4a O 155/02 – Raffvorhänge II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  172

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. März 2003, Az. 4a O 155/02

Rechtsmittelinstanz: 2 U 78/03

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann durch die schriftliche, unwiderruflich, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditin­stituts erbracht werden.

Tatbestand:

Der Geschäftsführer der Klägerin ist eingetragener Inhaber des am 20. No­vember 1987 angemeldeten deutschen Patentes 3 739 317 (Anlage L 1, nachfol­gend: Klagepatent). Die Anmeldung der Patenterteilung wurde am 6. Juli 1989 veröffent­licht, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatentes am 13. Juni 1990 bekannt gemacht.

Mit schriftlicher Vereinbarung vom 10. Dezember 2002 (Anlage L 2a) wurde der Klägerin durch ihren Geschäftsführer eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent bewilligt. Gleichzeitig erklärte der Geschäftsführer gegenüber der Klägerin die Abtretung sämtlicher Ansprüche, insbesondere auf Scha­densersatz für die Vergangenheit und Zukunft wegen Verletzung des Klage­patentes.

Das in Kraft stehende Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung der Zugschnüre am unteren Rand eines Raffvorhanges.

Der Anspruch 1 des Klagepatentes hat folgenden Wortlaut:

„Vorrichtung zur Befestigung der Zugschnüre am unteren Rand eines Raffvor­hanges, enthaltend ein am Vorhangstoff angebrachtes Befes­tigungsglied mit einem Schlitz, in den das mit einer Verdickung verse­hene Zugschnurende ein­klemmbar ist, dadurch gekennzeich­net, dass das aus ei­nem mit einem Schlitz (31) versehenen bieg­samen Streifen (30) bestehende Befestigungsglied in der vom Vor­hang­stoff (1) für die Aufnahme des Fallstabes (25) gebildeten Tasche (26) befestigbar und mit Mitteln (36, 37) bzw. (38, 39) zur re­ver­siblen Einschließung der im Schlitz (31) eingeklemmten Ver­dickung (32) zwischen den beiden Enden (30a, 30b) des U-förmig zusam­mengeklappten Streifens (30) versehen ist.“

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klage­patentschrift und dienen zur Erläuterung der Erfindung anhand von Ausführ­ungsbeispielen. Figur 1 zeigt die Vorderansicht des Unterteils eines mit dem Befestigungsglied ausgestatteten Raffvorhanges; Figur 2 und 4 zeigen eine Seitenansicht bzw. einen Schnitt längs der Linie II-II der Figur 1 für zwei ver­schiedene Ausführungsformen. Figur 3 zeigt eine Detailansicht des für die Ausführungsform gemäß Figur 2 bestimmten Streifens mit dem Schlitz.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Raffvorhänge. Die Klägerin hat dem Ge­richt ein Exemplar des angegriffenen Befestigungsgliedes als Anlage L 5 vorgelegt, worauf hinsichtlich der näheren Ausgestaltung Bezug genommen wird. Die Klägerin hat weiterhin in Anlage L 6, L 7 Photographien der ange­griffenen Ausführungsform zur Gerichtsakte gereicht.

Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine Verletzung des Klagepatentes mit wortsinngemäßen, jedenfalls aber mit äquivalenten Mitteln.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ord­nungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhand­lung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Vorrichtungen zur Befestigung von Zugschnüren am unteren Rand ei­nes Raffvorhanges, enthaltend ein am Vorhangstoff angebrachtes Befestigungsglied mit einem Schlitz, in den das mit einer Verdickung versehene Zugschnurende einklemmbar ist,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen das aus einem mit einem Schlitz versehenen biegsamen Streifen bestehende Befestigungsglied in der vom Vorhangstoff für die Aufnahme eines Fallstabes gebildeten Tasche befestigbar und mit Mitteln zur reversiblen Einschließung der im Schlitz eingeklemmten Verdickung zwischen den beiden Enden des U-förmig zusammenge­klappten Streifens versehen ist;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Be­klagte die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Juli 1990 be­gangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer­men­gen, -zeiten und -preisen und Typen­bezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Ab­nehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots­men­gen, -zeiten und -preisen und Typen­be­zeich­nungen sowie der Namen und Anschriften der Ange­bots­empfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe­trä­gern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver­brei­tungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Ge­stehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesre­publik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehen­den Grenzen beschränkt und die Angaben zu lit. a) nur für die Zeit seit dem 1. Juli 1990 zu machen sind;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der in der Person des Patentinhabers bis zum 15. Mai 2002 und der Klägerin danach durch die zu I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede. Durch die von ihr hergestellten und vertriebenen Befestigungsmittel werde die Erfindung nach dem Klagepatent nicht benutzt. Die angegriffene Ausführungsform weise kei­nen Schlitz auf, sondern eine dreiecks­förmige Ausstanzung, welche durch eine formgleiche dreiecksförmige Erhebung verschlossen und eine einge­führte Zugschnur arretiert werde. Diese Ausstanzung stelle jedoch keinen Schlitz im Sinne der Lehre des Klagepatentes dar.

Eine äquivalente Verletzung liege mangels Gleichwirkung der technischen Lösung nicht vor.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadens­ersatz nach §§ 9 Nr. 1, 14, 15 Abs. 2, 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 2 PatG, §§ 242, 259, 398 BGB nicht zu. Das Klagepatent wird durch den von der Be­klagten herge­stellten und vertriebenen Befestigungsmittel nicht verletzt.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung der Zugschnüre am unteren Rand eines Raffvorhanges.

Raffvorhänge bestehen aus einer Bahn eines weichen Stoffes, meist Textil­material, an dessen unterem, durch einen Fallstab beschwerten Rand einige nach oben laufende Raffbänder oder Zugschnüre befestigt sind, die nahe dem oberen Rand der Stoffbahn durch horizontal nebeneinander ange­brachte Ösen oder Schlaufen in die Horizontale umgelenkt und dabei zu ei­nem Bündel vereinigt werden. Ein Zug an diesem Bündel, meist nach noch­maliger Umlenkung abwärts, bewirkt Hebung des unteren Randes der Stoff­bahn und damit Aufraffen des Vorhanges.

Die im Stand der Technik bekannten Arten der Befestigung der Zugschnüre oder Raffbänder am unteren Rand der Stoffbahn haben den Nachteil – so die Klagepatentschrift –, dass z.B. die Befestigung im Bedarfsfalle nur umständ­lich oder gar schwierig zu lösen ist oder einen unschönen Anblick bietet. Die in der CH-PS 653 537 (Anlage L 3) beschriebene Maßnahme, das durch ei­nen Knoten verdickte Ende der Zugschnur in einer Kerbe eines am Vorhang­stoff angebrachten starren Knopfes einzuklemmen, hat nach den Angaben des Klagepatentes abgesehen von dem unschönen Anblick den Nachteil, dass damit keine Garantie gegen eine unbeabsichtigte Ablösung der Zug­schnur vom Vorhangstoff gegeben ist.

Das Klagepatent sucht nun – ohne dies ausdrücklich zu formulieren – diese aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile zu vermeiden, indem es eine sowohl von der Vorder- wie von der Rückseite des Vorhangstoffes prak­tisch unsichtbare und damit ästhetisch befriedigende wie auch leicht lösbare und dennoch verlässliche Befestigung der Zugschnüre am Vorhang­stoff ge­währleistet.

Das Klagepatent schlägt hierzu in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zur Befestigung der Zugschnüre am unteren Rand ei­nes Raffvorhanges;

2. mit einem am Vorhangstoff angebrachten Befestigungsglied mit einem Schlitz;

3. in den Schlitz ist das mit einer Verdickung versehene Zugschnur­ende einklemmbar.

4. Das Befestigungsglied

a) besteht aus einem biegsamen Streifen, der mit einem Schlitz versehen ist;

b) ist in der vom Vorhangstoff für die Aufnahme des Fallstabes gebildeten Tasche befestigbar und

c) ist mit Mitteln zur reversiblen Einschließung der im Schlitz eingeklemmten Verdickung zwischen den beiden Enden des U-förmig zusammengeklappten Streifens versehen.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent nicht, da die an­gegriffene Ausführungsform keinen Schlitz aufweist. Zu Recht unstreitig macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 1 und 4.b) der obigen Merkmalsanalyse Gebrauch. Im Streit stehen hingegen die Merkmale 2, 3, 4.a) und 4.c) und dabei insbesondere, ob die angegriffene Ausführungsform einen Schlitz im Sinne der Lehre des Klagepatentes aufweist.

Die Klägerin vertritt hierzu die Auffassung, dass unter einem Schlitz im Sinne des Klagepatentes eine Ausnehmung zu verstehen ist, die über einen Teil der Länge des biegsamen Streifens reicht und die zur Aufnahme und Ein­klemmung einer am Zugschnurende angebrachten Verdickung geeignet ist. Die Beklagte hingegen meint, dass als Schlitz im Sinne der technischen Lehre des Klagepatentes nur eine linienförmige Materialausnehmung ange­sehen werden kann, die zum Ende des Streifens offen ist.

Die Auffassung der Beklagten ist zutreffend. Der Fachmann versteht unter einem Schlitz nach dem Klagepatent eine einseitig offene Ausnehmung, in welche eine Zugschnur einführ- und arretierbar ist.

Für den Umstand, dass von der technischen Lehre des Klagepatentes ledig­lich einseitig offene Schlitze umfasst sein sollen, spricht bereits der konkrete Wortlaut des Begriffs „Schlitz“. Die patentrechtliche Beurteilung hat sich zwar nicht am allgemeinen Sprachgebrauch, sondern daran zu orientieren, wie der Fachmann den Wortsinn nach dem Gesamtinhalt des Klagepatentes unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung versteht (vgl. BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube m.w.N.). Denn bei der Auslegung des Patentan­spruchs ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Ge­samt­zusammenhang abzustellen, welchen der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt; nicht die sprachliche Bedeutung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbe­fangenen Fachmanns (BGH, a.a.O.). Maßgeblich ist, welchen Begriffsinhalt das Patent bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln einem vor­geschla­genen Merkmal zuweist (vgl. BGH, GRUR 2001, 232, 232 – Brieflocher). Der Fachmann wird jedoch in diesem Verständnis des Begriffes Schlitz auch anhand der Patentansprü­che, der Beschreibung, der Darstellung bevorzugter Ausführungsformen so­wie der technischen Funktion des Schlitzes bestätigt. Zwar macht die Klage­patentschrift selbst zu einer konkreten Ausgestaltung des Schlitzes keine konkreten Angaben. In der Beschreibung ist lediglich von einem im Wesentli­chen über einen Teil seiner Länge geschlitzten Streifen die Rede (Spalte 1, Zeilen 41 f.). Der in der Klagepatentschrift dargestellte Stand der Technik sowie die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen bestäti­gen den Fachmann jedoch in seiner Auffassung von einem einseitig offenen Schlitz. So wird in der CH-PS 653 537 eine Vorrichtung zum Einklemmen einer Zugschnur beschrieben, wonach das durch einen Knoten verdickte Ende der Zugschnur in eine Kerbe eines am Vorhangstoff angebrachten star­ren Knopfes eingeklemmt wird. Die Kerbe eines Knopfes stellt auch eine ein­seitig offene Vorrichtung dar. Dies gilt ebenso für den von der Klagepatent­schrift im Stand der Technik beschriebenen Karabinerhaken (Spalte 1, Zeile 18 f.); auch dieser ist einseitig offen. Darüber hinaus zeigt die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen nur einseitig offene Schlitze auf. Beide in den Figuren 2 und 5 zeichnerisch dargestellten bevorzugten Ausfüh­rungs­formen weisen eine einseitig geöffnete Materialausnehmung auf. Es ist daher nicht ersichtlich, auf Grund welcher Anhaltspunkte der Fachmann zu der Auffassung der Klägerin gelangen sollte, dass unter Schlitz lediglich eine Ausnehmung in dem Befestigungsglied zu verstehen sei.

Denn auch nach der Funktion des Schlitzes im Rahmen des Anspruchs 1 der geschützten Lehre gelangt der Fachmann zu der Auffassung, dass von dem Klagepatent lediglich einseitig offene Materialausnehmungen umfasst sein sollen.

Denn mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung soll, wie sich bereits in der in Merkmal 1 enthaltenen Funktionsangabe andeutet und in der Beschreibung bestätigt wird (Anlage K 1, Spalte 1 Zeilen 24 ff.; 28 ff.), eine verlässliche, unabsichtliche Ablösungen vermeidende Befestigung der Zugschnüre am unteren Rand des Raffvorhanges erreicht werden. Dies soll in einer Weise geschehen, dass die Befestigung sowohl von der Vorder- wie von der Rück­seite im Wesentlichen nicht sichtbar ist.

Um die Zugschnüre zu befestigen, ist die erfindungsgemäße Vorrichtung nach den Merkmalen 3, 4.a) und 4.c) so ausgestaltet, dass das mit der Ver­dickung versehene Zugschnurende zunächst in den Schlitz eingeklemmt und der biegsame Streifen sodann derart umgeklappt werden kann, dass er im Profil eine U-Form bildet und die im Schlitz eingeklemmte Verdickung rever­sibel eingeschlossen wird. Erst durch ein Umklappen des biegsamen Strei­fens zu einer U-Form soll erfindungsgemäß die Einschließung der zunächst im Schlitz nur eingeklemmten Zugschnurverdickung bewirkt wer­den. Das verdickte Zugschnurende wird auf diese Weise einerseits sicher festgelegt, andererseits ist die Festlegung der Zugschnur auch leicht wieder auflösbar (vgl. Sp. 1, Z. 46 ff.). Ent­sprechend wird der Fachmann unter einem Schlitz nur eine solche Ausneh­mung im Befestigungsglied verstehen, in der die Zugschnur­verdickung zwar zunächst eingeklemmt werden kann, bei der das verdickte Zugschnurende jedoch noch nicht eingeschlossen ist.

Für die Auffassung der Klägerin, dass der erfinderische Gedanke des Klage­patentes darin liege, dass der Schlitz mit weiteren Mitteln verschlossen wer­den kann als lediglich durch Umbiegen des Streifens, finden sich keine An­haltspunkte. Denn nach dem Stand der Technik, von welchem sich das Kla­gepatent abgrenzt, waren Vorrichtungen, insbesondere starre Knöpfe be­kannt, in welche die Zugschnur eingeklemmt wurde. Diese Knöpfe hatten den Nachteil, dass eine dauerhafte Verklemmung nicht erreicht wurde und diese auch optische Nachteile aufwiesen. Diesen Stand der Technik möchte das Klagepatent verbessern, indem es eine einfache und sicherer Arretier­ung der Zugschnur mit Verdickung durch Umbiegen eines Streifens mit ei­nem Schlitz vorschlägt. Auf diese Weise wird optisch ansprechend und si­cher ein Befestigungsglied für Zugschnüre an Raffvorhängen geschaffen. Von der Schaffung zusätzlicher, d.h. weiterer Mittel zum Verschließen des Schlitzes geht das Klagepatent ersichtlich nicht aus.

Die angegriffene Ausführungsform verfügt über keinen derartigen Schlitz. Die dort im Streifen enthaltene dreiecksförmige Ausnehmung schließt die Zug­schnur­verdickung sogleich ein, wenn sich die Schnur mit der Verdickung in der oberen Spitze festsetzt. Das Umklappen des biegsamen Streifens der angegriffenen Ausführungsform hat hingegen keine unmittelbare Auswirkung auf den Einschluss der im Schlitz eingeklemmten Verdickung. Erst die Ein­führung der auf dem einen Ende des Streifens ausgebildeten drei­ecksförmi­gen Erhebung in die dreiecksförmige Ausnehmung bewirkt einen weiteren Einschluss der Schnur, nicht hingegen bereits das Umklappen des biegsa­men Streifens.

Eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffene Aus­führungsform ist nicht ersichtlich. Zwar umfasst der Schutzbereich eines Pa­tentes nach § 14 PatG, Art. 69 EPÜ nicht nur den wortlautgemäßen (identi­schen) Gegenstand, sondern schließt auch äquiva­lente (inhaltsgleiche) Ausführungsformen ein (vgl. hierzu BGH, GRUR 1986, 803, 805 – Formstein; GRUR 1988, 896, 899 – Ionenanalyse; GRUR 1991, 436, 439 _ Befesti­gungsvorrichtung II; GRUR 1994, 597, 599 f. – Zerlegvor­richtung für Baum­stämme). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge­richtshofes zu § 14 PatG, Art. 69 EPÜ liegt Äquivalenz dann vor, wenn der Fachmann die bei der Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel auf Grund von Überle­gungen, die am Sinngehalt der im Schutzanspruch be­schriebenen Lehre ausgerichtet sind, mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (so etwa: BGH, GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Ausgangspunkt für die Prüfung einer Pa­tentverletzung durch äquivalente Mittel ist ein Vergleich zwischen der patent­gemäßen und der in der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten Pro­blemlösung (BGH, GRUR 1991, 811 – Falzmaschine). Ein hier erfolg­ter Vergleich zeigt, dass die angegriffene Ausführungsform eine andere Pro­blemlösung verwirk­licht, eine Gleichwirkung somit nicht vorliegt. Es ist anerkannt, dass es für eine Gleichwirkung nicht ausreicht, dass das gleiche technische Ergebnis erzielt wird und die angegriffene Ausführungsform bewirkt eine andere Ein­schließung der Zugschnur als die patentgemäße Lösung.

Bei der angegriffenen Ausführungsform wird die Zugschnur nicht durch ein­faches U-förmiges Umklappen und anschließender Befestigung der beiden Enden miteinander eingeschlossen. Zwar erfolgt bereits nach dem Einstec­ken der Zugschnur mit der Verdickung in die dreiecksförmige Ausnehmung eine Arretierung der Zugschnur. Eine endgültige sichere Befestigung erfolgt jedoch erst durch den Zusammenschluss der drei­ecks­förmigen Ausneh­mung mit der Ausstanzung. Ein einfaches Umklappen des biegsamen Strei­fens genügt für eine sichere Arretierung nicht. Die angegriffene Ausführ­ungsform setzt daher neben dem Einklemmen der Zugschnur in die Verjün­gung der dreiecksförmigen Ausstanzung ein weiteres Mittel zur Arretierung der Zugschnur ein.

Auch ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Überlegungen, die an der tech­nischen Lehre des Klagepatentes ausgerichtet sind, der Fachmann zu der angegriffenen Lösung gelangen sollte. Dies hat die Klägerin lediglich pau­schal behauptet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 250.000,- EUR.

Dr. H N
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