Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Februar 2003, Az. 4 O 148/02
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
eine Zerkleinerungsvorrichtung für Abfälle wie Holz, Papier oder Kunststoffe, mit einem Rotor, der über seine Arbeitsbreite eine Vielzahl nebeneinander angeordneter Umfangsrippen mit etwa V-förmigem Profil sowie Werkzeughalter mit daran angebrachten Werkzeugen mit V-förmigem Profil aufweist, und mit einem Gegenmesser, dessen Form der Rotationsfläche des werkzeugbestückten Rotor angepasst ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei der jede Umfangsrippe durch mindestens eine Tasche unterbrochen ist, in dieser Tasche der Werkzeughalter mit dem Werkzeug angeordnet ist und das Werkzeug ein Profil hat, das radial etwa gleichmäßig über das Rippenprofil übersteht;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 10. Juli 1998 begangen haben, und zwar unter Angabe
a)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 10. Juli 1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 39 32 345 (Klagepatent, Anlage K 2), dessen Anmeldung vom 28. September 1989 am 11. April 1991 offengelegt und dessen Erteilung am 10. Juli 1998 veröffentlicht wurde. Die Beklagte zu 1) hat gegen die Patenterteilung Nichtigkeitsklage (Anlage B 1) beim Bundespatentgericht erhoben. Das Klagepatent betrifft eine Zerkleinerungsvorrichtung für Abfälle. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Zerkleinerungsvorrichtung für Abfälle, wie Holz, Papier oder Kunststoffe, mit einem Rotor, der über seine Arbeitsbreite eine Vielzahl nebeneinander angeordneter Umfangsrippen mit etwa V-förmigem Profil sowie Werkzeughalter mit daran angebrachten Werkzeugen mit V-förmigem Profil aufweist, und mit einem Gegenmesser, dessen Form der Rotationsfläche des werkzeugbestückten Rotors angepasst ist, dadurch gekennzeichnet, dass jede Umfangsrippe (10, 10‘, 110) durch mindestens eine Tasche (14) unterbrochen ist, in dieser Tasche der Werkzeughalter (14) mit dem Werkzeug (19, 19‘) angeordnet ist und das Werkzeug ein Profil hat, das radial etwa gleichmäßig über das Rippenprofil übersteht.“
Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 bis 7 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt die von ihr im Oktober/November 2001 auf der Messe „K 2001“ in Düsseldorf unter der Modellnummer 1 K 16-100 ausgestellte Zerkleinerungsvorrichtung. Die nähere Ausgestaltung des mit Rippen, Taschen, Werkzeughaltern und Werkzeugen versehenen Rotors und des mit dem Rotor zusammenwirkenden Gegenmessers ergibt sich aus den von der Klägerin als Anlagen K 12 bis K 16 zur Akte gereichten Lichtbildabbildungen. Nach dem Vorbringen der Beklagten lässt sich die Anordnung von Werkzeughalter und Werkzeug auf den Rippen in der nachfolgend abgebildeten Weise (Anlage B 8) figürlich darstellen.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die vorbezeichnete Zerkleinerungsvorrichtung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 verwirklicht. Die Klägerin nimmt die Beklagten deshalb wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin beantragt,
sinngemäß wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
1.
die Klage abzuweisen;
2.
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen;
3.
äußerst hilfsweise, den Beklagten im Hinblick auf das Rechnungslegungsbegehren der Klägerin einen Wirtschaftsprüfervorbehalt zuzubilligen.
Die Beklagten sind der Ansicht, das Klagepatent werde sich im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass eine Aussetzung des Verfahrens geboten sei. Sie nehmen zur Begründung auf das Vorbringen der Beklagten zu 1) im Nichtigkeitsverfahren Bezug und machen im wesentlichen geltend: Der Fachmann habe im Prioritätszeitpunkt in naheliegender Weise zu der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre sowohl durch die Kombination der DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2) mit der DE-PS 593 531 (Anlage B 3) als auch durch die Kombination der FR 2 451 777 (Anlage K 7) mit der DE-OS 1 528 310 (Anlage K 10 im Nichtigkeitsverfahren) gelangen können. Die hohe Relevanz der beiden zuerst genannten Druckschriften werde zudem dadurch belegt, dass die Klägerin – unstreitig – wegen dieses Standes der Technik ihr zum Klagepatent paralleles europäisches Patent 0 419 919 (Anlage B 4) beschränkt hat. Diese Beschränkung sei in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform insoweit von Belang, als in den kennzeichnenden Teil von Patentanspruch 1 des europäischen Parallelpatents u.a. die Merkmale des im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteranspruchs 3 des Klagepatents, nach dem das in Richtung der Rotorachse gemessene Eckmaß des Werkzeugs größer als die Breite der Umfangsrippen sein muß, aufgenommen worden sind, die beanstandete Zerkleinerungsvorrichtung eine derartige Ausgestaltung aber nicht aufweise.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag und dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu, da die von den Beklagten angebotene und vertriebene Zerkleinerungsvorrichtung von der technischen Lehre des Klagepatents widerrechtlich Gebrauch macht. Eine Aussetzung des Rechtsstreits kommt nicht in Betracht.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Zerkleinerungsvorrichtung für Abfälle (Holz, Papier oder Kunststoffe).
Vorbekannte Vorrichtungen für die Zerkleinerung von groben Holz-, Papier- und Verpackungsabfällen verfügen über einen sich horizontal gegen ein Schneidmesser drehenden Rotor, der mit Schneidwerkzeugen bestückt ist. Dem Rotor wird das Zerkleinerungsgut (ungeordnet) über einen Füllschacht zugeführt, welcher es sodann im Zusammenwirken mit dem feststehenden Gegenmesser zu Spänen zerkleinert. Zur Verringerung von Belastungsspitzen weist der Rotor umfänglich verlaufende Rippen mit einem V-förmigen Profil auf. In den Umfangsnuten sind Werkzeughalter zur Befestigung der Schneidwerkzeuge angeordnet. Den Darlegungen der Klagepatentschrift zufolge hat sich bei dieser Konstruktion mit der ungeordneten Vorlage des Zerkleinerungsgutes gezeigt, dass beim Rotor-Drehmoment hohe Belastungsspitzen auftreten und dass sich das Material leicht im Schnittspalt zwischen Rotor und Gegenmesser verklemmen kann.
Gemäß den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift treten die gleichen Probleme bei den aus der DE-OS 29 43 567 (Anlage K 6) und der FR 24 51 777 (Anlage K 7) vorbekannten Vorrichtungen auf. Die zuerst genannte Druckschrift offenbart eine Zerkleinerungsmaschine mit Nuten bzw. Taschen, in denen Werkzeughalter mit radial verhältnismäßig weit vorstehenden Schneidwerkzeugen angeordnet sind. Der in der französischen Druckschrift, von der nachfolgend zur Veranschaulichung die Figuren 1 und 2 abgebildet sind,
gezeigte Rotor weist Rippen mit Rechteckprofilen und dazwischen liegenden Nuten mit korrespondierendem Profil auf. Die Rippen und Nuten sind mit Radialbohrungen versehen, in die die Schneidwerkzeuge haltenden Werkzeughalter eingesetzt sind, wobei die Werkzeuge mit ihrem gesamten Querschnitt über den Umfang von Rippe und Nut überstehen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung die Aufgabe, eine Zerkleinerungsvorrichtung gattungsgemäßer Art anzugeben, bei der die Gefahr von Belastungsspitzen und Verklemmungen erheblich reduziert wird. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:
Zerkleinerungsvorrichtung für Abfälle, wie Holz, Papier oder Kunststoffe mit
1.
einem Rotor (3), der
1.1
über seine Arbeitsbreite eine Vielzahl nebeneinander angeordneter Umfangsrippen (10) mit etwa V-förmigem Profil sowie
1.2
Werkzeughalter (17) mit daran angebrachten Werkzeugen (19) mit V-förmigem Profil aufweist;
2.
einem Gegenmesser (4), dessen Form der Rotationsfläche des werkzeugbestückten Rotor angepasst ist.
3.
Jede Umfangsrippe (10) ist mindestens durch eine Tasche (14) unterbrochen.
4.
In dieser Tasche (14) ist der Werkzeughalter (17) mit dem Werkzeug (19) angeordnet.
5.
Das Werkzeug (19) hat ein Profil, das radial etwa gleichmäßig über das Rippenprofil übersteht.
Dadurch, dass der Werkzeughalter samt Schneidwerkzeug in einer das Profil der Umfangsrippe unterbrechenden Tasche eingeschweißt ist, kann der Spalt zwischen Werkzeug und Gegenmesser gering gehalten und eine gleichmäßige maximale Schnitttiefe erreicht werden. Dem Auftreten von Belastungsspitzen beim Rotordrehmoment und Verklemmungen wird somit erfolgreich entgegengewirkt.
II.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 Gebrauch macht. Der Benutzungstatbestand begegnet keinen Bedenken. Aufgrund des Verletzungstatbestandes sind die Beklagten der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, gemäß § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Die Schadenshöhe ist derzeit ungewiß. Die Klägerin hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Anspruch auf Schadensersatz zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 140 b PatG; §§ 242, 259 BGB). Die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes kommt nicht in Betracht. Die Beklagten haben keine Umstände vorgetragen, aus denen hergeleitet werden könnte, dass die von der Klägerin begehrten Angaben ausnahmsweise unverhältnismäßig sind.
III.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Eine Vernichtung oder für die Verletzungsfrage relevante Beschränkung des Klagepatents im Umfang des Patentanspruchs 1 erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technische Lehre ist neu. Die Beklagte zu 1) wendet sich in dem vor dem Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsverfahren gegen die Erfindungshöhe und macht dazu im wesentlichen geltend, der Fachmann habe im Prioritätszeitpunkt naheliegenderweise zu der patentierten Lehre durch die Kombination der im Erteilungsverfahren nicht berücksichtigten Druckschriften DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2) und DE-PS 593 531 (Anlage B 3) sowie auch durch die Kombination der (gewürdigten) FR 2 451 777 (Anlage K 7) mit der (nicht berücksichtigten) DE-OS 1 528 310 gelangen können.
1. a)
Die DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2), von der nachfolgend die die Schneid- bzw. Zerkleinerungsteile betreffenden Figuren 6 und 7 abgebildet sind,
hat ein Gerät zum Vernichten von Mikrofilmen und „dergleichen“ zum Gegenstand und stellt sich die Aufgabe, den – zur Unkenntlichmachung des Filminhalts erforderlichen – Vernichtungsgrad und/oder den Mengendurchsatz des Schnittguts durch das Gerät zu verbessern. Hierzu ist vorgesehen, die den bewegbaren Schneiden (28) zugekehrte Seite des Schneidenkörpers (32) der ortsfesten Schneide (30) auf zumindest annähernd der ganzen Länge ihrer Erstreckung entlang der Bewegungsbahn der bewegbaren Schneiden (28) als Hüllflächen der bewegbaren Schneiden (28) auszubilden. Dadurch wird in Abgrenzung zu einfach hinterschnittenen Schneiden, die das Schnittgut lediglich sauber streifenförmig zerschneiden, zusätzlich ein Wisch- und Zerkrümmelungseffekt erzielt, der gewährleistet, dass die auf den Schnittgutteilchen vorhandenen Informationen weitestgehend unleserlich gemacht werden (vgl. Spalte 2, Zeilen 36 ff.).
Es liegt somit eine Vorrichtung vor, die ganz spezielle Konstruktionsmerkmale aufweist, welche der besonders gründlichen und effektiven Unkenntlichmachung von auf Mikrofilmen oder vergleichbaren Datenträgern abgelegten Informationen dienen. Der Fachmann dürfte sich aufgrund dieser speziellen konstruktiven Lösung von vornherein abgehalten sehen, die Druckschrift zur Verbesserung der vom Klagepatent als gattungsgemäß angesehenen (groben) Zerkleinerungsvorrichtungen für Abfälle wie Holz, Papier oder Kunststoff heranzuziehen. Die vorbekannte Vorrichtung erscheint ungeeignet, größeres bzw. sperriges und festes Schnittgut ohne Informationsgehalt zu zerkleinern. Denn das Vorsehen einer langgestreckten Hüllfläche für die in Längsrichtung auf das Schnittgut treffenden Schneiden und der dadurch erzielte Wisch- und Zerkrümmelungseffekt, also eines Effektes, der unmittelbar an den Schneiden mit einem nicht unerheblichen Maß an Reibung verbunden ist, lässt es ausgeschlossen erscheinen, die vorbekannte Schneidanordnung für erheblich widerstandsfähigere Materialien als Mikrofilme oder ähnliches einzusetzen oder sperriges Gut mit ihr zu zerkleinern. Derartige Materialien (z.B. Holz) würden zu einem Zusetzen bzw. Verklemmen der Schneidvorrichtung führen und damit die Aufgabenstellung der Klagepatentschrift (Spalte 1, Zeilen 49 bis 52) von vornherein verfehlen.
Nicht frei von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung erscheint auch das Vorbringen der Beklagten, die auf der Walze (26) angeordnete rotierende Schneide (28) werde im Sinne des Klagepatents von Taschen unterbrochen (Merkmal 3), die zur Aufnahme eines Werkzeugs geeignet seien. Die im Walzenkörper vorhandene Materialausnehmung hat offenkundig den Sinn, den Schneidmessern abschnittsweise das Schnittgut (z.B. Mikrofilme) zuzuführen und – um ein Zusetzen der Schneide zu verhindern – das zerkrümelte Schnittgut wieder abzuführen. Demgemäß soll es gerade nicht von einem aufzunehmenden Teil verschlossen werden. Dass der Fachmann die Materialausnehmungen nicht als Tasche oder „Schneidmesserrippen“ ansehen wird, findet im übrigen Bestätigung darin, dass die Ausnehmungen zu ihrem ganz überwiegenden Teil unterhalb der Schneiden/Rippen (28) verlaufen, was beim Zuführen von sperrigem und festem Material zu einem Verklemmen des Schneidmechanismus führt.
b)
Selbst wenn man entgegen dem unter a) Ausgeführten unterstellt, der Fachmann sehe den in der DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2) offenbarten Schneidmechanismus vom Grundsatz her als für den Abbau von Belastungsspitzen und die Vermeidung des Verklemmens von Schnittgut geeignete Zerkleinerungsvorrichtung an, ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann, ohne in eine unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen, in naheliegender Weise aus der Kombination der vorbezeichneten Druckschrift mit der DE-PS 593 531 (Anlage B 3) zu der in Patentanspruch 1 des Klagepatents niedergelegten technischen Lehre hätte gelangen können.
Die Entgegenhaltung nach Anlage B 3, deren Figuren 1 bis 3 nachfolgend abgebildet sind,
betrifft einen mit Schneidplatten versehenen Zahnradwalz-Fräser und hat demgemäß eine gattungsgemäße Zerkleinerungsvorrichtung, bei der Werkzeuge mit einem Gegenmesser zum Zwecke des schnellen, rationellen und wirksamen Zerkleinerns von Abfällen (Holz, Papier oder Kunststoff) zusammenwirken, gar nicht zum Gegenstand. Nimmt man hinzu, dass es sich um einen aus dem Jahr 1934 stammenden Stand der Technik handelt, erscheint es mehr als zweifelhaft, ob ein Fachmann die Entgegenhaltung überhaupt zur Verbesserung der im Klagepatent als vorbekannt genannten Zerkleinerungsvorrichtungen heranziehen wird. Dieser Sichtweise steht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Berücksichtigung der Holzzerkleinerungsvorrichtung gemäß der DE-PS 1 453 328 (Anlage K 7 im Nichtigkeitsverfahren) im Erteilungsverfahren entgegen. Denn auch wenn die vorbekannte Vorrichtung zur Herstellung von Holzschnitzeln mit keinem Gegenmesser zusammenwirkt, so dient sie doch zumindest zum (effektiven) Zerkleinern von Holz und nicht wie der in der B 3 offenbarte Zahnradwalzfräser zur Werkstoffbearbeitung (z.B. Herstellung von Zahnrädern).
Da bei der Entgegenhaltung B 3 ein Gegenmesser nicht offenbart ist, bietet sie darüber hinaus – ebenso wie es das Deutsche Patentamt in seinem das Klagepatent aufrecht erhaltenden Beschluß vom 3. Juli 1996 (Anlage K 9 im Nichtigkeitsverfahren, Seite 7, 1. Absatz) in Bezug auf die DE-PS 14 53 328 angenommen hat – keinen Anhaltspunkt für die Erzielung der erfindungsgemäßen Vorteile, durch das gleichmäßige Überstehen des Werkzeugs über das Rippenprofil einen nur verhältnismäßig geringen und damit einem Verklemmen von Abfällen entgegenwirkenden Spalt zwischen Werkzeug und Gegenmesser zulassen zu müssen (vgl. Spalte 2, Zeilen 11 bis 15 der Klagepatentschrift) sowie Belastungsspitzen zu vermeiden.
Fernliegend erscheint auch die Annahme der Beklagten, der Fachmann sehe es als naheliegende Maßnahme an, die in der DE-PS 593 531 (Anlage B 3) offenbarten Schneidplatten (3) mit der Spanfläche (9) als Ersatz für die rotierenden Schneiden (28) der DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2) zu verwenden. Da die vorbekannte Schneidplatte im wesentlichen nur darauf ausgerichtet ist, mit ihrer vorderen Spanfläche (9) Material abzutragen bzw. abzufräsen, nicht aber Material in Eingriff mit einer langgestreckten Gegenschneide bzw. einem Gegenmesser zu zerkrümeln, hätte die von den Beklagten genannte Maßnahme nämlich eine Beeinträchtigung des in der DE-PS 26 41 370 (Anlage B 2) als vorteilhaft bezeichneten Wisch- und Zerkrümelungseffekts zur Folge.
2.
Wie der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts in seinem die Entscheidung des Deutschen Patentamts bestätigenden Beschluß vom 27. Oktober 1997 (Anlage K 5, Seite 6) ausgeführt hat, stehen bei dem in der FR 2 451 777 (Anlage K 7) offenbarten Rotor die in den Nuten und Rippen angeordneten Werkzeuge mit ihrem gesamten Querschnitt über den Umfang der Nut bzw. der Rippe hervor und sind damit mit ihrer vollen Fläche dem eindringenden Material ausgesetzt, was zu den unerwünschten Belastungsspitzen im Rotationsbetrieb führt. Demgemäß bietet die Entgegenhaltung dem Fachmann keinerlei Anhaltspunkte, Belastungsspitzen dadurch zu vermeiden, jede Umfangsrippe durch eine Tasche zu unterbrechen (Merkmal 3) und in dieser Tasche den Werkzeughalter so anzuordnen (Merkmal 4), dass das Werkzeugprofil überall gleichmäßig über das Rippenprofil hinausragt (Merkmal 5). Nämlich erst die durch die radial gleichmäßige Schnitttiefe bewirkte Begrenzung des Kontaktes bzw. des Eindringens des Werkzeugs zum bzw. in das zu zerkleinernde Material hat zur Folge, dass die schädlichen Belastungsspitzen (Drehmomentspitzen) vermieden werden (vgl. Spalte 2, Zeilen 5 bis 10 der Klagepatentschrift). Das Klagepatent setzt mithin zwingend voraus, dass der Werkzeughalter samt Werkzeug jeweils in einer das Profil räumlich unterbrechenden Tasche angeordnet ist, so dass im wesentlichen allein das zum Schneiden bestimmte Profil des Werkzeugs die Umfangsrippe überragt und im Verhältnis zum Schneidmesser die Schnitttiefe vorgibt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation der Beklagten nicht frei von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung, der Fachmann gelange in naheliegender Weise zur erfindungsgemäßen Anordnung, wenn er zu der FR 2 451 777 (Anlage K 7) die eine Zerkleinerungsvorrichtung für Holz offenbarende DE-OS 1 528 310 (Anlage K 10 im Nichtigkeitsverfahren) kombiniere. Zwar ist in jener Druckschrift – wie ihrer nachfolgend abgebildeten Figur 2 entnommen werden kann –
ein Rotor mit Ausnehmungen (41A) gezeigt, in denen Schneidmesser zum Zerspanen angeordnet sind. Jedoch wirken diese Schneidmesser – ebenso wie bei der im Erteilungsverfahren gewürdigten Holzzerspanvorrichtung gemäß der DE-PS 1 453 328 (Anlage K 7 im Nichtigkeitsverfahren) – mit keinem Gegenmesser zusammen, so dass nicht ersichtlich ist, welchen Anlaß der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung haben sollte, diese spezielle Schneidenanordnung auf die in der französischen Entgegenhaltung (Anlage K 7) gezeigte Zerkleinerungsvorrichtung mit speziell an die Schneidwerkzeuge angepassten Gegenmessern zu übertragen. Von einer solchen Übertragung wird sich der Fachmann vielmehr sogar abgehalten sehen, weil die Schneidmesser nur zu einem sehr geringen Teil aus den Ausnehmungen herausragen, wegen ihrer seitlichen Beabstandung in Längsrichtung der Rotationsachse nur eine geringe Schnittfläche in Seitenrichtung aufweisen und daher offenkundig nur dazu geeignet und bestimmt sind, Holz zu kleinen Spänen zu verarbeiten, welches dem Rotor in vorgegebener Weise – und nicht, wie es der gattungsgemäße Stand der Technik nach dem Klagepatent vorsieht, in ungeordneter Weise – zugeführt wird. Demgemäß hat der Fachmann entgegen der Ansicht der Beklagten keinen Anlaß, von der in der FR 2 451 777 (Anlage K 7) offenbarten Anordnung von Schneidwerkzeugen auf den Rippen und Nuten abzugehen, anstatt dessen V-förmige Umfangsrippen zu verwenden und Ausnehmungen bzw. Taschen zur Aufnahme der Werkzeuge nur in den Rippen, nicht aber auch in den Rippentälern (Nuten) vorzusehen. Bestätigung findet dies auch in der großen zeitlichen Beabstandung der Druckschriften, nämlich der Offenlegung der DE-OS 1 528 310 im Jahr 1970 und den Anmeldungen der FR 2 451 777 im Jahr 1979 und des Klagepatents im Jahr 1989.
3.
Allein der Umstand, dass die Klägerin ihr zum Klagepatent paralleles europäisches Patent (Anlage B 4) im Einspruchsverfahren nur beschränkt verteidigt hat, ist kein hinreichender Grund für eine Aussetzung. Eine fachkundige Äußerung der Einspruchsabteilung der Europäischen Patentamts, die die Auffassung der Beklagten bestätigt, liegt nicht vor, so dass die freiwillige Beschränkung der Klägerin allenfalls als zusätzlich gegen die Erfindungshöhe sprechendes Indiz herangezogen werden könnte, wenn – was aus den vorgenannten Gründen jedoch nicht der Fall ist – der Stand der Technik die Notwendigkeit der Beschränkung zwingend erscheinen ließe.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.
Der Streitwert beträgt 500.000,00 EUR.
Dr. L3 Dr. D M