4a O 93/13 – Implementation gegenseitiger Datenratenanpassungen III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2357

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Januar 2015, Az. 4a O 93/13

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

TATBESTAND

Die Klägerin macht Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen behaupteter mittelbarer und unmittelbarer Verletzung des europäischen Patents EP 0 748 XXX B1 (Anlage K 1, in deutscher Übersetzung mit dem Registerzeichen DE 696 33 XXX T2 als Anlage K 2; im Folgenden: Klagepatent) geltend. Seit dem 16. Juni 2014 ist die Klägerin im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Zuvor waren als Anmelderin bzw. Inhaberin eingetragen die A Corp. ab dem 5. August 2004 und die B C Inc. ab dem 23. Oktober 2012. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer finnischen Priorität vom 7. Juni 1995 am 5. Juni 1995 angemeldet und am 11. Dezember 1996 veröffentlicht. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 8. September 2004 veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft die Implementation von gegenseitigen Datenratenanpassungen bei Datendiensten zwischen GSM und DECT. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 hat die im parallelen Verfahren 4a O 88/13 beklagte D E GmbH durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 (Anlage B 6) das Klagepatent durch Erhebung einer Nichtigkeitsklage angegriffen. Im weiteren parallelen Verfahren 4a O 94/13 hat die dort beklagte F G GmbH eine parallele Nichtigkeitsklage durch Schriftsatz vom 3. April 2014 (Anlage B 7) erhoben. Über beide Nichtigkeitsklagen ist noch nicht entschieden.

Die Ansprüche 1 und 18 des Klagepatents lauten:

„1. Verfahren zum Verwenden von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems von einem Endgerät (26) eines zweiten Telekommunikationssystems mittels einer Basisstation (20) und einer Vermittlungszentrale (1), dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren umfasst:
Verbinden eines Endgeräts (26) des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems, Verbinden der Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Vermittlungszentrale (1) des ersten Telekommunikationssystems, in der Basisstation (20) Ausführen von Ratenanpassungen und Abbildungen, die für die Datenumsetzungen zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind.

18. Anlage, die eine Basisstation (20) enthält, für die Verwendung von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems von einem Endgerät (26) eines zweiten Telekommunikationssystems, dadurch gekennzeichnet, dass die Basisstation eine Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems ist und mit einem Endgerät (26) des zweiten Telekommunikationssystems verbunden ist, die Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Vermittlungszentrale (1) des ersten Telekommunikationssystems verbunden ist und die Basisstation Mittel zum Ausführen von Ratenanpassungen und von Abbildungen, die für die Umsetzungen von Daten zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind, enthält.“

Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern durch schematische Darstellungen dessen technische Lehre vor dem Hintergrund des vorbekannten Standes der Technik sowie anhand von Ausführungsbeispielen:

Die Figuren 1 und 2 zeigen jeweils schematisch aus dem Stand der Technik vorbekannte Anordnungen zum Bereitstellen leitungsvermittelter Datendienste in einem GSM („global system for mobile communications“)-Netz, nämlich zum einen in Figur 1 die Bereitstellung eines transparenten und in Figur 2 die Bereitstellung eines nicht transparenten Datendienstes. Figur 3 und 4 zeigen demgegenüber schematisch klagepatentgemäße Anordnungen zum Bereitstellen leitungsvermittelter Datendienste zwischen dem GSM- und dem DECT („digital enhanced cordless telecommunications“)-System. Die Figuren 9a, 9b und 9c sind schematische Darstellung mehrerer alternativer Vorgänge, bei denen Nachrichten zwischen einem Endgerät, einer Basisstation und einer Vermittlungszentrale nach dem klagepatentgemäßen Verfahren ausgetauscht werden, wenn das Endgerät einen Datenanruf einrichtet.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Mobilfunkendgeräte wie Tablet-Computer, diese beispielsweise unter der Bezeichnung „F H 2“, oder Smartphones, die allesamt als sog. „I“ verwendet werden können (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Hierzu verfügen die angegriffenen Ausführungsformen über eine Funktion, die durch geeignete Bedienungsschritte vom Nutzer unter dem Menüpunkt „Tethering oder Hotspot aktiv“ ausgewählt und in Betrieb genommen werden kann, und für welche die Bedienungsanleitungen der angegriffenen Ausführungsformen die notwendigen Erläuterungen enthalten.

Die Klägerin behauptet, wirksam Inhaberin des Klagepatents geworden und bereits Inhaberin einer wirksamen ausschließlichen Lizenz am Klagepatent gewesen zu sein sowie zur Geltendmachung des Schadensersatzes der jetzigen und früheren Inhaberin des Klagepatents berechtigt zu sein. Dies folge aus einer Kette wirksamer Übertragungen von der jeweiligen früheren Inhaberin an die jeweilige Einzelrechtsnachfolgerin sowie aus dem Lizenzvertrag zwischen der B C Inc. und der Klägerin vom 9. November 2012 (Anlage K 4).

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Klagepatentgemäß komme es weder darauf an, ob ein Telekommunikationssystem aus mehreren Funkzellen besteht oder ob es ortsfest ist, nämlich einen bestimmten räumlichen Bereich einer bestimmten Größe abdeckt. Deswegen sei es auch nicht erforderlich, dass die Basisstation des zweiten Systems ortsfest sei. Ebenso wenig fordere die klagepatentgemäße Lehre eine unmittelbare Verbindung zwischen der Basisstation des ersten und der Vermittlungszentrale des zweiten Systems, zumal weil das Umsetzen von Daten in das Format der Vermittlungszentrale in der Basisstation nicht vollständig und ausschließlich geschehen müsse.

Die Klägerin beantragt,

A. die Beklagte zu verurteilen,

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Basisstationen, welche dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Verwenden von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems von einem Endgerät eines zweiten Telekommunikationssystems mittels einer Basisstation und einer Vermittlungszentrale durchzuführen,

Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,

wobei das Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass das Verfahren umfasst:
– Verbinden eines Endgeräts des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems,
– Verbinden der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems,
– in der Basisstation Ausführen von Ratenanpassungen und Abbildungen, die für die Datenumsetzungen zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind;

II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, nämlich Rechnungen, Lieferscheinen oder Quittungen hinsichtlich der Angaben zu A.II.1 und A.ll.2, wobei die Belegvorlage in Bezug auf A.II.2 auf gewerbliche Abnehmer beschränkt ist, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu A.l. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Oktober 2004 begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

wobei die Beklagte die Belege in Kopie vorzulegen hat und sie geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten schwärzen darf;

B. die Beklagte zu verurteilen

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Anlagen, die eine Basisstation enthalten, für die Verwendung von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems von einem Endgerät eines zweiten Telekommunikationssystems

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Anlagen dadurch gekennzeichnet sind, dass:

die Basisstation eine Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems ist und mit einem Endgerät des zweiten Telekommunikationssystems verbunden ist, die Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems verbunden ist und die Basisstation Mittel zum Ausführen von Ratenanpassungen und von Abbildungen, die für die Umsetzungen von Daten zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind, enthält;

II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, nämlich Rechnungen, Lieferscheinen oder Quittungen hinsichtlich der Angaben zu B.ll.1 und B.ll.2, wobei die Belegvorlage in Bezug auf B.II.2 auf gewerbliche Abnehmer beschränkt ist, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu B.l. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Oktober 2004 begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

wobei die Beklagte die Belege in Kopie vorzulegen hat und sie geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten schwärzen darf;

III. die unter B.l. bezeichneten, seit dem 1. September 2008 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Landgericht Düsseldorf mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatentes EP 0 748 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird,

C. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die

– der A Corporation, J, Finnland durch die zu A.l. und B.l. bezeichneten und in der Zeit vom 8. Oktober 2004 bis zum 8. August 2012 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden,

– der B Inc., Z, Vereinigte Staaten von Amerika, durch die zu A.l. und B.l. bezeichneten und in der Zeit vom 9. Oktober 2012 bis zum 9. September 2012 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden,

– der B C Inc. Z, Vereinigte Staaten von Amerika, durch die zu A.l. und B.I. bezeichneten und in der Zeit vom 10. September 2012 bis zum 8. November 2012 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden,

– der Klägerin durch die zu A.l. und B.l. bezeichneten und seit dem 9. November 2012 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des EP 0 748 XXX B1 auszusetzen.

Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Klägerin insgesamt in Abrede. Die Abtretung von Ansprüchen an die Klägerin durch den Lizenzvertrag vom 9. November 2012 sei mangels hinreichender Bestimmtheit der abzutretenden Ansprüche unbestimmt und damit unwirksam. Sie sei außerdem sittenwidrig, weil sie der Durchsetzung von Ansprüchen der Konzernmutter der Klägerin durch die vermögenslose Klägerin diene. Auch sei das Klagepatent nicht wirksam auf die Klägerin abgetreten worden, die einzelnen Übertragungen seien nicht wirksam.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent nicht. Das im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen geschaffene WLAN-Funknetz sei kein zweites Telekommunikationssystem im Sinne des Klagepatents, weil es nur eine einzige Zelle ausbilde und lokal auf einen zu kleinen Bereich beschränkt sei. Ferner fehle es an einer Basisstation eines zweiten Telekommunikationssystems, weil ein Telekommunikationssystem aus Funkzellen bestehe, die bestimmte örtliche Bereiche abdecken und deshalb nur von an bestimmten Orten befindlichen Basisstationen ausgebildet werden könnten. Jedenfalls umfassten die angegriffenen Ausführungsformen keine mit einer Vermittlungszentrale eines ersten Telekommunikationssystems verbundenen Basisstationen. Die – unstreitig vorhandene – Verbindung der angegriffenen Ausführungsformen mit Basisstationen des GSM- oder des UMTS-Systems genüge der klagepatentgemäßen Lehre nicht, da diese keine mittelbare Verbindung zwischen Basisstation und Vermittlungszentrale über eine zusätzliche Funkschnittstelle und eine Basisstation auch des ersten Systems erlaube.

Außerdem meint die Beklagte, das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen und vernichtet werden. Seine technische Lehre sei nicht neu, sondern werde durch drei druckschriftliche Entgegenhaltungen vorweggenommen, zumal unter Anwendung der von der Klägerin vertretenen weiten Auslegung des Klagepatents unter Verzicht auf eine unmittelbare Verbindung zwischen Basisstation und Vermittlungszentrale. Ferner sei die technische Lehre des Klagepatents nicht ausführbar und außerdem unzulässig erweitert.

Dem Vorbringen der Beklagten zum Rechtsbestand des Klagepatents tritt die Klägerin entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen mittelbarer und unmittelbarer Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 EPÜ, §§ 9, 10, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Eine vollständige Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen lässt sich jedenfalls nicht feststellen, so dass es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob und in welchem Umfang die Klägerin zur Geltendmachung der eingeklagten Ansprüche materiell berechtigt ist.

I.
Das Klagepatent betrifft die Implementation von gegenseitigen Datenratenanpassungen bei Datendiensten zwischen GSM und DECT.

Wie das Klagepatent in seinen einleitenden Ausführungen erläutert, sind in der digitalen Datenkommunikation verschiedene international genormte Systeme und darauf basierende Netzimplementierungen bekannt. Der Benutzer eines Datenkommunikationsdienstes ist nicht an den technischen Details des Systems oder Netzes interessiert, sondern an einer benutzerfreundlichen vielseitigen und zuverlässigen Zusammenarbeit von Netzen und Systemen, die es ermöglichen, viele Dienste jeglichen Systems zu nutzen. Beispielsweise sind in Europa Datenkommunikationsdienste der Systeme GSM (Global System for Mobile Communications) und DECT (Digital European Cordless Communications) verbreitet, in denen der Benutzer über ein kleines und leichtes Endgerät verfügt, das zur Datenübertragung über Funk mit einer fixen Basisstation und diese wiederum mit einer den Betrieb steuernden Vermittlungszentrale verbunden ist. Beide Systeme setzen genormte Funktionen zum Verpacken, Codieren und Modulieren der Daten gemäß genormten Protokollen ein.

Aus dem Stand der Technik ist es bekannt, eine DECT-Basisstation direkt an eine GSM-Mobilfunkvermittlungszentrale anzuschließen und dadurch eine Sprechverbindung zwischen einem mobilen Telefon in einem DECT-System zu einem anderen Telefon über ein GSM-Netz herzustellen. Hieran kritisiert das Klagepatent als nachteilig, dass die GSM-Datendienste nicht verwendet werden können, da insoweit kein Verfahren zum Implementieren der erforderlichen Ratenanpassungen offenbart ist.

Aus der EP 0 415 XXX (Anlage K 5) ist die Errichtung eines städtischen, kabellosen Zellentelekommunikationssystems mit Merkmalen des DECT- und des GSM-Systems bekannt, wobei das verwendete Handgerät mit zwei verschiedenen Modulationsraten funktioniert, von denen die eine dem GSM-System und die andere dem DECT-System genügt. Offenbart ist damit ein System, das sich von GSM und DECT jeweils unterscheidet, aber zur Implementierung in diese Systeme durch Verwendung entsprechender Komponenten geeignet ist.

Die US 5,384,XXX (Anlage K 6, im parallelen Nichtigkeitsverfahren als Anlage NK 10) lehrt ein Verfahren zur Standortaktualisierung eines über eine DECT-Basisstation an eine GSM-Mobilfunkstation gekoppeltes DECT-Endgerät, wobei das DECT-Endgerät, die DECT-Basisstation und die GSM-Mobilfunkstation auf einem Zug angeordnet sind und die DECT-Basisstation über einen Protokollumsetzer an die GSM-Mobilfunkstation gekoppelt ist. Bewegt sich der Zug mit den genannten Komponenten darauf, bleibt der DECT-Standortbereich unverändert, während sich der GSM-Standort ändert, so dass die in der Entgegenhaltung gelehrte Standortaktualisierung auszuführen ist.

Vor diesem Hintergrund formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen zum Verwenden von Datendiensten, die durch ein erstes Kommunikationssystem zur Verfügung gestellt werden, durch ein Endgerät eines zweiten Kommunikationssystems. Außerdem benennt es das Klagepatent als Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen zum Implementieren von bei der Datenkommunikation zwischen DECT- und GSM-System erforderlichen Ratenanpassungen, sowie außerdem ein besonders vorteilhaftes Verfahren zum Implementieren von Ratenanpassungen bereitzustellen.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinen Nebenansprüchen 1 und 18 ein Verfahren sowie eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren
1.1 zum Verwenden von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems
1.2 von einem Endgerät (26) eines zweiten Telekommunikationssystems
1.3 mittels einer Basisstation (20) und einer Vermittlungszentrale,
1.4 dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren umfasst:
1.4.1 Verbinden eines Endgeräts (26) des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems,
1.4.2 Verbinden der Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems mit einer Vermittlungszentrale (1) des ersten Telekommunikationssystems,
1.4.3 in der Basisstation (20) Ausführen von
1.4.3.1 Ratenanpassungen und Abbildungen,
1.4.3.2 die für die Datenumsetzungen zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind.

18. Anlage, die eine Basisstation (20) enthält,
18.1 für die Verwendung von Datendiensten eines ersten Telekommunikationssystems
18.2 von einem Endgerät (26) eines zweiten Telekommunikationssystems,
18.3 die Basisstation ist:
18.3.1 eine Basisstation (20) des zweiten Telekommunikationssystems und
18.3.2 mit einem Endgerät (26) des zweiten Telekommunikationssystems verbunden,
18.3.3 mit einer Vermittlungszentrale (1) des ersten Telekommunikationssystems verbunden,
18.4 die Basisstation enthält
18.4.1 Mittel zum Ausführen von Ratenanpassungen und von Abbildungen,
18.4.2 die für die Umsetzungen von Daten zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind.

II.
Zwischen den Parteien steht die Verwirklichung der Merkmale 18.3.1, 18.3.3, 18.4.1 und 18.4.2 des Vorrichtungsanspruchs 18 und dementsprechend auch die Verwirklichung der Merkmale 1.4.1, 1.4.2 und 1.4.3 des Verfahrensanspruchs 1 im Streit, während die Verwirklichung der weiteren Merkmale zwischen den Parteien – zu Recht – unstreitig ist. Dass alle streitigen Merkmale durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht werden, lässt sich nicht feststellen.

Die angegriffenen Ausführungsformen und das von ihnen ausgeführte Verfahren zur Ausbildung einer WLAN-Zelle im „Tethering“-Betrieb verwirklichen jedenfalls die Merkmalsgruppen 18.4 und 1.4.3 nicht, gemäß denen in der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems diejenigen Ratenanpassungen und Abbildungen ausgeführt werden, die für die Umsetzung von Daten zwischen dem Formt der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems und dem Format des zweiten Telekommunikationssystems erforderlich sind.

1.
Diese Merkmale sind in der Weise auszulegen, dass die Umsetzung der Daten in das Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems durch die in der Basisstation angesiedelten Mittel im vollständig erforderlichen Umfang geschieht, dass also zusätzlich zur Umsetzung von Daten in der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems keine weitere Umsetzung von Daten mehr erforderlich ist, um den Datenstrom in ein Format zu bringen, welches durch die Vermittlungszentrale verarbeitet werden kann. Merkmale 18.4.2 und 1.4.3.2 fordern, dass die durch die Mittel zum Ausführen von Ratenanpassungen und Abbildungen bewirkte Umsetzung von Daten nicht nur erforderlich, sondern auch hinreichend ist, damit Daten in das Format nicht irgendeiner Komponente des ersten Telekommunikationssystems umgesetzt werden, sondern gerade in das Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems. Der abweichenden Auffassung der Klägerin, es genüge eine solche Datenumsetzung durch die Mittel in der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems, aufgrund derer die Daten in ein Format umgesetzt werden, das von irgendeiner weiteren Komponente des ersten Telekommunikationssystems (weiter) verarbeitet und deswegen in einem zweiten Schritt in das Format gerade der Vermittlungszentrale umgesetzt werden kann, schließt sich die Kammer nicht an.

a)
Zwar ergibt sich eine Ambivalenz des für die Bestimmung des Schutzbereichs gemäß Art. 69 Satz EPÜ maßgeblichen Anspruchswortlauts, betrachtet man Merkmale 18.4.2 und 1.4.3.2 isoliert. Die Angabe, die ausgeführten Ratenanpassungen und Abbildungen müssten diejenigen sein, welche „erforderlich“ (im gemäß Art. II 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Anspruchswortlaut: „required“) sind für die Umsetzung in das Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems, ist im Klagepatent an keiner Stelle, auch nicht in der für die Auslegung gemäß Art. 69 Satz 2 EPÜ zu berücksichtigenden Beschreibung, erläutert. Aus fachmännischer Sicht lässt dieser Begriff sowohl die Deutung zu, die Ratenanpassungen und Abbildungen müssten für die Umsetzung hinreichend sein in dem Sinne, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung des Formats der Vermittlungszentrale umfassen, als auch die Deutung, sie müssten lediglich notwendig sein in dem Sinne, dass sie zwar unverzichtbar, aber nicht abschließend sind und durch weitere Umsetzungen, bewirkt durch irgendwo angesiedelte weitere Komponenten, ergänzt werden können.

Indes sind die Merkmale des Patentanspruchs im Zuge der Schutzbereichsbestimmung als Einheit zu betrachten und in ihrem Zusammenhang zur beanspruchten technischen Lehre zu betrachten (BGH GRUR 2004, 845, 846 – Drehzahlermittlung; BGH GRUR 2012, 1124, 1126 – Polymerschaum; Schulte / Rinken / Kühnen, Komm. z. PatG, 9. Aufl., § 14 Rdn. 22). In diesem Zusammenhang geht der Fachmann bereits bei isolierter Betrachtung der Merkmal 18.4.2 und 1.4.3 davon aus, dass die Lehre des Klagepatents das Datenformat des Telekommunikationssystems an sich unterscheidet vom Datenformat jedenfalls einer Vermittlungszentrale des Telekommunikationssystems. In diesen Merkmalen kontrastiert der Wortlaut erkennbar und deutlich den Begriff des Formats des zweiten Telekommunikationssystems von demjenigen des Formats der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems. Das nimmt der Fachmann ernst und schlussfolgert daraus, dass – erstens – andere Komponenten des ersten Telekommunikationssystems ein anderes Datenformat verarbeiten als gerade die Vermittlungszentrale und – zweitens – es klagepatentgemäß darauf ankommt, eine Umsetzung nicht nur in das Datenformat irgendeiner Komponente des ersten Telekommunikationssystems zu gewährleisten, sondern in dasjenige der Vermittlungszentrale.

Dem Zusammenhang der Merkmale 18.4.2 und 1.4.3.2 zu den Merkmalen 18.4.1 und 1.4.3.1 entnimmt der Fachmann die Erkenntnis, dass es klagepatentgemäß entscheidend darauf ankommt, wo die Umsetzung geschieht, nämlich wo strukturell betrachtet die Mittel angeordnet sind, welche die für die Datenumsetzung erforderlichen Ratenanpassungen und Abbildungen ausführen. Diese Mittel müssen klagepatentgemäß in der Basisstation angesiedelt sein, die gemäß den Merkmalen 18.3.1 und 1.4.1 eine Komponente des zweiten Telekommunikationssystems ist. Die Datenumsetzung muss also durch Mittel gewährleistet sein, die auf der Seite des zweiten, nicht des ersten Telekommunikationssystems angeordnet sind. Das widerlegt aus fachmännischer Sicht die Annahme, es sei ausreichend, wenn die Umsetzung in das Datenformat der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems nur mit einem Teil der unverzichtbaren Maßnahmen auf der Seite des zweiten Telekommunikationssystems ausgeführt wird, nämlich in dessen Basisstation. Dadurch würde die zwingende Angabe aus den Merkmalen 18.4.1 und 1.4.3.1 eingeschränkt, gemäß denen die Mittel zum Ausführen der für die Datenumsetzung erforderlichen Ratenanpassungen und Abbildungen in der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems angesiedelt sein müssen, ohne dass sich für den technischen Sinn einer solchen einschränkenden Auslegung dieser Merkmale ein Anhaltspunkt ergäbe.

Ferner ist aus fachmännischer Sicht der Zusammenhang der Merkmale 18.4.2 und 1.4.3.2 mit den Merkmalen 18.3.3 und 1.4.2 zu beachten. Die letztgenannten Merkmale erfordern eine Verbindung der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems mit der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems. Zwar macht das Klagepatent keine Angaben dazu, in welcher Weise konkret die Struktur dieser Verbindung ausgestaltet sein muss, namentlich lässt sich keine Vorgabe erkennen, diese Verbindung müsse eine in irgendeiner Weise unmittelbare sein. Jedoch lässt der Zusammenhang zwischen der geforderten Verbindung von Basisstation des zweiten und Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems einerseits und der beanspruchten Umsetzung zwischen den Datenformaten eben jener Vermittlungszentrale und des zweiten Telekommunikationssystems andererseits den technischen Sinn erkennen, dass der Datenstrom zwischen der Basisstation des zweiten und der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems keiner weiteren Umsetzung mehr bedürfen soll. Aus fachmännischer Sicht wäre eine solche Verbindung nicht erforderlich, könnten zwischen die Basisstation des zweiten und die Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems weitere Komponenten mit für die Datenumsetzung erforderlichen Mittel treten, denn dann wären allein Verbindungen von der Basisstation zu dieser weiteren Komponente und von dieser zur Vermittlungszentrale zu fordern.

b)
Dieses Auslegungsergebnis findet eine Stütze in der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Beschreibung des Klagepatents. Eine Erläuterung dazu, warum es auf die Umsetzung der Daten gerade in das Format der Vermittlungszentrale und nicht einer beliebigen anderen Komponente des ersten Telekommunikationssystems ankommt, findet sich innerhalb der allgemeinen Erfindungsbeschreibung (Absatz [0012] des hier und im Folgenden nach der Übersetzung gemäß Anlage K 2 zitierten Klagepatents):

„Der Gedanke der Erfindung ist auf alle Systeme anwendbar, bei denen die Vermittlungszentralenanlage so streng genormt ist, dass kenne [offensichtlich gemeint: keine] Änderungen vorgenommen werden können, bei denen jedoch Änderungen an der Basisstationsanalage möglich sind.“

Demnach lässt sich das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem der Schaffung einer Kompatibilität zwischen zwei an sich nicht kompatiblen Telekommunikationssystem nicht oder jedenfalls nicht technisch und wirtschaftlich sinnvoll durch eine Anpassung der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems an die Merkmale des zweiten Telekommunikationssystems erreichen, denn die Vermittlungszentrale ist eine streng genormte und daher nicht hinreichend flexible Komponente des ersten Telekommunikationssystems. Zur Bedeutung der Normung des ersten Telekommunikationssystems führt das Klagepatent – zwar in der allgemeinen Beschreibung, aber mit Blick auf das insoweit beispielhaft genannte GSM-System – aus (Absatz [0010]):

„Das GSM-System beinhaltet sehr präzise genormte Definitionen von Datenkommunikationsprotokollen und ihrer Implementierung. Eine der vorteilhaften Merkmale des GSM-Systems ist die Beständigkeit seiner Normen: das Ändern von Definitionen ist nicht üblich. Andererseits wurde dies als Nachteil betrachtet, da man das Gefühl hatte, dass das Anpassen des Systems zur Zusammenarbeit mit anderen Systemen schwierig ist.“

Die Inflexibilität des ersten Telekommunikationssystems und insbesondere seiner streng genormten Vermittlungszentrale erscheint demnach nur unter dem Aspekt der Kompatibilität mit anderen Systemen als Nachteil, im Allgemeinen aber als Vorteil im Hinblick auf die Verlässlichkeit der üblicherweise nicht abänderbaren Definitionen der verwendeten Datenkommunikationsprotokolle. Aus fachmännischer Sicht erscheint es daher erstrebenswert, die Inflexibilität der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems nicht in Frage zu stellen, sondern stattdessen die Maßnahmen zur Schaffung von Kompatibilität in derjenigen Komponente anzusiedeln, die hinreichend flexibel ist, um einer Anpassung unterzogen zu werden, nämlich in der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems. Umgekehrt wird der Fachmann durch diese Erwägungen aber davon abgehalten, die Maßnahmen zur Schaffung von Kompatibilität auch nur teilweise in den Bereich des ersten Telekommunikationssystems zu verschieben, dessen Inflexibilität auch eine vorteilhafte Beständigkeit bedeutet und deshalb sinnvoller Weise zu respektieren ist.

Zusätzlich belegt wird diese Sichtweise durch die Erläuterung der Vorteile der klagepatentgemäßen Lehre in ihrer Anwendung auf das Ausführungsbeispiel der Kombination von GSM und DECT (Absatz [0055]):

„Mit dem Verfahren der vorliegenden Erfindung ist es möglich, Datendienste des GSM-Systems von einem Endgerät, das zum DECT-System gehört, zu verwenden, da die Ratenanpassungen, die durch die GSM-Datendienste erfordert sind, in der DECT-Basisstation enthalten sind und die Übertragungsformatumsetzungen zwischen Funktionsblöcken der Basisstation ausgeführt werden. Die Schnittstelle zu einer GSM-Vermittlungszentrale einer DECT-Basisstation, die das Verfahren gemäß der Erfindung anwendet, erfüllt die GSM-Normen, und daher sind keine Änderungen an den GSM-Vermittlungszentralen erforderlich, und eine GSM-Vermittlungszentrale muss nicht einmal wissen, dass sie Daten zum oder vom DECT-System überträgt.“

Der klagepatentgemäße technische Vorteil wird hiernach durch die Unabhängigkeit der Vermittlungszentrale von der Kommunikation der Basisstation mit dem Endgerät erreicht: Die in der Basisstation enthaltenen Mittel gewährleisten die Fähigkeit zur Kommunikation nicht nur mit den Endgeräten des zweiten, sondern auch mit der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems, und zwar ohne dass die Vermittlungszentrale, die den Normen des ersten Telekommunikationssystems unterliegt, in irgendeiner Weise geändert oder an den Normen des zweiten Telekommunikationssystems ausgerichtet werden müsste. Weil es vielmehr alleine auf die Ausgestaltung der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems und der dort verorteten Mittel zum Ausführen der erforderlichen Ratenanpassungen und Abbildungen ankommt, bedarf es keiner Überlegungen zur oder Modifikation der Funktionsweise des ersten Telekommunikationssystems. Die Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems gehorcht allen Vorgaben, die sich aus dem Datenformat der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems ergeben.

Schließlich können die zeichnerisch dargestellten Ausführungsbeispiele zwar den Schutzbereich nicht einschränken, ihre übereinstimmende Darstellung einer Umsetzung von Daten unmittelbar in das Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems bildet aber aus fachmännischer Sicht einen zusätzlichen Beleg für die dargelegte Auslegung.

c)
Dass eine Struktur, bei der die Datenumsetzung vollständig durch die Mittel in der Basisstation und ohne das Erfordernis weiterer Umsetzungen in anderen Komponenten ausgeführt wird, entgegen der klägerischen Auffassung eine technisch sinnvolle Struktur ist, wird ebenfalls durch die genannten zeichnerischen Darstellungen von Ausführungsbeispielen der klagepatentgemäßen Lehre belegt. Jedenfalls im Zusammenwirken von GSM mit DECT liegt der technische Sinn darin, alleine DECT-Basisstationen zur Verfügung stellen zu müssen, die Mittel zur Datenumsetzung in das Format der GSM-Vermittlungszentrale aufweisen, während das Gelingen der Kompatibilität weder von der Beschaffenheit der beim Nutzer befindlichen und deswegen nicht abänderlichen Endgeräte abhängt noch von der Funktionsweise des GSM-Systems im Übrigen.

Dem weiteren Argument der Klägerin, der technische Vorteil werde ebenso erreicht, wenn die von den Mitteln der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems bewirkte Datenumsetzung zunächst zu einem Format einer weiteren Komponente des ersten Telekommunikationssystems führt, die erst darauf aufbauend eine Umsetzung in das Format der Vermittlungszentrale bewirkt, schließt sich die Kammer deshalb nicht an, weil darin eine nicht statthafte Verallgemeinerung der beanspruchten Lehre auf eine bloße Funktionsangabe liegt. Nach dieser Betrachtungsweise wäre die Angabe in den Merkmalen 18.3.2 und 1.4.3.2 „… zwischen dem Format der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems …“ sprachlich überflüssig, weil es hiernach alleine darauf ankäme, mit der Umsetzung durch die Mittel der Basisstation des zweiten Telekommunikationssystems irgendeinem Datenformat irgendeiner Komponente des ersten Telekommunikationssystems zu genügen im Vertrauen darauf, innerhalb des als funktionsfähig betrachteten ersten Telekommunikationssystems werde sodann die Umsetzung in das Format der dortigen Vermittlungszentrale geschehen. Die Betrachtung würde also abgelöst vom Anspruchswortlaut und erweitert auf die Formatunterschiede zwischen dem zweiten und dem ersten Telekommunikationssystem im Allgemeinen.

Schließlich ergibt sich die abweichende, von der Klägerin vertretene Auslegung auch nicht aus der Würdigung derjenigen Unteransprüche des Klagepatents, welche konkrete Ausgestaltungen des Verbindungsweges zwischen der Basisstation des zweiten und der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems zum Gegenstand haben. So lehren etwa die auf den Nebenansprüche 18 rückbezogenen Unteransprüche 22 und 23:

„22. Anlage nach Anspruch 18, dadurch gekennzeichnet, dass die Basisstation (20) so konfiguriert ist, dass sie mit dem Endgerät (26) unter Verwendung einer Funkkommunikation gemäß dem zweiten Telekommunikationssystem kommuniziert und mit dem ersten Telekommunikationssystem durch Verbinden mit einem Netzelement(1) des ersten Telekommunikationssystems kommuniziert.

23. Anlage nach Anspruch 22, dadurch gekennzeichnet, dass die Basisstation (20) so konfiguriert ist, dass sie Daten, die von dem Endgerät (26) empfangen werden, von dem Format des zweiten Telekommunikationssystems in das Format des ersten Telekommunikationssystems für das Netzelement (1) umsetzt und Daten, die von dem Netzelement (1) empfangen werden, von dem Format des ersten Telekommunikationssystems in das Format des zweiten Telekommunikationssystems für das Endgerät (26) umsetzt.“

Hieraus folgt zwar, dass auch eine solche Gestaltung der Verbindungswege als klagepatentgemäß beansprucht ist, bei der in die Verbindung zwischen Basisstation und Vermittlungszentrale ein Netzelement eingeschaltet ist, das funktional als Teilnehmer an der Kommunikation (Unteranspruch 22) und als Empfänger von Daten (Unteranspruch 23) dient. Indes ist auch durch diese Unteransprüche nicht gelehrt, dass das in den Verbindungsweg zwischen Basisstation des ersten und Vermittlungszentrale des zweiten Telekommunikationssystems tretende Netzelement weitere Mittel zur Ausführung der für die Umsetzung in das Datenformat der Vermittlungszentrale erforderlichen Ratenanpassungen und Abbildungen enthält. Dass dieses Netzelement (das im Übrigen mit derselben Bezugsziffer „1“ wie die Vermittlungszentrale bezeichnet ist), irgendwelche Datenumsetzungen vornimmt, ist nicht beansprucht und in der zugehörigen Beschreibung auch nicht erläutert. Demnach belegen diese Unteransprüche im Gegenteil zusätzlich, dass auch beim Vorsehen weiterer Komponenten diese jedenfalls keinen Anteil an der Ausführung derjenigen Ratenanpassungen und Abbildungen haben müssen, die erforderlich sind, um der Vermittlungszentrale des ersten Telekommunikationssystems Daten in einem Format zuzuführen, welches sie verarbeiten kann.

2.
Demnach verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 18.4.2 und 1.4.3.2 nicht. Sie führen, sofern sie als Basisstationen des WLAN-Systems als zweitem Telekommunikationssystem anzusehen sein sollten, jedenfalls nicht die Abbildungen und Ratenanpassungen aus, die zu einer Umsetzung der Daten in das Format der Vermittlungszentrale des GSM- oder UMTS-Systems als erstem Telekommunikationssystem führen.

Unstreitig sind die angegriffenen Ausführungsformen ihrerseits auf der Seite des GSM- oder UMTS-Systems mit dortigen Basisstationen verbunden, die wiederum mit der Vermittlungszentrale für den Datendienst verbunden sind. Dass die angegriffenen Ausführungsformen gleichwohl den Datenstrom in das Format der GSM- oder UMTS-Vermittlungszentrale umsetzten, lässt sich nicht feststellen, auch nicht unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrages zur sogenannten „Aktivierung des PDP (für: packet data protocol)-Kontextes“ im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen. Insoweit hat die Klägerin vorgebracht, zwischen den angegriffenen Ausführungsformen und dem sogenannten „Serving GPRS Node (SGSN)“ finde eine Kommunikation in Gestalt der Aktivierung des PDP Kontextes statt, und zwar in der Weise, wie sich dies aus dem nachstehend verkleinert wiedergegebenen Schema als Bestandteil des zugehörigen technischen Standards ETSI TS 123 XXX (Anlage K 13, nachstehende Abbildung dort auf Seite 211) ergebe:

Dies lässt aber nicht die Feststellung zu, die als Mobilgerät („mobile station“ = „MS“) im GSM- oder UMTS-System eingebundenen angegriffenen Ausführungsformen setzten Daten in das Datenformat des SGSN um. Vielmehr ergibt sich aus diesem technischen Standard, dass die Aufnahme eines Mobilgeräts in ein GSM- oder UMTS-Netz stets die Aktivierung des PDP-Kontextes voraussetzt, damit ein Datendienst des GSM- oder UMTS-Systems durch das Mobilgerät überhaupt genutzt werden kann. Dabei richtet das Mobilgerät eine Anfrage („Activate PDP Context Request“) an den SGSN, der daraufhin unter Einbeziehung der GSM- oder UMTS-Basisstation BSS (für „base station subsystem“) den PDP-Kontext schafft, mithilfe dessen die Weiterleitung von Datenpaketen über den SGSN gewährleistet wird. Sobald dieser PDP-Kontext geschaffen ist, benachrichtigt der SGSN das Mobilgerät hiervon („Active PDP Context Accept“).

Darin liegt aber gerade keine Umsetzung von Daten in das Format des SGSN durch das Mobilteil: Erstens findet eine Datenumsetzung insoweit überhaupt nicht statt. Vielmehr löst eine Nachricht des Mobilgeräts an den SGSN („Activate PDP Context Request“) alleine eine Prozedur aus, durch die die Voraussetzungen eines Datenstromes erst geschaffen werden, wobei die erfolgreiche Prozedur zu einer Nachricht in gleichsam umgekehrter Richtung an das Mobilgerät („Activate PDP Context Accept“) führt. Zweitens erfolgt im Rahmen dieser Prozedur noch kein Datenstrom: Die Prozedur soll vielmehr beim SGSN, aber auch bei der GSM- oder UMTS-Basisstation BSS die Voraussetzungen für einen etwaigen Datenstrom schaffen. Die Aktivierung des PDP-Kontextes ist sogar unabhängig davon, ob der hierdurch grundsätzlich ermöglichte Datenstrom daraufhin überhaupt stattfindet.

Unerheblich ist daher, ob, was die Beklagte bestreitet, der SGSN überhaupt als Vermittlungszentrale des GSM- oder UMTS-Systems betrachtet werden kann. Jedenfalls wird der Datenstrom durch Mobilgeräte im GSM- oder UMTS-System und damit auch durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht in ein Datenformat des SGSN umgesetzt.

III.
Mangels feststellbaren Verletzungstatbestandes bedarf es der Feststellungen zur durch die Beklagte bestrittenen Aktivlegitimation der Klägerin ebenso wenig wie einer Entscheidung über den nur hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.