Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. März 2015, Az. 4c O 38/14
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 636 XXX B1 (Anlage K 4, nachfolgend Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 18. Juni 2004 unter Inanspruchnahme der US-Prioritäten US 479 XXX P vom 20. Juni 2003, US 540 XXX P vom 3. Januar 2004 und US 572 XXX P vom 20. Mai 2004 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 22. März 2006 veröffentlicht und der Hinweis auf die Patenterteilung am 18. August 2010. Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent steht in Kraft. Ein gegen den Rechtsbestand des Klagepatentes erhobener Einspruch der A, Inc., B, USA wurde von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2014 zurückgewiesen.
Das Klagepatent betrifft Verbesserungen bei der Virusproduktion. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:
„Verfahren zur Virusgewinnung aus Gewebereste enthaltender Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos, das folgende Schritte umfasst:
a) Dissoziieren des Virus von den Geweberesten durch Zugeben eines oder mehrerer Salze zur Allantoisflüssigkeit, um darin eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen, und
b) Gewinnen des von den Geweberesten dissoziierten und in der Allantoisflüssigkeit aufgelösten Virus.“
Die Beklagten zu 1) und 2) bieten an und vertreiben in Deutschland unter anderem unter der Bezeichnung C einen Grippe-Impfstoff als Injektionssuspension (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) sowie D, ein Impfstoff gegen die sogenannte Vogelgrippe. In einer von der Klägerin als Anlage K 3 überreichten Gebrauchsinformation zu C 2013/14 wird unter Ziffer 6. angegeben „vermehrt in befruchteten Hühnereiern aus gesundem Hühnerbestand“. Die Beklagte zu 1) wird unter dem Stichwort „Mitvertrieb“ und die Beklagte zu 2) als „pharmazeutischer Unternehmer“ genannt. In einem als Anlage K 5 überreichten Dokument „E“ des F Institute wird das von der Beklagten zu 2) angewandte Herstellungsverfahren näher beschrieben. Im Appendix D, Seiten 7 bis 10 und mit graphischen Darstellungen wird das Verfahren erläutert. Nachfolgend werden die graphischen Darstellungen auf der drittletzten sowie vorletzten Seite wiedergegeben.
Auf Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, 1. Absatz heißt es in deutscher Übersetzung wie folgt:
„Jedes Mal, wenn ein Ei-Tablett durch den Abschnitt „A“ der Einrichtung zur Flüssigkeitsgewinnung tritt wird ein Signal von der Einrichtung zur Flüssigkeitsgewinnung zu einer peristaltischen Pumpe gesandt, die dem Erntegefäß eine 1,2 Mol/L Natriumcitrat-Lösung zuleitet, um Virus-Aggregation und Adsorption an Eigelb-Bestandteile (Eigelb-Proteine, Lipide, etc.) zu minimieren und so die Ausbeute zu maximieren.“
Die Klägerin führt derzeit ein Besichtigungsverfahren in Italien gegen die Beklagte zu 2) durch, welches noch nicht abgeschlossen ist. Das zuständige Gericht in Rom bejahte eine Patentverletzung des italienischen Teils des Klagepatentes und hat dem Antrag auf Besichtigung mit Entscheidung vom 17. Juli 2014 stattgegeben. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen noch nicht vor.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass es sich bei den Impferzeugnissen des von der Beklagten zu 2) angewandten Verfahrens um unmittelbare Verfahrenserzeugnisse handeln würde. Trotz nachfolgender Verfahrensschritte hätten die Erzeugnisse die durch das patentgeschützte Verfahren erhaltenen charakteristischen Eigenschaften weder verloren noch ihre Selbstständigkeit eingebüßt. Das Klagepatent selbst gehe davon aus, dass der patentgemäß gewonnene Virus weiteren Verarbeitungsschritten unterliege, wenn er für die Herstellung von Impfstoffen verwendet werde. Das patentgemäße Verfahren führe zum einen dazu, dass der Virenertrag aus Allantoisflüssigkeit signifikant verbessert werde und zum anderen dazu, dass eine hochreine Virenkomposition oder derivative Zubereitung von Untereinheiten bereitgestellt werde, die zur Herstellung von Impfstoffen nützlich sei. Beide Vorteile würden auch in dem angegriffenen Impferzeugnis zur Geltung kommen.
Mit dem angewandten Verfahren würden die Beklagten von der Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatentes Gebrauch machen. Anspruchsgemäß sei nicht erforderlich, dass die geforderte Konzentration von mehr als 0,5 Mol/l im gesamten Gefäß eingestellt werde. Es sei ausreichend, wenn sich diese Konzentration mindestens abschnittsweise im Gefäß einstelle, um dort die Dissoziation des Virus von den Geweberesten der Allantoisflüssigkeit zu bewirken. Schließlich sei es patentgemäß auch vorgesehen, dass die geforderte Gesamtsalzkonzentration nach erfolgreicher Virusgewinnung wieder rückverdünnt werden könne. Das von der Beklagten zu 2) angewandte Herstellungsverfahren mache von der Lehre des Klagepatentes wortsinngemäßen, hilfsweise äquivalenten Gebrauch. Es habe sich aus dem italienischen Besichtigungsverfahren ergeben, was zwischen den Parteien unstreitig ist, dass 0,023 l Natriumcitratlösung einem Liter der geernteten Allantoisflüssigkeit zugefügt werde. Die Allantoisflüssigkeit weist, was ebenso außer Streit steht, eine inhärente NaCl-Konzentration von 0,150 Mol/l auf, mithin 0,150 Mol NaCl pro Liter dieser Flüssigkeit. Die zugefügte Natriumcitratlösung weise eine Konzentration von 1,2 Mol/l auf, woraus sich eine eingesetzte Natrumcitrat-Menge von 0,023 L x 1,2 Mol/l = 0,0276 Mol ergebe. Die Flüssigkeiten würden zwar nicht aktiv vermischt werden. Die Natriumcitratlösung werde vielmehr dem die geerntete Allantoisflüssigkeit enthaltenen Sammelbehälter zugefügt, ohne dass eine aktive Vermischung erfolge. Dies habe zur Folge, dass sich beim Einpumpen der 1,2 Mol/l Natriumcitratlösung ein sphärischer Bereich erhöhter Salzkonzentration einstelle. Im Bereich des Einlassbereiches der Natriumcitratlösung ergebe sich eine erhöhte Salzkonzentration oberhalb von 0,5 M, in den Randbereich falle hingegen die Salzkonzentration auf das Niveau der inhärenten Salzkonzentration der Allantoisflüssigkeit von 0,150 Mol/l ab. Dieser lokale Bereich erhöhter Salzkonzentration stelle sich dabei durch den Verzicht auf zusätzliches Rühren im Sammelgefäß dauerhaft, mindestens jedoch über einen längeren Zeitraum ein.
Hilfsweise würde durch das angewandte Verfahren mit äquivalenten Mitteln von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch gemacht werden. Die entsprechenden Voraussetzungen würden vorliegen.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,
Injektionssuspensionen in Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, die mittels eines Verfahren zur Virusgewinnung aus Gewebereste enthaltender Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos hergestellt worden sind, das folgende Schritte umfasst:
a) Dissoziieren des Virus von den Geweberesten durch Zugeben eines oder mehrerer Salze zur Allantoisflüssigkeit, um darin eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen, und
b) Gewinnen des von den Geweberesten dissoziierten und in der Allantoisflüssigkeit aufgelösten Virus;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlich geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. September 2010 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei hinsichtlich der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufsbelege (Rechnungen in Kopie) vorzulegen sind;
II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 18. September 2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
hilfsweise beantragt die Klägerin eine Verurteilung wegen äquivalenter Patentverletzung, wobei in diesem Zusammenhang
statt der Formulierung „um darin eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen“ die Formulierung „um in der Gesamtmenge einen lokalen Bereich mit einer Salzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen“ verwendet wird.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise:
den Beklagten wird für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorbehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
weiter hilfsweise:
den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform würde kein unmittelbares Verfahrenserzeugnis darstellen. Der angegriffene Impfstoff enthalte inaktivierte Oberflächenantigene von Influenzaviren. Oberflächenantigene seien aber keine Viren, sondern bestimmte Virenantigene, die aus Viren gewonnen würden. Dazu müssten die Viren in Fragmente zerteilt und anschließend die Oberflächenantigene aus der Mischung von Fragmenten isoliert werden. Das Klagepatent betreffe indes ein Verfahren zur Virusgewinnung, so dass das unmittelbare Verfahrenserzeugnis einen Virus bilde. Weiterhin seien nicht einmal die in dem Impfstoff enthaltenen Oberflächenantigene mit den Oberflächenantigenen des Virus identisch, da die Oberflächenantigene durch den nach der Gewinnung des Virus von den Geweberesten durchgeführten Inaktivierungsschritt chemisch modifiziert würden. In diesem Schritt werde dem Batch Formaldehyd zugegeben, welches zu Quervernetzungen des Oberflächenproteins führe.
Überdies würde das von der Beklagten zu 2) angewandte Verfahren von der Lehre nach dem Klagepatent weder wortsinngemäßen noch äquivalenten Gebrauch machen. Bei dem von der Beklagten zu 2) angewandten Herstellungsverfahren werde durch Zugabe von Salzen, nämlich Natriumcitrat, lediglich eine Gesamtsalzkonzentration von weniger als 0,2 M (= 0,2 Mol/l) erzeugt. Bei dem Verfahren werde aus den inkubierten Eiern tablettweise Allantoisflüssigkeit (= Ernteeinheit) geerntet. In einem Sammelbehälter würden aufeinanderfolgende Ernteeinheiten gesammelt bis ein vorbestimmter Pegel erreicht werde und das Gesamtvolumen in einen Bulk-Behälter überführt werde. In dem Sammelbehälter würden der Allantoisflüssigkeit pro Ernteeinheit 23 ml einer 1,2 M Natriumcitratlösung hinzugegeben. Da die Allantoisflüssigkeit eine intrinsische Salzkonzentration (NaCl) von 0,15 M aufweise und die Natriumcitratlösung von 1,2 M folge aus dem zugegebenen Volumen von 0,023 l eine Zugabe von 0,0276 Mol Natriumcitrat. Die Gesamtsalzkonzentration betrage daher 0,1776 Mol pro Liter Allantoisflüssigkeit beziehungsweise 1,023 Liter Allantoisflüssigkeit plus Natriumcitratlösung. Daraus ergebe sich eine Gesamtsalzkonzentration von 0,1736 M, die mithin weit unterhalb von 0,5 M liege. Soweit die Klägerin darauf verweise, dass eine lediglich lokale Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M ausreiche, beinhalte dies ein unzutreffendes Verständnis des Klagepatentes. Im Übrigen weise der Sammelbehälter, welcher bei dem angewandten Verfahren eingesetzt werde, keinen Bereich auf, in dem eine erhöhte Salzkonzentration aufrechterhalten werde. Vielmehr vermische sich das Salz der Natriumcitratlösung sofort mit der Allantoisflüssigkeit und diffundiere in das gesamte Volumen. Diese sofortige Mischung sei Folge der aufgrund der Konzentrationsunterschiede einsetzenden Diffusion sowie der Konvektion. Eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruchs 1 liege daher nicht vor. Eine äquivalente Verwirklichung scheide aus, da die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, da die Beklagten das Klagepatent nicht verletzen.
I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft die Gewinnung eines Virus aus Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos. Kommt es zu einer Infizierung mit einem Krankheitserreger, erkennt das Immunsystem des Wirtes Antigene an oder in dem Krankheitserreger und veranlasst eine Immunantwort gegen den das Antigen enthaltenden Krankheitserreger. Im Verlauf dieser Immunantwort kommt es zu einem Anstieg der Anzahl der für die Antigene des Krankheitserregers spezifischen Immunzellen, und einige dieser Zellen verbleiben nach Abklingen der Infektion. Das Vorhandensein der verbleibenden Zellen verhindert, dass der Krankheitserreger eine Infektion auslöst, wenn der Wirt zu einem späteren Zeitpunkt dem Krankheitserreger ausgesetzt ist. Dies bewirkt eine schützende Immunität.
Impfstoffe verleihen eine schützende Immunität gegenüber Krankheitserregern, indem das Immunsystem den Antigenen eines Krankheitserregers ausgesetzt wird, ohne dabei eine Krankheit zu verursachen. Es wurden, so die Klagepatentschrift (Abs. [0004]), mehrere Verfahren entwickelt, mit denen Antigene zwar auftreten dürfen, ohne jedoch eine krankheitsauslösende Infektion durch den Krankheitserreger zu verursachen. Zu ihnen gehören das Verwenden eines lebenden jedoch attenuierten Krankheitserregers, eines deaktivierten Krankheitserregers oder eines Fragments (Untereinheit) des Krankheitserregers.
Da der Erfolg einer Therapie für viele Virusinfektionen schwer einschätzbar ist, wird es bevorzugt, die Infektion mittels Impfung von Beginn an zu verhindern oder abzuschwächen, anstatt die Infektion bei ihrem Auftreten zu behandeln. Während sich einige Viren sehr gut in Zellkulturen vermehren, müssen andere in embryonierten Hühnereiern vermehrt werden, wobei die Virusgewinnung aus Allantoisflüssigkeit erfolgt. Allantois ist die embryonale Harnblase. Das Klagepatent beschreibt, dass im Stand der Technik Influenza-Impfstoffe als kombiniertes, mehrere Virenstämme abdeckendes Produkt bekannt sind, die aus den Allantoisflüssigkeiten embryonierter Hühnereier gewonnen werden (Abs. [0006] der Klagepatentschrift). Diese Stämme, die jährlich aus einer langen Liste von Stämmen ausgewählt werden, werden gezüchtet, gereinigt und gepoolt, um einen jeweiligen Impfstoff zu produzieren. Das Heranzüchten des Influenza-Stammes kann unterschiedlich erfolgen, was allerdings zu Schwierigkeiten bei der effizienten Erfüllung des Marktbedarfs an einem solchen Impfstoff führt. Im Stand der Technik sind verschiedene Verfahren vorgeschlagen worden, um die Gewinnung eines Virus zu verbessern und/oder zu vereinfachen (Abs. [0007] bis [0027] der Klagepatentschrift). Diese betrachtet das Klagepatent als unzureichend ohne konkrete Kritik zu formulieren.
Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, die Reinheit und den Virusertrag aus Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos zu verbessern.
Dies soll durch Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
1. Verfahren zur Virusgewinnung von Geweberesten enthaltender Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos, das folgende Schritte umfasst:
2. Dissoziieren des Virus von den Geweberesten durch Zugabe eines oder mehrerer Salze zur Allantoisflüssigkeit, um darin eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen und
3. Gewinnen des von den Geweberesten dissoziierten und in der Allantoisflüssigkeit aufgelösten Virus.
II.
Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG handelt, kann nicht festgestellt werden, dass dieses nach dem im Klagepatent unter Schutz gestellten Verfahren hergestellt worden ist.
a)
Merkmal 2, welches ausschließlich zwischen den Parteien im Streit steht, sieht das Dissoziieren des Virus von den Geweberesten durch Zugabe eines oder mehrerer Salze zur Allantoisflüssigkeit vor, um darin eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M zu erzeugen. Der konkrete Streit der Parteien fokussiert sich hierbei auf die Frage des Verständnisses des Klagepatentes von der Gesamtsalzkonzentration in der Allantoisflüssigkeit.
Ausgehend von dem allgemeinen Fachverständnis ist unter einer Gesamtsalzkonzentration die Konzentration der Gesamtlösung in einem Gefäß zu verstehen, denn bei der Angabe einer Konzentration handelt es sich um die übliche Angabe einer Konzentration in der Gesamtlösung, im vorliegenden Fall die Konzentration der gesamten Menge des Salzes, die aus dem inhärenten Salz-Anteil der Allantoisflüssigkeit und dem oder den zugegebenen Salzen resultiert. Entsprechend gibt die Angabe einer Gesamtsalzkonzentration in einem Gefäß dem Fachmann eine konkrete Anweisung zur Einstellung der gewünschten Zielkonzentration an die Hand.
Ein entsprechendes Verständnis liegt auch dem Klagepatent zugrunde und nicht – wie die Klägerin meint – die Angabe einer Konzentration in einem Gefäß, die sich lediglich abschnittsweise einstellt, um die Dissoziation von Viren von den Geweberesten der Allantoisflüssigkeit zu bewirken.
Hierfür spricht der Wortlaut des Anspruchs, der von einer Gesamtsalzkonzentration in der Allantoisflüssigkeit spricht. Durch Zugabe eines oder mehrerer Salze zu der Allantoisflüssigkeit soll gerade eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M erzeugt werden, mithin bildet die Summe aus Salzkonzentration in der Allantoisflüssigkeit und der zugegebenen Menge an Salz/Salzen zur Allantoisflüssigkeit die erfindungsgemäße Gesamtsalzkonzentration. Es soll daher gemäß dem Wortlaut des Anspruchs in der gesamten und nicht in einzelnen Bereichen der Allantoisflüssigkeit eine Konzentration von mehr als 0,5 M erzeugt werden. Der Fachmann erkennt insoweit, dass es sich bei der Angabe 0,5 M um ein Verhältnis der Anzahl der Moleküle zum Volumen Allantoisflüssigkeit handelt.
Ein entsprechendes Verständnis folgt auch auf Grundlage einer gebotenen technisch funktionalen Betrachtung. Erfindungsgemäß soll der Virusertrag verbessert werden, indem in der Gesamtlösung eine Salzkonzentration von mehr als 0,5 M eingestellt wird. Hierdurch wird erreicht, dass das Virus von den Geweberesten der Allantois-flüssigkeit dissoziiert. So mag die Ursache für das Abdissoziieren des Virus von den Geweberesten darin liegen, dass die erhöhte Salzkonzentration die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen Virus und Geweberesten stört oder unterbricht, mit dem Ergebnis, dass sich die Viren von den Gewebebestandteilen lösen können. In der Folge wird im Rahmen der nachgelagerten Abtrennung der Gewebereste von der Flüssigkeit durch Zentrifugation lediglich der feste Anteil der Gewebereste entfernt, während das Virus in Lösung verbleibt. Ohne eine entsprechende Dissoziierungsreaktion würde das Virus weiterhin den Geweberesten anhaften und im Zuge des nachgelagerten Trennungsschrittes mit dem Feststoff entfernt werden, was eine reduzierte Ausbeute an Virus zur Folge hätte. Der Fachmann erkennt insoweit, dass eine lediglich lokale Erhöhung der Gesamtsalzkonzentration auch nur ein lokales Dissoziieren des Virus von den Geweberesten zur Folge hätte, was der erfindungsgemäßen Aufgabe einer Verbesserung der Reinheit und des Virusertrages entgegen stehen würde. Denn bei einer nur partiellen Abtrennung des Virus vom Geweberest würde jedenfalls nur eine beschränkte Verbesserung im Rahmen der Ausbeutesteigerung eintreten, da sich der überwiegende Teil der Viren gerade nicht von den Geweberesten gelöst hatte, so dass wiederum, wie aus dem Stand der Technik bekannt, das Virus mit dem Feststoff aus der Allantoisflüssigkeit in einem nachgelagerten Abtrennungsschritt entfernt werden würde.
Hinzu kommt, dass der Fachmann auch erkennt, dass sich eine lediglich lokal vorhandene Konzentration nicht statisch verhalten würde, sondern auf Grund der Konzentrationsunterschiede Diffusionsprozesse in der Lösung erfolgen, mit der Folge, dass die Konzentration an Gesamtsalz auf Grund dieser Diffusionsprozesse sehr schnell nicht mehr ausreicht, um die gewünschte Dissoziation des Virus von den Geweberesten zu erreichen. Entsprechend greift der Durchschnittsfachmann vor dem Hintergrund, dass es Sinn und Zweck eines jeden Patentanspruches ist, eine technische Lehre an die Hand zu geben, bei deren Nacharbeitung sich der beabsichtigte Erfindungserfolg einstellt, auf das ihm bekannte Verständnis der Gesamtsalzkonzentration zurück, nach welchem die gewünschte Konzentration in der gesamten Lösung eingestellt werden muss. Denn dann wird die erfindungsgemäße Aufgabe der Verbesserung des Virusertrages aus Allantoisflüssigkeit von virusinfizierten Kükenembryos sicher erreicht.
Eine Bestätigung des vorstehend beschriebenen Verständnisses findet der Durchschnittsfachmann in der Beschreibung des Klagepatentes. Die Ausführungsbeispiele des Klagepatentes berechnen die Gesamtsalzkonzentration durchgängig in Bezug auf die gesamte Allantoisflüssigkeit. So wird im Beispiel 10 in Abs. [0077] der Klagepatentschrift ein Volumen von 100 ml Allantoisflüssigkeit durch die Zugabe von 50 ml 1xPBS verdünnt, wodurch das Gesamtvolumen auf 150 ml vergrößert wurde. Ein gleich großes Volumen (150 ml 20xPBS) wurde anschließend hinzugegeben, wodurch ein Endvolumen von 300 ml entstand. Allantoisflüssigkeit und 1xPBS haben, wie die Beklagten unbestritten vorgetragen haben, jeweils eine NaCl-Konzentration von ungefähr 0,15 M. In der Ausgangs-Allantoisflüssigkeit (100 ml) waren demnach 0,015 Mol NaCl enthalten. Durch die Verdünnung mit 50 ml 1xPBS kamen 0,075 Mol NaCl hinzu. Schließlich wurden mit der Zugabe von 150 ml 20xPBS mit einer NaCl-Konzentration von 3M weitere 0,45 Mol NaCl hinzugefügt. Die 300 ml Gesamtlösung enthielten demnach 0,4725 Mol NaCl, so dass die Gesamtsalzkonzentration demnach 0,4725 Mol/100 ml bezogen auf die 100 ml Ausgangs-Allantoisflüssigkeit betrug. Bezogen auf das Gesamtvolumen von 300 ml (100 ml Allantoisflüssigkeit + 50 ml 1xPBS + 150 ml 20xPBS) betrug die Gesamtsalzkonzentration 0,4725 Mol/300 ml, was 1,575 M entspricht.
Es wird nicht verkannt, dass es sich hierbei lediglich um ein Ausführungsbeispiel der Erfindung handelt, welches den Schutzbereich eines Patentes nicht beschränken kann. Das Klagepatent gibt indes keinen Anhaltspunkt für ein anderes Verständnis. Soweit die Klägerin auf Abs. [0042] verweist, wo ausgeführt ist, dass das Verfahren vorteilhafterweise ein Verdünnen der Allantoisflüssigkeit vor der Zugabe des einen oder der mehreren Salze umfasst, führt der Hinweis zu keinem anderen Verständnis. Denn in Abs. [0042] ist lediglich davon die Rede, dass vor der Zugabe des einen oder der mehreren Salze eine Verdünnung erfolgen kann. Die Möglichkeit der Verdünnung entbindet den Fachmann indes nicht von der Zugabe eines oder mehrerer Salze, um auf diese Weise das Virus von den Geweberesten zu trennen. Anderes kann auch nicht Abs. [0076] der Klagepatentschrift entnommen werden, wo es heißt:
„In allen Ausführungsformen werden ein oder mehrere Salze zu der Allantoisflüssigkeit gegeben, um eine Dissoziierung des Virus von den verbundenen Geweberesten zu bewirken. Sobald die Virusdissoziierung aufgetreten ist, kann die das Virus enthaltende Lösung verdünnt werden, z.B. wieder isotonischer (d.h. weniger hypertonisch) gemacht werden, bevor der Virus gewonnen wird. Alternativ dazu kann die Allantoisflüssigkeit vor oder gleichzeitig mit der Zugabe von Salz verdünnt werden, und die verdünnte Lösung kann anschließend konzentriert werden, um die Salzkonzentration zu erhöhen, womit der Virus vor der Virusgewinnung von den verbundenen Geweberesten dissoziiert wird. In solchen Ausführungsformen wird ein bevorzugtes Mole-Verhältnis von Salz zur ursprünglichen Menge der Allantoisflüssigkeit geschaffen.“
Mit diesen Ausführungen macht die Klagepatentschrift lediglich deutlich, dass nach ursprünglicher Einstellung der gewünschten Gesamtsalzkonzentration eine Verdünnung erfolgen kann, da eine solche Verdünnung dem bereits erfolgten Dissoziierungsprozess des Virus von den Geweberesten nicht entgegen steht. Aus dem Umstand einer Verdünnung kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass eine zeitlich begrenzte Konzentrationsspitze für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre ausreicht. Im Übrigen kann natürlich eine Verdünnung erfolgen, soweit die Gesamtsalzkonzentration bei mehr als 0,5 M liegt.
Geht man von dem vorstehend beschriebenen Verständnis aus, macht das von den Beklagten angewandte Herstellungsverfahren von dem Merkmal 2 keinen Gebrauch. Denn auch nach dem Vorbringen der Klägerin beträgt die Gesamtsalzkonzentration in der gesamten Allantoisflüssigkeit nicht mehr als 0,5 M. Eine Gesamtsalzkonzentration in einem lokalen Bereich des Gefäßes, welche die Klägerin auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse aus dem italienischen Besichtigungsverfahren behauptet hat und die von den Beklagten in Abrede gestellt wurde, stellt keine Verwirklichung des Merkmals 2 dar.
b)
Von dem nicht wortsinngemäß verwirklichten Merkmal wird auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch gemacht. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin ihr Vorbringen zu einer Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln in der mündlichen Verhandlung nicht mit Tatsachen auszufüllen vermochte, vermag die Kammer das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nicht festzustellen.
Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine im Prioritätszeitpunkt gegebenen Fachkenntnisse den Fachmann befähigt haben, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch (Gleich-wertigkeit) erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquiva-lente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbe-reichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH; vgl. BGHZ 150, 161 ff. = GRUR 2002, 511 ff. – Kunststoffhohlprofil; BGHZ 150, 149 ff. = GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II; GRUR 2007, 410, 415 f. – Kettenradanordnung; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung, GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallszeitmessgerät; GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV). Der Schutzbe-reich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu er-kennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV; OLG Düsseldorf, Urteil v. 7. November 2013, Az. I-2 U 29/12 – WC-Sitzgarnitur).
Ausgehend von diesen Voraussetzungen stellt das von den Beklagten angewandte Verfahren, bei welchem möglicherweise in einem lokalen Bereich eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M erzeugt wird, keine Verwirklichung der durch das Verfügungspatent beanspruchten technischen Lehre mit äquivalenten Mitteln dar.
Es erscheint bereits fraglich, ob eine solche Lösung gleichwirkend ist. Dies wäre nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann der Fall, wenn durch die gewählte technische Gestaltung nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt wird, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2011, 313, 318 – Crimpwerkzeug IV; GRUR 2012, 1122, 1123 – Palettenbehälter III). Es kommt somit nicht allein darauf an, ob auch durch die abgewandelte Lösung eine teilweise Verbesserung des Virusertrages bereitgestellt wird. Vielmehr dient das im Patent-anspruch beschriebene Verfahren auch der Verbesserung der Reinheit. Weshalb das von den Beklagten angewandte Verfahren bei nur lokaler Einstellung der gewünschten Gesamtsalzkonzentration gleichwohl gleichwirkend sein soll, hat die Klägerin nicht dargetan, sondern lediglich in der mündlichen Verhandlung behauptet, was von den Beklagten bestritten wurde.
Letztlich kann dies aber dahinstehen. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass die abgewandelte Lösung (mindestens im Sinne einer verschlechterten Ausführungsform) gleichwirkend ist, ist nicht ersichtlich, weshalb es für den Fachmann am Prioritätstag naheliegend gewesen sein sollte, die Gesamtsalzkonzentration in der Allantoisflüssigkeit von insgesamt 0,5 M, auf einen lokalen Bereich zu begrenzen, der möglicherweise lediglich kurzzeitig – bevor sich aufgrund der Konzentrationsunterschiede Diffusionsprozesse einstellen – besteht. Zwar wäre ihm aus dem Stand der Technik, welcher in Abs. [0025] der Klagepatentschrift gewürdigt wird, bekannt, dass 0,3 M NaCl bereits zu einer Dispersion von gereinigten Influenzavirusaggregaten führt, so dass er erkennen könnte, dass Konzentrationsunterschiede einer Dissoziation des Virus von den Geweberesten nicht entgegen stehen. Irgendwelche sonstigen konkreten Anregungen (Druckschriften, Fachbücher, Prospekte), die der vorbekannte Stand der Technik dem Fachmann für eine solche Abwandlung hätte an die Hand geben können, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Aber sogar diese Frage kann auf sich beruhen. In jedem Fall fehlt es nämlich an der erforderlichen Gleichwertigkeit. Sie verlangt, dass die Überlegungen, die der Fachmann zum Auffinden eines äquivalenten Ersatzmittels anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung (lokale Gesamtsalzkonzentration) mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lösung (Gesamtsalzkonzentration) gleichwertige Alternative in Betracht zieht. „Orientierung am Patentanspruch“ setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet. Es ist in-sofern nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens die abgewandelte Lehre als technisch sinnvoll und in gleicher Weise zielführend wie die im Patentanspruch formulierte Anweisung erkennt. Es reicht auch nicht aus, die Gleichwertigkeit isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung). Bei allem ist der Patentinhaber an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). Die vom Patent gegebene technische Lehre muss von ihm als sinnhaft hingenommen und darf bei der Suche nach einem gleichwirkenden Ersatzmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden. Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGH, a. a. O., S. 705 Tz. 35 – Okklusionsvorrichtung m. w. N.; OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. September 2013, Az. I-2 U 25/13 Drospirenon).
Im Streitfall vermittelt die Klagepatentschrift dem Fachmann die Einsicht, dass in der Allantoisflüssigkeit durch Zugabe eines oder mehrerer Salze eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M erzeugt werden soll. Dadurch soll ein Verfahren bereitgestellt werden, dass auf Grund der Dissoziation des Virus von den Geweberesten zu einer Verbesserung der Reinheit und des Virusertrages führt, Abs. [0028].
Von dieser konkreten Verfahrensanweisung würde sich das angewandte Verfahren signifikant lösen, wenn man unterstellt, dass lediglich in lokalen Bereichen eine Gesamtsalzkonzentration von mehr als 0,5 M erzeugt wird. Denn damit wäre nicht nur eine kaum praktikable Handlungsanweisung verbunden. Vielmehr würde eine lokale Konzentrationserzeugung auch nicht zu einer gegenüber dem Stand der Technik verbesserten Ausbeute und Reinheit führen. Denn auf Grund der stattfindenden Diffusionsprozesse verursacht durch die Konzentrationsunterschiede in den unterschiedlichen Lösungen – Allantoisflüssigkeit und Salzlösung – kann weder gesichert die aus dem Stand der Technik bekannte Konzentration von 0,3 M erzielt werden, welche jedoch auch das Klagepatent offensichtlich als nicht ausreichend erachtet hat noch die erfindungsgemäß vorgesehene Gesamtsalzkonzentration von 0,5 M.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 1.000.000,00 EUR