4b O 143/08 – Induktionsspule II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1130

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. März 2009, Az. 4b O 143/08

Rechtsmittelinstanz: 2 U 39/09

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen.

III.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 333.333 € festgesetzt.
Tatbestand:

Die Klägerinnen sind gemeinsam eingetragene Inhaberinnen des deutschen Patents DE 199 15 XXX (Anlage KC 1, Klagepatent), welches am 06.04.1999 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 12.10.2000 offengelegt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 20.09.2007.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Spannen von Werkzeugen. Sein im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierender Anspruch 1. hat folgenden Wortlaut:
„Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft (14) aufweisenden Werkzeugen (16), mit einer Werkzeugaufnahme (10), die eine an ihrem freien Ende (24) offene Hülsenpartie (12) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts (14) aufweist, und mit einer die Hülsenpartie (12) der Werkzeugaufnahme (10) umfassenden, mit einem Wechselstrom beaufschlagbaren, als Ring- oder Zylinderspule ausgebildeten Induktionsspule (26) zum Erwärmen der Hülsenpartie (12), dadurch gekennzeichnet, dass die Induktionsspule (26) an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie (12) benachbarten Stirnseite von einem eine zentrale Durchtrittsöffnung (36) für das Werkzeug (16) aufweisenden Polschuh (34) aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff übergriffen ist.“

Die nachfolgend eingeblendete einzige Figur des Klagepatents veranschaulicht den Gegenstand der Erfindung anhand einer bevorzugten Ausführungsform:

Daneben sind die Klägerinnen auch eingetragene Inhaberinnen des unter Inanspruchnahme einer aus der Stammanmeldung DE 199 15 XXX hergeleiteten Priorität vom 10.03.2000 angemeldeten europäischen Patents EP 1 165 XXX (Anl. Nk4, nachfolgend auch nur als EP bezeichnet). Die Anmeldung des EP wurde am 02.01.2002 und seine Erteilung u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland am 29.01.2003 veröffentlicht.

Anspruch 1 dieses europäischen Patents, welches ebenfalls eine Vorrichtung zum Spannen von Werkzeugen betrifft, lautet wie folgt:

„Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft (14) aufweisenden Werkzeugen (16) in einer Werkzeugaufnahme(10), die eine an ihrem freien Ende (24) offene Hülsenpartie (12) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschaft (14) aufweist, mit einer die Hülsenpartie (12) der Werkzeugaufnahme (10) umfassenden, mit einem vorzugsweise hochfrequenten Wechselstrom beaufschlagbaren, als Ring- oder Zylinderspule ausgebildeten Induktionsspule (26) zum Erwärmen der Hülsenpartie (12), dadurch gekennzeichnet, dass die Induktionsspule (26) an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie (12) benachbarten Stirnseite durch einen eine zentrale Durchtrittsöffnung (36) für das Werkzeug (16) aufweisenden Polschuh (34) aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff abgeschlossen ist.“

Die Beklagte zu 1. hat beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben. Eine Entscheidung hierüber steht derzeit noch aus.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2. und 3. sind, bietet Induktionsspulen für den Einsatz im Bereich induktiver Schrumpftechnik für Werkzeugaufnahmen an. Unter anderem bietet sie unter den Typenbezeichnungen „A“ und „B“ Induktionsspulen an, deren nähere Ausgestaltung sich aus der nachfolgend ausschnittsweise wiedergegebenen Seite 4 des von den Klägerinnen als Anlage KA 5 zur Akte gereichten Prospekts der Beklagten zu 1. ergibt. Die beiden oberen Abbildungen zeigen hierbei die Spulen, die unter der Bezeichnung „A“ und die beiden unteren solche, die unter der Bezeichnung „C“ angeboten und vertrieben werden:

Die Klägerinnen sind der Ansicht, beide von den Beklagten hergestellten und vertriebenen Spulentypen verwirklichten die technische Lehre des Klagepatents wortsinngemäß. Insbesondere verfügten beide über einen erfindungsgemäßen Polschuh, der die Induktionsspule übergreife. Insbesondere hinsichtlich der Ausführugnsform „A“ bewirke der dort vorgesehene Abschirmkragen eine wirksame Abschirmung des überstehenden Werkzeuges gegen magnetische Streulinienfelder. Dieser Kragen sei auch der Forderung des Klagepatents entsprechend über dem Pol der Spule und diesen übergreifend angeordnet. Mit der Erteilung des EP 1 165 XXX habe das Klagepatent nicht seine Wirkung wegen des Doppelschutzverbotes verloren, da der Inhalt beider Hauptansprüche nicht deckungsgleich sei. Die Klägerinnen nehmen die Beklagten daher hinsichtlich beider angegriffener Ausführungsformen auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung Schadenersatz und – lediglich die Beklagte zu 1. – auf Entschädigung in Anspruch.

Sie beantragen,

I.
die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren zu unterlassen,

Vorrichtungen zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme, die eine an ihrem freien Ende offene Hülsenpartie aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts aufweisen, und mit einer die Hülsenpartie der Werkzeugaufnahme umfassenden, mit einem Wechselstrom beaufschlagbaren, als Ring- oder Zylinderspule ausgebildeten Induktionsspule zum Erwärmen der Hülsenpartie

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,

bei denen die Induktionsspule an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie benachbarten Stirnseite von einem eine zentrale Durchtrittsöffnung für das Werkzeug aufweisenden Polschuh aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff übergriffen ist;

2.
den Klägerinnen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1 bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt den Klägerinnen einem diesen zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen und diesen ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder nichtgewerblicher Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist und die Beklagten dessen Kosten tragen,

und wobei die Angaben für die Zeit seit dem 12.11.2000 von der Beklagten zu 1. zu machen sind, ausgenommen die Angaben zu e), die von allen Beklagten mit den weiteren Angaben erst für die Zeit seit dem 20.10.2007 zu machen sind.

II.
festzustellen,

1.
dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen eine angemessene Entschädigung für die in Ziffer I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 12.11.2000 bis zum 19.10.2007 begangenen Handlungen zu zahlen,

2.
dass die Beklagten als Gesamtschuldner vepflichtet sind, den Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die unter Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 20.10.2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Darüber hinaus beantragen sie hilfsweise,

das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage gegen das geltend gemachte Patent auszusetzen.

Sie meinen, die Klägerinnen könnten bereits aufgrund des bestehenden Doppelschutzverbotes seit der Erteilung des europäischen Patents EP 1 165 XXX keine Ansprüche aus dem Klagepatent mehr herleiten. Zudem weise die „A“ keinen erfindungsgemäßen Polschuh auf, da dies erfordere, dass dieses Bauteil auf der Induktionsspule aufliege und diese übergreife, da ansonsten das von dem Klagepatent erwünschte „Abschließen“ der Induktionsspule nicht erreicht werden könne.

Jedenfalls werde sich das Klagepatent aber in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, da es ihm jedenfalls im Hinblick auf den dort entgegengehaltenen Stand der Technik an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit fehle.

Die Klägerinnen treten dem Vortrag zur Nichtigkeit des Klagepatents entgegen und beantragen insoweit,

den Aussetzungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Gegenstand des Klagepatents ist eine Erfindung, für die den Klägerinnen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent mit derselben Priorität erteilt worden ist, so dass das Klagepatent in dem Umfang, in dem es mit der vorliegenden Klage geltend gemacht wird, von dem Zeitpunkt der Erteilung des europäischen Patents EP 1 165 XXX keine Wirkung mehr hat, Art. II § 8 IntPatÜG.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen mit einer Werkzeugaufnahme, die eine Hülsenpartie aufweist, welche der reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschaftes dient und bei der die Hülsenpartie durch eine sie umgebende Induktionsspule erwärmt werden kann, um ein Einführen bzw. Herausnehmen des Werkzeugschaftes aus der Hülse zu ermöglichen.

Solche Vorrichtungen waren im in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik bereits aus der gattungsbildenden DE 39 25 XXX vorbekannt. Sie dienen dazu, beispielsweise Bohrer oder als Fräser ausgebildete Werkzeuge in die Werkzeugaufnahme ein- oder aus dieser auszuspannen. Hierzu wird die Werkzeugaufnahme mit Hilfe der Induktionsspule im Bereich der Hülsenpartie erwärmt, so dass sich die Bohrung der Hülsenpartie vergrößert. Das Werkzeug wird mit seinem Schaft in die durch Erwärmung vergrößerte Aufnahme eingeführt. Bei dem sich anschließenden Abkühlen der Hülse verkleinert sich der Durchmesser der Bohrung wieder, so dass der Werkzeugschaft reibschlüssig in der Hülse gehalten wird. Vorteilhafterweise wird der Durchmesser der Bohrung im abgekühlten Zustand dabei etwas geringer gewählt als der Außendurchmesser des Werkzeugschaftes. Zum Ausspannen des Werkzeuges wird die Hülse dann wieder erwärmt, bis das Werkzeug aus der Aufnahme herausgezogen werden kann. Hierbei wird der Umstand ausgenutzt, dass die Hülse von außen nach innen aufgewärmt wird, so dass zunächst die Hülsenpartie erwärmt wird, bevor die Wärme auf den eingespannten Werkzeugschaft übergeht. Dadurch kann erreicht werden, dass sich zunächst der Hülsenschaft dehnt und das zu diesem Zeitpunkt noch kältere Werkzeug aus der Aufnahme lösen lässt.

Dies funktioniert aber nur dann, wenn Werkzeuge mit geringer thermischer Ausdehnung und/oder mit niedriger elektrischer Leitfähigkeit verwendet werden. Beispielsweise benennt das Klagepatent als in Betracht kommende Werkstoffe Hartmetall oder Keramik. Als nachteilig bezeichnet es das Klagepatent, dass es bei der Verwendung von aus Werkzeugstahl hergestellten Werkzeugen immer wieder zu Schwierigkeiten beim Ausspannen komme.

Vor diesem Hintergrund stellt das Klagepatent sich die Aufgabe, diese bekannte Vorrichtung (DE 39 25 XXX) dahingehend weiter zu entwickeln, dass auch Werkzeuge mit größerer thermischer Ausdehnung und/oder aus elektrisch leitfähigem Material mit Hilfe der Induktionsheizung zuverlässig ein- und ausgebaut werden können.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 die Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft (14) aufweisenden Werkzeugen (16) mit einer Werkzeugaufnahme (10);

2. die Werkzeugaufnahme (10) weist eine an ihrem freien Ende (24) offene Hülsenpartie (12) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts (14) auf;

3. die Vorrichtung weist eine mit einem Wechselstrom beaufschlagbare Induktionsspule (26) zum Erwärmen der Hülsenpartie (12) auf;

4. die Induktionsspule (26) umfasst die Hülsenpartie (12) der Werkzeugaufnahme (10);

5. die Induktionsspule (26) ist als Ring- oder Zylinderspule ausgebildet;

6. die Induktionsspule (26) ist an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie (12) benachbarten Stirnseite durch einen Polschuh (34) übergriffen;

7. der Polschuh (34) weist eine zentrale Durchtrittsöffnung (36) für das Werkzeug (16) auf;

8. der Polschuh (34) ist aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff hergestellt.

II.
Die Klage ist vorliegend abzuweisen, da die Inanspruchnahme der Beklagten wegen dieses Klagepatents einen Verstoß gegen das Doppelschutzverbot darstellt, Art. II § 8 IntPatÜG.

Stützt sich die Klage auf ein deutsches Patent, so steht dem Beklagten der Einwand zu, das Klagepatent habe seine Wirkung verloren, weil dessen Inhaber für die selbe Erfindung ein prioritätsgleiches europäisches Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Der Wirkungsverlust tritt ein, sobald ein Einspruchsverfahren gegen das europäische Patent rechtskräftig abgeschlossen ist. Dieser Wirkungsverlust hat zur Folge, dass die aus dem deutschen Patent resultierenden Verbietungsrechte in demselben Umfang entfallen wie der Schutzbereich des europäischen Patents (unter Einschluss von Äquivalenten und verschlechterten Ausführungsformen) reicht (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten, 3. Aufl. Rn 518). Für das Verbot des Doppelschutzes kommt es nicht auf die Übereinstimmung der Schutzansprüche der beiden Patente in ihrem Wortlaut, sondern auf ihren Schutzbereich an (Benkard- Jestaedt, EPÜ, Art. 64 Rn 4).

Die Klägerinnen sind neben dem Klagepatent auch Inhaberinnen des europäischen Patents EP 1 165 XXX, welches das Klagepatent in dem abgetrennten Verfahren 4b O XXX/08 ist. Dieses europäische Patent nimmt die selbe Priorität wie das Klagepatent, den 06.04.1999 in Anspruch. Bei dem bezeichneten Prioritätsdokument handelt es sich um die Anmeldeschrift des hiesigen Klagepatents. Aufgrund dessen ist die erste Voraussetzung erfüllt, dass es sich um zwei prioritätsgleiche Patente handelt.

Beide Patente stellen auch die selbe Vorrichtung unter Schutz, weisen also den selben Schutzbereich auf. Im Wortlaut unterscheiden beide Patentansprüche sich einerseits darin, dass sich im Oberbegriff des europäischen Patents hinsichtlich des Merkmals 3 zusätzlich das Teilmerkmal befindet, dass die Induktionsspule mit einem Wechselstrom beaufschlagbar sein soll, der „vorzugsweise hochfrequent“ sein soll. Zutreffend streiten die Parteien aber nicht darüber, ob es sich hierbei um ein den Schutzbereich des europäischen Patents einschränkendes Merkmal handelt, da der Fachmann aufgrund der Formulierung „vorzugsweise“ bereits erkennt, dass es sich hier nicht um eine zwingende Voraussetzung handelt, der Wechselstrom also erfindungsgemäß auch niederfrequent sein könnte. Dies auch, weil das gesamte Patent sich an keiner Stelle damit befasst, welchen Beitrag ein hochfrequenter Wechselstrom zur Lösung der Erfindung leisten könnte.

Eine weitere Abweichung im Wortlaut findet sich in dem Wort „übergriffen“ im Merkmal 6 (Klagepatent) im Gegensatz zu dem in dem europäischen Patent gewählten Wort „abgeschlossen“. Dass es sich bei beiden Worten um solche mit dem selben Sinngehalt im Sinne der Patente handelt, folgt indiziell bereits daraus, dass das EPA in seiner Einspruchsentscheidung vom 19.02.2007 das EP betreffend in dem dort unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung relevanten Wechsel der Wortwahl keine Bedeutung beigemessen hat. Auch nach der Ansicht der Einspruchsabteilung handelt es sich demnach um ein und denselben Schutzbereich, der von beiden Worten gebildet wird.

Der Klägervertreter macht hierzu geltend, dass der Fachmann den beiden Begriffen unterschiedliche Bedeutungen beimesse. So verstehe er den Begriff des Übergreifens derart, dass der Polschuh die Induktionsspule am Pol, von wo die Streufelder ausgehen, überdeckt, und zwar nach Art eines magnetischen Leiters, so dass die magnetischen Feldlinien gebündelt vom Pol weggeleitet werden.

Demgegenüber sei „abgeschlossen“ so zu verstehen, dass die Wirkung der Induktionsspule oberhalb der Hülsenpartie abgeschlossen ist, und zwar nach Art einer Grenzfläche, so dass die magnetischen Streufelder jenseits des Abschlusses nicht wirken können.

Diese Argumentation der Klägerinnen ist, die Frage, ob hierdurch nicht eine unzulässige Erweiterung des europäischen Patents begründet wird, dahin-stehen lassend, nicht überzeugend.

Der Schutzbereich des Klagepatents ist aus Sicht des Fachmanns, den das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung vom 08.02.2006, ein aus der Stammanmeldung abgezweigtes Gebrauchsmuster betreffend, zutreffend als einen Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotehnik definiert hat (vgl. Anl. NK 8, S. 20), zunächst einmal maßgeblich aus dem Anspruch heraus zu ermitteln. Erst dann, wenn sich keine weiteren Anhaltspunkte hieraus ergeben, wird er zur Auslegung der verwendeten Begrifflichkeiten die Beschreibung und die Zeichnungen heranziehen, Art. 69 EPÜ, § 14 PatG.

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Begriff „Polschuh“ bereits eine eindeutige, von den Beklagten reklamierte, konstruktive Anweisung an den Fachmann erhält, dieses Bauteil so auszugestalten, dass ein vollständiges Übergreifen der Spule erforderlich wird. Wird zugunsten der Klägerinnen unterstellt, dass es dieses eindeutige Verständnis für den Fachmann nicht gibt, gelangt dieser aber auch aufgrund der weiteren zur Auslegung heranzuziehenden Materialien zu diesem – einengenden – Verständnis.

„Der Lösung des Klagepatents liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Werkzeuge aus elektrisch leitfähigem Material durch den nicht unerheblichen Streuanteil der herkömmlichen Induktionsspulen im Bereich ihrer Einspannstelle so schnell aufgeheizt werden, dass das Ausspannen erschwert oder unmöglich gemacht wird. Um dies zu verhindern, wird gemäß der Erfindung vorgeschlagen, die elektromagnetischen Streufelder im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie soweit herabzusetzen, dass eine Aufheizung des in der Werkzeugaufnahme befindlichen Werkzeugs vermieden wird. Gemäß der Erfindung wird dies dadurch erreicht, dass die Induktionsspule an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie beanchbarten Stirnseite durch einen eine zentrale Durchtrittsöffnung für das Werkzeug aufweisenden Polschuh aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff abgeschlossen ist. Mit diesen Maßnahmen wird erreicht, dass die magnetischen Feldlinien an der betreffenden Stirnseite der Induktionsspule im Polschuh konzentriert werden, so dass auch der über die Werkzeugaufnahme überstehende Teil des Werkzeugs wirksam gegenüber elektromagnetischen Streufeldern abgeschirmt wird“ (Klagepatent, Abschn. [0005], Unterstreichungen hinzugefügt).

Der Fachmann entnimmt diesem allgemeinen Beschreibungsteil der Klagepatentschrift, dass der Polschuh als Feldkonzentrator wirken soll und die Aufgabe hat, zu verhindern, dass Magnetfeldlinien aus dem von ihm begrenzten Raum hinaustreten können. Durch den erfindungsgemäßen Polschuh wird erreicht, „dass die magnetischen Feldlinien an der betreffenden Stirnseite“ konzentriert werden. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen erkennt der Fachmann mithin, dass sämtliche („die“) magnetischen Feldlinien konzentriert werden sollen. Mit dieser Formulierung wird der Fachmann die von den Klägerinnen herangezogene Textstelle in dem oben wiedergegebenen Abschnitt, Z. 8 – 10, auch nicht in dem Sinne verstehen, dass es ausreiche, die elektromagnetischen Streufelder nur „soweit“ (im Sinne von: begrenzt) herabzusetzen, dass eine Aufheizung vermieden wird. Er wird vielmehr die Forderung nach einem abschließenden Polschuh so auslegen, dass dieser konstruktiv so zu gestalten ist, dass er von dem Zentrum der Spulenwicklung ausgehend, wo sich der Pol befindet, über die Wicklungen herüberreichend bis zum äußeren Wicklungsgehäuse hin eine Abdeckung bildet, da er aufgrund seiner magnetisch leitenden Werkstoffeigenschaft nur so in der Lage ist zu verhindern, dass Streufeldlinien aus dem derart abgegrenzten Bereich heraustreten können.

Jede andere Ausgestaltung würde es ermöglichen, dass Streufelder außerhalb der Induktionsspule entstehen und an den überstehenden Werkzeugteil heranreichen können. Hierdurch wäre eine Erwärmung dieses Werkzeugs bedingt, die von einer Vorrichtung nach dem Klagepatent gerade verhindert werden soll.

Insofern kann der Ansicht der Klägerinnen auch nicht gefolgt werden, der Fachmann wisse, dass es ausreichend sei, nicht sämtliche Streufeldlinien zu verhindern, da maßgebliches Kriterium „nur“ ein zuverlässiges Ein- und Ausspannen sei. Das Klagepatent bietet ihm nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, in welcher Größenordnung austretende Streulinien für die Lösung der klagepatentgemäßen Aufgabenstellung denn noch hinzunehmen sein könnten. Er weiß vielmehr aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass auch ein vollständig übergreifender Polschuh, wie er ihm in der einzigen Figur des Klagepatents gezeigt wird, eine vollständige Konzentration sämtlicher Streufeldlinien nicht erreichen kann. Er wird daher die Forderung des „Abschließens“ durch den Polschuh so verstehen, dass ein „zusätzliches“ – nicht bereits werkstoffbedingtes – Austreten verhindert werden soll.

Der Fachmann entnimmt der Anweisung des Klagepatents mithin auch eine konstruktive Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Polschuhs, der danach die magnetischen Feldlinien insgesamt derart konzentrieren und ableiten muss, dass ein „Entweichen“ der Feldlinien in die umgebende Luft weitestgehend verhindert werden kann. Dies erreicht er aber nach der Lehre des Klagepatents nur, indem der Polschuh die Induktionsspule von ihrem Pol ausgehend vollständig bis hin zum äußeren Spulengehäuse übergreift.

Damit sind aber die Schutzbereiche beider Patente gleich, so dass die Klage insoweit nach dem rechtskräftigen Einspruchsverfahren des europäischen Patents abzuweisen ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 108, 709 ZPO.