4b O 25/14 – Abstandhalterprofil

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2400

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. April 2015, Az. 4b O 25/14

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

TATBESTAND

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 055 XXX (Klagepatent, Anlage K1), das ein Abstandhalterprofil für einen Abstandhalterrahmen betrifft. Es wurde am 21.01.1999 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 11.02.1998 angemeldet. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 08.05.2002 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.

Das Klagepatent hat ein Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt durchlaufen. Gegenstand dieses Einspruchsverfahrens war unter anderem der einzige unabhängige und für diesen Rechtsstreit relevante Anspruch 1 des Klagepatents, der in der nachfolgend wiedergegebenen Fassung aufrechterhalten wurde (vgl. Anlage PBP7):

Abstandhalterprofil aus einem elastisch-plastisch verformbaren, schlecht wärmeleitenden Material für einen Abstandhalterrahmen, der im Randbereich von mindestens zwei voneinander beabstandeten Scheiben (100), insbesondere transparenten Scheiben für Isolierscheibeneinheiten, unter Bildung eines Scheibenzwischenraumes (110) anzubringen ist, wobei das Abstandhalterprofil eine Kammer (10) umfasst, die in ihren Wänden ein sich in Längsrichtung des Profils erstreckendes plastisch verformbares Verstärkungselement aufweist, wobei das Abstandhalterprofil eine sich im Wesentlichen über seine gesamte Breite und Länge erstreckende diffusionsdichte Schicht aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Verstärkungselemente (30, 40, 50, 55) nur in den Seitenwänden (20, 26) und/oder den Eckbereichen des Profils vorgesehen sind.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 und 3 des Klagepatents) stellen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung dar.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen Wettbewerber der Beklagten auf dem Gebiet der Abstandhalterprofile für Isolierglasscheiben. Sie stellt her, bietet an und vertreibt unter anderem einen Abstandhalter mit der Produktbezeichnung „A“ (angegriffene Ausführungsform). Der angegriffene Abstandhalter ist wie folgt ausgestaltet:

Das Profil besteht aus Polypropylen als Kernmaterial. Es ist über die gesamte Außenwand und einen Großteil der außen liegenden Oberflächen der Seitenwände von einer Edelstahlfolie bedeckt. In der Innenwand sind zwei dünne Drähte angeordnet.

Im Hinblick auf den vorbeschriebenen Abstandhalter schlossen die Parteien – unter dem Eindruck eines von der Beklagten angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahrens vor der Kammer (Az.: 4b O 186/12) – unter dem 07.01.2013 eine Vergleichs- und Lizenzvereinbarung (Anlage K9), nach der die Klägerin gegen Zahlung von Lizenzgebühren zur Nutzung des Klagepatents berechtigt ist. In § 6 Ziffer (4) des Vertrages findet sich die Regelung, dass die hiesige Klägerin die Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform in einem Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht klären lassen kann. Falls in diesem Verfahren die Nichtverletzung festgestellt werden sollte, wandelt sich gemäß § 3 Ziffer (4) des Vertrages die Lizenz mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung in eine kostenlose Lizenz um.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht. Anspruch 1 des Klagepatents sei dahingehend auszulegen, dass die Verstärkungselemente entweder ausschließlich in den Seitenwänden oder in den zu den Seitenwänden rechnenden Eckbereichen des Profils angeordnet sein sollen. Eine Anordnung an der Innenwand des Abstandhalters falle demgegenüber nicht unter Anspruch 1 des Klagepatents. Insbesondere erfasse dieser durch seine Bezugnahme auf die Eckbereiche des Abstandhalters nicht auch Teile der Innenwand. Funktional solle gerade das Auftreten von Schäden in den Eckbereichen des Abstandhalters vermieden werden. Hierfür sei entscheidende Voraussetzung, dass die Verstärkungselemente im Hinblick auf die Anordnung in den Eckbereichen des Profils auch tatsächlich die Eckpunkte abdecken. Ein Hineinragen der Verstärkungselemente in die Innenwand sei insofern nicht schädlich, als jedenfalls eine Verstärkung des Eckbereichs durch das Abdecken der Ecken oder Eckpunkte mit Verstärkungselementen vorliege. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform – insoweit unstreitig – aber gerade nicht der Fall. In funktioneller Hinsicht verhinderten die beiden eingezogenen Drähte gerade nicht die Verformung im Rahmen des Biegeprozesses. Diese Aufgabe werde vielmehr im Wesentlichen von der Edelstahlfolie erfüllt, die zugleich als Diffusionssperre wirke.

Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass sie zur Zahlung von Lizenzgebühren gemäß § 3 des Lizenzvertrages vom 07.01.2013 für die Herstellung und den Vertrieb von Abstandhalterprofilen für Isolierglasscheiben der im Anspruch 1 des europäischen Patents EP 1 055 XXX genannten Art, insbesondere solcher des Typs A, nicht verpflichtet ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der erfindungsgemäßen Lehre unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Mit „Eckbereich“ meine die klagepatentgemäße Lehre den gesamten Bereich der Seitenwand und der Innen- bzw. Außenwand, der nah genug an der Außenseite der Seitenwand gelegen sei, um im Rahmen des Biegevorganges die Formbeständigkeit der Seitenwand zu erhöhen. Entsprechend seien die Drähte bei der angegriffenen Ausführungsform in den Eckbereichen des Abstandhalterprofils angeordnet. Funktional würden sie zur Erhöhung der Formstabilität der Seitenwände im Rahmen des Biegevorganges beitragen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2015 verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hieran hat. Dabei ist unter „Rechtsverhältnis“ die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 256 Rn 3). Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse daran, festzustellen zu lassen, dass sie zur Zahlung von Lizenzgebühren gemäß § 3 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Lizenzvertrages vom 07.01.2013 nicht verpflichtet ist. Gemäß § 3 Ziffer (4) des vorgenannten Lizenzvertrages haben sich die Parteien darauf verständigt, die gerichtliche Feststellung gegen sich gelten zu lassen. Solange die Klägerin keine für sie positive gerichtliche Entscheidung herbeiführt, bleibt sie zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet.

II.
Die Klage ist aber unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Die Erfindung betrifft ein Abstandhalterprofil aus einem elastisch-plastisch verformbaren, schlecht wärmeleitenden Material für einen Abstandhalterrahmen (Anlage K1 Abs. [0001]).

Abstandhalterrahmen haben als wichtigste Aufgabe, Scheiben einer Scheibeneinheit auf Abstand zu halten, die mechanische Festigkeit der Einheit zu gewährleisten und den Scheibenzwischenraum vor äußeren Einflüssen zu schützen. Vor allem bei Isolierscheibeneinheiten mit hoher Wärmedämmung ist es nachteilig, wenn die gute Wärmedämmung der Scheiben im Randbereich unter der Wärmeübertragungscharakteristik der üblichen metallischen Abstandhalter leidet (Anlage K1 Abs. [0006]). Aus diesem Grunde werden neben den bekannten metallischen Abstandhaltern verstärkt Abstandhalterprofile aus Kunststoff verwendet, um die geringere Wärmeleitfähigkeit dieser Materialen auszunutzen (Anlage K1 Abs. [0007]). Ein Nachteil dieser Profile besteht allerdings in der geringeren Diffusionsdichtigkeit. Bei der Verwendung von Kunststoffprofilen müssen daher in der Regel Metallfolien oder metallisierte Kunststofffolien als Dampfsperre auf das Profil aufgebracht werden (Anlage K1 Abs. [0007]). Kunststoffprofile haben den weiteren Nachteil, dass sie sich nur unter hohem Aufwand oder gar nicht zur Herstellung einstückiger Abstandhalterrahmen biegen lassen. Im Stand der Technik war es daher üblich, Kunststoffprofile zu geraden Stangen in den den Abmessungen der jeweiligen Scheibeneinheit entsprechenden Maßen zu schneiden und sie durch mehrere Eckverbindungen miteinander zu einem Abstandhalterrahmen zu verbinden (Anlage K1 Abs. [0008]). Dabei wurden zur Stabilisierung der Abstandhalter Verstärkungselemente in die Innen- oder Außenwand der Profile eingebracht (Anlage K1 Abs. [0009] und [0010]). Die Stabilität der Innenwand ist insbesondere durch UV-Einstrahlung und Wärmeausdehnung gefährdet (Anlage K1 Abs. [0009]). Die in der Innen- oder Außenwand angeordneten Verstärkungselemente ließen die Herstellung eines einstückigen Abstandhalterrahmens durch (Kalt-) Biegen nicht zu (vgl. Anlage K1 Abs. [0010]). Demgegenüber will die Klagepatentschrift einen einstückigen Abstandhalterrahmen beschreiben, der aus einem Stück mittels Biegen erzeugt wird, wobei die beiden Enden mit einem Linearverbinder verbunden werden.

Die Klagepatentschrift formuliert vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem), ein im großen Maßstab kostengünstig produzierbares wärmeisolierendes Abstandhalterprofil zur Verfügung zu stellen, aus dem einfach ein einstückiger Abstandhalterrahmen herstellbar ist. Das Profil soll insbesondere mit konventionellen Biegeanlagen kaltbiegbar sein, ohne dass störende Verformungen auftreten (Anlage K1 Abs. [0011]).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der Klagepatentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Abstandhalterprofil aus einem elastisch-plastisch verformbaren, schlecht wärmeleitenden Material
2. für einen Abstandhalterrahmen, der im Randbereich von mindestens zwei voneinander beabstandeten Scheiben (100), insbesondere transparenten Scheiben für Isolierscheibeneinheiten, unter Bildung eines Scheibenzwischenraumes (110) anzubringen ist.
3. Das Abstandhalterprofil weist eine sich im Wesentlichen über seine gesamte Breite und Länge erstreckende diffusionsdichte Schicht auf.
4. Das Abstandhalterprofil umfasst eine Kammer (10).
5. Die Kammer weist in ihren Wänden ein sich in Längsrichtung des Profils erstreckendes plastisch verformbares Verstärkungselement auf.
6. Die Verstärkungselemente (30, 40, 50, 55) sind nur in den Seitenwänden (20, 26) und/oder den Eckbereichen des Profils vorgesehen.

2.
Die Parteien streiten über die Auslegung von Merkmal 6 der vorstehenden Merkmalsgliederung, insbesondere über den Begriff der „Eckbereiche“.

Nachdem Merkmal 6 ausdrücklich die Eckbereiche neben den Seitenwänden aufführt, kann der Eckbereich jedenfalls nicht nur auf den Bereich beschränkt sein, der geometrisch betrachtet schon Teil der Seitenwand ist, sondern muss sich zu einem gewissen Teil auch in die Innen- oder Außenwand erstrecken. Anschaulich wird dies anhand der Figuren 3 und 4 der Klagepatentschrift:

Es ist zu erkennen, dass die dort abgebildeten Winkelprofile sich zum Teil in die Innen- und Außenwand des Abstandhalterprofils erstrecken. Im Hinblick auf das in Figur 4 dargestellte Ausführungsbeispiel beschreibt die Klagepatentschrift in Abs. [0042], dass die in die Innenwand 24 und die Außenwand 22 des Abstandhalterprofils hineinragenden Schenkelbereiche des Winkelprofils eine Länge von etwa 2 mm aufweisen.

Nach dem Wortlaut ist die erfindungsgemäße Lehre dabei keineswegs auf solche Verstärkungselemente beschränkt, die sich entweder in der Seitenwand oder in der Ecke (d.h. dem Überlappungsbereich von Seitenwand und Innen- bzw. Außenwand) des Abstandhalterprofils befinden und sich von dort in die Innen- oder Außenwand erstrecken. So ist die klagepatentgemäße Lehre gerade nicht formuliert. Vielmehr heißt es allgemeiner, die Verstärkungselemente sollen in den Seitenwänden oder den Eckbereichen des Abstandhalterprofils vorgesehen werden. Ein Verstärkungselement befindet sich aber auch dann in erfindungsgemäßer Weise im Eckbereich des Abstandhalterprofils, wenn es die geometrische Ecke desselben unbedeckt lässt und in einem Bereich der Innen- oder Außenwand des Abstandhalterprofils angeordnet ist, der nach der Lehre des Klagepatents dem Eckbereich zuzuordnen ist.

Die Funktion der Positionierung der Verstärkungselemente ausschließlich in den Seitenwänden oder in den Eckbereichen besteht darin, zum einen einen direkten thermischen Kontakt zwischen den Scheiben zu vermeiden (Anlage K1 Abs. [0013]) und zum anderen die Biegung des Profils im Rahmen herkömmlicher Kaltbiegeverfahren ohne störende Verformungen zu ermöglichen (Anlage K1 Abs. [0014]). Zu dem letzten Aspekt führt die Klagepatentschrift in Abs. [0021] aus, dass gerade die Querschnitts-Eckbereiche des Abstandhalterprofils beim Biegeprozess durch Dehnung oder Stauchung besonders beansprucht werden. Bei herkömmlichen Profilen treten Schäden während des Biegeprozesses daher insbesondere an diesen Stellen auf. Die Anordnung von Verstärkungselementen in Form von Drähten oder Winkelprofilen „zumindest im Bereich beider Enden der beiden Seitenwände“ erhöht dort das Biegewiderstandsmoment des Abstandhalterprofils, so dass eine besonders gute Kaltbiegbarkeit erreicht wird.

Dafür genügt es, wenn die Verstärkungselemente überhaupt in den Seitenwänden oder den Eckbereichen des Profils angeordnet sind. Das Klagepatent geht davon aus, dass bereits dadurch ein wie auch immer gearteter Beitrag zu den in der Beschreibung dargestellten Wirkungen geleistet wird – selbst wenn die Verstärkungselemente nicht in der Ecke selbst angeordnet sind, sondern sich etwas versetzt zur Innen- oder Außenwand in den Eckbereichen des Profils befinden. Der Klagepatentanspruch setzt nicht voraus, dass mit der Anordnung der Verstärkungselemente nach Art und Maß ganz konkrete Wirkungen erzielt werden. Insofern sind die Vorgaben hinsichtlich Anzahl, Material, Form, Maß, räumlicher Anordnung der Verstärkungselemente einerseits und des übrigen Profils andererseits viel zu unspezifisch.

Aus diesem Grund führen auch Vergleiche im Hinblick auf das Maß der erfindungswesentlichen Wirkungen, insbesondere der Biegesteifigkeit, bezüglich verschiedener bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung nicht weiter. Soweit der von der Klägerin beauftragte Privatgutachter Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 28.02.2014 (Anlage K7, dort S. 11 Tabelle 1 und S. 12 Bild 5) entsprechende Vergleichsmessungen bzw. -berechnungen vorgenommen hat, kann dies eine einschränkende Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 schon deshalb nicht begründen, weil in den Vergleich lediglich bestimmte bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung einbezogen wurden. Demgegenüber taucht etwa die ebenfalls erfindungsgemäße Ausführungsform mit nur zwei Drähten gar nicht auf.

Die hier vertretene Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 steht nicht im Widerspruch zu dem im Klagepatent gewürdigten Stand der Technik. Von der DE-U-93 03 XXX (Anlage K2) unterscheiden sich die erfindungsgemäßen Verstärkungselemente dadurch, dass sie sich nicht etwa in mittiger Lage der Innenwand befinden und dadurch deren Festigkeit erhöhen, sondern zu den Seiten hin bis in den Eckbereich verlagert sind, womit auch eine unterschiedliche Funktion der Verstärkungselemente einhergeht, die in der Klagepatentschrift dargestellt wird. Während nämlich die in der DE-U-93 03 XXX genannten Verstärkungselemente auf eine Versteifung der Innenwand im eingebauten Zustand des Abstandhalterrahmens abzielen, bezwecken die im Klagepatent genannten Verstärkungselemente die Erhöhung des Biegewiderstandsmoments im Bereich der Seitenwände und der Eckbereiche, damit es im Rahmen des Biegeprozesses nicht zu störenden Verformungen kommt.

Insofern führt die vergleichende Darstellung des von der Klägerin beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 28.02.2014 (Anlage K7, dort S. 18 Tabelle 2) schon deshalb nicht weiter, weil er die Biegesteifigkeit nur allgemein berechnet, hingegen nicht nach verschiedenen Bereichen des Profils unterscheidet. Dies wäre aber im Hinblick auf die vorstehend dargestellten unterschiedlichen Funktionen der Verstärkungselemente zwingend erforderlich gewesen. Gleiches gilt im Übrigen für Bild 11 auf Seite 19 des Gutachtens.

Wieder anders verhält es sich mit der DE 92 1499 bzw. der GB 2 162 228 (Anlagen K4 und K5), deren Diffusionssperrschicht sich über die gesamte Außenwand erstreckt. Eine solche Diffusionssperrschicht sieht der Klagepatentanspruch 1 in Merkmal 3 ebenfalls vor. Ihre erhöhte Leitfähigkeit wird in gewissem Maße in Kauf genommen, um eine Diffusionssperre zu bilden, darüber hinaus soll die Außenwand aber von (metallischen und damit wärmeleitenden, zusätzlichen) Verstärkungselementen frei gehalten werden, um die Wärmeleitfähigkeit des Abstandhalters niedrig zu halten (Anlage K1 Abs. [0013]). Solche zusätzlichen Verstärkungselemente sollen nach Merkmal 6 vielmehr ausschließlich in den Seitenwänden und/oder den Eckbereichen des Profils angeordnet werden und auf diese Weise die Kaltbiegbarkeit des Profils verbessern.

3.
Ausgehend von dieser Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 macht die angegriffene Ausführungsform von seiner technischen Lehre unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

Die Verwirklichung der Merkmale 1 bis 5 durch die angegriffene Ausführungsform steht zwischen den Parteien zu Recht außer Streit und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Entgegen der Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform aber auch von Merkmal 6 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

Sie weist erfindungsgemäße Verstärkungselemente gemäß Merkmal 6 in Form zweier Drähte auf, deren Mittelachse sich jeweils in einem Abstand von 2,3 bis 2,5 mm von der Außenseite der Seitenwände entfernt in der Innenwand des Abstandhalterprofils befindet. Die Drähte sind dabei wesentlich näher an den Seitenwänden als am Mittelpunkt der Innenwand angeordnet, sie befinden sich sogar in dem Bereich, der in der Beschreibung von Figur 4 des Klagepatents (Anlage K1 Abs. [0042]) explizit als Eckbereich bezeichnet wird. Die rein geometrische Betrachtung des Querschnitts führt daher zu der Annahme, dass die Drähte bei der angegriffenen Ausführungsform in erfindungswesentlicher Weise in den Eckbereichen des Abstandhalterprofils angeordnet sind.

Damit haben sie grundsätzlich auch Einfluss auf das Biegeverhalten des Eckbereichs im Fall der Biegung des Profils. Bis zu welchem konkreten Maß dabei Falten verhindert, das Fließen des Kunststoffs verringert oder dem Ausbrechen der Seitenwand entgegengewirkt wird, kann dahinstehen. Für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre reicht es aus, dass die Verstärkungsdrähte aufgrund ihrer räumlichen Anordnung in den Eckbereichen des Profils die Biegesteifigkeit, insbesondere die Formstabilität der Seitenwände, positiv beeinflussen.

Dass dies der Fall ist, wird durch das Gutachten des von der Klägerin beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. B vom 28.02.2014 (Anlage K7) bestätigt. In Tabelle 3 und Bild 15 auf Seite 23 des Gutachtens ist dargestellt, dass die Biegesteifigkeit des Profils unter Verwendung von zwei Drähten, angeordnet wie in der angegriffenen Ausführungsform, höher ist als ohne das Vorsehen solcher Drähte. Während die Biegesteifigkeit der angegriffenen Ausführungsform ohne die zwei als erfindungsgemäße Verstärkungselemente in Rede stehenden Drähte mit 0,395E+0,6 angegeben wird, gibt der Gutachter die Biegesteifigkeit mit den zwei Drähten mit 0,57E+0,6 an. Der Einfluss der Diffusionssperre ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Soweit der Gutachter an anderer Stelle (Anlage K7 S. 18 Tabelle 2) Vergleiche zu einer klagepatentgemäßen Lösung mit vier Drähten zieht, führt dies nicht weiter, weil die klagepatentgemäße Lösung keine Festlegung im Hinblick auf die Anzahl der Verstärkungselemente enthält, anspruchsgemäß also etwa auch eine Ausführungsform mit nur zwei der Verstärkung der Seitenwände dienenden Drähten ist. Auch der Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit Ausführungsformen nach der DE-U-93 03 XXX (Anlage K7 S. 18 Tabelle 2), bei denen sich Verstärkungselemente mittig bzw. auf den Drittelpunkten der Innenwand befinden, führt an der Sache vorbei, weil der Gutachter nicht zwischen der Biegesteifigkeit in den Seitenwänden und der Biegesteifigkeit in der Innen- bzw. Außenwand differenziert. Was die klagepatentgemäße Lehre gerade will, ist die Erhöhung der Biegesteifigkeit in den Seitenwänden bzw. den Eckbereichen des Profils, um störende (Quer-)Verformungen im Rahmen des Biegeprozesses weitgehend zu vermeiden.

Soweit die Klägerin zu vermitteln versucht, dass die beiden Drähte in der angegriffenen Ausführungsform keinen oder jedenfalls nur unwesentlichen Einfluss auf die Stabilisierung der Seitenwände hätten, stellt sich die Frage, warum die Klägerin sie dann an eben dieser (erfindungsgemäßen) Stelle anordnet. Dies lässt den Rückschluss zu, dass ihnen eine bestimmte (erwünschte) Wirkung zukommt. Hierauf deuten auch die von der Klägerin selbst in der Replik vom 18.12.2014 (dort S. 13) eingeblendeten Abbildungen hin, auf denen das Biegeverhalten der angegriffenen Ausführungsform mit und ohne Drähte dargestellt ist. Insofern meint die Kammer, dass – soweit man den Abbildungen überhaupt eine relevante Aussagekraft beimessen will – diese durchaus einen positiven Einfluss der Drähte auf das Fließverhalten des Kunststoffs und die Verformung der Seitenwände zeigen. Unterstützt wird diese Annahme durch eine von der Klägerin eingereichte Patentanmeldung (DE 10 2012 105 960, Anlage PB12), die in Figur 1 eine der angegriffenen Ausführungsform vergleichbare Anordnung der verstärkenden Drähte in der Innenwand des Profils zeigt. In Abs. [0113] der Offenlegungsschrift wird beschrieben, dass aufgrund dieser Anordnung der primären Verstärkungselemente im Bereich der Innenwand die Verformung erfolgen könne, ohne dass es zu unerwünschten Verformungen der Seitenwände komme und ohne dass die primären Verstärkungselemente die Kaltverformung behindern würden. Erreicht wird dies dadurch, dass der Abstand der Schwerpunkte der Querschnittsflächen der Verstärkungselemente ca. 40 % des Abstands zwischen den Seitenwänden oder mehr beträgt (Anspruch 1). Dies ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.500.000,- EUR festgesetzt.