4c O 69/14 – Silo mit Hohlstützen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2430

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 09. Juni 2015, Az. 4c O 69/14

I. Die Beklagte wird – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

ein Silo, umfassend mindestens eine Silozelle, wobei die Zelle mehrere Wandelemente aufweist, wobei die Wandelemente an Knotenpunkten durch Hohlstützen miteinander in Verbindung stehen, wobei eine Hohlstütze mehrere miteinander verbundene Stützensegmente aufweist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wenn jedes Stützensegment eine frei in Richtung des Innenraums ragende abgewinkelte Lasche aufweist, wobei an der Lasche eine Halterung zur Aufnahme einer Mehrzahl von Schrauben oder Muttern als Teil der Schraubverbindung zur Erstellung der Hohlstütze aus mehreren Stützensegmenten angeordnet ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin

1. sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 3. August 2013 vorgenommen hat;

2. für Handlungen gemäß Ziffer I. in der Zeit vom 23. Juni 2012 bis 2. August 2013 eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Juni 2012 begangen hat, und zwar durch Vorlage eines geeigneten Verzeichnisses unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflage, Höhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben zu Ziffer 5. nur für die Zeit seit dem 3. August 2013 zu machen sind,

– es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger nicht der Klägerin mitzuteilen, sondern einem zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten, öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, sofern die Beklagte dessen Kosten übernimmt und ihn beauftragt und ermächtigt, auf konkrete Fragen der Klägerin dieser Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Auskunft enthalten ist,

– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu 1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.419,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Januar 2014 zu zahlen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VI. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

TATBESTAND

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 2 455 XXX (Anlage K 3, nachfolgend Klagepatent), welches am 13. November 2010 angemeldet und dessen Anmeldung am 23. Mai 2012 veröffentlicht wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatentes wurde am 3. Juli 2013 veröffentlicht. Das Klagepatent, welches auch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst, steht in Kraft.

Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache deutsch ist, hat ein Silo zum Gegenstand. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Silo (1), umfassend mindestens eine Silozelle (2), wobei die Zelle (2) mehrere Wandelemente (5) aufweist, wobei die Wandelemente (5) an Knotenpunkten durch Hohlstützen (10) miteinander in Verbindung stehen, wobei eine Hohlstütze (10) mehrere miteinander verbundene Stützensegmente (11) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Stützensegment (11) eine frei in Richtung des Innenraums der Hohlstütze (10) ragende abgewinkelte Lasche (17) aufweist, wobei an der Lasche (17) eine Halterung (20) zur Aufnahme einer Mehrzahl von Schrauben oder Muttern als Teil einer Schraubverbindung (159 zur Erstellung der Hohlstütze (10) aus mehreren Stützensegmenten (11) angeordnet ist.“

Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und zeigen erfindungsgemäße Ausführungsbeispiele. Figur 2 zeigt schematisch den Aufbau eines Silos mit Sechseckzellen, Figur 3 eine Draufsicht auf eine sechseckige Hohlstütze sowie Figur 5 eine Einzelheit aus Figur 3 in vergrößerter Darstellung.

Die Beklagte, ein bundesweit agierendes Unternehmen, das in den Bereichen Anlagenbau, Stahl- und Metallbau, Photovoltaikanlagen und Maschinenbau tätig ist, hat für die A GmbH in B/C Ende 2013/Anfang 2014 einen Silobehälter hergestellt und auf deren Firmengelände aufgebaut (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Nachfolgend wiedergegeben werden eine Zeichnung mit der Darstellung eines Schnittes durch eine Hohlstütze (Anlage K 6), welche von der Klägerin beschriftet wurde, sowie eine Photographie der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 7).

Wegen der Herstellung und des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform nimmt die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung des Patentanspruchs 1 mit der vorliegenden Klage in Anspruch.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch mache, so dass ihr die geltend gemachten Ansprüche zustehen würden.

Die Klägerin beantragt,

im ganz wesentlichen zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint eine Verletzung des Klagepatentes liege nicht vor, da die angegriffene Ausführungsform keine Lasche im Sinne des Klagepatentes aufweise. Bei einer Lasche im Sinne des Klagepatentes müsse es sich um das freie Ende eines mittels Überlappung realisierten Verbindungsbereiches handeln, der geeignet ist, in überlappender Anordnung eine Halterung aufzunehmen und aus dem Ausgangsmaterial des Verbindungsschenkels hergestellt sein durch Umformung dieses Ausgangsmaterials, so dass sich die Lasche in einem Winkel von 90° fluchtend in den Innenraum der Hohlstütze erstrecke. Eine solche Ausgestaltung weise die angegriffene Ausführungsform indes nicht auf, so dass eine wortsinngemäße Verletzung ausscheide. Auch eine äquivalente Verletzung liege nicht vor.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatentes zu.

I.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist seit dessen Anmeldung am 13. November 2010 ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klagepatent. Eine entsprechende Bestätigung des Patentinhabers D hat die Klägerin als Anlage K 10 vorgelegt.

II.
Die Klage ist auch begründet.

1.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Silo, umfassend mindestens eine Silozelle, wobei die Silozelle mehrere Wandelemente aufweist, wobei die Wandelemente an Knotenpunkten durch Hohlstützen miteinander in Verbindung stehen, wobei eine Hohlstütze mehrere miteinander verbundene Stützensegmente aufweist.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass Silos oder Siloanlagen insbesondere aus mehreren Zellen aufgebaut sind. Die Zellen haben häufig eine Höhe von 6 – 8 Metern. Eine Hohlstütze, die als Knotenpunkt zur Anbindung der Wandelemente dient, besteht aus mehreren Stützensegmenten, wobei nach Zusammenbau einer solchen Hohlstütze aus mehreren Stützensegmenten die Hohlstütze innen mit Beton ausgegossen wird. Das Klagepatent schildert weiter, dass in diesem Zusammenhang aus der DE 18 28 XXX (Anlage K 5) Stützen bekannt sind, die z.B. aus vier im Querschnitt trapezförmigen Stützensegmenten als Achteck zusammengebaut sind. Andere Ausführungsformen zeichnen sich dadurch aus, dass abgewinkelte Bleche als Stützensegmente Verwendung finden, wobei die freien Enden der Stützensegmente an den Enden der benachbarten Stützensegmente anliegend mit diesen verbunden sind.

Als Stand der Technik nimmt das Klagepatent weiter Bezug auf die US 3 327 870, welche ein Silo gemäß dem Oberbegriff zeigt mit einer Stütze, die aus vier L-Profilen zusammengesetzt ist, wobei die Profile miteinander verschraubt sind. Die DE 14 34 855 A1 zeigt ebenfalls ein Silo gemäß dem Oberbegriff des Klagepatentes mit Konstruktionen von Stützen, die ähnlich zu denen der DE 18 28 XXX sind. Auch hier sind abgewinkelte Bleche als Stützensegmente vorgesehen, deren freie Enden aneinander liegend miteinander verbunden sind.

Zum Hintergrund der Erfindung schildert das Klagepatent weiter, dass die Erstellung der Hohlstütze eines Silos oder einer Silozelle montagetechnisch mit einigen Problemen behaftet ist. So können Silobehälter oder Silozelle eine Höhe von 6 bis 8 Metern aufweisen und die Hohlstützen werden aus einzelnen Stützensegmenten zusammengebaut. Hierzu werden die Stützensegmente miteinander verschraubt. Zur Herstellung solcher Schraubverbindungen innerhalb der Hohlstütze verbietet es sich allerdings, die Hohlstütze länger als etwa 1,20 Meter zu gestalten, da eine Länge von 1,20 m etwa der Länge entspricht, die der Mensch mit seinem Arm durchgreifen kann, um bei der Verschraubung die Muttern zu halten. Hieraus wird deutlich, dass zur Erstellung einer Hohlstütze mit einer Länge von etwa 8 Metern, diese in eine Mehrzahl von Abschnitten zu unterteilen ist, die jeweils für sich erstellt und untereinander durch entsprechende Horizontalstöße miteinander verbunden werden müssen.

Als weiteren Stand der Technik führt das Klagepatent in diesem Zusammenhang an, dass es zur Erstellung von Hohlstützen bekannt ist, die einzelnen Stützensegmente jeweils im Endbereich über ihre Länge nach innen kreisbogenförmig zu umbörteln. Dann wird über die kreisbogenförmige Umbörtelung zweier benachbarter Stützensegmente eine korrespondierend hierzu ausgebildete Klammer geschoben, die ebenfalls zu beiden Seiten eine kreisbogenförmige Umbörtelung aufweist, so dass sich im Endbereich eines jeden Stützensegmentes ein Auge ergibt, wobei in die beiden kreisförmigen Augen zur Verbindung zweier Stützensegmente zwei Stangen eingeschlagen werden, mit denen die Klammer gegenüber den Enden der beiden Stützensegmente verspannt wird. Als problematisch hieran schildert es das Klagepatent, dass sich solche Stangen über eine Länge von mehreren Metern nicht durch das kreisförmige Auge schlagen lassen, was zur Folge hat, dass die Möglichkeit der Herstellung von durchgängigen Hohlstützen in einer Länge von mehreren nicht besteht.

Als Lösungsmöglichkeiten schildert das Klagepatent weiter, dass die Verwendung von Anschweißmuttern auf der Innenseite der Stützensegmente denkbar ist, wobei diese Anschweißmuttern aufgrund der erforderlichen Schweißeignung nicht die Festigkeitswerte aufweisen, die für eine Schraubverbindung im Silobehälter erforderlich sind. Als denkbar schildert das Klagepatent weiter die Verwendung von Käfigmuttern, die sich dadurch auszeichnen, dass eine solche Mutter als Vierkantmutter in einem Metallkäfig gelagert ist, wobei der Metallkäfig nach außen abgewinkelte Füße aufweist, die das eine der beiden Bleche, die durch die Schraubverbindung miteinander verbunden werden sollen, im Bereich der Bohrung zur Aufnahme der entsprechenden Schraube hintergreift. Das bedeutet, dass die beiden zu verbindenden Bleche im Bereich der Füße des Metallkäfigs nicht plan aufeinander liegen, sondern durch die klauenförmigen Füße im Bereich der Bohrung einen Abstand zueinander aufweisen, was das Klagepatent als nachteilig ansieht.

Vor dem Hintergrund der geschilderten Nachteile des Standes der Technik hat es sich das Klagepatent daher zur Aufgabe gemacht, durchgehende Hohlstützen in nahezu beliebiger Länge herzustellen, ohne dass die Hohlstützen und damit die einzelnen Stützensegmente aus Montagegründen in der Länge unterteilt werden müssen. Zu Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Vorrichtungsanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Silo (1), umfassend mindestens eine Silozelle,

2. die Zelle (2) weist mehrere Wandelemente (5) auf.

3. Die Wandelemente (5) stehen an Knotenpunkten durch Hohlstützen (10) miteinander in Verbindung.

4. Eine Hohlstütze weist mehrere miteinander verbundene Stützensegmente (11) auf.

5. Jedes Stützensegment weist eine frei in Richtung des Innenraums der Hohlstütze (10) ragende abgewinkelte Lasche (17) auf.

6. An der Lasche (17) ist eine Halterung (20) zur Aufnahme einer Mehrzahl von Schrauben oder Muttern als Teil einer Schraubverbindung zur Erstellung einer Hohlstütze (10) aus mehreren Stützensegmenten (11) angeordnet.

2.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch.

Zwischen den Parteien einzig im Streit steht die Frage, was unter einer Lasche im Sinne des Klagepatentes zu verstehen ist.

Der für die Auslegung maßgebliche Patentanspruch 1 bestimmt hinsichtlich der Lasche, dass jedes Stützensegment eine Lasche aufweist. Diese Lasche soll frei in Richtung des Innenraums der Hohlstütze ragen und abgewinkelt sein (Merkmal 4). An der Lasche wiederum soll eine Halterung angeordnet sein (Merkmal 5). Weitere Vorgaben macht das Klagepatent in seinem Patentanspruch 1 nicht. Dem Anspruch lässt sich daher weder entnehmen, dass es sich bei der Lasche um das freie Ende eines mittels Überlappung realisierten Verbindungsbereiches handeln muss, der geeignet ist, in überlappender Anordnung eine Halterung aufzunehmen, noch macht Patentanspruch 1 des Klagepatentes eine Vorgabe dahingehend, dass die Lasche aus dem Ausgangsmaterial des Verbindungsschenkels hergestellt ist und durch Umformung dieses Ausgangsmaterials einen Abschnitt ausbildet, der sich in einem Winkel von 90° fluchtend in den Innenraum der Hohlstütze erstreckt. Zudem kann dem Patentanspruch 1 auch nicht das Verständnis entnommen werden, dass die Lasche ein freies Ende aufweisen muss.

Auch der Beschreibung kann ein solches Verständnis nicht entnommen werden. In der allgemeinen Beschreibung in Abs. [0012] der Klagepatentschrift wird die Lasche dahingehend beschrieben, dass sich die Lasche an einem Verbindungsschenkel des Stützensegmentes befindet. Vielmehr beschreibt das Klagepatent an der genannten Stelle die Vorteile der an der Lasche angeordneten Halterung, welche darin liegen, dass eine sogenannte verdeckte Verschraubung der einzelnen Stützensegmente zur Bildung der Hohlstütze möglich ist, und zwar über eine beliebige Länge, da die Halterung zur Fixierung beispielsweise der Muttern auf der Innenseite der Hohlstütze sich als eine verlorene Halterung darstellt. Nähere Angaben zur Ausgestaltung der Lasche erfolgen an der genannten Stelle hingegen nicht. Entsprechendes folgt auch nicht aus der Beschreibung vorteilhafter Ausgestaltungen ab Abs. [0013 ff.] der Klagepatentschrift. In diesem Zusammenhang wird die bevorzugte Ausgestaltung der Halterung beschrieben, nicht hingegen die Lasche. In Abs. [0014] wird erläutert, dass die Halterung als Winkelschiene ausgebildet sein kann, wobei die Winkelschiene mit einem Schenkel an der Lasche befestigt ist. Im Übrigen findet die Lasche und deren Ausgestaltung in der allgemeinen Beschreibung der Erfindung sowie der Beschreibung vorteilhafter Ausgestaltungen keine Erwähnung.

Soweit die Beklagte ein entsprechendes abweichendes Verständnis aufzeigt, wonach die Lasche die vorstehend beschriebenen weiteren Ausbildungen aufweisen muss, um eine Lasche im Sinne des Klagepatentes zu bilden, beschränkt sie den Gegenstand der Erfindung auf die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen und die in diesem Zusammenhang stehenden Beschreibung, worauf die Lehre nach dem Klagepatent bekanntermaßen nicht beschränkt ist. Auch die von der Beklagten herangezogene rein philologische Betrachtung des Patentanspruches führt nicht zu dem von der Beklagten aufgezeigten Verständnis. So können unter einer Lasche im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Ausgestaltungen verstanden werden, wie die Lasche eines Briefumschlages, eines Schuhs und auch einer Lasche zum Aufhängen von Gegenständen an Haken. Soweit die Beklagte meint, dass der Fachmann unter einer Lasche eine überlappende Ausgestaltung verstehe, wie dies die als Anlage B 1 und B2 vorgelegten Dokumente zeigen würden, kann weder dem Patentanspruch noch der Beschreibung entnommen werden, dass die Erfindung nach dem Klagepatent auf eine solche Ausgestaltung der Lasche beschränkt ist, nämlich eine Lasche gebildet aus flachem Material, welches überlappend verbunden ist. Denn das Klagepatent bildet vielmehr sein eigenes Lexikon und dieses Verständnis ist zugrunde zu legen. Dass das Klagepatent dieses Verständnis nicht zugrunde legt, zeigen die in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiele. Auch diese zeigen keine Lasche, bei der zwei Stücke eines flachen Materials überlappend verbunden werden. Denn die Lasche wird nach den zeichnerischen Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen durch das mit dem Bezugszeichen 17 gezeigte Blech gebildet und dieses weist keine Verbindung überlappenden Materials auf. Denn den überlappenden Bereich bildet das Stützsegment selbst und nicht die Lasche. Eine Überlappung bildet in den Zeichnungen lediglich die Lasche mit der Halterung, wobei das Klagepatent in Patentanspruch 1 nicht vorsieht, dass die Anordnung der Halterung an der Lasche überlappend gebildet werden muss.

Auch nach dem gebotenen technisch-funktionalen Verständnis ist nicht zu erkennen, dass es sich bei der Lasche um das freie Ende eines mittels Überlappung realisierten Verbindungsbereiches handeln muss, der geeignet ist, in überlappender Anordnung eine Halterung aufzunehmen und die Lasche aus dem Ausgangsmaterial des Verbindungsschenkels hergestellt ist und durch Umformung dieses Ausgangsmaterials einen Abschnitt ausbildet, der sich in einem Winkel von 90° fluchtend in den Innenraum der Hohlstütze erstreckt sowie ein freies Ende aufweisen muss. Denn die Lasche hat die Funktion der Aufnahme der Halterung, welche wiederum der Befestigung der Schrauben oder Muttern dient. Hierdurch wird erzielt, dass Hohlstützen in nahezu beliebiger Länge hergestellt werden können, ohne dass die Hohlstützen und damit die einzelnen Stützensegmente aus Montagegründen in der Länge unterteilt werden müssen. Zur Erreichung dieser Funktion genügt es, wenn die Lasche in den Innenraum der Hohlstütze ragt und die Halterung hieran angeordnet ist. Weitere Voraussetzungen muss die Lasche, um die genannten Funktionen zu verwirklichen, nicht erfüllen.

Soweit die Beklagte zur Begründung ihres Verständnisses auf Vorgänge im Erteilungsverfahren verweist, führt dies zu keiner abweichenden Sichtweise. Unabhängig von der Frage, ob Vorgänge im Erteilungsverfahren im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; BGH, GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 196 – WC-Sitzgelenk; Kühnen, GRUR 2012, 664) kann dem Umstand, dass die Worte „frei“ und „ragende“ in den ursprünglichen Anspruch aufgenommen wurden, nicht das von der Beklagten vertretene Verständnis entnommen werden.

Hiervon ausgehend ist unter einer Lasche im Sinne des Klagepatents lediglich eine Ausgestaltung zu verstehen, die an dem Stützensegment angeordnet ist und frei in Richtung des Innenraums ragt und abgewinkelt ist. Desweiteren ist an ihr eine Halterung ausgebildet. Weitere Vorgaben macht das Klagepatent nicht.

Eine solche Ausgestaltung weist die angegriffene Ausführungsform indes auch auf. Hierbei wird die Lasche nicht, wie die Beklagte meint, von dem freien abgewinkelten Ende des Metallblechs gebildet, sondern durch das größere U-förmige Profil, welches mit seiner Grundseite in den Innenraum der Hohlstütze gerichtet ist. Aufgrund der Ausgestaltung als U-Profil liegt auch eine Abwinkelung vor. An diesem U-Profil ist innenseitig ein kleineres U-Profil abgeordnet, welches zur Aufnahme einer Mehrzahl von Schrauben dient, mithin einer Halterung. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die angegriffene Ausführungsform über weitere Funktionen im Vergleich zu einer nach ihrer Ansicht erfindungsgemäßen Lasche aufweise, kommt es darauf bei der Beurteilung einer wortsinngemäßen Verletzung nicht an.

Da mithin die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäßen Gebrauch von der Lehre nach dem Klagepatent macht, kommt es auf die Frage einer äquivalenten Verletzung, welche nicht beansprucht wurde, nicht an.

III.
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen:

Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gegenüber gemäß Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 9 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Für die Zeit vor Patenterteilung schuldet die Beklagte Entschädigung gemäß Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG, wobei der Entschädigungszeitraum bis zum 2. August 2013, mithin um einen Tag reduziert, zu begrenzen war, da die Beklagte ansonsten am gleichen Tag – 3. August 2013 – sowohl zur Zahlung einer Entschädigung wie auch eines Schadensersatz verurteilt worden wäre.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, §§ 242, 259 BGB, 140b Abs. 3 PatG.

Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Abmahnung ist nach § 139 Abs. 2 PatG, §§ 823 ff. BGB sowie §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB begründet.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt.