Übernahme einer Vertragsstrafe erfolgende Unterlassungsverpflichtung ausgeräumt werden (BGH, GRUR 1976, 579, 582 – Tylosin; BGH, GRUR 1998, 1045, 1046; vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Rz 7). Nach diesen Grundsätzen hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine Umstände dargetan, die geeignet sind, die aus der Erstbegehung resultierende Vermutung der Wiederholungsgefahr zu widerlegen.
Unstreitig gab die Beklagte trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die der Kammer Anlass gäben, ausnahmsweise von einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr auszugehen. Namentlich schließt die nachträglich mit Beschluss des Europäischen Patentamtes vom 29.05.2008 (Anlage TW 6) erfolgte Patenterteilung es nicht aus, dass zukünftig erneut eine derartige Zuwiderhandlung durch die Beklagte erfolgen wird – beispielsweise für den Fall, dass das EP 1 430 814 A1 vernichtet werden sollte (vgl. KG, GRUR 1965, 156, 157); in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht einmal die Frist für den gegen den Erteilungsbeschluss statthaften Einspruch lief. Überdies wäre die Annahme, eine nachträgliche Patenterteilung lasse die Wiederholungsgefahr entfallen, ersichtlich nicht mit der oben unter 2a) zitierten Rechtsprechung, wonach die Werbung mit Patentschutz ohne einschränkenden Hinweis auf eine bloße Patentanmeldung unlauter ist, in Einklang zu bringen. Ergänzend ist dabei zu beachten, dass nach Erlöschen eines Patents nicht mehr auf einen Patentschutz hingewiesen werden darf (BGH, GRUR 1984, 741, 742 – PATENTED).
cc)
Soweit die Beklagte meint, die hier vertretene Auffassung führe zu dem Ergebnis, dass ihr – der Beklagten – auch nach wirksamer Patenterteilung eine Werbung unter Hinweis auf den Patentschutz verboten sei, verkennt sie, dass das Unterlassungsgebot ausdrücklich nur gilt, solange in den dem Urteilstenor zu entnehmenden Staaten kein Patentschutz für die betreffenden Produkteigenschaften besteht.
Im Hinblick auf den durch Art. 28 EG geschützten freien Warenverkehr hat die Kammer die in den Klageanträgen vorgesehenen Zusätze auf Patentschutz in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erstreckt (vgl.
ÖOGH, GRUR Int. 1999, 796 – „Screw Pull“; Hefermehl/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, § 5 Rn 5.127) und insoweit die weitergehende Klage abgewiesen.
3)
Die von Ziffer I.1c) und d) betroffenen Prospektpassagen sind ebenfalls irreführend, weil im Zeitraum der Prospekterteilung der durch sie jeweils suggerierte Patentschutz nicht bestand. Insoweit wird auf die Ausführungen unter b) entsprechend verwiesen.
Soweit die Beklagte hinsichtlich Ziffer I.1c) des Urteilstenors geltend macht, es handele sich um eine versehentlich fehlerhafte Übersetzung aus der italienischen in die englische Sprache, vermag dieser Einwand dem Unterlassungsanspruch bereits deshalb nicht entgegen zu stehen, weil dieser kein schuldhaftes Zuwiderhandeln voraussetzt.
II.
Die unter Ziffer I.3 und II. zuerkannten Schadensersatzansprüche ergeben sich aus §§ 3, 5 Abs. 1 i.V.m. 9 UWG. Das für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist gegeben, da die konkrete Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der für die Abmahnung vom 06.07.2007 entstandenen außergerichtlichen Patentanwaltskosten ist die Klägerin zutreffend von einem Streitwert in Höhe von € 50.000 ausgegangen; auch wenn Gegenstand der Abmahnung lediglich das von Ziffer I.1a) des Urteilstenors umfasste Verhalten der Beklagten war, ist das Unterlassungsinteresse der Klägerin angesichts der Bedeutung der Fachmesse „INTERZUMA“ zutreffend bemessen und insbesondere keine Quotelung im Hinblick auf die im Rechtsstreit weitergehend geltend gemachten Wettbewerbsverstöße geboten.
Der zuerkannte Auskunftsanspruch findet seine Grundlage in § 242 BGB.
Der unter Ziffer I.3. des Tenors zugesprochene Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 51.359,80 €