4a O 24/03 – Katheter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  179

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Oktober 2003, Az. 4a O 24/03

(1) Die Klage wird abgewiesen.

(2) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

(3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents 0 580 845 (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin gehört der GB an.

Das Klagepatent wurde – unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 10.02.1992 – am 09.02.1993 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 02.02.1994. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 11.11.1998 veröffentlicht. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Die Verfahrenssprache des Klagepatents ist Englisch.

Die veröffentlichte deutsche Übersetzung des allein von der Klägerin geltend gemachten Patentanspruchs 1 hat folgenden Wortlaut:

„Intravaskulärer „über-den-Draht“-Katheter (20) versehen mit:

einem Hauptschaftsegment (22), das von einer Röhre bestimmt ist und ein poximales Ende (28) sowie ein distales Ende (30) aufweist;

einem Ballon (26), der mit einem Führungsdrahtlumen (52) versehen ist, welches sich von einem Führungsdrahtlumeneinlass (22), der proximal des Ballons vorgesehen und distal in dem Abstand von dem distalen Ende (34) des Hauptschaftsegments (22) angeordnet ist, bis zu einem Führungsdrahtlumenauslass (94) erstreckt, der distal von dem Ballon angeordnet ist, wobei der Führungsdrahtlumeneinlass (22′) und der Führungsdrahtlumenauslass (94) von dem Katheter nach außen führen;

einem das distale Ende des Hauptschaftsegments und den Ballon verbindenden distalen Schaftsegment (23, 24);

einem durch das Hauptschaftsegment und das distale Schaftsegment bestimmten Inflationslumen (62, 82), um dem Ballon einen Inflationsdruck zuzuführen;

gekennzeichnet durch

ein flexibles Übergangsstück, welches einen soliden Kerndraht (25) aufweist, der an dem Hauptschaftsegment (22) angebracht ist und sich linear in das distale Schaftsegment (23, 24) erstreckt, wobei der Kerndraht nicht so steif wie das Hauptschaftsegment ist.“

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 die Seitenansicht einer bevorzugten erfindungsgemäßen Ausführungsform eines Ballondilationskatheters mit einem distalen Führungsdrahtlumen und einem Führungsdraht, in Figur 2 einen Längsschnitt des poximalen Endes des Ballondilationskatheters aus Figur 1, in Figur 3 einen Längsschnitt des distalen Endes des Ballondilationskatheters in größerem Maßstab, in Figur 5 einen Längsschnitt eines Teils des Ballondilationskatheters aus Figur 1, in Figur 6 eine Seitenansicht einer bevorzugten erfindungsgemäßen Ausführungform des Übergangsteils und in Figur 7 einen Querschnitt entlang der Linie 7-7 aus Figur 6.

Die Beklagte, ein in Israel ansässiges Unternehmen, stellt her und vertreibt Stent und Stentzuführungssysteme, unter der Bezeichnung „NIRflex“ und „NIRflex-Royal“. Betreffend dieses Stentzuführungssystems hat die Klägerin als Anlage K 14 eine englischsprachige sowie als Anlage K 19 den deutschsprachigen Teil einer mehrsprachigen Gebrauchsanweisung der Beklagten vorlegt. Auf der ersten Seite der letztgenannten Anlage findet sich ein die Beklagte benennender Herstellervermerk sowie ein Hinweis auf die KO GmbH aus Münster als bevollmächtigtem Vertreter („Authorized Representative“). Aus dem von der Klägerin in Ablichtung als Anlage K 18 vorgelegten Postversendungsvermerk ist gleichfalls die KO GmbH als „Authorized European Representative“ erwähnt. Die Klägerin hat außerdem als Anlage K 15 einen Auszug aus dem Internetauftritt der Beklagten betreffend das in Rede stehende Stentzuführungssystem und als Anlage K 17 einen von JS erstellte Sammlung von Zeichnungen der angegriffenen Ausführungsform eingereicht. Die letztgenannte Zeichnungsammlung wird zur Veranschaulichung nachfolgend wiedergegeben. Außerdem wird nachfolgend eine als Anlage L 3 von der Beklagten eingereichte Zeichnungssammlung der Klägerin betreffend die angegriffene Ausführungsform wiedergegeben. Diese Zeichnungssammlung, die gegenüber der Anlage K 17 um die Figur 4 erweitert ist, hat ursprünglich die Klägerin in einem Patentverletzungsverfahren vorgelegt, dass zwischen den Parteien in den Niederlanden geführt wird.

Die Beklagte hat unter dem 11.09.2003 gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.

Die Klägerin sieht in den Stentzuführungssystemen „NIRflex“ eine Verwirklichung von Patentanspruch 1 des Klagepatents teils mit wortlautgemäßen und teils mit jedenfalls äquivalenten Mitteln.

Sie beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

intravaskuläre „Über-den-Draht“-Katheter versehen mit einem Hauptschaftsegment, das von einer Röhre bestimmt ist und ein proximales Ende sowie ein distales Ende aufweist; einen Ballon, der mit einem Führungsdrahtlumen versehen ist, welches sich von einem Führungsdrahtlumeneinlass des proximal des Ballons vorgesehen und distal in Abstand von dem distalen Ende des Hauptschaftsegments angeordnet ist, bis zu einem Führungsdrahtlumenauslass erstreckt, der distal von dem Ballon angeordnet ist, wobei der Führungsdrahtlumeneinlass und der Führungsdrahtlumenauslass von dem Katheter nach außen führen; einem das distale Ende des Hauptschaftsegments und den Ballon verbindenden distalen Schaftsegment; einem durch das Hautschaftsegment und das distale Schaftsegment bestimmten Inflationslumen, um den Ballon einen Inflationsdruck zuzuführen,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

die Vorrichtung ein flexibles Übergangsteil aufweist, welches einen soliden Kerndraht aufweist, der an dem distalen Schaftsegment angebracht ist und sich linear in das distale Schaftsegment erstreckt, wobei der Kerndraht nicht so steif wie das Hauptschaftsegment ist.

2.

ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 11.12.1998 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Klägerin – allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I. bezeichneten, seit dem 11. Dezember 1998 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Verhandlung bis zur Entscheidung über die von ihr gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie bestreitet ihre Passivlegitimation; sie habe im Inland keine Benutzungshandlungen begangen. Die beanstandete Ausführungsform falle auch nicht unter die Lehre aus Anspruch 1 des Klagepatents. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über keinen soliden Kerndraht, der sich linear in das diskale Schaftsegment erstrecke. Die Anbringung des Drahtes an eine flexible Übergangswandung, die ihrerseits am Hauptschaftssegment befestigt sei, stelle auch keine äquivalente Verwirklichung des Erfindung dar, soweit diese vorsehe, dass der solide Kerndraht an dem Hauptschaftsegment angebracht sei.

Die Beklagte nimmt zur Begründung ihres Aussetzungsantrages auf die als Anlage L 7 vorgelegte Nichtigkeitsklage Bezug.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsbegehren der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen die wegen Verletzung des Klagepatents geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz nicht zu, weil die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch macht, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft einen intravaskulären Katheter. Intravaskuläre Katheter, beispielsweise Dilatations-Ballonkatheter, dienen der Behandlung verschiedener Arten von Gefäßerkrankungen, insbesondere von Stenosen in Herzkranzgefäßen. Dabei soll durch Aufweitung des Lumens (des Hohlraum) der betroffenen Arterie wieder ein akzeptabler Blutstrom durch die Arterie ermöglicht werden

Ein Katheter sollte – so wird in der Klagepatentschrift ausgeführt – über mehrere physikalische Eigenschaften verfügen. Profil und Schaftgröße sollten möglichst klein sein, damit der Katheter nicht nur eine sehr enge Stenose erreichen, sondern auch durchqueren kann. Zudem sollte der Katheter „nachlauffähig“ sein, worunter das Vermögen des Katheters verstanden wird, sich zu biegen und sich durch das Gefäßsystem hindurch vorzubewegen. Außerdem sollte der Katheter „vorschiebbar“ sein. Damit ist die Übertragung von Längskräften entlang des Katheters von seinem proximalen zu seinem distalen Ende gemeint.

Zwei allgemein verwendete Arten von Dilatationskathetern werden als „Über-den-Draht“-Katheter und als „Nicht-über-den-Draht“-Katheter bezeichnet. Als ein Beispiel für einen „Nicht-über-den-Draht“-Katheter wird in der Klagepatentschrift auf die GB-A-2 208 607 Bezug genommen. Diese Druckschrift offenbart einen Festdrahtkatheter mit einem proximalen Schaftsegment und einem distalen Schaftsegment, das einen Dilatationsballon trägt. Zu dem distalen Segment gehört ein lang gestreckter Stützdraht, der mit dem proximalen Segment verbunden ist und über dieses in distaler Richtung hinausreicht. Der Stützdraht ist mit dem proximalen Segment über ein kurzes Übergangsrohr verbunden, das aus Subkutanrohrmaterial hergestellt ist. Um den Ballon aufweiten zu können, ist das Übergangsrohr mit zwei Längsschlitzen versehen, welche den Innenraum des proximalen Schaftsegments mit dem Innenraum des distalen Segments verbinden. Der Stützdraht erstreckt sich frei durch den Ballon hindurch, dessen distales Ende an einer Schraubenfeder angebracht ist, die ihrerseits an dem Stützdraht befestigt ist. Zur weiteren Erläuterung wird nachfolgend die Figur 5 der genannten britischen Druckschrift wiedergegeben:

Ein „Über-den-Draht“-Katheter ist ein Katheter, bei dem ein gesondertes Führungsdrahtlumen in dem Katheter vorgesehen ist, so dass ein Führungsdraht benutzt werden kann, um den Weg über die Stenosen hindurch vorzugeben. Der Dialationskatheter kann dann über den Führungsdraht vorgeschoben werden, bis sich der auf dem Katheter befindliche Ballon innerhalb der Stenose befindet. In der Klagepatentschrift wird auf die WO-A 9 200 775 verwiesen, die einen Katheter mit einem mehrlumigen Schaft offenbart, der mit einem großen, sich über die gesamte Länge des Katheters erstreckenden Hauptlumen versehen ist, durch den ein Kerndraht hindurchlaufen und durch den ein Kontrastmedium zugeführt werden kann, um einen Ballon aufzuweiten, der nahe dem distalen Ende des Katheterschafts angebracht ist. Der Mehrlumenschaft ist ferner mit einem kleinen Volumen zum Aufweiten einer aufweitbaren Dichtung ausgestattet, die sich innerhalb der distalen Spitze des Katheterschaftes befinden. Durch Aufweiten der aufweitbaren Dichtung kann ein Kerndraht blockiert werden, so dass der Katheter wie ein Festdrahtkatheter arbeitet. Im entleerten Zustand der aufweitbaren Dichtung wirkt der Katheter als halb bewegbarer Katheter, so dass bei an Ort und Stelle verbleibendem Kerndraht der Katheterschaft von dem Kerndraht vollständig abgenommen werden kann. Für diesen Zweck muss die Länge des Kerndrahtes mindestens das Doppelte der Länge des Katheterschaftes betragen.

In der Klagepatentschrift wird weiterhin ausgeführt, dass sich bei einigen „Über-den-Draht“-Kathetern das Führungslumen nicht über die volle Länge des Katheters erstreckt. Bei einem solchen Katheter reicht das Führungsdrahtlumen nur von dem distalen Ende des Ballons bis zu einer Stelle die proximal des Ballons, aber distal des proximalen Endes des Katheters liegt. Von solchen Kathetern mit verkürztem Führungsdrahtlumen wird gesagt, dass sie leichter auszutauschen sind als Katheter, bei denen sich das Führungsdrahtlumen über die volle Länge des Katheters erstreckt.

Einige der Dilatationskatheters mit verkürztem Führungsdrahtlumen haben – so ist der Klagepatentschrift weiter zu entnehmen – ein relativ flexibles Kunststoffdesign. Da das distale Ende des Führungsdrahtes aus dem Katheter nahe dem distalen Ende des Schaftsegments austritt, kann der Führungsdraht zur Vorschiebbarkeit des Hauptteils des Schaftsegments nicht beitragen. Das proximale Schaftsegment solcher Katheter hat daher eine niedrige Knickfestigkeit. Bei einer derartigen Konfiguration haben der Katheterschaft und der Teil des Führungsdrahtes, der außerhalb des Führungsdrahtlumens verläuft, die Tendenz, sich voneinander in Richtung auf gegenüberliegende Wände der Arterie zu entfernen, wenn der Katheter vorgeschoben oder zurückgezogen wird. Schaft und Führungsdraht neigen also dazu, sich aufzuspreizen, sich zu biegen und zu beulen, was zu Abrieb in der Innenwandung der Arterie führen kann und die Vorschiebbarkeit und Nachlauffähigkeit des Katheters negativ beeinflusst.

Um diese Nachteile zu vermeiden, sind Katheter entwickelt worden, bei denen ein großer Teil des proximalen Katheterschaftes aus einem Metallrohr gefertigt ist, das allgemein als Hyporohr bezeichnet wird. Eine solche Konstruktion führt zur gewünschten Vorschiebbarkeit bei relativ kleinem Außendurchmesser und schlankem Profil.

Bei einem solchen Hyporohr-Design liegt – so wird in der Klagepatentschrift erläutert – die Stelle des Führungsdrahteinlasses nicht immer an einem Ort, welcher der wünschenswerte ist. Befindet sich der Führungseinlass benachbart im distalen Ende des Hyporohrs, wird entweder das flexible Kunststoffschaftsegment relativ kurz oder das Führungsdrahtlumen relativ lang. Zudem ist das Hyporohr verhältnismäßig steif, während des Kunststoffsegment verhältnismäßig flexibel ist. Der Teil des Kunststoffschaftsegments, durch den sich der Führungsdraht hindurch erstreckt, wird gleichfalls relativ steif, wenn sich der Führungsdraht an Ort und Stelle befindet (im Vergleich zu dem Teil des Kunststoffsegments, durch den der Führungsdraht nicht hindurch reicht). Wenn daher der Führungsdrahteinlass distal von dem distalen Ende des Hyporohres gelegt wird, entsteht ein relativ flexibler Abschnitt zwischen zwei relativ steifen Abschnitten. Eine solche Konfiguration zeigt eine Tendenz zum Ausbiegen oder –beulen in dem relativ flexiblen Bereich, wenn versucht wird, den Katheter durch das Gefäßsystem hindurch vorzubewegen. Das Ansprechverhalten des Katheters wird daher wesentlich beeinträchtigt. Der Katheter kann ferner dazu neigen, in dem Abschnitt zwischen den beiden relativ steifen Abschnitten zu knicken. Ein solches Knicken hätte die unerwünschte Tendenz, das Aufweitlumen zu verschließen.

Dem Klagepatent liegt daher das Problem (die Aufgabe) zugrunde, einen über den Drahtkatheter mit kurzem Führungsdrahtlumen bereitzustellen, der verbesserte Vorschiebbarkeit und Nachlauffähigkeit hat.

Das soll durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:

(1) Intravaskulärer „Über-den-Draht-“Katheter 20 mit

– einem Hauptschaftsegment 22

– einem Ballon 26

– einem distalen Schaftsegment 23, 24

– einem Inflationslumen

– einem flexiblen Übergangsstück 25

(2) Das Hauptschaftsegment 22

– ist von einer Röhre bestimmt,

– weist ein proximales Ende 28 auf und

– weist ein distales Ende 30 auf.

(3) Der Ballon ist mit einem Führungsdrahtlumen 52 versehen.

(4) Das Führungsdratlumen 52 erstreckt sich von einem Führungsdrahtlumeneinlass 22 bis zu einem Führungsdratlumenauslass 94.

(5) Der Führungsdratlumeneinlass 22 ist

– proximal des Ballons vorgesehen und

– distal in Abstand von einem distalen Ende 34 des Hauptschaftsegments 22 angeordnet.

(6) Der Führungsdrahtlumenauslass 94 ist distal von dem Ballon angeordnet.

(7) Der Führungsdrahtlumeneinlass 22′ und der Führungsdrahtlumenauslass 94 führen von dem Katheter nach außen.

(8) Das distale Schaftsegment 23, 24 verbindet das distale Ende des Hauptschaftsegments 22 und den Ballon 26.

(9) Das Inflationslumen 62, 82 ist durch das Hauptschaftsegment 22 und das distale Schaftsegment 23, 24 bestimmt, um dem Ballon einen Inflationsdruck zuzuführen.

(10) Das flexible Übergangstück weist einen soliden Kerndraht 25 auf.

(11) Der solide Kerndraht 25

a) ist an dem Hauptschaftsegment 22 angebracht.

b) erstreckt sich linear in das distale Schaftsegment 23, 24 und

c) ist nicht so steif wie das Hauptschaftsegment 22.

In der Klagepatentschrift wird zu den Vorteilen dieser Vorrichtung ausgeführt, dass das Übergangsteil dem distalen Schaftsegment axiale Steifigkeit verleiht. Das Übergangsteil erlaube es, die proximale Führungsdrahtöffnung in vorteilhafter Weise nach dem proximalen Ende des Ballons anzuordnen, während die Vorschiebbarkeit und Nachlauffähigkeit in dem flexiblen distalen Schaftsegment optimiert werde. Das Übergangsteil verhindere ein Knicken des Inflationslumens, zu dem es sonst aufgrund des abrupten Übergangs von dem relativ steifen Metallrohr zu dem relativ flexiblen distalen Schaftsegment kommen könne.

II.

Die angegriffene Ausführungsform entspricht nicht der in Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten Lehre. Es fehlt an einer Verwirklichung des Merkmals 11 a), das vorsieht, den soliden Kerndraht an dem Hauptschaftsegment anzuordnen.

Der solide Kerndraht hat die Funktion die lineare Steifigkeit des distalen Schaftsegments zu erhöhen, in das er sich linear erstreckt (Merkmal 11 b) wobei der solide Kerndraht nicht so steif sein soll wie das Hauptschaftsegment (Merkmal 11 c). Damit grenzt sich die Lehre des Klagepatents von im Stand der Technik bekannten „Über-den-Draht-„Kathetern mit verkürztem Führungsdrahtlumen ab, die zwischen einem relativ steifen Hyporohr als Hauptschaftsegment und einem gleichfalls relativ steifen Teil des Kunststoffsegmentes, durch den sich der Führungsdraht hindurch erstreckt, einen relativ flexiblen Bereich aufgewiesen haben. Dieser relativ flexible Bereich neigt in nachteilhafter Weise dazu, sich auszubiegen, sich auszubeulen oder zu knicken (vgl. Klagepatent, Übersetzung, Seite 4, Zeilen 3 ff.). Dem gegenüber wird dem erfindungsgemäßen distalen Schaftsegment durch den soliden Kerndraht des Übergangsteils eine axiale Steifigkeit verliehen (Klagepatent, a.a.0., Seite 5, Zeile 5 f.), die allerdings – damit das Übergangsteil flexibel bleibt – nicht an die Steifigkeit des Hauptschaftsegments heranreichen darf (Merkmal 11 c). Das mit dem soliden Kerndraht versehene Übergangsteil erlaubt es nicht nur, die proximale Führungsdrahtlumenöffnung in vorteilhafter Weise nahe dem proximalen Ende des Ballon anzuordnen. Zudem wird die Vorschiebbarkeit und die Nachlauffähigkeit in dem flexiblen distalen Schaftsegment optimiert, und verhindert das versteifte Übergangsteil ein Knicken des Inflationslumens, zu dem es anderenfalls aufgrund des abrupten Übergangs von dem relativ flexiblen distalen Schaftsegment kommen könnte (vgl. Klagepatent, a.a.0., Seite 5, Zeilen 7 ff.).

Durch die in Merkmal 11 a) vorgesehene Anbringung des soliden Kerndrahts an dem Hauptschaftsegment wird zunächst eine sichere Verankerung des soliden Kerndrahts bewirkt. Darüber hinaus wird erreicht, dass das flexible Übergangsstück die angestrebte relative Versteifung bereits mit Beginn seines proximalen Endes aufweist. Durch die Anbringung des soliden Kerndrahts am Hauptschaftsegment ist ausgeschlossen, dass sich an das distale Ende des steifen Hauptschaftsegments zunächst ein nicht drahtversteifter Teil des flexiblen Übergangstücks anschließt, der aufgrund seiner uneingeschränkten Flexibilität die Tendenz hat, sich auszubiegen, sich auszubeulen oder zu knicken, so wie dies im Stand der Technik der Fall gewesen ist, erfindungsgemäß jedoch vermieden werden soll.

Aus der oben wiedergegebenen Anlage K 17 geht hervor, dass die angegriffene Ausführungsform einen Kerndraht (25) aufweist, der an seinem proximalen Ende an einem von der Klägerin als Stützrohr bezeichneten, in der farbigen Anlage K 17 grau unterlegten Rohr angebracht ist. Dieses Rohr wiederum ist an dem distalen Ende des Hyporohres (22) angeordnet.

Die Klägerin trägt vor, der Wortlaut des Merkmal 11 a) schreibe nicht vor, dass der solide Kerndraht unmittelbar an dem Hauptschaftsegment angebracht sein müsse. Zudem hat sie erstmals in der mündlichen Verhandlung zu erwägen gegeben, dass bereits in dem von ihr als Stützrohr bezeichneten Rohr ein erfindungsgemäßes Hauptschaftsegment gesehen werden könne. Beide Argumente überzeugen nicht. Nach den obigen Ausführungen soll durch die Anbringung des soliden Kerndrahts an dem Hauptschaftsegment ein nahtloser Übergang von dem steifen Hauptschaftsegment zu dem drahtverstärkten flexiblen Übergangsstück gewährleistet werden. Nach dem funktional verstandenen Wortlaut des Merkmals ist damit eine lediglich mittelbare Verbindung zwischen dem Hauptschaftsegment und dem soliden Kerndraht über ein im Patentanspruch nicht erwähntes und daher in seiner Steifigkeit völlig unbestimmtes Zwischenbauteil – wie das von der Klägerin als Stützrohr bezeichnete Rohr – ausgeschlossen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann in dem Stützrohr aber auch weder – für sich genommen – ein erfindungsgemäßes Hauptschaftsegment gesehen werden, noch ist dieses Teil eines erfindungsgemäßen Hauptschaftsegmentes. Mit dem Begriff des Hauptschaftsegmentes ist der proximale Teil des Katheterschaftes gemeint. Das deutet sich im Wortlaut der erfindungsgemäßen Lehre bereits dadurch an, dass der Katheterschaft neben dem Hauptschaftsegment auf einem distalen Schaftsegment besteht. Das legt es nahe, in dem Hauptschaftsegment den proximalen Teil des Schaftes zu sehen. In diesem Verständnis wird der Fachmann bestärkt, wenn er die Beschreibung zur Auslegung mit heranzieht. Daraus ergibt sich ebenfalls die proximale Anordnung des Hauptschaftsegmentes (vgl. Klagepatent, Übersetzung, Seite 6, Zeile 9 ff.; Seite 8, Zeile 8). Bei der angegriffenen Ausführungsform wird das Hauptschaftsegment also – wie von der Klägerin auch zunächst allein vertreten – durch das Hyporohr (22) gebildet. Das sogenannte Stützrohr kann aber auch nicht als Teil des durch das Hyporohr gebildeten Hauptschaftsegments angesehen werden. Denn dies würde jedenfalls voraussetzen, dass das Stützrohr die gleiche Steifigkeit aufweist, wie das aus Metall gebildete Hyporohr (22). Das kann jedoch dem Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht entnommen werden. Die Beklagte hat – wie sich auch teilweise aus der von der Klägerin in der Verhandlung überreichten Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform „JS-NIR Flex Dilivery System“ ergibt, vorgetragen, dass das Stützrohr aus 50 % Nylon und 50 % Pebax zusammen gesetzt sei und es sich dabei um ein flexibles Material handele. Damit ist anzunehmen, dass das Stützrohr jedenfalls nicht über die Steifigkeit des aus Metall bestehenden Hyporohres verfügt. Wird aber berücksichtigt das gerade in der Steifigkeit des Hyporohres dessen Eignung als Hauptschaftsegment begründet ist (vgl. Klagepatent, Übersetzung, Seite 3, Zeilen 25 f.; Seite 8, Zeilen 7 f.), so kommt das Stützrohr als Teil des durch das Hyporohr gebildeten Hauptschaftsegmentes nicht in Betracht.

Die Klägerin hat darüber hinaus geltend gemacht, dass jedenfalls eine äquivalente Verwirklichung des Merkmals 11 a vorliege. Auch darin kann ihr nicht gefolgt werden.

Patentrechtliche Äquivalenz setzt voraus, dass der Fachmann die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Abhandlung aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, mit Hilfe seiner Fachkenntnis als für die Lösung der Erfindung gleichwirkend auffinden konnte (BGH GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II, m.w.N.).

Die Klägerin hat vorgetragen, dass die bei der angegriffenen Ausführungsform realisierte Befestigung des soliden Kerndrahts (25) an dem grau markierten Stützrohr gleichwirkend mit der direkten Verbindung des Kerndrahtes am Hauptschaftsegment sei. Bereits die Verbindung des Kerndrahts mit dem Stützrohr sei für sich allein genommen geeignet, der angegriffenen Ausführungsform die erfindungsgemäße Festigkeit zu verleihen, weil es sich bei dem Stützrohr – wie der Name schon besage – nicht um eine flexible Übergangswandung handele, die nicht in der Lage sei, für die notwenige Festigkeit zu sorgen, sondern um ein Rohr, welches aus einem hinreichend festen Material gefertigt sei, so dass der Draht ein Beulen und Knicken des distalen Schaftendes verhindere.

Dem kann nicht gefolgt werden. Denn die Steifigkeit in dem hier interessierenden Bereich zwischen dem Ende des röhrenförmigen Hyporohres (22) an dem in der Anlage K 17 mit dem Bezugszeichen 30 bezeichneten Punkt und dem Beginn des Kerndrahtes (25) wird bei der angegriffenen Ausführungsform nicht durch das von der Klägerin als Stützrohr bezeichnete Rohr bestimmt, sondern durch eine nicht mehr röhrenförmige Fortsetzung (Verjüngung) des Hyporohrs, die sich in der Detailzeichnung A der Anlage K 17 andeutet und in der Figur 4 der Anlage L 3 genauer wiedergegeben wird. Aus den genannten Zeichnungen geht hervor, dass das Hyporohr der angegriffenen Ausführungsform von dem in der Anlage K 17 mit dem Bezugszeichen 30 bezeichneten Punkt aus als Verjüngung fortgeführt ist, die durch eine Abschrägung entsteht und die durch das distale Schaftsegment hindurch in den Ballon fortgesetzt wird. Hinsichtlich dieser Verjüngung hat die Klägerin in einem niederländischen Verletzungsverfahren vorgetragen, dass die Anwesenheit des weggeschnittenen Bereichs dem Katheter die Steifigkeit in der Lage verleiht, dass zwischen der Steifigkeit des ersten Schaftsegments (die metallische Röhre) und der Steifigkeit des zweiten Schaftbereichs (die Plastikröhre) liegt. Dass diese Verjüngung des Hyporohres (22) die Steifigkeit jedenfalls in dem hier interessierenden Bereich zwischen dem Ende des röhrenförmigen Teils des Hyporohres und dem Beginn des Kerndrahtes (25) maßgeblich bestimmt, ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, wenn berücksichtigt wird, dass das verjüngte Ende des Hyporohres aus Metall besteht, während sich das Stützrohr aus 50 % Nylon und 50 % Pebax zusammen setzt. Dass das Stützrohr die gleiche oder eine höhere Steifigkeit als die aus Metall bestehende Verjüngung des Hyporohres aufweist, hat die Klägerin auch nicht behauptet.

Schließlich kann auch dem Argument der Klägerin nicht beigetreten werden, dass das Stützrohr seine Stabilität und Festigkeit dadurch erhalte, dass diese parallel zu dem sich verjüngenden Hyporohr verlaufe und mit diesem verbunden sei, so dass derart die Steifigkeit des Hyporohres sich mittelbar auch auf die flexible Übergangswandung übertrage und der Kerndraht so stabil angebracht sei, dass er seine erfindungsgemäße Aufgabe erfüllen könne. Denn auch bei dieser Sichtweise ist es die Verjüngung des Hyporohres, die die Steifigkeit des Stützrohres bestimmt.

Nach alledem kann – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – in dem Stützrohr, das mit dem Hauptschaftsegment (Hyporohr) (22) der angegriffenen Ausführungsform verbunden und an dem der Kerndraht (25) angebracht ist, kein äquivalentes Mittel zu der wortlautgemäß vorgesehenen Anbringung des soliden Kerndrahtes an dem Hauptschaftsegment gesehen werden. Denn die Steifigkeit in dem Bereich zwischen Hauptschaftsegment und Kerndraht wird durch das sich distal verjüngende Ende des Hyporohres (22) bestimmt.

In dem sich distal verjüngende Ende des Hyporohrs kann aber auch keine äquivalente Verwirklichung des Merkmals 11 b) gesehen werden, weil jedenfalls nicht dargetan ist, dass die Steifigkeit im distalen Schaftsegment geringer ist, als im Hauptschaftsegment, Merkmal 11 c).

Überdies ist der Darlegung der Klägerin nicht zu entnehmen, aufgrund welcher am Sinngehalt der Erfindung ausgerichteter Überlegung der Fachmann zu der bei der angegriffenen Ausführungsform in dem Übergangsbereich zwischen Hauptschaftsegment und Kerndraht verwirklichten Ausgestattung gelangen konnte. Zwar offenbart die in der Beschreibung des Klagepatents erwähnte GB-A 2 208 697 einen „Nicht-über-den-Draht-„Katheter, bei dem der Stützdraht mit proximalen Ende über ein kurzes Übergangsrohr verbunden ist, das aus Subkutanrohrmaterial hergestellt ist (Klagepatent, Übersetzung Seite 2, Zeilen 7 ff.; vgl. auch Anlage L 1, Figur 5 [oben wiedergegeben] und Anlage L 2). Dass der Fachmann aber in Kenntnis dieser Textstelle auf die Idee kommt, bei dem erfindungsgemäßen „Über-den-Draht-Katheter den soliden Kerndraht des flexiblen Übergangsstücks nicht am Hauptschaftsegment, sondern an einem aus 50 % Nylon und 50 % PEBAX bestehenden Stützrohr anzubringen und darüber hinaus das aus einem Hyporohr bestehende Hauptschaftsegment mit einer Verjüngung zu versehen, die sich durch das distale Schaftsegment erstreckt, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 108, 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 3.000.000,– Euro.

Dr. R1 R2 Dr. R3