4b O 89/02 – LED

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  204

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Februar 2003, Az. 4b O 89/03

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.500,- € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 421 824 (Klagepatent, Anlage 1), dessen Erteilung am 19. September 1996 veröffentlicht wurde. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Ein auf einer Fläche anbringbarer LED-Aufbau (10) mit:

a) einer LED (12) mit:

i. einer ersten Oberfläche (18);

ii. einer zweiten Oberfläche (20), die der ersten Oberfläche (18) gegenüber liegt;

iii. zwei elektrischen Kontakten (22) auf der ersten Oberfläche (18);

und

iv. einem Lichtemissionsbereich (24) auf der zweiten Oberfläche (20);

b) einem in der LED (12) angebrachten Gehäuse (14), das aufweist:

i. die Form eines rechtwinkligen Parallelepipeden;

ii. einen ersten Durchgang (Passageway) (26), der sich von einer ersten unteren Oberfläche (28) des Gehäuses (14) teilweise durch das Gehäuse (14) erstreckt, wobei der erste Durchgang (26) so bemessen, geformt und positioniert ist, dass er die zweite Oberfläche (20) der LED (12) aufnimmt, so dass der Lichtemissionsbereich (24) der zweiten Oberfläche (20) von der ersten unteren Oberfläche (28) in den ersten Durchgang (26) gerichtet ist;

und

iii. einen zweiten Durchgang (30), der sich von einer zweiten bzw. Vorderfläche (32) des Gehäuses (14) zu einer dritten bzw. hinteren Oberfläche (34) des Gehäuses (14) erstreckt und mit dem ersten Weg (26) in Verbindung steht;

und

c) einer Linse (16), die sich im zweiten Durchgang (30) befindet, wobei die Linse aufweist:

i. eine abstrahlende Oberfläche (36), die sich an der zweiten bzw. Vorderfläche (32) des Gehäuses befindet und Licht aus dem Gehäuse abstrahlt,

ii. eine Lichtsammelfläche (38), die oberhalb des lichtemittierenden Bereichs (24) der LED (12) angebracht ist, die in den ersten Weg (26) gerichtet ist

und

iii. eine innere reflektierende Oberfläche (40), die im Gehäuse (14) über dem lichtemittierenden Bereich (24) der LED (12) in einer Position angebracht ist, um Licht von der lichtsammelnden Oberfläche (38) zur abstrahlenden Oberfläche (36) der Linse (16) zu reflektieren.“

Nachfolgende Abbildungen (Figuren 1 und 3 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die Beklagte stellt her und vertreibt ein LED-Bauteil, von dem die Parteien als Anlagen 5 und B1 jeweils ein Originalmuster zur Akte gereicht haben. Der Aufbau des LED-Bauteils wird durch die nachfolgend wiedergegebenen Informationszeichnungen der Beklagten (Anlage 6) veranschaulicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, das vorbezeichnete LED-Bauteil mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß, zumindest aber mit äquivalenten Mitteln Gebrauch und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend: Ob das Gehäuse unmittelbar an der LED oder mittelbar über das Linsenteil befestigt werde, sei für die Merkmalsverwirklichung – jedenfalls unter Äquivalenzgesichtspunkten – unerheblich. Das Gehäuse weise die für den Lichtdurchtritt notwendigen Durchgänge und die erfindungsgemäße Abschirmfunktion auf und erlaube eine einfache Montage (Pick-and-Place-System). Eine Halte- bzw. Ausrichtungsfunktion der Durchgänge für LED und Linse sei nicht erfindungswesentlich.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, auf einer Fläche anbringbare LED-Aufbauten mit:

a) einer Licht-emittierenden Diode (LED) mit:

i. einer ersten Oberfläche,

ii. einer zweiten Oberfläche, die der ersten Oberfläche gegenüber liegt,

iii. zwei elektrischen Kontakten auf der ersten Oberfläche,

iv. einem Lichtemissionsbereich auf der zweiten Oberfläche,

b) einem an der LED angebrachten Gehäuse, das aufweist:

i. die Form eines rechtwinkligen Parallelepipeden,

ii. einen ersten Weg, der sich von einer ersten unteren Oberfläche des Gehäuses teilweise durch das Gehäuse erstreckt, wobei der erste Weg so bemessen, geformt und positioniert ist, dass er die zweite Oberfläche der LED aufnimmt, so dass der Lichtemissionsbereich der zweiten Oberfläche von der ersten unteren Oberfläche in den ersten Weg gerichtet ist, und

iii. einen zweiten Weg, der sich von der Vorderseite des Gehäuses zu dessen Rückseite erstreckt und mit dem ersten Weg in Verbindung steht, und

c) einer Linse, die sich im zweiten Weg befindet, wobei die Linse aufweist:

i. eine abstrahlende Oberfläche, die sich an der Vorderfläche des Gehäuses befindet und Licht aus dem Gehäuse heraus abstrahlt,

ii. eine Lichtsammelfläche, die oberhalb des lichtemittierenden Bereichs der LED angebracht ist, die in den ersten Weg gerichtet ist, und

iii. eine innere reflektierende Oberfläche, die im Gehäuse über dem lichtemittierenden Bereich der LED in einer Position angebracht ist, um Licht von der lichtsammelnden Oberfläche zur abstrahlenden Oberfläche der Linse zu reflektieren,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu dem genannten Zweck einzuführen oder zu besitzen,

insbesondere wenn der erste und der zweite Weg rechtwinklig zueinander sind,

und/oder

sich die abstrahlende Oberfläche der Linse außerhalb des Gehäuses befindet;

2. ihr Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklage die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Oktober 1996 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 19. Oktober 1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen; hilfsweise, ihr im Hinblick auf das Rechnungslegungsbegehren der Klägerin einen Wirtschafts-prüfervorbehalt zuzubilligen.

Die Beklagte bestreitet den Verletzungsvorwurf und macht geltend: Da bei der angegriffenen Ausführungsform die LED unmittelbar mit einem als Lichtleiter ausgebildeten Kunststoffglaskörper verbunden sei bzw. von diesem aufgenommen werde und diese Baueinheit – lediglich optional – mit einer nicht allseitig geschlossenen Kappe umgeben werde, könne keine Rede davon sein, dass die angegriffene Ausführungsform über ein erfindungsgemäßes Gehäuse mit den beanspruchten Durchgängen verfüge, die Linse und LED positionierten. Insbesondere könne sinnvollerweise nicht davon gesprochen werden, der Lichtemissionsbereich der LED sei in den ersten Weg gerichtet. Die erfindungsgemäß in einem geschlossenen Gehäuse anzuordnende Linse und LED zu einem einheitlichen Bauteil zu verbinden, sei dem Fachmann durch das Klagepatent auch nicht nahe gelegt. Da der die LED aufnehmende Kunststoffglaskörper ein Lichtleiter sei, sei auch keine (besondere) innere reflektierende Oberfläche vorhanden, die von einer Lichtsammelfläche aufgenommenes Licht der LED umlenke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz nicht zu, da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch macht.

I.

Das Klagepatent betrifft Aufbauten zum Anbringen von lichtemittierenden Dioden (LED) auf gedruckten Leiterplatten, bei denen die Oberflächen-montagetechnik (FMD-Technik) angewendet wird.

Gemäß den einleitenden Darlegungen der Klagepatentschrift bietet die FMD‑Technik im Gegensatz zum Stand der Technik die Möglichkeit raumsparender Bauweise. Die Schaltungen können dicht nebeneinander gepackt werden, die Platten können kleiner ausfallen oder mehr Schaltungen aufnehmen. Die zu montierenden Bauelemente können verkleinert werden. Die FMD-Technik stellt allerdings besondere Anforderungen an die Montage der LED.

Den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift zufolge sind LED, die speziell für eine Oberflächenmontage gestaltet sind, für sog. „Pick‑and‑Place-Montagemechanismen“ gut geeignet und halten den Löttemperaturen stand. An den vorbekannten Vorrichtungen ist allerdings nachteilig, dass sie mangels Fokussierungslinse eine nur schwache optische Leistung bieten, nämlich einen geringen Lichtintensitätspegel und ein sog. Lichtausbluten aufweisen, wenn mehrere LED nahe nebeneinander angeordnet sind. Ferner sind keine Vorrichtungen verfügbar, die im rechten Winkel sichtbar sind. Aus der EP-A 0230336 (Anlage 2) ist lediglich eine mit Linse ausgestattete LED vorbekannt, bei der das Licht unter Verlust an Lichtleistung rund abgestrahlt wird.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen LED‑Aufbau bereitzustellen, der die Nachteile des Standes der Technik überwindet bzw. verringert, der hinreichende Festigkeit und Genauigkeit aufweist, der optische Verbesserungen mit sich bringt, die zu einer gesteigerten Lichtintensität, einer das Lichtausbluten unterbindenden Fokussierung des Lichtes und einer verbesserten Betrachtungsmöglichkeit ‑ auch im rechten Winkel – führen, und der relativ kompakt und preiswert in der Herstellung ist. Gelöst wird diese Aufgabe durch die in Patentanspruch 1 niedergelegte und (bereits gegliederte) Merkmalskombination.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch, da sie über kein Gehäuse im Sinne von Merkmal b verfügt.

Der erfindungsgemäße LED-Aufbau ist – wie der Fachmann erkennt – modular gestaltet und setzt sich aus den Bauteilen LED, Linse und Gehäuse zusammen. Der Ausgestaltung des Gehäuses kommt dabei maßgebliche Bedeutung für die erfindungsgemäße Funktionsweise des LED-Aufbaus zu. Denn anders als die Klägerin es geltend macht, dient das Gehäuse nicht nur dazu, LED und Linse abzuschirmen und mit den beiden Durchgängen einen Freiraum für die Umlenkung des vom LED abgestrahlten Lichtes bereitzustellen. Vielmehr hat das Gehäuse darüber hinausgehend die Funktion, LED und Linse im ersten bzw. zweiten Durchgang aufzunehmen und dadurch so zu positionieren bzw. aufeinander auszurichten, dass der modulare LDE-Aufbau die erfindungsgemäße Lichtumlenkung zur Abstrahl-oberfläche der Linse selbsttätig gewährleistet. In keiner anderen Weise kann es verstanden werden, wenn es in Merkmal (b) ii.) heißt, dass

„der erste Weg so bemessen, geformt und positioniert ist, dass er die zweite Oberfläche der LED aufnimmt, so dass der Lichtemissionsbereich der zweiten Oberfläche … in den ersten Durchgang gerichtet ist“,

und wenn in Merkmal (c) ausgeführt wird, dass sich die Linse im zweiten Weg bzw. Durchgang des Gehäuses befindet und dort gemäß Merkmal (c. iii.) mit ihrer inneren reflektierenden Oberfläche über dem das Licht‑emittierenden Bereichen der LED in einer Position angebracht ist, um das Licht von der lichtsammelnden Oberfläche zur abstrahlenden Oberfläche der Linse zu reflektieren.

Entsprechend dem Anspruchswortlaut lässt auch die Patentbeschreibung keinen Zweifel daran, dass die LED mit dem Gehäuseteil, das den ersten Durchgang bereit stellt, und die Linse mit dem Gehäuseteil, welches den zweiten Durchgang aufweist, in Verbindung gebracht werden (vgl. deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift gemäß Anlage 1a, Seite 6, letzter Absatz; Seite 7 f.). Soweit das Klagepatent die Befestigung der Linse durch einen Flansch (42) bevorzugt (vgl. Anlage 1a, Seite 7, letzter Absatz), ist ‑ entgegen der Ansicht der Klägerin – eine Befestigung der Linse an der LED, die diese unabhängig vom Gehäuse ausrichtet, nicht verwirklicht oder dem Fachmann nahe gelegt.

Ist aber nach der Lehre des Klagepatents das Gehäuse und seine Ausgestaltung entscheidend dafür, den modularen LED-Aufbau mit der erfindungsgemäßen Lichtumlenkung zur Abstrahlfläche der Linse zu erhalten, ist nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, Linsenkörper und LED unmittelbar miteinander zu verbinden mit der Folge, dass die Verwendung eines Gehäuses zur Ausrichtung von Linse und LED überflüssig wird und daher nur noch der Abdeckung der von LED und Linsenkörper gebildeten Einheit dienen kann. Das Gehäuse in seiner Ausrichtungs- und Haltefunktion durch die Verwendung eines lichtleitenden Kunststoffkörpers, der die LED aufnimmt, ausrichtet und hält, überflüssig zu machen, weist in eine ganz andere Richtung als das Klagepatent, welches das Gehäuse als wesentliches Bauteil zur Bewirkung der Lichtumlenkung und nicht nur als zusätzliche Abdeckkappe ansieht. Von einem Gehäuse, das im Sinne von Merkmal (b. ii.) in seiner räumlichen Ausgestaltung so bemessen, geformt und positioniert ist, dass eine Ausrichtung des Lichtemissionsbereichs der LED in einen bestimmten Durchgang bewirkt wird, kann insoweit keine Rede sein.

Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund die zwischen den Parteien unterschiedlich beurteilte Frage, ob der von der Beklagten verwendete lichtleitende Kunststoffglaskörper im Sinne der Erfindung als Linse angesehen werden kann, die über eine Lichtsammelfläche (Merkmal c. ii.) und eine innere reflektierende Oberfläche (Merkmal c. iii.) verfügt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheits-leistung folgenden aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 500.000,– EUR.

Dr. X1 Dr. X2 X3