4b O 223/09 – Lagerung eines Paneels II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1319

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Dezember 2009, Az. 4b O 223/09

I. Die Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen gegen die Verfügungsbeklagten vom 13.10.2009 (Ziffer III.) werden zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagten wegen angeblicher Verletzung des Deutschen Patents DE 102 11 XXX C2 („Verfügungspatent“, Anlage AST 6) betreffend ein Paneellager mit Dämmungsvorrichtung auf Unterlassung in Anspruch.

Als Inhaberin des Verfügungspatents, das am 13.03.2002 angemeldet und dessen Erteilung am 21.07.2005 veröffentlicht wurde, ist eine „A GmbH, XXX B“, eingetragen (siehe den Rollenauszug gemäß Anlage Ast 7).

Mit Schriftsatz vom 30.11.2009 reichte die Verfügungsbeklagte zu 1) die aus der Anlage AG 12 ersichtliche Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent ein.

Die von der Verfügungsklägerin zuletzt in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1 und 6 des Verfügungspatents haben folgenden Wortlaut:

„Lagerungsvorrichtung für Paneele, die zumindest zwei Profile umfasst, ein mit der Außenluft in Verbindung kommendes äußeres Profil und ein mit der Innenluft in Verbindung kommendes inneres Profil, das im eingebauten Zustand gemeinsam mit dem Paneel und dem äußeren Profil zumindest einen bezüglich der Innenluft gedichteten Hohlraum bildet.“ (Anspruch 1).

„Lagerungsvorrichtung für Paneele nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das innere Profil ein Einhängelager, das mit der Vorkragung des äußeren Profils in Eingriff bringbar ist, sowie einen vertikal zum Baukörper liegenden Quersteg und einen endseitig mit einer Dichteinrichtung versehenen Horizontalsteg umfasst, so dass in eingebautem Zustand ein weiterer bezüglich der Innenluft gedichteter Hohlraum ausgebildet wird.“ (Anspruch 6).

Die nachfolgend abgebildete Figur 1 des Verfügungspatents zeigt in schematischer Schnittansicht ein Paneellager in einer bevorzugten Ausführungsform:

Die Verfügungsbeklagten, welche insgesamt als „C“ auftreten, bieten in dem aus Anlage AST 2 ersichtlichen Prospekt unter anderem die hier angegriffene Lagervorrichtung „D“ einschließlich eines Neopor-Spezialdämmprofils an („angegriffene Ausführungsform“), welche anhand der nachfolgend eingeblendeten, der Seite 2 des Prospekts entnommenen Ablichtung ersichtlich ist:

Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform sind die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2).

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, sie sei aktivlegitimiert zur Durchsetzung von auf das Verfügungspatent gestützten Unterlassungsansprüchen. Hierzu behauptet sie, sie sei personenidentisch mit der als Verfügungspatentinhaberin eingetragenen A GmbH; der im Rubrum ihrer Antragsschrift enthaltene Zusatz „E“ sei kein Firmenbestandteil, sondern eine Marke. Sie meint, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäßen Gebrauch von der Kombination aus den Ansprüchen 1 und 6 des Verfügungspatents: Insbesondere bilde das innere Profil im eingebauten Zustand gemeinsam mit dem Paneel und dem äußeren Profil zumindest einen bezüglich der Innenluft gedichteten Hohlraum; auch umfasse das innere Profil einen vertikal zum Baukörper liegenden Quersteg und einen endseitig mit einer Dichteinrichtung versehenen Horizontalsteg. Schließlich sei auch ein Verfügungsgrund gegeben; insbesondere habe die Nichtigkeitsklage der Verfügungsbeklagten zu 1) keine Erfolgsaussichten.

Die Verfügungsklägerin beantragt, nachdem sie zunächst mit ihrem ursprünglichen Antrag allein eine Verwirklichung des Anspruchs 1 geltend gemacht hat, zuletzt sinngemäß,

die Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnugshaft an den gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, zu verurteilen,

es zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland eine Lagerungsvorrichtung für Paneele herzustellen, anzubieten, zu bewerben, zu gebrauchen sowie zu den vorgenannten Zwecke zu besitzen oder ein-/auszuführen,

insoweit die Lagerungsvorrichtung zumindest zwei Profile umfasst, ein mit der Außenluft in Verbindung kommendes äußeres Profil und ein mit der Innenluft in Verbindung kommendes inneres Profil, das im eingebauten Zustand gemeinsam mit dem Paneel und dem äußeren Profil zumindest einen bezüglich der Innenluft gedichteten Hohlraum bildet, wobei das innere Profil ein Einhängelager, das mit der Vorkragung des äußeren Profils in Eingriff bringbar ist, sowie einen vertikal zum Baukörper liegenden Quersteg und einen endseitig mit einer Dichteinrichtung versehenen Horizontalsteg umfasst, so dass in eingebautem Zustand ein weiterer zweiter bezüglich der Innenluft gedichteter Hohlraum ausgebildet wird.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

wie erkannt.

Die Verfügungsbeklagten treten dem Verletzungsvorwurf wie folgt entgegen: Bei der angegriffenen Ausführungsform könne – wie in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist – die Außenluft ungehindert das komplette Profil durchströmen (vgl. Anlagenkonvolut AG 8); daher fehle es – so die Verfügungsbeklagten – an einem bezüglich der Innenluft gedichteten Hohlraum. Ebenso wenig verfüge die angegriffene Ausführungsform über einen verfügungspatentgemäßen zweiten Hohlraum, weil das Innenprofil keine Stege aufweise.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg, weil die Verfügungsklägerin nicht die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs gemäß § 139 Abs. 1 PatG glaubhaft zu machen vermochte. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht nicht die sich aus einer Kombination der Ansprüche 1 und 6 des Verfügungspatents ergebende technische Lehre.

I.

Das Verfügungspatent betrifft eine Lagerungsvorrichtung für Paneele, die über besonders günstige thermische Eigenschaften verfügt. Nach den einleitenden Bemerkungen des Verfügungspatents werden Paneele vielfach als Teil eines Daches oder einer Dachabdeckung eingesetzt, wobei sie üblicherweise in einer als Profil ausgestalteten Paneellagerung fixiert werden. Das Profil besteht regelmäßig aus metallischen Werkstoffen.

An diesen vorbekannten Lagerungen kritisiert das Verfügungspatent: Sie verfügten über ungünstige thermische Eigenschaften. Denn sie böten keinerlei Dämmschutz und die Isotherme werde nicht knickfrei vom Baukörper in die Dämmzone des Paneels überführt. Das habe zur Folge, dass sich regelmäßig Schwitzwasser bilde, was wiederum zu Schäden am Baukörper führen könne und infolge Korrosion die eingesetzten Profile beeinträchtige.

Als nächstliegenden Stand der Technik erwähnt das Verfügungspatent die GB 2 329 401 A, die eine Lagervorrichtung für Paneele beschreibt, die zwei Profile – insbesondere aus verschiedenen Materialien – aufweist, die jeweils mit Außen- und Innenluft in Verbindung stehen. Hieran sei nachteilig – so das Verfügungspatent -, dass diese Profile in eingebautem Zustand gemeinsam mit dem Paneel keinen zumindest bezüglich der Innenluft abgedichteten Hohlraum ausbildeten.

Vor diesem technischen Hintergrund formuliert das Verfügungspatent die Aufgabe, eine einfache und kostengünstige Lagerungsvorrichtung für Paneele zu schaffen, die eine dämmende Wirkung aufweist sowie einen knickfreien Verlauf der Isotherme vom Baukörper in die Dämmzone des Paneels ermöglicht.

Hierzu schlägt das Verfügungspatent – in Kombination seiner Ansprüche 1 und 6 – folgende Lösung vor:

1) Lagerungsvorrichtung für Paneele (30), die umfasst:

a) ein mit der Außenluft in Verbindung kommendes äußeres Profil (10) und

b) ein mit der Innenluft in Verbindung kommendes inneres Profil (20).

2) Das innere Profil (20)

a) bildet im eingebauten Zustand gemeinsam mit dem Paneel (30) und dem äußeren Profil (10) zumindest einen bezüglich der Innenluft gedichteten Hohlraum (50),

b) umfasst

aa) ein Einhängelager (21), das mit der Vorkragung (11) des äußeren Profils (10) in Eingriff bringbar ist, sowie

bb) einen vertikal zum Baukörper liegenden Quersteg (23) und

cc) einen endseitig mit einer Dichteinrichtung versehenen Horizontalsteg (22),

dd) so dass in eingebautem Zustand ein weiterer zweiter bezüglich der Innenluft gedichteter Hohlraum (51) ausgebildet wird.

Als Vorteil seiner Lösung hebt das Verfügungspatent hervor (Abschnitt [0007 a.E.]): Durch die Herstellung eines bezüglich der Innenluft gedichteten ersten Hohlraums werde auf einfache und vorteilhafte Weise eine Dämmwirkung erlangt, die sich derartig günstig auf den Isothermenverlauf auswirke, dass ein knickfreier Isothermenverlauf vom Baukörper in die Dämmzone des Paneels erreicht werden könne.

II.

Das Vorbringen der Verfügungsklägerin lässt nicht die tatrichterliche Feststellung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der sich aus einer Kombination der Ansprüche 1 und 6 ergebenden technischen Lehre zu. Jedenfalls ist nicht die Verwirklichung der Merkmale 2b bb) und 2b cc) feststellbar.

Der Fachmann erkennt, dass der Unteranspruch 6 die konstruktive Ausgestaltung des – schon im Anspruch 1 vorgesehenen – Innenprofils näher dahingehend konkretisiert, dass sich in eingebautem Zustand über den im Anspruch 1 schon gelehrten ersten abgedichteten Hohlraum noch ein zweiter bezüglich der Innenluft gedichteter Hohlraum (vgl. Merkmal 2b dd)) ergibt. In diesem Zusammenhang sieht der Unteranspruch 6 folgende Bestandteile des Innenprofils vor: ein Einhängelager (siehe näher Merkmal 2b aa), einen vertikal zum Baukörper liegenden Quersteg (Merkmal 2b bb) und einen endseitig mit einer Dichteinrichtung versehenen Horizontalsteg (Merkmal 2b cc). Wie das Verfügungspatent im Absatz [0012] erläutert, bringt der zweite bezüglich der Innenluft gedichtete Hohlraum eine isolierende Wirkung insbesondere bezüglich der Vorkragung (11) mit sich und unterstützt damit die Knickfreiheit der Isotherme (60). Ebenso hebt Absatz [0022] des Verfügungspatents hervor, dass der zweite Hohlraum vor allem über die Vorkragung (11) des äußeren Profils (10) geleitete Kälte bzw. Wärme gegen den Gebäudeinnenraum abschirmt.

Wie sich dem Anspruch 6 unmittelbar entnehmen lässt, handelt es sich bei dem Einhängelager, dem Quersteg und dem Horizontalsteg um Bestandteile des Innenprofils, welches diese umfasst. Der jeweils in den Merkmalen 2b bb) und 2b cc) verwendete Begriffsbestandteil „Steg“ lässt den Fachmann erkennen, dass der Quersteg und der Vertikalsteg unterscheidbare Teilkomponenten eines insgesamt mehrstückigen Innenprofils sind. In diesem Verständnis wird der Fachmann auch darin bestärkt, dass das Verfügungspatent
in synonymer Weise statt des Begriffs „Steg“ auch den Begriff „Strebe“ verwendet; die unter anderen an der Ausbildung des zweiten Hohlraums beteiligten Vorrichtungsbestandteile „Quersteg“ (22) und „Vertikalsteg“ (23) bezeichnet das Verfügungspatent nämlich auch als „Querstrebe“ (22) bzw. „Vertikalstrebe“ (23) (Absatz [0020]). Unter einer Strebe versteht man gemeinhin eine schräg bzw. quer verlaufende Stange oder einen Balken, die/der etwas stützt, worin hier ebenfalls zum Ausdruck kommt, dass es sich um vom Innenprofil als Ganzem zu differenzierende Bestandteile handelt. So erläutert das Verfügungspatent auch in seinem Absatz [0020] zu deren technischer Funktion:

„Weiterhin verfügt das innere Profil 20 über eine quer zum Baukörper befindliche Querstrebe 22, die dem inneren Profil zusammen mit einer Vertikalstrebe 23 die erforderliche Stabilität verschafft, stützende Wirkung hat und zudem die obere Begrenzung eines zweiten Hohlraums … bildet. Die Vertikalstrebe stabilisiert ebenfalls das innere Profil 20…“.

In diesem Sinne zu verstehende Horizontal- und Querstege weist das innere Profil der angegriffenen Ausführungsform nicht auf. Die Verfügungsklägerin sieht diese – indes zu Unrecht – bei der angegriffenen Ausführungsform in der Weise als verwirklicht an, wie es aus der nachfolgenden Abbildung, welche die Kammer mit entsprechenden Bezeichnungen versehen hat, hervorgeht:

Die von der Verfügungsklägerin als Horizontal- und Quersteg angesehenen Abschnitten der Abbildung stellen bei unbefangener Betrachtung keine vom Innenprofil im Übrigen unterscheidbare Vorrichtungsbestandteile dar. Es handelt sich vielmehr um ein einstückig aus Kunststoff gestaltetes Innenprofil, wobei die von der Verfügungsklägerin für ihre Argumentation in Bezug genommenen Abschnitte der Abbildung die – gekrümmt verlaufende – nach innen liegende Wand des Innenprofils darstellen.

Es ist weder von der Verfügungsklägerin dargetan noch sonst wie ersichtlich, dass die von ihr als „Stege“ angesehene Abschnitte der Abbildung eine stützende Wirkung auf das Innenprofil haben. Zudem wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass die im Anspruch durch Verwendung der Begriffe „Horizontalalsteg“ und „Quersteg“ zum Ausdruck kommende räumlich-körperliche Umschreibung dieser Vorrichtungsbestandteile nicht auf deren bloße technische Funktion beschränkt werden dürfte, weil man ansonsten die Schwelle zur – weitere Voraussetzungen aufweisenden – Äquivalenz überschritte (vgl. Meier-Beck, in: GRUR 2003, 905, 907). Die angegriffene Ausführungsform weist keine Bestandteile des Innenprofils auf, die von diesem steg- oder strebenartig abzweigen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.