4a O 294/04 – Drahtbond

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 359

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. September 2005, Az. 4a O 294/04

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen,

automatische Drahtbondvorrichtungen herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen, zu besitzen oder zu gebrauchen, die folgende Merkmale aufweisen:

einen Bondkopf, der ein an einem Ultraschallwandler angebrachtes Bondwerkzeug hat, wobei eine Bondspitze des Werkzeugs angeordnet ist, um im Betrieb der Maschine Aluminiumdraht an die Kontaktoberfläche eines elektronischen oder elektrischen Bauelements zu pressen und der Draht von einem geeigneten Drahtvorrat abgezogen wird, und einen Sensor, um die Positionsänderung des Bondkeils während des Bondvorgangs zu bestimmen, um eine Einrichtung zum kontinuierlichen Steuern sowohl des Pegels als auch der Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors, um so die Positionsänderung des Keils während des Bondvorgangs zu bestimmen;

2. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Februar 1997 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten sowie des erzielten Gewinns,

und dabei die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege vorzulegen, wobei Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den zu I.1. bezeichneten, seit dem 15. Februar 1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- Eur vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 0 540 xxx (Anlage K 1; deutsche Übersetzung Anlage K 1a; nachfolgend Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 5. Oktober 1992 unter Inanspruchnahme zweier britischer Prioritäten angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 5. Mai 1993, die Bekanntmachung der Patenterteilung im Patentblatt am 15. Oktober 1997. Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, steht in Kraft und beansprucht Schutz auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Die Beklagte hat gegen das Klagepatent Einspruch erhoben. Unter dem 12. Mai 1999 wurde das Klagepatent von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes uneingeschränkt aufrechterhalten. Auf die Ausführungen zur Begründung der Entscheidung, vorgelegt in deutscher Übersetzung als Anlage K 2a, wird Bezug genommen.

Das Klagepatent betrifft ein Steuerungssystem. Unter Schutz gestellt wird dabei sowohl ein Verfahren als auch eine Vorrichtung. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Vorrichtungsanspruch 5 hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

An automatic wire bonding apparatus which apparatus comprises a bonding head comprising a bonding tool (2) mounted on an ultrasonic transducer (6), a bonding tip of the tool (2) being arranged, in the operation of the machine, to press aluminium wire (8) against the contact surface of an electronic or electrical component (10), the wire (8) being drawn form a suitable wire supply and a sensor (12) for determining the change in position of the bonding wedge (2) during the bonding process, and means for continuously controlling both the level and duration of the supply of ultrasonic energy in response to the output of the sensor (12) for determining the change in position of the wedge (2) during the bonding process.

Patentanspruch 5 lautet in der veröffentlichten deutschen Übersetzung:

Automatische Drahtbondvorrichtung, die folgendes aufweist: einen Bondkopf, der ein an einem Ultraschallwandler (6) angebrachtes Bondwerkzeug (2) hat, wobei eine Bondspitze des Werkzeugs (2) angeordnet ist, um im Betrieb der Maschine Aluminiumdraht (8) an die Kontaktoberfläche eines elektronischen oder elektrischen Bauelements (10) zu pressen, und der Draht (8) von einem geeigneten Drahtvorrat abgezogen wird, und einen Sensor (12), um die Positionsänderung des Bondkeils (2) während des Bondvorgangs zu bestimmen, und eine Einrichtung zum kontinuierlichen Steuern sowohl des Pegels als auch der Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors (12), um so die Positionsänderung des Keils (2) während des Bondvorgangs zu bestimmen.

Wegen des Wortlauts des lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Patentanspruchs 6 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Nachfolgend gezeigt sind Abbildungen aus der Klagepatentschrift, die bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung zeigen und der Erläuterung der Erfindung dienen. Die Figuren 2 bis 4 zeigen Diagramme, bei welchen die Drahtverformung über die Zeit unter Anwendung von Ultraschallenergie gemessen wurde. Die Steuerung der Ultraschallenergie erfolgte dabei in Abhängigkeit von der Drahtverformung oder zusätzlich des Bondgewichtes, wobei Aluminiumdrähte unterschiedlicher Dicke (25 ym oder 250 ym) gewählt wurden. Figur 7 zeigt eine Ausführungsform einer automatischen Drahtbondvorrichtung.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung sowie des Vertriebs von Drahtbondautomaten. Im Jahr 1997 führten die Parteien Korrespondenz über das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatentes durch von der Beklagten hergestellte und vertriebene Drahtbonder mit der Bezeichnung „XY 710, 810, 715, 815, 905 und 910“. Deren Ausgestaltung ergibt sich anhand der als Anlage K 6 vorgelegten Produktbeschreibungen sowie des von der Beklagten als Anlage H 4 vorgelegten Trainingshandbuches XY 710/810.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. März 1997 (Anlage H 6) wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass von der Beklagten hergestellte und vertriebene Dünndrahtdrehkopfbonder deutsche und europäische Patente der Klägerin verletzen würden. In dem Antwortschreiben der Beklagten vom 19. März 1997 (Anlage H 7) führte diese aus, dass diese Auffassung nicht zutreffen würde, da eine kontinuierliche Regelung des Ultraschallpegels bzw. der Bondkraft als Funktion der Drahtverformung nicht durchgeführt werde. Die Klägerin antwortete hierauf unter Bezugnahme auf seinerzeitige Prospekte der Beklagten (Anlage H 9) mit Schreiben vom 6. Mai 1997 (Anlage H 8). Mit Schreiben vom 26. Mai 1997 (Anlage H 10) wies die Beklagte erneut eine Patentverletzung zurück; eine kontinuierliche Regelung liege nicht vor. Unter dem 8. Januar 2004 erwirkte die Beklagte gegen die Klägerin bei dem Landgericht München I eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Klägerin untersagt wurde zu behaupten, dass die angegriffenen Ausführungsformen gegen bestehende Patente der Beklagten verstoßen würden. Das entsprechende Hauptsacheverfahren ist derzeit bei dem Landgericht München I anhängig.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch machen würden.

Sie beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine Patentverletzung in Abrede und macht geltend, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent keinen Gebrauch machen würden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolge keine kontinuierliche Regelung in Abhängigkeit von der Drahtverformung. Im Rahmen der Online-Überwachung der Drahtverformung würden die fest vorgegebenen Parameter Pegel und Dauer der Ultraschallenergie bei Erreichen einer bestimmten Drahtverformung geändert. Es liege jedoch kein geschlossener Regelkreislauf vor, bei welchem ein Ist- mit einem Sollwert verglichen werde. Im Übrigen stehe etwaigen Ansprüchen der Einwand der Verwirkung entgegen.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzverpflichtung zu, da die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch macht.

I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines Drahtbondverfahrens, speziell eines Keilbondverfahrens unter Verwendung von Aluminium- oder Golddraht, sowie eine Maschine zur Durchführung dieses Verfahrens.

Nach den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift, wobei nachfolgend auf die deutsche Übersetzung (Anlage K 1a) Bezug genommen wird, ist Drahtbonden der Vorgang der Herstellung von elektrischen Anschlüssen bei Halbleiterelementen mit Hilfe von dünnem Metalldraht, charakteristisch Draht mit einem Durchmesser von 12 μm und 500 μm. Es sind im Stand der Technik eine Reihe von Drahtbondtechniken entwickelt worden; eine besonders erfolgreiche Technik stellt das Mikroschweißen mit Ultraschall dar. Eine automatische Drahtbondvorrichtung, mit der eine solche Technik durchführbar ist, wird in der DE-A-3 343 738 beschrieben. Aluminiumdraht, der mit der Kontaktoberfläche in Berührung ist, wird kräftig in Richtung der Oberfläche bewegt, an die er zu bonden ist, so dass deren Oxidschicht aufbricht. Der Draht wird dann mit Druck beaufschlagt und eine dauerhafte Verbindung zwischen den beiden Materialien hergestellt. Die Bewegung des Drahts wird von einem Ultraschallwandler erzeugt, der von einem Ultraschallgenerator zur Erzeugung von mechanischen Hochfrequenz-Schwingungen angeregt wird. Bei dem speziellen Drahtbondverfahren, das als Keilbonden bekannt ist, wird die Ultraschallenergie mit einem Wert bzw. Pegel zugeführt, der von der verwendeten Drahtgröße abhängig ist. Die Ultraschallenergie wird von einem Spezialwerkzeug, das als „Keil“ bekannt ist, auf den Aluminiumdraht gerichtet. Der Draht wird durch eine Führung am Unterende des Keils zugeführt. Wenn der Keil mit dem Aluminiumdraht die Oberfläche berührt, an die der Draht zu bonden ist, wird die Bewegung angehalten. Der Draht wird mit einer kleinen definierten Kraft, die als Bondgewicht bekannt ist, nach unten gepresst und geringfügig verformt, was unter dem Begriff der „Vorverformung“ bekannt ist. Während dieser Zeit wird der Durchmesser des Aluminiumdrahtes um einige wenige Mikrometer reduziert, wobei die tatsächliche Verringerung von der Größe, den physischen Eigenschaften und der exakten chemischen Beschaffenheit des Drahts abhängig ist.

Bei einer solchen automatischen Drahtbondvorrichtung ist es wichtig, möglichst umfängliche Kontrolle über das Verfahren zu haben und imstande zu sein, festzustellen, ob eine Verbindung erfolgreich hergestellt worden ist. Insbesondere ist es wichtig, feststellen zu können, wann der Keil mit dem Aluminiumdraht die Oberfläche berührt, an die der Draht zu bonden ist, damit die Bewegung des Keils angehalten werden kann. Darüber hinaus wäre es für den Bediener nützlich, zum Zeitpunkt des Bondens und nicht erst während einer anschließenden Prüfroutine feststellen zu können, ob eine Bondstelle erfolgreich hergestellt worden ist. Wegen des sehr schnellen Durchsatzes einer automatischen Bondvorrichtung wäre es vorteilhaft, wenn die Kontaktierung unmittelbar zum Bondzeitpunkt überwacht bzw. überprüft werden könnte, so dass nach der Ausbildung einer unbefriedigenden Bondstelle der Vorgang angehalten und die Bondbedingungen überprüft werden könnten, um die Erzeugung einer großen Anzahl unbefriedigender Bondstellen und die daraus resultierende Verschwendung von Zeit und teueren Komponenten und Materialien verhindern zu können.

Bei den im Stand der Technik eingesetzten Drahtbondmaschinen ist, was das Klagepatent ausdrücklich als nachteilig ansieht, eine Überprüfung, ob eine erfolgreiche Kontaktierung hergestellt worden ist, nur möglich, nachdem der Bondvorgang abgeschlossen worden ist. Hierfür wird der „Schleifenzugtest“ angewandt.

Im Stand der Technik sind entsprechend auch Verfahren vorgeschlagen worden, um zum Zeitpunkt des Bondens zu überprüfen, ob eine erfolgreiche Kontaktierung hergestellt worden ist, was von der europäischen Patentanmeldung EP 0 368 533 offenbart wird. Die dort offenbarte Vorrichtung weist eine Einrichtung auf, um während des Bondens die Güte der Bondstelle zwischen dem Draht und der Oberfläche, an die er zu bonden ist, dadurch zu überwachen, dass diejenigen Bondstellen identifiziert werden, die nicht innerhalb vorbestimmter Maximal- und Minimalwerte für die Verformung des Drahts infolge einer Ultraschallanregung fallen. Die meisten bekanten Systeme steuern – so die Klagepatentschrift – den Bondvorgang dadurch, dass die Dauer gesteuert wird, in der der Bondstelle ein Konstantpegel von Ultraschallenergie zugeführt wird. Das führt dazu, dass sowohl die Zeitdauer, während der Energie zugeführt wird, als auch der Pegel der zugeführten Energie für etwas eingestellt sind, das als „ungünstigste“ Kontaktierung angesehen werden kann, wohingegen bei vielen Bondstellen sowohl die Güte der Kontaktierung als auch die Effizienz des Bondvorgangs in Bezug auf die benötigte Zeit und den Energieverbrauch durch eine präzisere Steuerung der Ultraschallenergieführung verbessert werden würde.

Die EP-A-208 310 offenbart eine automatische Drahtbondvorrichtung, die neben den bekannten Bestandteilen einen Sensor aufweist, um die Positionsänderung des Bondkeils während des Bondvorgangs zu bestimmen. Diese automatische Drahtbondvorrichtung umfasst ferner eine Einrichtung zur Steuerung der Energiezuführung zu dem Ultraschallwandler in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors, wobei nur die Dauer der Energiezuführung gesteuert wird. Insoweit ist diese Steuerung eingeschränkt, was zu einer entsprechend eingeschränkten Überwachung der Bondstellengüte führt.

Aus dem Stand der Technik ist es ferner bekannt, dass der Bondvorgang einen Zwei- oder Dreistufenvorgang darstellt, wobei jede dieser Stufen vorteilhaft so durchgeführt wird, dass der Pegel der Ultraschallenergie und fakultativ die Größe der Bondkraft, die in dieser Stufe zugeführt werden, spezifisch für diese Stufe bestimmt werden. In der ersten Stufe des Bondvorgangs werden die Oberflächen des Drahts und des Substrats, an das er gebondet werden soll, gereinigt; in der zweiten Stufe erfolgt das Schweißen zwischen dem Draht und dem Substrat und im Fall von dicken Drähten findet in einer dritten Stufe eine Hochtemperaturvergütung der Bondoberfläche mittels Ultraschallenergie statt. Dabei ist beobachtet worden, dass jede dieser Stufen vorteilhaft mit einem jeweils verschiedenen Energiepegel und fakultativ einer jeweils verschiedenen Bondkraft ausgeführt wird, die während des Bondvorgangs empirisch bestimmt und gesteuert werden kann. Die erste Stufe erfordert einen relativ hohen Energiepegel, die zweite einen niedrigeren Energiepegel und fakultativ eine geringeres Bondgewicht und die dritte Stufe erfordert einen Energiepegel und fakultativ ein Bondgewicht, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Verbindung veränderlich sind.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ohne dies ausdrücklich zu formulieren, Bondstellen von gleichbleibend hoher Güte mit hoher Effizienz zu erreichen, und zwar unabhängig von etwaigen Änderungen der Bondbedingungen und eine Überwachung dieser beim Bonden. Hierzu schlägt das Klagepatent in dem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentanspruch 5 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Automatische Drahtbondvorrichtung,

2. die einen Bondkopf aufweist.

a) Der Bondkopf hat ein an einem Ultraschallwandler (6) angebrachtes Bondwerkzeug (2).

b) die Bondspitze des Bondwerkzeugs (2) ist angeordnet, um im Betrieb der Maschine Aluminiumdraht (8) an die Kontaktoberfläche eines elektronischen oder elektrischen Bauelements (10) zu pressen.

c) Der Draht (8) wird von einem geeigneten Drahtvorrat abgezogen.

3. Die automatische Drahtbondvorrichtung weist einen Sensor (12) auf, um die Positionsänderung des Bondkeils (Bondwerkzeugs) (2) während des Bondvorgangs zu bestimmen.

4. Die automatische Drahtbondvorrichtung weist eine Einrichtung zum kontinuierlichen Regeln auf.

a) Die Regeleinrichtung steuert den Pegel der Zuführung von Ultraschallenergie.

b) Die Regeleinrichtung steuert die Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie.

c) Die Regelung erfolgt in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors, um so die Positionsänderung des Keils (Bondkeils/Bondwerkzeugs) (2) während des Bondvorgangs zu bestimmen.

In der vorstehenden Merkmalsgliederung wurde entgegen der deutschen Übersetzung des Patentanspruches 5 statt des Begriffs der Steuerung, derjenige der Regelung verwendet, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass das Klagepatent nicht eine Steuerung, sondern eine Regelung unter Schutz stellt.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch.

Zwischen den Parteien im Streit steht die Verwirklichung des Merkmals 4 der obigen Merkmalsgliederung, welches besagt, dass die automatische Drahtbondvorrichtung eine Einrichtung zum kontinuierlichen Regeln aufweist. Dabei soll die Einrichtung den Pegel und die Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors regeln, um so die Positionsänderung des Keils während des Bondvorgangs zu bestimmen (Merkmale 4.a) und b)).

Zwischen den Parteien im Streit steht die Frage, was nach dem Klagepatent unter einer kontinuierlichen Regelung zu verstehen ist. Die Parteien stimmen zutreffend darin überein, dass kontinuierliches Regeln im Sinne der Erfindung eine kontinuierliche Überprüfung des Ausgangssignals des Sensors umfasst, in dessen Abhängigkeit die Regelung des Pegels und der Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie erfolgen soll, wobei das Ausgangssignal des Sensors Positionsänderungen des Bondkeils während des Bondvorgangs und damit die Drahtverformung wiedergibt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltet die kontinuierliche Regelung nach dem Klagepatent jedoch nicht nur eine ständige Anpassung des Pegels und der Dauer der Zuführung von Ultraschallenergie in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors. Denn die zu steuernden Parameter sollen – gegenüber dem Stand der Technik – den Bondvorgang optimieren. Dazu genügt es, wenn eine Anpassung der Parameter an den Zwei- oder Drei-Stufen-Bondvorgang erfolgt.

Für ein solches Verständnis des Patentspruches 5 spricht zunächst der von der Klagepatentschrift in Bezug genommene Stand der Technik (Anlage K 1a Seite 4 Abs. 3 f.). Die EP-A-208 310 offenbart eine automatische Drahtbondvorrichtung, die neben weiteren Bestandteilen einen Sensor aufweist, um die Positionsänderung des Bondkeils während des Bondvorgangs zu bestimmen sowie eine Einrichtung zur Steuerung der Energiezuführung zu dem Ultraschallwandler in Abhängigkeit von dem Ausgangssignal des Sensors, die jedoch nur die Dauer der Energiezuführung steuert, was das Klagepatent als nachteilig ansieht. Hiervon ausgehend stellt bereits eine Anpassung der Parameter Pegel und Dauer der Zuführung der Ultraschallenergie an die Zwei- bzw. Drei-Stufen des Bondvorgangs in Abhängigkeit von der Drahtverformung einen erheblichen Vorteil dar. Denn durch eine Anpassung im Rahmen des Zwei- bzw. Drei-Stufen-Prozesses wird auch eine Optimierung des Bondvorgangs im Vergleich zu den aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren erreicht. In Abhängigkeit des Bedarfs an Ultraschallenergie im Rahmen der einzelnen Stufen erfolgt damit eine Anpassung.

Für ein entsprechendes Verständnis des Begriffs der kontinuierlichen Steuerung, d.h. jedenfalls Anpassung der Parameter der Ultraschallenergie an den Zwei- und Drei-Stufen-Prozess, spricht auch, dass im Rahmen der allgemeinen Beschreibung der Erfindung (Anlage K 1a, Seite 5 Abs. 3) ausgeführt auf den Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bondvorgang Bezug genommen wird. So wird ausgeführt, dass der Bondvorgang nicht, wie früher angenommen, ein Einstufenvorgang, sondern ein Zwei- oder Dreistufenvorgang ist. In einer ersten Stufe wird die Oberfläche des Drahtes und des Substrates, an das er gebondet werden soll gereinigt; in der zweiten Stufe findet das Schweißen zwischen dem Draht und dem Substrat statt; im Fall von dicken Drähten findet auf einer dritten Stufe eine Hochtemperaturvergütung der Bondoberfläche statt. Dabei erfordert die erste Stufe einen relativ hohen Energiebedarf, während die zweite Stufe einen niedrigeren Energiepegel und fakultativ ein geringeres Bondgewicht benötigt, und die dritte Stufe wiederum einen Energiepegel und fakultativ ein Bondgewicht erfordert, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Verbindung veränderlich sind. In diesem Zusammenhang wird dann weiter ausgeführt, dass

„jede dieser Stufen vorteilhaft so durchgeführt wird, dass der Pegel der Ultraschallenergie und fakultativ die Größe der Bondkraft, die in dieser Stufe zugeführt werden, spezifisch für die Stufe bestimmt werden.“

Weiter heißt es, dass jede dieser Stufen vorteilhaft mit einem jeweils verschiedenen Energiepegel und fakultativ einer jeweils verschiedenen Bondkraft ausgeführt wird, die während des Bondvorgangs empirisch bestimmt und gesteuert werden. Hieraus wird ohne Weiteres deutlich, dass es erfindungsgemäß vorteilhaft ist, wenn jedenfalls eine Anpassung der Ultraschallenergieparameter an den Stufenvorgang erfolgt. Denn auch durch eine solche – gestufte – Anpassung wird erreicht, dass der Bondvorgang gegenüber dem Stand der Technik, bei welchem nur die Dauer der Energiezuführung gesteuert wurde, optimiert wird. Die Zuführung des Pegels und der Dauer der Ultraschallenergiezufuhr erfolgt dann entsprechend der tatsächlichen Gegebenheiten bei dem Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bondvorgang.

Auch die Ausführungsbeispiele lassen den Schluss auf ein entsprechendes Verständnis des Begriffs der kontinuierlichen Regelung zu. Die Figuren 2 bis 5 zeigen zwar graphische Darstellungen, bei welchen die Drahtverformung über die Zeit gemessen abgebildet werden und entsprechend der Drahtverformung eine Anpassung des Pegels und der Dauer der Zuführung der Ultraschallenergie erfolgt. Auch in der Beschreibung der Figur 2 ist beispielsweise davon die Rede, dass ein Bondverfahren gezeigt wird, bei dem Ultraschallenergie angewandt wird, die in Abhängigkeit von der Drahtverformung gesteuert wird (vgl. Anlage K 1a, Seite 8 Abs. 2).
Die weitere Beschreibung der Figuren 2 bis 5 sowie die Figur 6 zeigen jedoch, dass erfindungsgemäß nicht nur kontinuierliche Regelungen sind, bei denen stets eine Anpassung der Parameter der Ultraschallenergie erfolgt, sondern auch solche, bei denen eine Anpassung in Abhängigkeit von dem Zwei- bzw. Drei-Stufenvorgang erfolgt. So wird zu Figur 2 weiter ausgeführt (Anlage K 1a, Seite 8 Abs. 3):

„In der ersten Stufe wird Energie mit einem relativ hohen Pegel zugeführt, und es erfolgt nahezu keine Verformung des Drahts. Der Grund dafür ist, dass während dieser Stufe in den ersten ungefähr 12 ms des Bondvorgangs die Oberfläche des Drahts und die Kontaktoberfläche von Oberflächenverunreinigung befreit werden. Diese Verunreinigung liegt allgemein in Form von Oberflächenoxidation vor und kann auch organische Verunreinigung beinhalten.

Wie Figur 2 zeigt, erfolgt nach beendeter Reinigung ein scharfer Anstieg der Verformung, wenn die zweite Stufe eingeleitet wird. Während der zweiten Stufe wird der Ultraschallenergiependel verringert, und wenn die Verformung des Drahts einen vorbestimmten Wert erreicht, wird die Energie abgeschaltet, da die Bondstelle fertiggestellt ist.“

Ähnliche Ausführungen erfolgen bei der Beschreibung der Figur 3 bis 5, worauf Bezug genommen wird. Auf eine Anpassung an den Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bondvorgang wird daher Bezug genommen. Weiterhin zeigt Figur 6, wie nachfolgend abgebildet,

ein Diagramm der Drahtverformung über die Zeit bei gleichzeitiger Kennzeichnung der drei Stufen des Bondvorgangs, nimmt mithin auch Bezug auf den geschilderten Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bondvorgang.

Soweit in Bezug auf die Ausführungsform einer automatischen Drahtbondvorrichtung, wie in Figur 7 gezeigt, ausgeführt wird (vgl. Anlage K 1a, Seite 10 Abs. 5), dass im Betrieb Daten von dem Verformungssensor über das Drahtverformungs-Messystem dem Prozessor zugeführt werden, wo das Verfahren ständig überwacht und der erforderliche Ultraschallenergiepegel berechnet wird und die Daten bezüglich des berechneten Pegels dann genutzt werden, um den Ultraschallgenerator über den Ultraschallregler zu steuern, steht dies der vorstehend geschilderten Auffassung nicht entgegen. Denn zum einen handelt es sich hierbei um die Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform, auf welche der Schutzbereich nicht beschränkt werden kann (vgl. BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Zum anderen fallen unter den Schutzbereich des Klagepatentes Ausgestaltungen, bei denen eine ständige Anpassung des Ultraschallenergiepegels in Abhängigkeit von der Drahtverformung erfolgt. Erfindungsgemäß sind darüber hinaus aber auch Ausgestaltungen, bei denen eine Anpassung des Ultraschallenergiepegels und –dauer an den Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bondvorgang erfolgt, was sich anhand der vorstehenden Ausführungen ergibt.

Für die von der Beklagten vertretene gegenteilige Auffassung findet sich weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung konkrete Anhaltspunkte. Entsprechende Stellen hat die Beklagte nicht benannt. Der Verweis auf das allgemeine Verständnis des Begriffs einer Regelung wie er sich aus dem Standardwerk Prof. Dr. Unbehauen, Regelungstechnik I, 1987 (Anlage H 14) sowie der DIN 19 266 (Anlage H 15) ergeben soll, kann für die Auslegung des Patentanspruchs nicht herangezogen werden, da die Patentschrift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 1999, 909 – Spannschraube) ihr eigenes Lexikon darstellt. Der Patentanspruch ist daher anhand der Patentschrift auszulegen, welcher zu vorstehend geschildertem Verständnis des Begriffs der kontinuierlichen Regelung führt.

Gegen das geschilderte Verständnis sprechen auch nicht verschiedene, von den beklagten angeführte Stellen in der Patentschrift. Wenn auf Seite 6 Abs. 2 am Ende der Patentschrift ausgeführt wird, dass „die Bondparameter für jede einzelne Bondstelle bestimmt und für diese Bondstelle optimiert werden“, handelt es sich hierbei um eine unbestimmte Aussage, der nicht entnommen werden kann, dass die Optimierung durch eine ständige Anpassung der Parameter der Ultraschallenergieleistung erfolgen muss und nicht auch durch eine Anpassung an den Zwei- bzw. Drei-Stufen-Bindvorgang. Auch hierdurch wird gegenüber dem Stand der Technik eine Verbesserung erreicht, da auch auf diese Weise die Bondparameter für jede einzelne Bondstelle bestimmt und für diese Bondstelle optimiert werden können. Das gleiche gilt, wenn in Absatz 3 auf Seite 6 davon die Rede ist, dass „durch ständiges Überwachen des Bondvorgangs gemäß der Erfindung (können) Bondstellen einer gleichbleibend hohen Güte mit hoher Effizienz erreicht werden, und zwar unabhängig von etwaigen Änderungen der Bondbedingungen“ können. Entsprechend kann auch dem Ausdruck „Inline-System mit Rückführung“ auf Seite 6 Abs. 4 der Klagepatentschrift kein Anhalt für eine gegenteilige Auslegung entnommen werden.

Das vorstehende Verständnis des Merkmals zugrundelegend macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch. Wie aus der Anlage K 8 hervorgeht, ist der angegriffene Drahtbonder derart ausgestaltet, dass der Bondprozess in bis zu drei definierbaren Phasen gesteuert wird. Innerhalb einer Phase werden jeweils konstante Ultraschallleistungen und Bondkräfte vorgegeben. Die Umschaltung zwischen den einzelnen Phasen erfolgt entweder nach Zeit oder nach Erreichen einer vorgegebenen Verformung. Eine Umschaltung auf ein neues Level der Ultraschallleistung wird daher vorgenommen, wenn eine bestimmte Verformungsschwelle erreicht wird. Dabei sind die Ultraschallleistung und die Bondkraft der neuen Phase von Anfang an fest vorgegeben. Damit ermöglicht die angegriffene Ausführungsform die Abarbeitung des zwei- oder dreistufigen Bondvorgangs, wobei in Abhängigkeit von der Drahtverformung die voreingestellten Parameter für die zwei oder drei Stufen abgerufen werden.

Der von der Beklagten erhobene Einwand der Verwirkung ist unbegründet. Der Verwirkungseinwand ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Einwands aus Treu und Glauben, § 242 BGB. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Auf Grund dieser Wurzel im Grundsatz von Treu und Glauben wird der Verwirkungseinwand auch in Patentverletzungsfällen zugelassen (BGH, GRUR 2001, 323 ff. – Temperaturwächter m.w.N.). Beim Unterlassungsanspruch kommt Verwirkung in Betracht, wenn der Rechtsinhaber über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den Verstoß gegen seine Rechte kannte oder bei der gebotenen Wahrung seiner Interessen kennen musste, so dass der Verletzung mit der Duldung seines Verhaltens durch etwaige Berechtigte rechnen durfte und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand geschaffen hat. Einen entsprechenden Besitzstand setzt die Verwirkung des Schadenersatzanspruches nicht voraus.

Vorliegend steht unabhängig von der Frage, ob ein Zeitraum von sieben Jahren ausreichend wäre, nicht fest, dass die Klägerin im Jahre 1997 bereits Kenntnis von dem Verstoß gegen ihre Rechte kannte bzw. bei der gebotenen Wahrung ihrer Interessen hätte kennen müssen. Die darlegungsbelastete Beklagte hat nicht hinreichend konkret dargetan, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis über die Ausgestaltung der angegriffenen Vorrichtungen sowie einer etwaigen Patentverletzung hatte.

Anhand des von der Beklagten vorgelegten Schriftverkehrs ergibt sich dies nicht. In den Schreiben wurden von der Beklagten keine Detailangaben zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen gemacht. Auch die der Klägerin zugänglichen Prospekte liefern hierfür keinen Anhalt. Die Beklagte selbst hat als Anlage H 9 die Prospekte vorgelegt, welcher der Klägerin im Jahre 1997 zur Verfügung standen. Einziger Anhaltspunkt für eine mögliche Patentverletzung ist die Aussage, dass die Qualitätskontrolle über eine „Online-Überwachung der Drahtverformung“ erfolgt und die „Steuerung des Bondprozesses in bis zu drei frei definierbaren Phasen“ erfolgt. Weitere Tatsachen zu dem konkreten Prozess der Online-Überwachung und der Regelung lassen sich den Prospekten nicht entnehmen. Insbesondere ergibt sich anhand dieser kein Anhaltspunkt zur Art des Zusammenhangs zwischen der Online-Überwachung der Drahtverformung und der Steuerung des Prozesses in bis zu drei definierbaren Phasen, insbesondere nicht ein Zusammenhang zwischen der Drahtverformung und den Parametern Ultraschallenergie und Ultraschalldauer.
Dass der Klägerin bereits im Jahre 1997 eine Beschreibung der Maschine der Beklagten übergeben worden sein soll, hat die Klägerin bestritten, ohne dass die Beklagte danach Beweis für ihre Behauptung angeboten hat. Konkrete Tatsachen hierzu hat die Beklagte auch nicht vorgetragen. Wie die Klägerin ansonsten zu Materialien über die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen hätte gelangen können, hat die Beklagte nicht vorgetragen, so dass der Klägerin eine fahrlässige Unkenntnis auch nicht vorgeworfen werden kann. Allein der Umstand das die Klägerin Marktführerin im Bereich des Drahtbondverfahrens sein soll und auch über beste Kundenkontakte verfügt, reicht hierfür nicht aus.

Die Klägerin erhielt mithin erst im Jahre 2004 im Rahmen des Verfahrens vor dem Landgericht München I Detailangaben zu den Vorrichtungen der Beklagten. Erst anhand dieser Unterlagen – Anlagen K 7 und K 8 – ergab sich für die Klägerin der Zusammenhang zwischen der Online-Überwachung der Drahtverformung und der Steuerung. Denn in der Anlage K 8 wird beschrieben, dass der Schweißprozess in bis zu drei Phasen unterteilt werden kann, in denen mit verschiedenen Ultraschallpegeln und Bondkräften gearbeitet werden kann und die Umschaltung entweder nach Zeit oder nach Erreichen einer bestimmten Verformung geschieht. In Anlage K 7 Seite 74 werden dann die drei Phasen beschrieben. Eine entsprechende Ausgestaltung ergab sich aus dem Schriftverkehr aus dem Jahre 1997 und den dort vorgelegten Prospekten nicht.

III.
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1.
Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatentes unter Verstoß gegen § 9 PatG benutzt hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 Abs. 3 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 9 Satz 1 Nr. 1 PatG.

2.
Die Klägerin kann zudem von der Beklagten nach Art. 64 Abs. 3 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG Schadensersatz verlangen. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, ist die Beklagte ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4.
Gemäß § 140 b PatG hat die Beklagte ferner über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Ansatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 500.000,- EUR.