4a O 419/06 – Oxaliplatin

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 875

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. April 2008, Az. 4a O 419/06

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1) ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 308 xxx B1 betreffend ein Verfahren zur Herstellung von Platin-Verbindungen (nachfolgend: Klagepatent). Die Klägerin zu 2) ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent, die sie berechtigt, nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellte Produkte unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland zu vermarkten. Auf der Grundlage dieser ausschließlichen Lizenz vertreibt die Klägerin zu 2) in Deutschland das Arzneimittel A. Gestützt auf das Klagepatent nehmen die Klägerinnen die Beklagten auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch.
Das Klagepatent wurde am 18. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 10. April 1996 in englischer Verfahrenssprache angemeldet, die Anmeldung am 07. Mai 2003 veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 01. Juni 2005. Das Klagepatent steht in Deutschland in Kraft. Die deutsche Übersetzung des Klagepatents zu dem Aktenzeichen DE 696 34 xxx T2 liegt als Anlage K2 vor. Wie die Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung mitgeteilt haben, hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes das Klagepatent in der mündlichen Verhandlung vom 02. April 2008 vollständig widerrufen.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von cis-Oxalato-(trans-l-1,2-cyclohexandiamin)Pt(II). Der in erster Linie geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

Verfahren zur Herstellung eines Platinkomplexes, welches umfasst: Umsetzung von cis-[Diaqua(trans-l-1,2-cyclohexandiamin) Pt(II)] der Formel I, wobei die sterische Konfiguration des 1,2-Cyclohexandiamins trans-l ist, mit Oxalsäure oder einem Oxalatderivat, um cis-Oxalato(trans-l-1,2-cyclohexandiamin) Pt(II) der Formel II zu synthetisieren, wobei die sterische Konfiguration des 1,2-Cyclohexandiamins trans-l ist und R die Formel III aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass zum Zeitpunkt der Zugabe der Oxalsäure und/oder des Oxalatderivats der pH durch Zugabe einer Alkalilösung eingestellt wird, zwischen 3,0 und 6,0 zu sein.

Hinsichtlich des Wortlauts des zum Gegenstand eines Insbesondere-Antrags gemachten Unteranspruchs 2 und des weiteren Unteranspruchs 3 sowie wegen des weiteren Inhalts der Klagepatentschrift wird auf die Anlagen K1 und K2 verwiesen.
Cis-Oxalato-(trans-l-1,2-cyclohexandiamin)-Pt(II) nach den Formeln II und III wird als Oxaliplatin bezeichnet. Dieses hat, wie seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt ist, zytostatische Wirkung und wird daher zur Herstellung krebshemmender Medikamente verwendet. In bekannter Weise kann Oxaliplatin aus dem so genannten Diaquo-Komplex (mitunter auch als Diaqua-Komplex bezeichnet) synthetisiert werden, der die oben zu Anspruch 1 wiedergegebene Strukturformel (Formel I) hat.

Die Beklagte zu 1) – bei Klageerhebung noch firmierend als B Deutschland GmbH – ist das deutsche Tochterunternehmen der in Australien ansässigen Beklagten zu 2) (ehemals B Limited) und nimmt als solches die Vermarktung der Arzneimittelprodukte der Beklagten zu 2) in Deutschland wahr. Es ist beabsichtigt, dass die Beklagte zu 1) in Deutschland den Vertrieb eines Arzneimittels unter dem Handelsnamen „C“ aufnimmt. Dieses ist für die Verwendung in der Krebsbekämpfung (Chemotherapie) bestimmt und wird nachfolgend auch als angegriffene Ausführungsform bezeichnet. Die Beklagte zu 1) ist Inhaberin der Marktzulassung für die angegriffene Ausführungsform in Deutschland. Herstellerin und Lieferantin des in der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten Wirkstoffs Oxaliplatin ist die D GmbH aus Hanau. Diese ist Inhaberin einer europäischen Patentanmeldung und eines deutschen Patents, die jeweils die Herstellung des Wirkstoffs Oxaliplatin betreffen.
Bei dem von dem Hersteller und Lieferanten der Beklagten angewendeten Herstellungsverfahren wird das in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Oxaliplatin dadurch erhalten, dass der Diaquo-Komplex mit Ammoniumoxalat, (NH4)2C2O4, in wässriger Lösung umgesetzt wird. Der Diaquo-Komplex bildet in Wasser eine starke Säure mit einem pH-Wert von 2,9 und darunter. Durch die Zugabe der Ammoniumoxalat-Lösung, die ihrerseits einen pH-Wert von etwa 6,4 aufweist, steigt der pH-Wert des Reaktionsgemischs auf ca. 4,7 an.

Zwischen der Beklagten zu 2) und ihrem britischen Vertriebsunternehmen einerseits sowie den Klägerinnen andererseits wurde in Großbritannien ein Patentrechtsstreit geführt, dessen Gegenstand unter anderem der Rechtsbestand und – im Rahmen eines negativen Feststellungsantrags – die Frage einer Verletzung des englischen Teils des Klagepatents durch das beschriebene Herstellungsverfahren war. Der High Court of Justice, Chancery Division, verneinte mit Urteil vom 19. Mai 2006 (Anlage B1b, Übersetzung Anlage B1b (1)) eine Verletzung des englischen Teils des Klagepatents und sah dieses als nicht rechtsbeständig an. Die Klägerinnen haben ihre gegen dieses Urteil zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen. Vor dem Landgericht Mannheim nahmen die Klägerinnen die Herstellerin des Wirkstoffs, die D GmbH, erfolglos wegen Verletzung des Klagepatents in Anspruch. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte mit Urteil vom 12. Dezember 2007 (Anlage B26) das klageabweisende Urteil der ersten Instanz (Anlage B3) und verneinte wie diese sowohl eine wortsinngemäße als auch eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln.

Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform beziehungsweise des in ihr enthaltenen Wirkstoffs Oxaliplatin werde von den Ansprüchen 1 und 2 des Klagepatents wortsinngemäß, hilfsweise mit äquivalenten Mitteln Gebrauch gemacht. Anspruch 1 schütze eine Umsetzung des Diaquo-Komplexes alternativ durch Zugabe von Oxalsäure oder durch Zugabe eines Oxalatderivats. Unter einem Oxalatderivat im Sinne des Klagepatents seien ausschließlich monosubstituierte Oxalatderivate zu verstehen, also Oxalsäuresalze, bei denen nur ein Kation durch ein Wasserstoffatom ersetzt worden sei, während disubstituierte „Oxalatderivate“ in Wahrheit Oxalate darstellten und nach dem Verständnis des Fachmanns vom Klagepatent von den Oxalatderivaten begrifflich grundlegend unterschieden werden müssten. Der Fachmann verstehe unter Oxalatderivaten im Sinne des Merkmals (2) (vgl. die unten in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Merkmalsgliederung) nur Derivate von Oxalaten, die selbst (d.h. ohne die Zugabe einer Alkalilösung) keine Erhöhung des pH-Wertes bewirkten und im Reaktionsgemisch keine Oxalat-Ionen bildeten. Verbindungen, deren Zugabe bereits die Einstellung des pH-Wertes in den in Merkmal (5) genannten Bereich bewirkten, fielen demgegenüber nicht unter den Begriff des Oxalatderivates nach Merkmal (2). Enthalte eine solche Verbindung jedoch Oxalsäure, sei Merkmal (2) in der ersten Alternative erfüllt. Bei der Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform durch Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung zum Diaquo-Komplex werde daher die erste Alternative (Oxalsäure) verwirklicht, wobei die zwei Verfahrensschritte nach Merkmalen (2) und (5) gleichzeitig ausgeführt würden: Die Zugabe von Ammoniumoxalat ((NH4)2C2O4) in wässriger Lösung sei als gleichzeitige Zugabe sowohl von Oxalsäure (H2C2O4) als auch einer Alkalilösung anzusehen, wobei die patentgemäße Alkalilösung Ammoniumhydroxid (NH4OH) sei. Dies sei deshalb gerechtfertigt, weil eine wässrige Lösung von Ammoniumoxalat aus Oxalsäure und Ammoniumhydroxid entstehe:
H2C2O4 + 2NH4OH  (NH4)2C2O4 + 2H2O.
Die Klägerinnen meinen, mit Ammoniumoxalat in wässriger Lösung würden zum einen Oxalat-Ionen (C2O42-), die bei der Dissoziation des Ammoniumoxalats entstünden [(NH4)2C2O4  2NH4+ + C2O42-], zugeführt. Die Oxalat-Ionen bzw. -Anionen (C2O42-) bildeten den zweiten Liganden des herzustellenden Platinkomplexes Oxaliplatin. Zum anderen komme es, so behaupten die Klägerinnen, bei der Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung zur Bildung von OH–Ionen, wie sie für alkalische Lösungen (Basen) charakteristisch seien: C2O42- + 2H2O  H2C2O4 (Oxalsäure) + 2OH-. Durch diese OH–Ionen werde der pH-Wert in den von Ansprüchen 1 (pH von 3,0 bis 6,0) und 2 (pH von 4,0 bis 5,0) vorausgesetzten Bereich, der für die Umsetzung des Diaquo-Komplexes vorteilhaft ist, angehoben. Da das Klagepatent ausweislich seiner Beschreibung in Abschnitt [0019] ausdrücklich auch den Fall umfasse, dass Oxalsäure und Alkalilösung gleichzeitig zugegeben werden, seien getrennte Verfahrensschritte nicht erforderlich. Der Sinn der Zugabe einer Alkalilösung liege allein darin, die Konzentration der Hydroxid-Ionen (OH-) zu erhöhen, um Hydronium-Ionen (H3O+) zu Wasser (H2O) umzuwandeln und so den pH-Wert zu erhöhen, was die Bildung von Oxalat-Ionen fördere.
Wenn man hingegen eine wortsinngemäße Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents verneine, liege – so die Auffassung der Klägerinnen – jedenfalls eine Benutzung mit äquivalenten Mitteln vor. Die Zugabe von wässriger Ammoniumoxalat-Lösung führe ebenso wie die Zugabe einer Alkalilösung zu der vom Klagepatent gewünschten dissoziationsverbessernden Wirkung, indem sie OH–Ionen zur Verfügung stelle, die ein Ansteigen des pH-Wertes in den gewünschten Bereich bewirken. Die Ionisierung von Ammoniumoxalat und ihre Auswirkungen auf das Reaktionsgemisch seien dem Fachmann geläufig. Von der angegriffenen Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung werde er durch die Lehre des Klagepatents auch nicht abgehalten. Auf den Formsteineinwand könnten sich die Beklagten schon deshalb nicht berufen, weil das Beispiel 4 (i) der Druckschrift „Kidani“ (Anlage B5 = Anlage K6) auch für den Fachmann nicht nacharbeitbar sei.
Die Beklagte zu 2) sei – so die Klägerinnen – für die behaupteten, unmittelbar bevorstehenden Patentverletzungen der Beklagten zu 1) in Deutschland als Mittäterin mit verantwortlich, weil sie die Entscheidung über die zu erwartende Vermarktung der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland als Muttergesellschaft zentral getroffen habe bzw. treffe.

Die Klägerinnen beantragen,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren,
zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
ein pharmazeutisches Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
erzeugt durch ein Verfahren zur Herstellung eines Platinkomplexes, welches umfasst: Umsetzung von cis-[Diaquo(trans-l-1,2-cyclohexandiamin)Pt(II)] der Formel I, wobei die sterische Konfiguration des 1,2-Cyclohexandiamins trans-l ist, mit Ammoniumoxalat, um cis-Oxalato(trans-l-1,2-cyclohexandiamin) Pt(II) der Formel II zu synthetisieren, wobei die sterische Konfiguration des 1,2-Cyclohexandiamins trans-l ist und R die Formel III aufweist,
bei dem zum Zeitpunkt der Zugabe des Ammoniumoxalats der pH durch Zugabe des Ammoniumoxalats eingestellt wird, zwischen 3,0 und 6,0 zu sein;

2. den Klägerinnen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01. Juli 2005 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen des Erzeugnisses, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote des Erzeugnisses, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt den Klägerinnen einem von den Klägerinnen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 01. Juli 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III. die Beklagten zu verurteilen, die in ihrem Eigentum oder Besitz befindlichen, in Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse nach Wahl der Klägerinnen selbst zu vernichten und die Vernichtung nachzuweisen oder an einen von den Klägerinnen zu benennenden und zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben;

IV. hilfsweise, ihnen nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagepatent EP 1 308 454 B1 erhobenen Einspruchs auszusetzen,
hilfsweise, ihnen nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.

Sie sind der Auffassung, das von der D GmbH bei der Herstellung des Oxaliplatins der angegriffenen Ausführungsform aus dem Diaquo-Komplex angewandte Verfahren mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen Gebrauch. Die Beklagten behaupten, Oxalsäure finde sich in wässriger Ammoniumoxalat-Lösung lediglich „in molekularen Spuren“. Sie vertreten die Auffassung, Ammoniumoxalat sei keine Oxalsäure, sondern ein Salz der Oxalsäure und daher Oxalatderivat im Sinne des Lehre des Klagepatents. Jedenfalls werde keine Alkalilösung zur Einstellung des pH-Wertes zugegeben. Das angegriffene Herstellungsverfahren halte sich vielmehr im Rahmen durch den Fachmann ohne Weiteres möglicher Abwandlungen zum Stand der Technik, wie er durch das Kidani-Patent (US-PS 4,169,846; Anlage B5/5a) bekannt sei. Eine Einstellung des pH-Wertes durch Hydroxid-Ionen (OH-) aus einer zusätzlich zugegebenen Alkalilösung finde bei dem angegriffenen Verfahren wie auch bei Kidani nicht statt.
Die Zugabe wässriger Ammoniumoxalat-Lösung [(NH4)2C2O4 mit H2O] sei entgegen der Auffassung der Klägerinnen chemisch nicht dasselbe wie die Zugabe von Oxalsäure (H2C2O4) und Ammoniumhydroxid (NH4+OH-). Bei der Lösung von Ammoniumoxalat in Wasser entstünden zwar Oxalat-Anionen (C2O42-), jedoch kein Ammoniumhydroxid. Die Dissoziation führe vielmehr zu dem Reaktionsgleichgewicht (NH4)2C2O4  2NH4+ + C2O42-. Da die Ammonium-Ionen (NH4+) chemisch stabil seien, würden die für eine Base charakteristischen Hydroxid-Ionen (OH-) nicht gebildet, weshalb die wässrige Ammoniumoxalat-Lösung (wie im Ergebnis unstreitig) mit einem pH-Wert von 6,4 leicht sauer ist.
Dass bei dem Verfahren zur Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform der pH-Wert infolge Zugabe des Ammoniumoxalats auf etwa 4,7 ansteige, liege daran, dass der stark saure Diaquo-Komplex H+-Ionen abgebe. Diese H+-Ionen würden nach Zugabe des Ammoniumoxalats teilweise in einer ersten Gleichgewichtsreaktion von den reaktiven Oxalat-Ionen (C2O42-) in Hydrogenoxalat (HC2O4-), in einer weiteren Gleichgewichtsreaktion zu undissoziierter Oxalsäure (H2C2O4) umgesetzt. Der pH-Wert steige bei dem „Chemismus der angegriffenen Ausführungsform“ im Zuge einer so genannten Pufferreaktion durch die Verminderung der H+-Ionen an. Zugleich sinke die Konzentration freier C2O42–Ionen, wobei nach der Lehre des Klagepatents diesem Effekt durch Zugabe von Hydroxid-Ionen (OH-), die die H+-Ionen neutralisieren, entgegengewirkt werden müsse (Merkmal (5)). Eine Zugabe von Hydroxid-Ionen finde bei dem angegriffenen Verfahren aber gerade nicht statt.
Aus diesem Grund liege auch eine äquivalente Verwirklichung der geschützten Lehre nicht vor. Da das angegriffene Verfahren auf die Zugabe von Alkalilösung zur Korrektur des pH-Wertes verzichte, stelle es sich weder als gleichwirkend noch als gleichwertig zur Lehre des Klagepatents dar. Einer äquivalenten Verletzung stehe zudem der so genannte Formstein-Einwand entgegen, weil das angegriffene Verfahren gegenüber dem Stand der Technik nach Kidani keine Erfindung darstelle. Das Beispiel 4 (i) nach Kidani zur Herstellung von Oxaliplatin sei entgegen der Darstellung der Klägerinnen mit den bei Kidani gegebenen Anweisungen in Verbindung mit dem allgemeinen fachmännischen Können sehr wohl nacharbeitbar.
Unabhängig davon sei die in Australien ansässige Beklagte zu 2) in Deutschland nicht operativ tätig. Aus dem Umstand allein, dass sie die Konzernmutter der Beklagten zu 1) ist, könne eine Verantwortung der Beklagten zu 2) für die Vertriebshandlungen ihrer Tochtergesellschaften nicht abgeleitet werden.
Schließlich sei das Klagepatent jedenfalls dann nicht rechtsbeständig, wenn es in der von den Klägerinnen vertretenen Weise ausgelegt werde. Die Verhandlung sei daher bei Bejahung einer Verletzung (hilfsweise) bis zur Entscheidung des Europäischen Patentamts im Einspruchsverfahren auszusetzen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Unterlassungs-, Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechnungslegungs- sowie Vernichtungsansprüche aus Art. 64 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1 und 2; 140a Abs. 1; 140b Abs. 1 und 2 PatG; §§ 242, 259 BGB mangels Verletzung des Klagepatents bei der Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform nicht zu. Auf der Grundlage des unstreitigen Sachvortrags zur Herstellung des Wirkstoffs Oxaliplatin bei der D GmbH handelt es sich bereits nicht um ein Erzeugnis, das durch das Verfahren nach Anspruch 1 des Klagepatents im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG unmittelbar hergestellt wurde (unmittelbares Verfahrensprodukt). Der Rechtsbestand des Klagepatents ist damit für die vorliegende Entscheidung nicht erheblich.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von cis-Oxalato(trans-l-1,2-cyclohexandiamin)-Pt(II) nach den Formeln II und III, das auch als Oxaliplatin bezeichnet wird und in der pharmazeutischen Industrie als Zytostatikum Verwendung findet.
Stoffschutz für Oxaliplatin besteht nicht mehr. Im Stand der Technik, von dem der Gegenstand des Klagepatents ausgeht, war es bekannt, Oxaliplatin dadurch herzustellen, dass eine als Diaquo-Komplex bekannte Verbindung der Strukturformel gemäß Formel I zu Anspruch 1 durch Zugabe von Oxalsäure oder des Oxalates hierzu in Oxaliplatin umzusetzen. Oxaliplatin hat die folgende Strukturformel:

Betreffend diese Umsetzung des Diaquo-Komplexes zu Oxaliplatin verweist die Klagepatentschrift in Abschnitt [0002] unter anderem auf die EP-A 0 567 438 (Tanaka; Anlagen K5, B4/4a) und die US-PS 4,169,846 (Kidani; Anlagen B5/5a). Tanaka beschreibt die Umsetzung des Diaquo-Komplexes mit Oxalsäure zu Oxaliplatin (vgl. Anlage B4, Seite 5, Zeilen 52f.: „Addition of 14.63 g of oxalic acid…“). Kidani offenbart die Umsetzung des Diaquo-Komplexes mit Kaliumoxalat (K2C2O4), dem Kaliumsalz der Oxalsäure, zu Oxaliplatin (vgl. Anlage B5, Spalte 4, Zeilen 14f.: „To the concentrate is added metal salt of dicarboxylic acid such as potassium oxalate,…“, also Kaliumoxalat, Anlage B5a, Übersetzung der Spalte 4, 2. Absatz).
Nach den Ausführungen der Klagepatentschrift (Abschnitt [0003]) weist die Reaktion von Oxalsäure mit dem Diaquo-Komplex im Stand der Technik den Nachteil auf, dass bei kurzer Reaktionszeit von etwa zwei Stunden zwar ein Produkt von hoher Reinheit mit einer geringen Menge an Nebenprodukten erhalten werden kann, die Ausbeute mit 50 bis 60 % aber eher gering ist. Mit einer Ausdehnung der Reaktionszeit auf etwa 24 Stunden kann zwar die Ausbeute auf etwa 70 % erhöht werden, allerdings nimmt mit längerer Reaktionszeit die Menge an unerwünschten Nebenprodukten (Verunreinigungen) zu. Wie die Klagepatentschrift weiter erläutert, müssen karzinostatische Substanzen wie Arzneimittel generell eine hohe Reinheit aufweisen, weil Verunreinigungen nicht nur die erwünschte Wirkung herabsetzen, sondern im schlimmsten Fall auch toxischen Charakter haben können (Abschnitt [0004]). Deshalb und aus Kostengründen sei es erstrebenswert, einerseits die Kontamination mit Verunreinigungen im gewünschten Produkt möglichst gering zu halten (Abschnitt [0005]), zugleich aber auch die bei der Umsetzung erzielte Ausbeute zu erhöhen (Abschnitt [0006]).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Klagepatents die Aufgabe zugrunde, eine möglichst hohe Ausbeute des gewünschten Platinkomplexes mit hoher Reinheit, das heißt möglichst ohne Kontamination mit Verunreinigungen zu erreichen (vgl. in diesem Sinne auch die Aufgabenbeschreibung in den Abschnitten [0006] und [0007]).

Zur Lösung des erfindungsgemäßen Problems sieht Anspruch 1 des Klagepatents ein Verfahren zur Herstellung eines Platinkomplexes vor, das folgende Merkmale umfasst:

(1) Umsetzung von cis-[Diaquo(trans-l-1,2-cyclohexandiamin) Pt(II)] der Formel I, wobei die sterische Konfiguration des 1,2- Cyclohexandiamins trans-l ist,
(2) mit Oxalsäure oder einem Oxalatderivat,
(3) um cis-Oxalato-(trans-l-1,2-Cyclohexandiamin) Pt(II) der Formel II zu synthetisieren;
(4) die sterische Konfiguration des 1,2- Cyclohexandiamins ist trans-l und R weist die Formel III auf;
(5) zum Zeitpunkt der Zugabe der Oxalsäure und/oder des Oxalatderivats wird der pH-Wert durch Zugabe einer Alkalilösung eingestellt, zwischen 3,0 und 6,0 zu sein.

Die Beschreibung der Klagepatentschrift erläutert weiter, dass die Zugabe einer Alkalilösung den pH-Wert in einen Bereich verschiebe, in dem die Dissoziation des Oxalat-Ions in zufriedenstellendem Maße auftritt (Abschnitt [0009]). Oxalat-Ionen werden für die Synthese des Diaquo-Komplexes zu Oxaliplatin benötigt; der Umfang, in welchem sie zur Verfügung stehen, bestimmt daher die Ausbeute des gewünschten Stoffes. Der in wässriger Lösung vorliegende Diaquo-Komplex (Strukturformel: Formel I zu Anspruch 1) ist stark sauer; sein pH-Wert liegt unterhalb von 1 (vgl. Abschnitt [0015]). Um den Diaquo-Komplex zu Oxaliplatin (vgl. die eingangs wiedergegebene Strukturformel) umzusetzen, müssen die an das Zentralatom Pt(II) gebundenen Wassermoleküle durch die Oxalat-Gruppe (Strukturformel: Formel III zu Anspruch 1) ersetzt werden. Dafür bedarf es des Vorhandenseins von doppelt negativ geladenen Oxalat-Ionen in der Lösung (zweifach negativ geladene Anionen mit der Summenformel C2O42-).
Im Stand der Technik – so beschreibt die Klagepatentschrift weiter – sei der niedrige pH-Wert des Diaquo-Komplexes ein hemmender Faktor einer herkömmlichen Reaktion zwischen dem Diaquo-Komplex und dem Oxalat-Ion gewesen, der die Dissoziation des Oxalat-Ions in einem für die Ausbeute wünschenswerten Maße behindert habe. Erhöhe man hingegen durch Heraufsetzung des pH-Wertes in den patentgemäßen Bereich den Grad der Dissoziation der Oxalsäure, um eine große Menge an Oxalat-Ionen zu produzieren, werde die Reaktion zwischen dem Diaquo-Komplex und Oxalat gefördert, so dass die Synthese des gewünschten Oxalat-Komplexes in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum ermöglicht werde (Abschnitt [0010]). Zugleich dürfe der pH-Wert jedoch nicht zu weit erhöht werden, da dies die Bildung eines Poly-Komplexes beschleunige (vgl. Abschnitte [0011] und [0018]). Erfindungsgemäß werde die Förderung der Reaktion bei gleichzeitiger Unterdrückung der Bildung eines Poly-Komplexes erreicht, indem der pH-Wert der Lösung mittels Zugabe einer Alkalilösung auf einen Bereich von 3,0 bis 6,0, insbesondere 4,0 bis 5,0 (Abschnitt [0012]) verschoben wird (Abschnitt [0011]). Als verwendbare Alkalilösungen nennt Abschnitt [0013] eine Kaliumhydroxid-Lösung, eine Natriumhydroxid-Lösung und eine Lithiumhydroxid-Lösung, wie dies auch Gegenstand des Unteranspruchs 3 ist.
Die Tatsache, dass eine wässrige Lösung des Diaquo-Komplexes stark sauer ist (Abschnitt [0015]), bedeutet, dass das Verhältnis von Hydroxid-Ionen (OH-) zu Wasserstoff-Ionen (H+-Ionen), das bei neutralem Wasser mit einem pH-Wert von 7 ausgeglichen ist, stark zugunsten der H+-Ionen verschoben ist. Dies drückt sich in einem sehr niedrigen pH-Wert aus. Das Gesamtmolekül des Diaquo-Komplexes ist doppelt positiv geladen und tendiert in wässriger Lösung zur Abspaltung von H+-Ionen aus den Wassermolekülen. Dies bewirkt eine hohe Protonen-Konzentration in der wässrigen Lösung des Diaquo-Komplexes. Oxalsäure (H2C2O4) ist demgegenüber nach der Beschreibung des Klagepatents (Abschnitt [0015]) eine schwache Säure, die in Wasser wie folgt dissoziiert: H2C2O4 + 2H2O  2H3O+ + C2O42- (= Oxalat-Ion). Das Ausmaß der Dissoziation der Oxalsäure hängt davon ab, wie sauer die wässrige Lösung ist, in der sie dissoziieren soll. Die Dissoziation erfolgt in umso geringerem Umfang, je saurer die Lösung ist, je höher also der Anteil bereits vorhandener H+-Ionen bzw. Hydroniumionen (H3O+) ist. Dies beschreibt Abschnitt [0009] des Klagepatents so, dass der niedrige pH-Wert ein hemmender Faktor sei, der die Dissoziation von Oxalat-Ionen unterdrücke (vgl. auch Abschnitt [0015]). Es ist aus diesem Grund zu vermuten, dass die geringe Konzentration des Oxalat-Ions in der wässrigen Lösung dazu führt, dass die Synthese des Diaquo-Komplexes zu Oxaliplatin nicht mit einer hohen Ausbeute durchgeführt werden kann (vgl. Abschnitt [0015]). Nach dem Massenwirkungsgesetz verschiebt die parallele Dissoziation des Diaquo-Komplexes (d.h. die beschriebene Erhöhung der H+-Ionen-Konzentration) das Gleichgewicht bei der Dissoziation der Oxalsäure in der oben wiedergegebenen Gleichung nach links mit der Folge, dass die Dissoziation von Oxalsäure behindert wird: Es bilden sich zu wenig Oxalat-Ionen, die für die Synthese des Diaquo-Komplexes zu Oxaliplatin benötigt werden.
Davon ausgehend will die technische Lehre des Klagepatents das Ausmaß der Dissoziation der Oxalsäure oder des Oxalat-Derivats erhöhen, um die Konzentration des Oxalat-Ions in der wässrigen Lösung zu erhöhen (Abschnitt [0016]). Dies soll patentgemäß (Merkmal (5)) durch Zugabe einer Alkalilösung geschehen, die den pH-Wert aus dem unerwünscht niedrigen in den beanspruchten Bereich verschiebt (Abschnitt [0017]). Die Erhöhung des pH-Wertes führt zu einem höheren Grad an Dissoziation der Oxalsäure oder des Oxalat-Derivats und damit zu einem höheren Angebot an Oxalat-Ionen, die mit dem Diaquo-Komplex reagieren können. Dies steigert im Ergebnis die Ausbeute an Oxaliplatin (vgl. Abschnitte [0009], [0010] und [0018]) auch bei kürzeren Reaktionszeiten, durch die unerwünschte Verunreinigungen von vornherein vermieden werden.

II.
Die Parteien streiten nicht darüber, dass das angegriffene Herstellungsverfahren der D GmbH, das zu dem in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Wirkstoff Oxaliplatin führt, von den Merkmalen (1), (3) und (4) wortsinngemäß Gebrauch macht. Umstritten sind allein die Merkmale (2) und (5), die die Klägerinnen einheitlich und zugleich durch die Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung zum Diaquo-Komplex verwirklicht sehen. Dass diese Zugabe in tatsächlicher Hinsicht dem angegriffenen Herstellungsverfahren entspricht, ist zwischen den Parteien nicht umstritten.
Ammoniumoxalat (Summenformel: (NH4)2C2O4) ist ein Salz der Oxalsäure, ein Oxalat. Mit einem pH-Wert von 6,4 ist eine wässrige Lösung von Ammoniumoxalat schwach sauer. Es dissoziiert in Wasser zu Oxalat-Ionen (C2O42-) und Ammonium-Ionen (NH4+) gemäß der folgenden Gleichung:
(NH4)2C2O4  C2O42- + 2(NH4)+
Die Zugabe einer wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat zu der wässrigen Lösung des Diaquo-Komplexes führt dazu, dass sich der pH-Wert im Ergebnis auf 4,7 erhöht. Damit wird Merkmal (2) jedenfalls in einer der beiden Varianten verwirklicht, wobei offen bleiben kann, in welcher. Denn es fehlt in jedem Fall an der Zugabe einer Alkalilösung im Sinne des Merkmals (5); dieses wird weder wortsinngemäß noch mit gleichwirkenden Mitteln verwirklicht.

1.
Merkmal (2)
Die Zugabe der Oxalsäure oder eines Oxalatderivats nach Merkmal (2) hat im Rahmen der erfindungsgemäßen technischen Lehre die Funktion, zur Umsetzung des Diaquo-Komplexes in Oxaliplatin für die beiden an das Zentralatom Pt(II) gebundenen Wassermoleküle (vgl. die Strukturformel I zu Anspruch 1) die ersatzweise erforderlichen Oxalat-Ionen (die Oxalatgruppe) zur Verfügung zu stellen. Diese Funktion wird unstreitig durch die Zugabe der wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat zum Diaquo-Komplex erfüllt, wie die Parteien im Ergebnis übereinstimmend annehmen. Der Streit der Parteien geht auf der Auslegungsebene lediglich darüber, ob Oxalatderivate nur Monosalze der Oxalsäure (Hydrogenoxalate) sind oder auch disubstituierte Salze der Oxalsäure sein können und ob folglich durch die Zugabe von Ammoniumoxalat die erste Variante Oxalsäure (so die Klägerinnen) oder die zweite Variante Oxalatderivat (so die Beklagten) erfüllt wird.
Diese Entscheidung auf der Auslegungsebene kann jedoch ebenso offen gelassen werden wie die Frage, ob „molekulare Spuren von Oxalsäure“, wie sie nach dem Vortrag der Beklagten in einer wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat allenfalls vorliegen sollen, bereits eine Verwirklichung der ersten Variante darstellen können. Denn unabhängig davon könnte selbst der Umstand, dass Oxalsäure in einer wässrigen Ammoniumoxalat-Lösung in einem Merkmal (2) genügenden Umfang vorhanden ist, nicht dazu führen, dass Merkmal (5) verwirklicht wird.

2.
Merkmal (5)
a)
Dieses verlangt, dass zum Zeitpunkt der Zugabe der Oxalsäure und/oder des Oxalatderivats der pH-Wert durch Zugabe einer Alkalilösung eingestellt wird, zwischen 3,0 und 6,0 zu sein, wobei der zeitliche Zusammenhang durch den für die Auslegung maßgeblichen englischsprachigen Wortlaut des Anspruchs 1 (Anlage K1, Seite 6, Zeilen 34f.: „at the time of adding the oxalic acid and/or the oxalate derivative, pH is adjusted to be between 3.0 and 6.0 by adding an alkali solution“) weniger strikt dargestellt wird, als die deutsche Übersetzung mit ihrer Anspruchsformulierung „zum Zeitpunkt“ suggerieren mag.
Die Anforderung der Zugabe einer Alkalilösung geht auf die in Abschnitten [0009] und [0015] beschriebene Erkenntnis zurück, dass in der stark sauren Lösung des Diaquo-Komplexes die Dissoziation des Oxalat-Ions unterdrückt wird. Die Oxalat-Ionen werden zur Umsetzung des Diaquo-Komplexes in Oxaliplatin benötigt. Grundsätzlich entstehen Oxalat-Ionen bei der Dissoziation von Oxalsäure in Wasser nach der Gleichung:
H2C2O4 + 2H2O  2H3O+ + C2O42-
Das sich dabei einstellende Gleichgewicht ist vom pH-Wert der Lösung abhängig. Im Ergebnis ist die Konzentration von Oxalat-Ionen in einer stark sauren Lösung aus den bereits eingangs erwähnten Gründen entsprechend gering.
Die technische Lehre des Klagepatents will die Behinderung der Dissoziation des Oxalat-Ions dadurch überwinden, dass der pH-Wert der Lösung mittels Zugabe einer Alkalilösung erhöht, das heißt in einen Bereich verschoben wird, in dem die Dissoziation des Oxalat-Ions in zufrieden stellendem Maße auftritt (Abschnitt [0009]), also eine hohe Dissoziation bei relativ geringer Reaktionszeit ohne toxische Verunreinigungen stattfindet (vgl. Abschnitte [0003] ff.). Das vom Klagepatent hierfür vorausgesetzte Mittel ist die Zugabe einer Alkalilösung.
Das Verständnis einer Alkalilösung, das der Fachmann auf dem Gebiet des Klagepatents – zugunsten der Klägerinnen kann unterstellt werden, dass es sich dabei um einen Chemiker auf dem Gebiet der organometallischen Chemie handelt – der gesamten Klagepatentschrift einschließlich ihrer Beschreibung entnimmt, entspricht seinem allgemeinen Verständnis des Begriffs „Alkalilösung“. Der Fachmann versteht darunter die Lösung einer Alkalie, also (wie durch Anlage B15, den Auszug aus dem Römpp Chemie Lexikon zu dem Stichwort „Alkalien“, belegt ist) einer Substanz, die bei ihrer Lösung in Wasser eine basische Lösung bildet. Wie der weitere Auszug aus Römpp (Anlage B33) zum Stichwort „Alkalische Reaktion“ zeigt, wird unter einer Alkalie gemeinhin eine Substanz verstanden, die nach ihrer Lösung in Wasser dazu führt, dass die Lösung weniger Protonen (H+ bzw. H3O+) als negativ geladene Hydroxid-Ionen (OH-) aufweist und infolgedessen der pH-Wert der Lösung größer als 7 ist. Aufgrund dieser Eigenschaft nehmen Alkalien von Wassermolekülen (H2O) Protonen (H+) auf und bewirken dadurch die Bildung von Hydroxid-Ionen (OH-). Auch Ammoniumhydroxid ist eine Alkalie (vgl. Anlage B15). Während sich eine saure Lösung (mit einem pH-Wert unter 7) durch einen Überschuss von H+-Protonen bzw. Hydroniumionen (H3O+) auszeichnet und in einer neutralen Lösung (mit einem pH-Wert gleich 7) ein Gleichgewicht herrscht, besteht in einer alkalischen Lösung (mit einem pH-Wert von über 7) ein Überschuss von Hydroxid-Ionen (OH-).
Dem Klagepatent lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der erfindungsgemäße Begriff der Alkalilösung von diesem allgemeinen Verständnis abweicht, so dass es schlicht ausreichen würde, wenn sich der pH-Wert nach Zugabe einer Lösung, die als solche keine alkalische Lösung im vorgenannten Sinne ist, in den anspruchsgemäß präferierten Bereich verlagert. Die Klagepatentschrift weicht nicht nur von diesem allgemeinen Verständnis nicht ab, sondern sie bestärkt den Fachmann im Gegenteil darin, es auch dem Verständnis der patentgemäßen Lehre zugrunde zu legen. In Abschnitt [0013] werden als Beispiele für eine Alkalilösung eine Kaliumhydroxid-Lösung, eine Natriumhydroxid-Lösung und eine Lithiumhydroxid-Lösung genannt, bei denen es sich jeweils um starke Basen handelt, also um Lösungen, in denen die Hydroxid-Ionen (OH-) die Hydroniumionen (H3O+) deutlich überwiegen. Damit korrespondiert es ebenfalls, wenn die Beschreibung in Abschnitt [0017] davon spricht, es sei der Anstieg des pH-Wertes durch die Zugabe einer Alkalilösung „mit einem gewöhnlichen Verfahren“ versucht worden. Im Zusammenhang des Abschnitts [0015] wird dem Fachmann geschildert, dass die bloße Zugabe von Oxalsäure nicht genüge, denn das Ausmaß der Dissoziation der Oxalsäure bleibe auch dann gering, wenn sie in die Lösung des Diaquo-Komplexes gegeben wird. Abschnitt [0022] erläutert schließlich im Hinblick auf ein Ausführungsbeispiel, dass Oxalsäure und eine wässrige Kaliumhydroxid-Lösung (also eine Alkalilösung im Sinne des Unteranspruchs 3) zugegeben wurden.
Die technische Bedeutung der Maßnahme nach Merkmal (5) geht für den Fachmann daher erkennbar zu der Anweisung, eine Alkalilösung zuzugeben, das heißt eine Lösung mit einem Überschuss an Hydroxid-Ionen (OH-). Nach dem Offenbarungsgehalt der Klagepatentschrift ist allein eine solche Lösung geeignet, dem als nachteilig anzusehenden, die Dissoziation der erforderlichen Oxalat-Ionen behindernden, niedrigen pH-Wert des Diaquo-Komplexes entgegenzuwirken. Der Wirkmechanismus dieser Maßnahme ist dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens geläufig: Die Hydroxid-Ionen (OH-) verbinden sich mit Hydroniumionen (H3O+) zu Wassermolekülen (2H2O). Dies senkt den Überschuss an Hydroniumionen (H3O+), der den niedrigen pH-Wert ausmacht, ab und bewirkt, dass sich in der Gleichgewichtsformel H2C2O4 + 2H2O  2H3O+ + C2O42- das Gewicht nach rechts verlagert, also in der gewünschten Weise mehr Oxalat-Ionen (C2O42-) entstehen.
Die Auslegung, welche die Klägerinnen dem Merkmal (5) beilegen wollen, liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass das Klagepatent unter der Zugabe einer Alkalilösung ganz allgemein die Zugabe eines Stoffes versteht, der zu der erwünschten Erhöhung des pH-Wertes durch Absenken der Zahl der Wasserstoffprotonen (H+) führt. Hinreichende Anhaltspunkte für das von den Klägerinnen vertretene abweichende Verständnis des Begriffs der Alkalilösung im Sinne des Merkmals (5) ergeben sich aus der Klagepatentschrift jedoch nicht. Dem Fachmann wird der stark saure Charakter der wässrigen Lösung des Diaquo-Komplexes als nachteilig für die Dissoziation von „Oxalsäure oder dergleichen“ (Abschnitt [0015]) dargestellt. Aufgrund seines allgemeinen Fachwissens liegt es für ihn daher nahe, die hohe Konzentration von Protonen durch die Zugabe einer alkalischen Lösung zu senken, die einen Überschuss an Hydroxid-Ionen enthält. Insbesondere derartige starke Basen nennt die Klagepatentschrift beispielhaft in Abschnitt [0013] und Unteranspruch 3, während sie andere Möglichkeiten zur Senkung der Wasserstoff-Ionen-Konzentration weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung aufzeigt.
Die Zugabe der Alkalilösung ist von der Oxalat-Zugabe (verstanden als Zugabe von Oxalsäure bzw. eines Oxalatderivats gemäß Merkmal (2)) zu unterscheiden. Anspruch 1 des Klagepatents sieht ausdrücklich vor, dass sowohl Oxalsäure bzw. ein Oxalatderivat als auch eine Alkalilösung zugegeben werden. Dem steht auch Abschnitt [0019] der Beschreibung nicht entgegen. Danach kann die Alkalilösung der wässrigen Lösung des Diaquo-Komplexes zwar „zu beliebiger Zeit vor und nach der Zugabe der Oxalat-Zugabe oder gleichzeitig damit“ zugegeben werden. Die Klägerinnen ließen im Termin darauf verweisen, dass mit diesen drei Optionen neben einer „gleichzeitigen“ Zusammenfügung aller drei Komponenten (1. Diaquo-Komplex in wässriger Lösung, 2. Oxalat, 3. Alkalilösung) zumindest zwei Vorab-Mischungen angesprochen seien. Die Zugabe der Alkalilösung zur wässrigen Lösung „vor“ der Oxalat-Zugabe bedeute eine Vorab-Mischung der Komponenten 1. und 3. vor ihrer Zugabe zu 2., die Zugabe der Alkalilösung „nach“ der Oxalat-Zugabe eine Vorab-Mischung der Komponenten 1. und 2. vor der Zusammenfügung mit 3. Damit beschreibt Abschnitt [0019] aber gerade diejenige der drei theoretisch denkbaren Vorab-Mischungen (2. mit 3., dann gemeinsame Zugabe zu 1.) nicht, die die Klägerinnen für das angegriffene Herstellungsverfahren postulieren. Es bedarf jedoch keiner Feststellungen dazu, ob das Klagepatent mit der Nichterwähnung der vierten Option eine Vorab-Mischung des Oxalates mit der Alkalilösung vor ihrer gemeinsamen Zugabe zur wässrigen Lösung bewusst ausschließen wollte. Denn unabhängig davon findet sich in der Beschreibungsstelle Abschnitt [0019] jedenfalls kein Hinweis darauf, dass mit den geschilderten Varianten mehr gemeint ist als die zwar getrennte Zugabe von Oxalat und Alkalilösung (als zu unterscheidender Substanzen „aus separaten Gefäßen“), die nicht nur hintereinander – sei es auch in beliebiger Reihenfolge -, sondern auch gleichzeitig möglich ist. Selbst dann, wenn man annimmt, dass die Dissoziation der Oxalat-Ionen nicht von der Reihenfolge der Zugabe der Komponenten zueinander abhängt, lässt sich der Beschreibung in Abschnitt [0019] nicht entnehmen, dass es im Falle einer Vorab-Mischung zweier Komponenten auch zu einer Reaktion, also der Entstehung eines neuen Stoffes kommen könne und patentgemäß kommen dürfe, der für sich betrachtet keine Alkalilösung im Sinne des Merkmals (5) darstellt.
Das Klagepatent kann daher keinen Schutz für die gegenüber dem Anspruch 1 ganz allgemeine Lehre beanspruchen, das Verhältnis von Hydroniumionen (H3O+) bzw. Wasserstoff-Ionen (H+) zu Hydroxid-Ionen (OH-) in der Reaktionslösung zugunsten letzterer zu verschieben, sondern nur für eine von ihm aufgezeigte spezielle Methode zur Erreichung dieses Ziels, nämlich die Zugabe einer Alkalilösung. Eine Alkalilösung im Sinne des Klagepatents ist daher nicht jeder Wasserstoffprotonenakzeptor, sondern nur eine Lösung mit einem Überschuss an Hydroxid-Ionen (OH-), durch deren Zugabe die Anzahl der Wasserstoffprotonen (H+) infolge Reaktion zu Wasser verringert wird, ohne dass patentgemäße Alkalilösungen auf die in Abschnitt [0013] und Unteranspruch 3 lediglich exemplarisch genannten Alkali-Metalle bzw. Erdalkali-Metalle im strengen Sinn reduziert werden könnten. Über diese hinaus umfasst Anspruch 1 auch andere Lösungen, die durch einen Überschuss an Hydroxid-Ionen (OH-) gekennzeichnet sind, aber eben auch nur solche.
Auf die demgegenüber weiter gefasste Brønsted-Lowry-Definition der Base (vgl. den Lehrbuchauszug aus Mortimer/Müller in Anlage K25) können sich die Klägerinnen nicht berufen. Danach werden die Begriffe Base/Säure nicht im Hinblick auf ihr Dissoziationsverhalten in Wasser bestimmt, sondern Basen sind Stoffe, die Protonen (H+-Ionen) aufnehmen können, also Protonenakzeptoren sind, während Säuren Stoffe sind, die Protonen abgeben, also Protonendonatoren sind. Die Klägerinnen meinen, vor dem Hintergrund dieser Definition entnehme der Fachmann der Klagepatentschrift nicht, dass eine patentgemäße Alkalilösung OH–Ionen abgeben müsse. Es sei vielmehr ausreichend, dass die Lösung einen Protonenakzeptor in einer Menge enthalte, die ausreicht, um den pH-Wert in den beanspruchten Bereich zu verschieben. Dies überzeugt nicht. Der Verweis auf die Brønsted-Lowry-Definition der Base geht schon deshalb ins Leere, weil Anspruch 1 des Klagepatents nicht von der Zugabe einer „Base“ spricht, sondern von der Zugabe einer „Alkalilösung“. Es kann daher dahinstehen, ob der Begriff der Base nach der Brønsted-Lowry-Definition alle Protonenakzeptoren umfasst und insofern weiter zu fassen ist als nach der Definition nach Arrhenius, die für wässrige Lösungen nach wie vor anerkannt ist. Es sind keine Anhaltspunkte in der Klagepatentschrift dafür ersichtlich, warum der Fachmann den Begriff der „Alkalilösung“ in Anspruch 1 als „Base“ im Sinne der Brønsted-Lowry-Definition verstehen sollte. Der Sprachgebrauch „Alkalilösung“ und die dafür genannten Beispiele in Abschnitt [0013] und Unteranspruch 3 führen ihn von diesem Verständnis im Gegenteil eher weg: Die Auslegung der Klägerinnen würde dazu führen, dass die Lösung von Ammoniumoxalat [(NH4)2C2O4] allein wegen der in ihr enthaltenen Oxalat-Ionen (C2O42-) als Protonenakzeptoren als Base im Sinne der Brønsted-Lowry-Definition und damit (die Relevanz dieser Definition für die Auslegung des Begriffs der Alkalilösung unterstellt) als patentgemäße Alkalilösung anzusehen wäre. Dem steht die Beschreibung der Klagepatentschrift entgegen, die etwa in Abschnitt [0009] einerseits von Oxalat-Ionen und andererseits (im Sinne von etwas davon zu Unterscheidendem) von der Alkalilösung als Mittel zur Anhebung des pH-Wertes spricht, die dazu dient, die andernfalls unbefriedigende Dissoziation von Oxalat-Ionen zum Zwecke einer höheren Ausbeute zu verbessern. Dies legt es dem Fachmann keineswegs nahe, eine wässrige Lösung allein im Hinblick auf die in ihr vorhandenen Oxalat-Ionen als patentgemäße Alkalilösung anzusehen, sondern führt ihn von einem solchen Verständnis eher weg.
Zuletzt kann Merkmal (5) auch nicht bereits dann als erfüllt angesehen werden, wenn eine Lösung zugegeben wird, die sowohl Protonendonatoren als auch Protonenakzeptoren enthält, ohne Rücksicht darauf, ob die Protonenakzeptoren überwiegen. Dieses Verständnis würde im Ergebnis dazu führen, dass jede wässrige Lösung (selbst mit einem pH-Wert von unter 7, also im sauren Bereich) als anspruchsgemäße Alkalilösung anzusehen wäre, weil sich selbst in einer sauren Lösung in gewisser Konzentration noch Hydroxid-Ionen und damit potentielle Protonenakzeptoren finden. An einem derartigen Verständnis wird der Fachmann insbesondere durch Abschnitt [0015] der Beschreibung gehindert. Dort wird der allgemeine Gegenstand der Erfindung des Klagepatents dahin geschildert, dass das Problem unzureichender Dissoziation im stark sauren Diaquo-Komplex nicht in dem gewünschten Maße allein durch die Zugabe von Oxalsäure, dort als eine schwache Säure bezeichnet, behoben werde. Dass Oxalsäure in Wahrheit eine starke Säure darstelle, wie die Klägerinnen im Termin betonen ließen, ändert nichts daran, dass Oxalsäure in der Beschreibung als „schwache Säure“ angesehen wird. Dem kann der Fachmann entnehmen, dass es nicht genügt, dem stark sauren Diaquo-Komplex (pH < 1) eine wässrige Lösung zuzugeben, die ihrerseits schwach (oder zumindest „schwächer“) sauer ist, also eine lediglich im Vergleich zum Diaquo-Komplex (d.h. relativ) höhere Konzentration von Hydroxid-Ionen aufweist. Durch die Beschreibung in Abschnitt [0015] wird der Fachmann in dem Verständnis bestärkt, dass nur die Zugabe einer alkalischen Lösung, also einer Lösung mit einem pH-Wert von über 7, zu einer zufrieden stellenden Dissoziation des Oxalat-Ions führt. Die pH-Grenze für die Alkalilösung wird ihm also nicht als eine relative, sondern als eine absolute bei einem pH-Wert von 7 erläutert.
Diese enge Auslegung des patentgemäßen Begriffs der Alkalilösung deckt sich mit dem Verständnis der fachkundig besetzten Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (EPA), wie es erkennbar dem Zwischenbescheid vom 13. Dezember 2007 (Anlagen K27/K27a) zugrunde liegt. In ihm nimmt die Einspruchsabteilung die Neuheit des Klagepatents angesichts der Entgegenhaltungen Kidani (Anlagen K6 und B5/5a) und Khokhar (Anlagen B23b/B23b (1)) an und stellt erst die Erfindungshöhe angesichts der Kombination der Druckschriften aus dem Stand der Technik Kidani, Tanaka (Anlagen K5 und B4/4a) und Khokhar in Frage. An der Neuheit gegenüber Kidani und Khokhar fehle es, so die Einspruchsabteilung im Zwischenbescheid, deshalb nicht, weil diese Dokumente die Zugabe einer Alkalilösung nicht offenbarten. Würde hingegen – entsprechend der Auslegung des Patentanspruchs 1 durch die Klägerinnen – die Zugabe von Kaliumoxalat (Kidani) beziehungsweise Natriumoxalat (Khokhar) die gleichzeitige Zugabe von Oxalsäure und Alkalilösung bedeuten, wie es die Klägerinnen für Ammoniumoxalat annehmen, hätte die Einspruchsabteilung des EPA die Zugabe von Alkalilösung als im Stand der Technik neuheitsschädlich offenbart ansehen müssen.

b)
Von diesem Wortsinn des Merkmals (5) macht die Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung keinen Gebrauch.
Ammoniumoxalat in wässriger Lösung hat – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – einen pH-Wert von 6,4, ist also leicht sauer (pH < 7). Eine (sei es auch nur leicht) saure Lösung weist aber gerade keinen Überschuss von Hydroxid-Ionen (OH-) auf, sondern im Gegenteil einen (leichten) Überschuss von Wasserstoff-Protonen (H+) bzw. Hydroniumionen (H3O+). Dass eine (leicht) saure Lösung auch Hydroxid-Ionen (OH-) enthält, ist unerheblich, denn jedenfalls finden sie sich definitionsgemäß in einer sauren Lösung in geringerer Konzentration als die positiv geladenen Wasserstoff-Ionen. Die Zugabe einer sauren Lösung kann mithin nicht dazu führen, dass der in dem stark sauren Diaquo-Komplex vorhandene Überschuss an Wasserstoffprotonen durch die Verbindung mit Hydroxid-Ionen zu Wassermolekülen in relevantem Maße verringert und damit das Gleichgewicht in der Formel H2C2O4 + 2H2O  2H3O+ + C2O42- nach rechts verlagert wird.
Es kann daher für die vorliegende Entscheidung auch offen gelassen werden, auf welche Weise die Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung zur Verringerung der Konzentration von H+-Ionen und damit zu einem Anstieg des pH-Wertes auf 4,7 (also in den beanspruchten Bereich) führt, ob dies insbesondere nach dem von den Beklagten vorgetragenen „Chemismus der angegriffenen Ausführungsform“ geschieht.
Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass Ammoniak (NH3) eine Alkalie beziehungsweise Ammoniumhydroxid (NH4+OH-) eine alkalische Lösung sei. Dem könnte aber allenfalls dann gefolgt werden, wenn man Merkmal (5) mit einer rein funktionalen Definition als „Erhöhung des pH-Wertes in den beanspruchten Bereich“ verstünde, was angesichts des Wortlauts „durch Zugabe einer Alkalilösung“ nicht gerechtfertigt ist. Darüber hinaus möchten die Klägerinnen in der Zugabe von Ammoniumoxalat [(NH4)2C2O4] in wässriger Lösung (H2O) die Zugabe eines Gemischs von Oxalsäure (H2C2O4) und Ammoniumhydroxid (NH4+OH-) sehen, weil darin Protonenakzeptoren in ausreichender Menge vorhanden seien. Auf das Potenzial einer Substanz, Protonen aufzunehmen, kommt es jedoch – wie im Rahmen der Auslegung dargelegt – nicht an, weil die Klagepatentschrift keinerlei Hinweise darauf enthält, dass ihrem Verständnis der Alkalilösung die Brønstedt-Lowry-Definition einer Base zugrunde liegt.
Ein Gemisch von Oxalsäure (H2C2O4) und Ammoniumhydroxid (NH4+OH-) kann entgegen der klägerischen Auffassung in einer wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat nicht erblickt werden. So ist es zwar zwischen den Parteien nicht umstritten, dass bei der Lösung von Ammoniak (NH3) in Wasser Ammoniumhydroxid entsteht und diese Lösung basisch ist: NH3 + H2O  NH4++ OH-
Weiter besteht kein Streit darüber, dass Ammoniumoxalat [(NH4)2C2O4] durch eine Reaktion von Oxalsäure (H2C2O4) und Ammoniak (NH3) nach folgender Gleichung entsteht: 2NH3 + H2C2O4  (NH4)2C2O4
In wässriger Lösung dissoziiert Ammoniumoxalat jedoch zu Oxalat-Ionen (C2O42-) und Ammonium-Ionen (2NH4+). Vor der Zugabe der wässrigen Ammoniumoxalat-Lösung zum Diaquo-Komplex liegt daher nicht mehr eine (für sich betrachtet) alkalische Lösung von Ammoniumhydroxid vor. Es wird mithin kein Gemisch aus Oxalsäure und Ammoniumhydroxid, sondern ein Reaktionsprodukt – und damit ein Aliud zu den Ausgangsstoffen – zugegeben. Die wässrige Ammoniumoxalat-Lösung weist vor ihrer Zugabe zum Diaquo-Komplex keinen Überschuss an Hydroxid-Ionen auf, wie es für eine Alkalilösung im Sinne des Klagepatents kennzeichnend wäre.
Wie im Rahmen der Auslegung bereits angedeutet, kann auch die Beschreibung in Abschnitt [0019] zu keinem anderen Ergebnis führen. Entgegen dem von den Klägerinnen im Termin überreichten Schaubild, das die verschiedenen durch diese Beschreibungsstelle angesprochenen Optionen veranschaulichen soll, erfüllt das Herstellungsverfahren, mit dem der Wirkstoff der angegriffenen Ausführungsform gewonnen wird, die Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung, nicht die Variante einer gleichzeitigen Zugabe von Oxalsäure und Ammoniumhydroxid. Denn die gleichzeitige Zugabe zweier Substanzen, von denen eine anspruchsgemäß einen Überschuss an Hydroxid-Ionen aufweisen muss, ist nicht gleichzusetzen mit der Zugabe des Reaktionsgemischs beider Substanzen, das als solches (mit einem pH-Wert von 6,4 unstreitig) nicht durch einen Überschuss an Hydroxid-Ionen gekennzeichnet ist.
Schließlich haben die Klägerinnen nicht schlüssig dargetan, dass Ammoniumoxalat in wässriger Lösung einen Überschuss an Hydroxid-Ionen ausbilden würde. Die Lösung ist vielmehr mit einem pH-Wert von 6,4 leicht sauer. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den auf Seite 21 der Replik (Bl. 156 GA) dargestellten Gleichungen, die die Reaktionsgleichgewichte in der Ammoniumoxalat-Lösung vor ihrer Zugabe zum Diaquo-Komplex wiedergeben sollen:
C2O42- + 2H2O  HC2O4- + OH- + H2O  H2C2O4 + 2OH-
(NH4)+ + H2O  NH3 + H3O+
Die untere der beiden Gleichungen ist – worauf die Beklagten in der Duplik (Seite 26, Bl. 211 GA) hingewiesen haben – zunächst dahin zu korrigieren, dass in Ammoniumoxalat [(NH4)2C2O4] einem Oxalation zwei NH4+-Ionen gegenüber stehen, die untere Gleichung also mit dem Faktor 2 zu multiplizieren ist:
2(NH4)+ + 2H2O  2NH3 + 2H3O+
Den beiden Hydroxid-Ionen (OH-) auf der rechten Seite der oberen Gleichung entsprechen daher auch zwei Hydronium-Ionen (H3O+) auf der rechten Seite der unteren Gleichung. Addiert man beide Gleichungen (die untere in der korrigierten Fassung), so wird deutlich, dass in der wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat (selbst bei angenommener vollständiger Reaktion der Hydrogenoxalat-Ionen HC2O4-) kein Überschuss an Hydroxid-Ionen entsteht, es sich also nicht um eine Alkalilösung im Sinne des Merkmals (5) handelt. Der leicht saure pH-Wert der Ammoniumoxalat-Lösung (6,4) deutet vielmehr darauf hin, dass die Hydrogenoxalat-Ionen (HC2O4-) nicht vollständig zu Oxalsäure und Hydroxid-Ionen reagieren: Im Vergleich der beiden Gleichungen werden also insgesamt mehr H+/H3O+-Ionen durch die Dissoziation des Ammoniumions (NH4)+ gebildet (untere Gleichung) als Hydroxid-Ionen (OH-) durch die Gleichgewichtsreaktion des Oxalat-Ions (obere Gleichung). In dem Maße, in dem Hydroxid-Ionen (OH-) entstehen, werden diese wegen des Überschusses an Protonen (H+/H3O+) umgehend zu Wasser neutralisiert, so dass in der Summe ein leichter Überschuss von Protonen (H+/H3O+) besteht, der den leicht sauren pH-Wert begründet.
Es ist daher für die Verwirklichung des Merkmals (5) nicht hinreichend, dass der pH-Wert der Reaktionslösung bei der Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform mit der Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung auf 4,7 ansteigt. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen kann allein aus dieser Tatsache nicht geschlossen werden, dass von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 Gebrauch gemacht werde. Dies ist nur dann der Fall, wenn die erstrebte Wirkung, der Anstieg des pH-Wertes der Gesamtlösung in den Bereich zwischen 3,0 und 6,0 – bevorzugt 4,0 bis 5,0 -, durch die Zugabe einer Alkalilösung bewirkt wird. Wie ausgeführt ist die wässrige Lösung von Ammoniumoxalat jedoch weder eine Alkalilösung noch kann sie als Gemisch einer sauren Oxalatlösung und einer Alkalilösung angesehen werden, denn sie ist mit einem pH-Wert von 6,4 leicht sauer. Damit kann ausgeschlossen werden, dass der unstreitig stattfindende Anstieg des pH-Wertes bei Durchführung der Verfahrensschritte im Zuge der Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform auf der Zuführung einer Lösung beruht, die einen Überschuss an Hydroxid-Ionen enthält. Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob im Tatsächlichen der von den Beklagten dargestellte „Chemismus“, auf welchen sie den Anstieg des pH-Wertes im Einzelnen zurückführt (Pufferreaktion), zutrifft.

c)
Das bei der Herstellung des Wirkstoffs der angegriffenen Ausführungsform angewandte Verfahren verwirklicht die Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents auch nicht mit äquivalenten Mitteln.
Unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz ist die Benutzung einer patentgemäßen Lehre dann zu bejahen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte. Dabei erfordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinn der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereiches bildet, welche sich an den Patentansprüchen auszurichten hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 523, 524 – Custodiol I, GRUR 2002, 527, 529 – Custodiol II; GRUR 2006, 313 – Stapeltrockner; Urteil vom 13.02.2007, X ZR 74/05 – Kettenradanordnung; OLG Düsseldorf, Mitt. 2005, 449, 452 – Monoklonaler Maus-Antikörper).
Demnach ist es, um eine Benutzung der Lehre eines Patents unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz bejahen zu können, nicht nur erforderlich, dass die vom Wortsinn des Patentanspruches abweichende Ausführungsform das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und dass der Durchschnittsfachmann mit den Fachkenntnissen des Prioritätstages des Patents ohne erfinderische Bemühungen in der Lage war, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden, sondern darüber hinaus auch, dass die vom Fachmann dafür anzustellenden Überlegungen derart am Sinngehalt der in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführungsform mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an der Gleichwertigkeit des verwendeten Austauschmittels, der Zugabe von Ammoniumoxalat in wässriger Lösung, und seinem Naheliegen aufgrund der Klagepatentschrift. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher an der Erfindung anknüpfender Überlegungen der Fachmann zum Austauschmittel gelangen konnte. Wie unter a) ausgeführt, sieht das Klagepatent zur Anhebung des in nachteiliger Weise niedrigen pH-Wertes der wässrigen Lösung des Diaquo-Komplexes einen ganz bestimmten Weg vor. Dieser liegt in der Zugabe einer Alkalilösung, sei es auch gleichzeitig mit der Zugabe der Substanz nach Merkmal (2), die die benötigten Oxalat-Ionen zur Verfügung stellt. Unter einer Alkalilösung ist eine Lösung mit einem Überschuss an Hydroxid-Ionen (OH-) gegenüber Wasserstoff-Protonen (H+/H3O+) zu verstehen (s.o. zu a)). Das Klagepatent enthält keinen Hinweis darauf, dass die Einstellung des pH-Wertes in den in Merkmal (5) genannten Bereich anders als durch Zugabe einer Alkalilösung erreicht werden könnte. An keiner Stelle der Klagepatentschrift wird ein alternativer Verfahrensschritt genannt, insbesondere kein solcher, der aus der bloßen Zugabe einer nur leicht sauren Lösung von Ammoniumoxalat zum Diaquo-Komplex bestünde. Die Klagepatentschrift führt den Fachmann von der Benutzung des Austauschmittels, der Zugabe einer gleichfalls sauren (pH < 7), aber im Vergleich zur Lösung des Diaquo-Komplexes (relativ) weniger sauren Lösung, eher weg. Abschnitt [0015] der Klagepatentschrift weist den Fachmann ausdrücklich darauf hin, dass die Zugabe einer im Verhältnis zum Diaquo-Komplex vergleichsweise schwachen Säure (als solche wird Oxalsäure genannt und bezeichnet) an dem Problem, zu dessen technischer Bewältigung die Erfindung beitragen soll, nämlich dem geringen Dissoziationsgrad der Oxalat-Ionen in Gegenwart des stark sauren Diaquo-Komplexes, nichts zu ändern vermag. Der Beschreibung dieses Befundes entnimmt der Fachmann, dass allein die „Verdünnung“ der stark sauren Reaktionslösung (mit einer sehr geringen Konzentration von Hydroxid-Ionen) durch die Zugabe einer im Verhältnis dazu schwachen Säure mit einem geringeren Überschuss an Hydroniumionen, also einer relativ höhere Konzentration an Hydroxid-Ionen, nicht ausreichen soll, um das technische Problem zu lösen. Der Fachmann, der sich – wie es im Rahmen der Gleichwertigkeit des Austauschmittels mit dem patentgemäßen Mittel geboten ist – am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert, wird daher die Möglichkeit, den pH-Wert allein durch Zugabe einer wässrigen Lösung von Ammoniumoxalat, also einer leicht sauren Lösung, anzuheben, nicht als eine der vorgeschlagenen Maßnahme gleichwertige Vorgehensweise in Betracht ziehen. Als ebenso unzureichend erkennt der Fachmann, die Einstellung des pH-Wertes in den beanspruchten Bereich „irgendwie“ zu bewerkstelligen. Dies wäre eine Unterkombination gegenüber dem erfindungsgemäß vorgesehenen Verfahrensschritt der Zugabe einer Alkalilösung.
Ohne eine äquivalente Verwirklichung der patentgemäßen Lehre kommt es auf den von den Beklagten erhobenen Formstein-Einwand und den allein in diesem Zusammenhang bestehenden Streit der Parteien über die Frage der Nacharbeitbarkeit des Standes der Technik „Kidani“ (Anlage B5/5a, K6) nicht an.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO. Die Voraussetzungen, unter denen den Klägerinnen wie beantragt Vollstreckungsschutz wegen der Kosten zu gewähren wäre (§ 712 ZPO), haben sie weder dargelegt noch glaubhaft gemacht (§ 714 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert wird auf 4.000.000,00 € festgesetzt.