4a O 204/04 – Express-Stent III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 345

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. März 2005, Az. 4a O 204/04

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin nimmt die Beklagten mit der vorliegenden Klage wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Europäischen Patentes 0 846 xxx (Anlage L 17, deutsche Übersetzung Anlage L 17.1, nachfolgend Klagepatent), dessen Verfahrenssprache englisch ist. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 28. Juli 1994 und 31. Mai 1995 am 26. Juli 1995 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 10. Juni 1998 offengelegt; der Hinweis auf die Patenterteilung erfolgte am 23. Januar 2002. Das Klagepatent ist eine Teilung aus der Europäischen Patentschrift 0 762 xxx (nachfolgend Stammpatent), welches im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2004 widerrufen wurde.

Die Klageerfindung bezieht sich auf einen flexiblen, expandierbaren Stent. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 hat – in der englischen Verfahrenssprache – folgenden Wortlaut:

„A stent formed of a flat metal tube (30) having in a non-expanded form and in an expanded form a patterned shape, the patterned shape comprising first meander patterns (11) extending in a first direction and second meander patterns (12) extending in a second direction, different from the first direction, wherein the first and second meander patterns comprise loops and are intertwined such that loops (14, 16) of each of the first meander patterns (11) is disposed between all neighboring second meander patterns (12) and that one loop (18, 20) of each of the second meander patterns (12) is disposed between all neighboring first meander patterns (11).”

Der vorstehende Patentanspruch lautet in deutscher Übersetzung folgendermaßen:

„Ein Stent, welcher als eine Röhre (30) aus flachem Metall ausgebildet ist, mit einer gemusterten Gestalt in einer nicht ausgedehnten Form und in einer ausgedehnten Form, wobei die gemusterte Gestalt erste sich in eine Richtung erstreckende Mäandermuster (11) und zweite sich in eine zweite Richtung, verschieden von der ersten Richtung, erstreckende Mäandermuster (12) aufweist, wobei die ersten und zweiten Mäandermuster Schlaufen aufweisen und derart verschlungen sind, dass Schlaufen (14, 16) jedes der ersten Mäandermuster (11) zwischen allen benachbarten zweiten Mäandermustern (12) angeordnet sind und dass eine Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern (11) angeordnet ist.“

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen in den Figuren 1 und 2 ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel und in den Figuren 7 und 8 ein zweites Ausführungsbeispiel.

Gegen den Rechtsbestand des Klagepatentes wurde von der Beklagten zu 2. sowie von dritter Seite Einspruch zum Europäischen Patentamt eingelegt.

Die Beklagte zu 1. liefert und vertreibt Stents unter der Handelsbezeichnung „X“. Die angegriffene Ausführungsform wird von der Beklagten zu 2. in die Bundesrepublik Deutschland importiert, und an die Beklagte zu 1. geliefert; der Beklagte zu 3. ist seit dem 29. März 2001 Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

Nachfolgend abgebildet ist ein Ausschnitt aus der schematischen Darstellung des angegriffenen Stents, wie er sich aus der von der Klägerin als Anlage L 22.1 vorgelegten Anlage ergibt.

Die Klägerin sieht hierin eine wortsinngemäße, hilfsweise äquivalente Verletzung des Patentanspruches 1.

Sie beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen,

1.a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1. zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Stents, welche als eine Röhre aus flachem Metall ausgebildet sind mit einer gemusterten Gestalt in einer nicht ausgedehnten und in einer ausgedehnten Form, wobei

– die gemusterte Gestalt erste sich in einer erste Richtung erstreckende Mäandermuster (11) und zweite sich in eine zweite Richtung, verschieden von der ersten Richtung, erstreckende Mäandermuster (12) aufweist,

– die ersten und zweiten Mäandermuster Schlaufen aufweisen und derart verschlungen sind, dass Schlaufen (12, 14) jedes der ersten Mäandermuster (11) zwischen allen benachbarten zweiten Mäandermustern (12) angeordnet sind und dass eine Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern (11) angeordnet ist;

die Beklagten zu 1. und 3.:

im deutschen territorialen Geltungsbereich des Europäischen Patentes 0 846 xxx anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

die Beklagte zu 2.:

im deutschen territorialen Geltungsbereich des Europäischen Patentes 0 846 xxx anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen;

hilfsweise

1.b) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1. zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Stents, welche als eine Röhre aus flachem Metall ausgebildet sind mit einer gemusterten Gestalt in einer nicht ausgedehnten und in einer ausgedehnten Form, wobei

– die gemusterte Gestalt erste sich in einer erste Richtung erstreckende Mäandermuster (11) und zweite sich in eine zweite Richtung, verschieden von der ersten Richtung, erstreckende Mäandermuster (12) aufweist,

– die ersten und zweiten Mäandermuster Schlaufen aufweisen und derart verschlungen sind, dass Schlaufen (12, 14) jedes der ersten Mäandermuster (11) zwischen allen benachbarten zweiten Mäandermustern (12) angeordnet sind und dass zwei Schlaufen (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern (11) angeordnet ist;

die Beklagten zu 1. und 3.:

im deutschen territorialen Geltungsbereich des Europäischen Patentes 0 846 xxx anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

die Beklagte zu 2.:

im deutschen territorialen Geltungsbereich des Europäischen Patentes 0 846 xxx anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 10. Juli 1998 begangen haben und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen),

d) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist (es sei denn, diese könnten den unter I. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden),

wobei von dem Beklagten zu 3. die Angaben e) nur für die Zeit seit dem 23. Februar 2002 zu machen sind;

II. festzustellen,

1. dass die Beklagten zu 1. und 2. verpflichtet sind, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten Handlungen und von den Beklagten zu 1. und 2. in der Zeit vom 10. Juli 1998 bis zum 23. Februar 2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 23. Februar 2002 begangenen Handlungen entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes über die Einsprüche gegen das Klagepatent auszusetzen.

Sie stellen eine wortsinngemäße Verletzung des Patentanspruches 1 in Abrede. Eine wortsinngemäße Verletzung durch den angegriffenen Stent liege nicht vor, da bei der angegriffenen Ausführungsform zwischen den ersten Mäandermustern jeweils vier Schlaufen der zweiten Mäandermuster angeordnet seien; das Klagepatent sehe jedoch nur eine Schlaufe vor.
Eine äquivalente Verletzung liege nicht vor, da keine objektive Gleichwirkung vorhanden sei. Bei der angegriffenen Ausführungsform habe eine Dehnung des Stents eine Verdrehung desselben zur Folge.
Im Übrigen sei das Austauschmittel für einen Fachmann auch nicht auffindbar. Es fehle an einem Anknüpfungspunkt im Anspruchswortlaut. Es finde sich auch in der Beschreibung kein Hinweis darauf, abweichend vom Anspruchswortlaut und den Ausführungsbeispielen mehrere Schlaufen zwischen den ersten Mäandermustern anzuordnen. Auch würden die Ausführungsbeispiele lediglich die Verwendung einer einzigen Schlaufe zwischen den ersten Mäandermustern offenbaren. Die Beschreibung der Ausführungsbeispiele der Figuren 5 A und 5 B legten dem Fachmann nicht nahe, die Zahl der Schlaufen zwischen den ersten Mäandermustern zu erhöhen. Der Fachmann entnehme dem Ausführungsbeispiel vielmehr, dass die Größe der zwischen den ersten Mäandermustern angeordneten einen Schlaufe des zweiten Mäandermusters der Größe einer Schlaufe des ersten Mäandermuster entsprechen muss, damit die Längsschrumpfung der Schlaufen des ersten Mäandermusters durch eine Ausdehnung der zwischen diesen ersten Mäandermustern angeordneten Schlaufen proportional kompensiert wird.
Hinsichtlich der Begründung ihres Aussetzungsbegehrens nehmen sie Bezug auf die als Anlage B 2 vorgelegte Einspruchsbegründung der Beklagten zu 2. sowie einen weiteren Schriftsatz vom 16. September 2004 (Anlage B 3) und den von dritter Seite verfassten Einspruchsschriftsatz. Das Klagepatent sei gegenüber der Stammanmeldung unzulässig erweitert; auch fehle es an Neuheit und Erfindungshöhe.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Zur Konkretisierung ihrer Darlegungen hinsichtlich des Vorliegens einer äquivalenten Verletzung nimmt sie Bezug auf ein Gutachten des Ingenieurbüros Dr. Theo X vom 23. Dezember 2004, vorgelegt als Anlage L 25. Die Klägerin hat hierzu unter Bezugnahme auf das Gutachten des Privatgutachter Dr. X vorgetragen, dass der Fachmann bei einer wertenden Betrachtung des Hauptanspruches erkenne, dass (zumindest) eine Schlaufe zwischen den benachbarten zweiten Mäandermustern vorgesehen sei, um eine technische Wirkung zu erzielen. Bereits der Anspruchswortlaut offenbare das Lösungsprinzip der Klageerfindung. Zugleich sei dem Fachmann auf Grund seines Fachwissens geläufig, dass es zur Erreichung dieser technischen Wirkung nicht auf die Zahl der Schlaufen ankomme und dass deshalb die Anspruchsformulierung „one loop“ nicht die Anordnung von mehreren, insbesondere zwei Schlaufen ausschließe. Der Sachverständige sei daher zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass zwei Schlaufen anstelle von einer Schlaufe eine gleichwertige Lösung darstelle.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nach Artt. 64 und 2 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und Abs. 2, 33, 140 b PatG und §§ 242, 259 BGB nicht zu, da die Beklagten durch die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von dem Klagepatent keinen Gebrauch machen.

I.
Die Erfindung bezieht sich allgemein auf Stents zum Implantieren in einen lebenden Körper. Im Stand der Technik sind vielfältige Stents bekannt, bei welchen bezüglich der vorliegenden Erfindung der Begriff „Stent“ eine Vorrichtung kennzeichnet, welche aus einem körper-kompatiblen Material besteht, das zum Aufweiten eines Blutgefäßes oder einer anderen Öffnung in dem Körper und zum Aufrechterhalten der resultierenden Größe des Lumens verwendet wird. Typischerweise wird der Stent – so die Klagepatentschrift – an den gewünschten Ort in dem Körper mittels eines aufblasbaren Ballons zugeführt, und, wenn der Ballon aufgeblasen wird, dehnt sich der Stent aus, wodurch sich die Öffnung erweitert. Andere mechanische Vorrichtungen, welche eine Ausdehnung des Stents bewirken, werden ebenfalls angewendet.

Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, sind im Stand der Technik aus mehreren Druckschriften, die in der Patentschrift genannt sind, Stents bekannt, die aus Draht gebildet sind. Derartige Stents verfügen zwar über hinreichende Flexibilität, um sich am Zielort im Körper aufzuweiten, weisen jedoch im aufgeweiteten Zustand nicht eine solche Radialsteifigkeit auf, die gewünscht wird.

Bekannt sind zudem Stents, die aus geschnittenem handelsüblichen Metall gebildet sind. Die Klagepatentschrift nennt auch hierfür mehrere Druckschriften. Die in der US-amerikanischen Patentschrift 5 102 417 (Anlage L 17, nachfolgend: Palmaz) beschriebenen Stents – welche in einer Ausführungsform nachfolgend abgebildet sind – sind ausdehnbare röhrenförmige Implantate, die mittels eines flexiblen Verbinders miteinander verbunden sind.

Die Implantate sind aus einer Vielzahl von Schlitzen gebildet, welche parallel zur Längsachse der Röhre angeordnet sind. Die flexiblen Verbinder sind schraubenförmige Verbinder. Da die röhrenförmigen Implantate relativ steif sind, werden die flexiblen Verbinder benötigt, so dass die Stents sich biegen können, wenn sie durch ein gekrümmtes Blutgefäß hindurch geführt werden. Wenn die Stents sich ausdehnen, dehnen sich die Implantate radial aus und schrumpfen folglich in Längsrichtung. Gleichzeitig verdrehen sich die schraubenförmigen Verbinder, was das Blutgefäß gefährden kann, so die Klagepatentschrift.

Als weiteren Stand der Technik führt das Klagepatent die US-amerikanische Patentschrift 5 195 984 (Anlage L 19, nachfolgend Schatz) an. Diese beschreibt einen ähnlichen Stent, wie aus der Veröffentlichung Palmaz, jedoch mit einem geraden Verbinder, parallel zur Längsachse der röhrenförmigen Implantate, zwischen den röhrenförmigen Implantaten. Das gerade Element beseitigt nunmehr zwar die Verdrehbewegung; als nachteilig sieht es das Klagepatent hingegen, dass es sich nicht um einen festen Verbinder handelt.

Als weiterer Stand der Technik wird von der Klagepatentschrift das Europäische Patent 0 378 151 beschrieben, welches einen Stent offenbart, welcher aus einer Drahtkonstruktion besteht, die in einem ausgedehnten Zustand eine Serie von gespannten Biegungen oder Windungen aufweist. Das Wesentliche der Struktur beruht auf einem Draht, der über sich selbst geschlauft ist.

Vor diesem Hintergrund des Standes der Technik ist es das technische Problem („die Aufgabe“) des Klagepatentes, einen flexiblen Stent bereitzustellen, welcher während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft. Zur Lösung des technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

Ein Stent, welcher als eine Röhre (30) aus flachem Metall ausgebildet ist, mit einer gemusterten Gestalt in einer nicht ausgedehnten Form und in einer ausgedehnten Form, wobei

A. die gemusterte Gestalt erste sich in eine erste Richtung erstreckende Mäandermuster aufweist;

B. die gemusterte Gestalt zweite Mäandermuster (12) aufweist, die sich in eine zweite Richtung erstrecken, welche von der ersten Richtung verschieden ist,

C. die ersten und zweiten Mäandermuster Schlaufen aufweisen;

D. die ersten und zweiten Mäandermuster derart verschlungen sind, dass

1. Schlaufen (14, 16) jedes der ersten Mäandermuster (11) zwischen allen benachbarten zweiten Mäandermustern (12) angeordnet sind und

2. eine Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern (11) angeordnet ist.

II.
Zwischen den Parteien steht die Verwirklichung der Merkmale A bis D1 zu Recht außer Streit, so dass sich hierzu Ausführungen erübrigen. Im Streit steht hingegen die Verwirklichung des Merkmals D2.

Merkmal D2 besagt, dass eine Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern (11) angeordnet ist.

1.
Eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals D2 durch die angegriffene Ausführungsform liegt nicht vor. Denn die angegriffene Ausführungsform weist keine Anordnung auf, bei der nur eine einzige Schlaufe jeder der zweiten Mäandermuster zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern vorhanden ist. Die angegriffene Ausführungsform weist jedenfalls mindestens zwei Schlaufen auf. Von dem Vorhandensein lediglich einer Schlaufe geht das Klagepatent jedoch aus.

Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 14 PatG wird der Schutzbereich eines Patentes durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Das Patent ist daher in der Weise auszulegen, wie ein Durchschnittsfachmann die in den Patentansprüchen verwendeten Begriffe unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen versteht und welche konkreten Vorstellungen er mit ihnen und dem geschilderten Erfindungsgedanken verbindet (BGH, GRUR 1999, 909, 911 ff. – Spannschraube; GRUR 1997, 116, 117 – Prospekthalter). Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Anspruch in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache von „one loop“ spricht und nicht von „a loop“. Der Wortlaut des Merkmals in der englischen Verfahrenssprache lässt also die Anzahl der Schlaufen, die die zweiten Mäandermuster aufweisen sollen, nicht offen. Denn das englische Wort „one“ ist ein Zahlwort und kann anders als das in der deutschen Übersetzung verwendete Wort „eine“ nicht gleichzeitig als unbestimmter Artikel verstanden werden, so wie dies bei Verwendung des Wortes „a“ möglich wäre.

Zwar macht die Klägerin geltend, Merkmal D2 sei dahingehend zu interpretieren, dass zwischen den ersten Mäandermustern mindestens eine Schlaufe vorhanden sein solle, was die Möglichkeit beinhalte auch mehrere Schlaufen des zweiten Mäandermusters anzuordnen.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. In Bezug auf diejenigen Schlaufen der ersten Mäandermuster, die zwischen benachbarten zweiten Mäandermustern liegen sollen, verwendet die für die Auslegung maßgebliche englischsprachige Anspruchsfassung ausdrücklich das Wort „loops“. Die Unteransprüche 3 und 4 des Klagepatentes sehen ergänzend hierzu vor, dass zwischen benachbarten zweiten Mäandermustern zwei bzw. drei Schlaufen des ersten Mäandermusters liegen. Da es sich hierbei um bevorzugte Ausführungsvarianten der Erfindung handelt, auf die die allgemeine Lehre des Hauptanspruches nicht beschränkt ist, versteht der Durchschnittsfachmann die gegebene Anweisung, zwischen benachbarten zweiten Mäandermustern „Schlaufen“ (loops) des ersten Mäandermusters vorzusehen, dahin, dass zwischen allen zweiten Mäandermustern wenigstens eine Schlaufe des ersten Mäandermusters zu liegen habe. Im Zusammenhang mit dem Merkmal D2, welches sich damit befasst, wie viele Schlaufen des zweiten Mäandermusters zwischen benachbarten ersten Mäandermustern angeordnet sind, verwendet der Anspruch hingegen die Formulierung „one loop“, wie vorstehend ausgeführt. Es besteht insofern innerhalb des Hauptanspruchs ein Gegensatz zwischen „loops“ und „one loop“, der bereits für sich deutlich macht, dass „one“ im Rahmen der Patentschrift als Zahlwort und nicht als unbestimmter Artikel gebraucht wird. Für ein solches Verständnis sprechen auch die Beschreibung und die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen, die stets von einer Schlaufe der zweiten Mäandermuster sprechen bzw. nur eine Schlaufe darstellen. Der Wortsinn des Patentanspruchs ist demnach auf die Anordnung einer einzigen Schlaufe jedes zweiten Mäandermusters zwischen den ersten Mäandermustern beschränkt.

2.
Entgegen der Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform von dem Patentanspruch 1 auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 14 PatG, Art. 69 EPÜ liegt Äquivalenz dann vor, wenn der Fachmann die bei der Ausführungsform eingesetzten Mittel auf Grund von Überlegungen, die am Sinngehalt der in den Schutzansprüchen beschriebenen Lehre ausgerichtet sind, mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGH, GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I m.w.N. aus der Rspr.).

Vorliegend ist das Austauschmittel für einen Fachmann auf Grund von Überlegungen, die am Sinngehalt der in den Schutzansprüchen beschriebenen Lehre ausgerichtet sind, mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems nicht als gleichwirkend auffindbar.

Der Anspruchswortlaut und auch die Beschreibung der Erfindung nach dem Klagepatent geben dem Fachmann keinen Hinweis auf die Verwendung mehrerer Schlaufen zwischen den benachbarten ersten Mäandermustern. Es ist daher nicht ersichtlich auf Grund welcher Überlegungen, ausgerichtet am Sinngehalt der Schutzansprüche, er zu einer Verwendung mehrerer Schlaufen gelangen könne.

Maßgeblich für die Frage, ob das Austauschmittel – die Verwendung mehrerer Schlaufen – für einen Fachmann auffindbar war, ist die mit der Begrenzung auf eine Schlaufe im Rahmen der Erfindung angestrebte technische Wirkung. Die zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern angeordnete Schlaufe des zweiten Mäandermusters hat vorrangig die Funktion, einen flexiblen Stent bereitzustellen, welcher während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (vgl. Klagepatent Seite 2, Zeilen 28 f.; Seite 7 Zeilen 3 ff.), indem sie Material für die Kompensation der Längsschrumpfung bereitstellt, die sonst bei einer Aufweitung auftreten würde. Hieraus erklärt sich zwar noch nicht die wortsinngemäß vorgesehene Begrenzung der zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern angeordneten zweiten Mäandermuster auf nur eine Schlaufe, weil dieser Effekt – wie der Fachmann auf Grund seines Fachwissens ohne Weiteres erkennt – auch auftreten würde, wenn das zweite Mäandermuster zwei Schlaufen aufweisen würde. Der von dem Klagepatent beanspruchte Stent soll jedoch nicht nur die bei einem Aufweiten auftretende Längsschrumpfung ausgleichen. Vielmehr sollen darüber hinaus die die Aufweitung bewirkenden Mäandermuster – im Vergleich zu dem in der Beschreibung mitgeteilten Stand der Technik – verdrehsicher und fest miteinander verbunden sein. Denn in der Klagepatentschrift werden schraubenförmige Verbinder zwischen den die Aufweitung bewirkenden Implantaten als nicht hinreichend verdrehsicher (vgl. US 5 102 417 – Palmaz, Klagepatent Seite 1 Zeilen 26 ff.) und wird ein parallel zur Längsachse angeordneter gerader Verbinder als nicht hinreichend fest angesehen (US 5 195 984 – Schatz, Klagepatent Seite 2 Zeilen 9 ff.). Demgegenüber wird erfindungsgemäß mit der Anordnung nur einer Schlaufe jedes der zweiten Mäandermuster zwischen allen benachbarten ersten Mäandermustern eine hinreichende Verdrehsicherheit und Festigkeit des Verbinders angestrebt.

Ausgehend von diesen Überlegungen kann dahingestellt bleiben, ob die bei der angegriffenen Ausführungsform realisierte Anordnung von zwei Schlaufen zwischen den benachbarten Mäandermustern gleichwirkend mit der wortsinngemäß vorgesehenen einen Schlaufe ist, weil ein im Wesentlichen gleiches Maß an Verdrehsicherheit und Festigkeit der Verbindung erreicht wird.

Denn jedenfalls ist nicht dargetan worden und auch nicht erkennbar, dass der Fachmann zu einer solchen Ausgestaltung auf Grund von an der in Patentanspruch 1 niedergelegten technischen Lehre gelangen konnte. Denn selbst wenn er erkannt haben sollte, dass zwei Schlaufen gegenüber einer Schlaufe keine wesentliche Beeinträchtigung der Verdrehsicherheit und Festigkeit der Verbindung mit sich bringt, so konnte er zu dieser Erkenntnis nur auf Grund seines allgemeinen Fachwissens gelangen, nicht aber auf Grund von an der Lehre des Klagepatentes ausgerichteten Überlegungen. Dieser Auffassung steht auch nicht das Gutachten des Privatgutachters Dr. X entgegen, da dieser seine Argumentation lediglich auf Überlegungen stützt, die er hinsichtlich der einzelnen Merkmale meint dem Klagepatent zu entnehmen. Das Klagepatent macht jedoch zur Funktion der einzelnen Vorrichtungsbestandteile, insbesondere auch zur Anzahl der Schlaufen keine Angaben, so dass seine Interpretation ohne Bezug zur Klagepatentschrift erfolgt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 1.000.000,- €.