Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Dezember 2009, Az. 4a O 84/09
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu 2 Jahren, zu unterlassen,
Kältegeräte mit einer an ihrem wärmeisolierenden Gehäuse angeschlagenen Tür, an welcher ein drehbar gelagerter, als zweiarmiger Hebel ausgebildeter Türgriff angeordnet ist, welcher einen längeren, als Handgriff zum Öffnen der Tür dienenden Hebelarm und einen kürzeren, zum Betätigen des Handgriffs sich am Gehäuse abstützenden Hebelarm aufweisen,
im deutschen Geltungsbereich des EP 0 891 XXX anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen an der Tür ein Halteelement lösbar festgesetzt ist, welches wenigstens einen sich von der Drehachse auf die Seite des längeren Hebelarms erstreckenden Führungsabschnitt aufweist, welcher in eine an diesem Hebelarm vorgesehene Gegenführung eingreift und den Türgriff wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abstützt;
2. der Klägerin unter Vorlage eines nach Kalenderjahren geordneten, vollständigen Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 20.02.1999 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse unter Aufschlüsselung nach Anlieferungsmengen und -zeiten, zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer unter Vorlage von Belegen in Form von Rechnungen;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, unter Vorlage von Belegen in Form von Rechnungen,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung zusätzlich der jeweiligen Domain, der Schaltungszeiträume sowie der Zugriffszahlen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei diese Angaben erst ab dem 15.01.2000 zu machen sind,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, auf ihre Kosten die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
3. die vorstehend unter Ziffer I. 1 bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und nach dem 29.04.2006 in der Bundesrepublik Deutschland Dritten angebotenen und/oder an Dritte in Verkehr gebrachten und/oder gebrauchten und/oder zu diesen Zwecken besessenen Kältegeräte aus den Vertriebswegen
zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Kältegeräten eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatentes EP 0 891 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Kältegeräte an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, oder indem den Kunden unter dem vorbezeichneten Hinweis angeboten wird, auf Kosten der Beklagten die Türgriffe der Kältegeräte auszutauschen,
und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Kältegeräte wieder an sich nimmt oder die Vernichtung der Türgriffe beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin für die zu Ziffer I. 1 bezeichneten, in der Zeit vom 20.02.1999 bis zum 14.01.2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1 bezeichneten, seit dem 15.01.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.904,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.05.2009 zu zahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 891 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 07.04.1997 in deutscher Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 29606XXX U vom 11.04.1996 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 20.01.1999. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 15.12.1999 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 597 00 XXX) ist in Kraft.
Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Kältegerät“. Sein Patentanspruch 1 lautet:
„Kältegerät (10) mit einer an seinem wärmeisolierenden Gehäuse (11) angeschlagenen Tür (14), an welcher ein drehbar gelagerter, als zweiarmiger Hebel ausgebildeter Türgriff (20) angeordnet ist, welcher einen längeren, als Handgriff zum Öffnen der Tür dienenden Hebelarm (21) und einen kürzeren, beim Betätigen des Handgriffs sich am Gehäuse abstützenden Hebelarm (22) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass an der Tür (14) ein Halteelement (50) lösbar festgesetzt ist, welches wenigstens einen sich von der Drehachse auf die Seite des längeren Hebelarms (21) erstreckenden Führungsabschnitt (51) aufweist, welcher in eine an diesem Hebelarm (21) vorgesehene Gegenführung (27) eingreift und den Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abstützt.“
Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wiedergegeben, welche ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung zeigen. In Figur 1 ist nach den Angaben in der Klagepatentbeschreibung ein Haushalts-Gefrierschrank mit einem an seiner geöffneten Tür angeordneten, als zweiarmiger Hebel ausgebildeten Türgriff dargestellt:
Figur 2 zeigt in einem gegenüber Figur 1 vergrößerten Ausschnitt die Tür im Bereich des Türgriffs in Seitenansicht von links, wobei dieser Ausschnitt in Figur 3 in einer Vorderansicht mit dem daran angeordneten Türgriff im Bereich seines zur Halterung an der Tür dienenden Halteelementes, teilweise aufgebrochen, abgebildet ist.
Die Beklagte, die auch einen Onlineshop betreibt, importiert Kühlgeräte nach Deutschland und verkauft diese bundesweit über verschiedene Ketten. Eines dieser Geräte wurde von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Düsseldorf erworben. Dessen Türgriff, wie er an der Tür eines Kältegerätes montiert ist, ist im Folgenden wiedergegeben, wobei in Bild 2 eine Abdeckung entfernt wurde.
Die Bilder 5 bis 8 zeigen den Türgriff in weiter demontiertem Zustand:
Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Sie hat die Beklagte erfolglos abgemahnt.
Die Klägerin beantragt mit der am 12.05.2009 zugestellten Klage,
zu erkennen wie geschehen, wobei die Klägerin ihren Antrag auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen nicht auf die Zeit nach dem 29.04.2006 beschränkt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Die angegriffene Ausführungsform weise bereits keinen an der Tür (14) drehbar gelagerten Türgriff (20) auf. Des Weiteren stütze sich der kürzere Hebelarm beim Betätigen des Handgriffs nicht am Gehäuse ab. Auch sei kein einen Führungsabschnitt (51) aufweisendes Halteelement (50), bei dem sich der Führungsabschnitt von der Drehachse auf die Seite des längeren Hebels erstrecke, vorhanden. Schließlich fehle es auch an einem Führungsabschnitt, der in eine am längeren Hebelarm (22) vorgesehene Gegenführung (27) eingreife und den Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abstütze.
Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
In Ergänzung dieses Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Der Klägerin stehen insoweit Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatzfeststellung, Entschädigung sowie Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 3, 140 b, 9 S. 2 Nr. 1 PatG, 242, 259 BGB, Art. II § 1 IntPatÜG i.V.m.
§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG (Enforcement-Richtlinie) zu.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Kältegerät mit einer an seinem wärmeisolierenden Gehäuse angeschlagenen Tür, an welcher ein drehbar gelagerter, als zweiarmiger Hebel ausgebildeter Türgriff angeordnet ist, welcher einen längeren, als Handgriff zum Öffnen der Tür dienenden Hebelarm sowie einen kürzeren, sich beim Betätigen des Handgriffs am Gehäuse abstützenden Hebelarm aufweist.
Nach der Beschreibung des Klagepatents ist man insbesondere bei mit großflächigen Türen ausgestatteten Gefriergeräten dazu übergegangen, die Türen zur Erleichterung des Öffnens mit Türöffnungshilfen auszustatten. Diese sind entweder als eine die Magnetdichtung der Türen partiell von dem als ihrem Anker dienenden Öffnungsrand des Gehäuses abhebende Mechanik oder als zweiarmiger Hebel ausgebildet, durch dessen längeren, als Handgriff dienenden Hebelarm die zum Öffnen der Tür aufzuwendende Kraft deutlich reduziert wird.
Als Stand der Technik erwähnt das Klagepatent neben der DE-U-9 313 XXX das deutsche Gebrauchsmuster 18 11 327, welches einen zweiarmigen Hebel offenbart, welcher drehbar an der Frontseite einer Isoliertür angeschlagen ist und dessen längerer Hebelarm als Handgriff dient, während der kürzere Hebelarm zum Öffnen der Tür entweder auf ein Abdrückgestänge oder auf einen Abdrückbeschlag einwirkt (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 12 – 30).
Der Erfindung liegt die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, aufbauend auf diesem Stand der Technik eine Befestigung für einen Türgriff eines Kältegerätes gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 vorzuschlagen, aufgrund welcher der Türgriff mit einfachen konstruktiven Mitteln an dem von einem dünnwandigen Gehäusemantel und darin eingefülltem Wärmeisolierungsmaterial gebildeten Türkorpus weitestgehend biegesteif gehalten ist.
Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination folgender Merkmale:
1. Kältegerät (1) mit
1.1. einer an seinem wärmeisolierenden Gehäuse (11) angeschlagenen Tür (14) und
1.2. einem Türgriff (20);
2. der Türgriff (20)
2.1. ist an der Tür (14) drehbar gelagert und
2.2. als zweiarmiger Hebel ausgebildet;
3. der Hebel weist
3.1. einen längeren Hebelarm (21) und
3.2. einen kürzeren Hebelarm (22) auf;
4. der längere Hebelarm dient als Handgriff zum Öffnen der Tür und
5. der kürzere Hebelarm (22) stützt sich beim Betätigen des Handgriffs am Gehäuse ab;
6. ein Halteelement (50)
6.1. ist lösbar an der Tür (14) festgesetzt und
6.2. weist einen Führungsabschnitt (51) auf, der sich von der Drehachse auf die Seite des längeren Hebelarms (21) erstreckt;
7. der Führungsabschnitt (51) greift in eine an dem längeren Hebelarm (21) vorgesehene Gegenführung (27) ein und stützt den Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig ab.
Durch die erfindungsgemäße Lösung wird somit für einen an einer wärmeisolierenden Tür eines Kältegerätes anzuordnenden zweiarmigen Türgriff eine Befestigungsmaßnahme geschaffen, durch welche zielgerichtet die am längeren, als Handgriff dienenden Hebelarm des Türgriffs vor allem bei dessen unbeabsichtigter, unsachgemäßer Betätigung ausgeübten Kräfte an das Halteelement in Form einer Flächenlast auf das Türgehäuse eingeleitet werden. Hierdurch wird eine nahezu punktuelle, gegebenenfalls an der Einleitungsstelle der Kraft hervorgerufene, gegebenenfalls die Funktionsfähigkeit beeinträchtigtende Deformation des Türgehäuses stets sicher über den gesamten Drehwinkel des Türgriffes vermieden. Darüber hinaus können mit Hilfe der Erfindung auch Schäden aufgrund einer punktuellen Überbeanspruchung vermieden werden. Schließlich eignet sich eine solche Lösung auch für einen einfachen und zeitsparenden Anschlagwechsel der Tür, da das lösbar festgesetzte Halteelement ohne großen Montageaufwand an der Losseite der Tür befestigt werden kann (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 48 – Sp. 2, Z. 8).
II.
Zurecht gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalsgruppen 1 und 3 sowie von den Merkmalen 2., 2.2., 4., 6. und 6.1. wortsinngemäß Gebrauch macht. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der angegriffenen Ausführungsform auch die übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 wortsinngemäß verwirklicht.
1.
Bei der angegriffenen Ausführungsform ist der Türgriff (20) an der Tür (14) drehbar gelagert (Merkmal 2.1.).
Dem steht nicht entgegen, dass dort der Türgriff nicht unmittelbar, z. B. mittels einer Schraube, an der Tür drehbar befestigt ist, sondern ein „Zwischenstück“ in Form des weißen Kunststoffbauteils Verwendung findet.
Bereits nach dem Anspruchswortlaut kommt es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht darauf an, ob der Türgriff mittels einer Schraube oder einer sonstigen Befestigungseinrichtung unmittelbar an der Tür angebracht ist. Eine unmittelbare Drehlagerung des Griffs in der Tür verlangt Patentanspruch 1 nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass der Türgriff drehbar an der Tür gelagert ist, so dass mit diesem aufgrund dessen Ausgestaltung als zweiarmiger Hebel die Tür leichter geöffnet werden kann (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 15 – 30). Entsprechend spricht die Patentbeschreibung auch lediglich allgemein von einer Drehachse (vgl. insbesondere Anlage K 1, Sp. 1, Z. 48 – Sp. 2, Z. 38; vgl. auch Unteransprüche 2, 3 und 7).
Soweit sich die Beklagte demgegenüber darauf beruft, patentgemäß müsse der Türgriff bereits deshalb mittels einer die Drehachse bildenden Passschraube (61) unmittelbar an der Tür gelagert sein, weil nur bei einer derartigen unmittelbaren Lagerung des Türgriffs an der Tür überhaupt die durch das Klagepatent als am Stand der Technik als nachteilig bezeichnete punktuelle Überbeanspruchung stattfinden könne, bietet die Klagepatentschrift hierfür keinen Anhaltspunkt. Zwar spricht die Klagepatentbeschreibung davon, dass mit Hilfe der Erfindung eine nahezu punktuelle, gegebenenfalls an der Einleitungsstelle der Kraft hervorgerufene, die Funktionsfähigkeit beeinträchtigende Deformation des Türgehäuses stets und sicher über den gesamten Drehwinkel des Türgriffes vermieden wird. Dass diese punktuelle Krafteinleitung jedoch zwingend über eine unmittelbar an der Tür angebrachte und als Drehachse dienende Passschraube eingeleitet werden muss, folgt daraus nicht. Vielmehr findet, worauf die Klägerin zurecht hingewiesen hat, die in der Klagepatentschrift angesprochene „punktuelle Belastung“ überall dort statt, wo nur punktförmige Verbindungen ausgebildet sind. Entsprechend sind die erfindungsgemäßen Wirkungen auch im Hinblick auf das Zwischenstück relevant.
2.
Der kürzere Hebelarm (22) stützt sich bei der angegriffenen Ausführungsform beim Betätigen des Handgriffs am Gehäuse ab (Merkmal 5).
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der kürzere Hebelarm des Türgriffs gegen einen in den als Anlage K 4 vorgelegten Abbildungen mit (35, 36) bezeichneten schwenkbaren Hebel drückt, an welchem sodann ein Abdrücknocken angeordnet ist, so dass die Schwenkbewegung des kürzeren Hebelarms in eine entgegen gerichtete Schwenkbewegung des weiteren Hebels (35, 36) übersetzt und dabei verstärkt wird.
Merkmal 5 fordert bereits nach seinem Wortlaut nicht, dass sich der kürzere Hebelarm (22) beim Betätigen des Handgriffs unmittelbar am Gehäuse abstützt, so dass für ein erfindungsgemäßes Abstützen auch eine (mittelbare) kraftschlüssige Verbindung ausreichend sein kann. Eine Bestätigung dieser Auslegung erhält der Fachmann in der Patentbeschreibung. Das Klagepatent geht von einem Stand der Technik aus, nach welchem der kürzere Hebelarm zum Öffnen der Tür entweder auf ein Abdrückgestänge oder auf einen Abdrückbeschlag einwirkt (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 24 – 30). Auf diesem Stand der Technik baut das Klagepatent auf, indem die bekannte Lösung derart weiterentwickelt werden soll, dass der Türgriff mit einfachen konstruktiven Mitteln an dem von einem dünnwandigen Gehäusemantel und darin eingefülltem Wärmeisolationsmaterial gebildeten Türkorpus weitestgehend biegesteif gehalten wird (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 31 – 38). Dies soll dadurch geschehen, dass das Halteelement wenigstens einen sich von der Drehachse des Türgriffs auf die Seite des längeren Hebelarms erstreckenden Führungsabschnitt aufweist, welcher in eine an diesem Hebelarm vorgesehene Gegenführung eingreift und den Türgriff wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abstützt (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 41 – 47). Anhaltspunkte dafür, dass sich der kürzere Hebelarm (22) nunmehr bei Betätigung des Handgriffs unmittelbar am Gehäuse abstützen muss, erhält der Fachmann aus der Patentbeschreibung demgegenüber nicht. Vielmehr ist auch in dem insbesondere in Figur 5 vorgesehenen besonderen Ausführungsbeispiel – wie aus dem Stand der Technik bekannt – vorgesehen, den Abdrücknocken (35) als selbstständiges Bauteil auszugestalten (vgl. Anlage K 1, Sp. 6, Z. 34 – 37). Auch daraus erkennt der Fachmann, dass der kürzere Hebelarm patentgemäß nicht zwingend derart einstückig ausgebildet sein muss, dass er sich unmittelbar beim Betätigen des Handgriffs am Gehäuse abstützt.
3.
Die angegriffene Ausführungsform weist ein mit einem sich von der Drehachse auf die Seite des längeren Hebelarms (21) erstreckenden Führungsabschnitt ausgestattetes Halteelement auf (Merkmale 6. und 6.2.).
Erfindungsgemäß dient der Führungsabschnitt dazu, eine punktuelle Kraftübertragung von (insbesondere seitlichen) Kräften auf die Drehlagerung zu verhindern, indem aufgrund der Führung die Kräfte in Form einer Flächenlast in das Türgehäuse eingeleitet werden (vgl. Anlage K 1, Abschnitte [0005] und [0007] sowie Merkmal 7).
Ein derartiger Führungsabschnitt ist bei der angegriffenen Ausführungsform in Gestalt der (zumindest auch) auf der Seite des längeren Hebelarms angeordneten Fläche des weißen Kunststoffbauteils vorhanden. Bei der angegriffenen Ausführungsform greift ein – um die Drehachse gebildeter – kreisrunder Vorsprung bzw. Zapfen des weißen Kunststoffbauteils in eine entsprechende kreisrunde Ausnehmung des längeren Hebelarms ein (vgl. Anlage K 4, Abbildungen 5 und 7). Dieses Eingreifen erlaubt es bei der gebotenen technischen Betrachtung nicht nur, den Hebelarm entlang der Drehachse zu führen, sondern fixiert den Hebelarm auch in der Weise, dass die Fläche des weißen Kunststoffbauteils als Führungsfläche dienen kann. Die entsprechende Gestaltung mit Führungsflächen, die durch den kreisrunden Zapfen und die sich anschließenden rechtwinklig versetzten Flächen gebildet werden, lässt sich somit als Führungsabschnitt des Halteelements begreifen, der mit den entsprechenden Gegenführungsflächen des Hebelarms zusammenwirkt, wodurch wenigstens annähernd über den Bereich des Drehwinkels ein Kippschutz in Richtung der Drehachse gewährleistet wird.
Dass der metallische Abschnitt darüber hinaus auch auf der Seite des kürzeren Hebelarms auf dem Kunststoffbauteil aufliegt, führt aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus. Vielmehr bezeichnet die Klagepatentbeschreibung eine Ausführungsform, bei der am Türgriff neben der am längeren Hebelarm vorgesehenen Gegenführung am kurzen Hebelarm eine weitere Gegenführung vorgesehen ist, die mit einem weiteren Führungsabschnitt am Halteelement in Richtung der Drehachse des Türgriffs formschlüssig zusammenwirkt, sogar als vorteilhaft (vgl. Anlage K 1, Sp. 2, Z. 30 – 38).
4.
Der bei der angegriffenen Ausführungsform am weißen Kunststoffbauteil ausgebildete Führungsabschnitt (51) greift in eine an dem längeren Hebelarm (21) vorgesehene Gegenführung (27) ein und stützt den Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung der Drehachse formschlüssig ab (Merkmal 7).
Zwar liegt der metallische Abschnitt des längeren Hebelarms bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich auf dem weißen Kunststoffbauteil auf, so dass der Führungsabschnitt (51) nicht in eine Gegenführung (21) eintaucht. Ein derartiges „Eintauchen“ ist für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents jedoch auch nicht erforderlich. Für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre reicht es vielmehr aus, dass der Führungsabschnitt (51) in eine am längeren Hebelarm (21) vorgesehene Gegenführung (27) eingreift und den Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abstützt. Soweit die Klagepatentschrift demgegenüber von einem „Eintauchen“ spricht (vgl. insbesondere Unteransprüche 2 und 3 sowie Anlage K 1, Sp. 2, Z. 9 – 17 sowie Sp. 8, Z. 28 – 31), handelt es sich dabei lediglich um bevorzugte Ausführungsbeispiele.
Somit ist der Begriff des „Eingreifens“ vor allem an seiner Funktion orientiert auszulegen, wie sie in Merkmal 7 selbst und insbesondere auch in Abschnitt [0005] zum Ausdruck kommt. Wie der Fachmann der Wirkungsangabe in Merkmal 7 entnimmt, soll durch das Eingreifen des Führungsabschnitts (51) in die am längeren Hebelarm vorgesehene Gegenführung (27) der Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abgestützt werden. Dadurch soll eine punktuelle Überbeanspruchung des Türgehäuses bei unsachgemäßer Betätigung des Türgriffs vermieden werden, indem die ausgeübten Kräfte an das Halteelement in Form einer Flächenlast auf das Türgehäuse eingeleitet werden (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 48 – Sp. 2, Z. 8).
Dies wird bei der angegriffenen Ausführungsform durch ein Zusammenwirken der Fläche des weißen Kunststoffbauteils (Führungsabschnitt) mit dem metallischen Abschnitt des längeren Hebelarms (Gegenführung) erreicht. Dem steht nicht entgegen, dass das weiße Kunststoffbauteil den längeren Hebelarm nicht auch in Richtung der Metallplatte formschlüssig abschließt. Wie sowohl aus der Abbildung 6 der Anlage K 4, als auch an der als Anlage K 5 vorgelegten angegriffenen Ausführungsform zu erkennen ist, liegt der metallene Abschnitt zumindest auch im Bereich des längeren Hebelarms vollständig auf der Kunststoffplatte auf. Dabei ist der Hebelarm nicht nur mittels des kreisrunden Vorsprungs bzw. Zapfens des weißen Kunststoffbauteils derart an diesem fixiert, dass das Kunststoffbauteil den Hebelarm über dessen als Gegenfläche fungierenden metallischen Abschnitt entlang der Drehachse führen kann. Vielmehr wird darüber hinaus auch mittels der dem Kunststoffbauteil gegenüberliegenden Metallplatte sichergestellt, dass der Führungsabschnitt und die Gegenführung stets in Eingriff stehen. Bereits durch dieses dauerhafte Zusammenwirken des weißen Kunststoffbauteils (Führungsabschnitt) mit dem metallischen Abschnitt des längeren Hebelarms (Gegenführung) ist gewährleistet, dass der Türgriff (20) wenigstens annähernd über den Bereich seines Drehwinkels in Richtung seiner Drehachse formschlüssig abgestützt wird.
Entgegen der (auch) in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Beklagten wird Merkmal 7 durch die vorgenannte Betrachtung nicht in unzulässiger Weise auf die Erfüllung der erfindungsgemäßen Funktion des formschlüssigen Abstützens reduziert. Denn zum Führungsabschnitt gehört auch der kreisrunde Vorsprung bzw. Zapfen des weißen Kunststoffbauteils, welcher in die kreisrunde Materialausnehmung des längeren Hebelarms in gegenständlicher Form eingreift.
III.
Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen.
1.
Die Beklagte macht durch die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet ist (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG).
2.
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜG im zuerkannten Umfang eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).
4.
Ferner hat die Klägerin im zuerkannten Umfang gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf und Entfernung der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen. Während sich dieser Anspruch für die Zeit ab Umsetzung der Enforcement-Richtlinie am 01.09.2008 unmittelbar aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 3 PatG ergibt, steht der Klägerin ein solcher Anspruch für die Zeit vor dem 01.09.2008 aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie zu, wobei der Anspruch auf die Zeit nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Enforcement-Richtlinie beschränkt ist. Nach Art. 10 der Enforcement-Richtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen (vgl. dazu auch Hoge Raad, GRUR-Int. 2008, 955, 958 – De Endstra-Tapes). Darunter lässt sich der Rückruf patentverletzender Ware und ihre endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen subsumieren. Entsprechend sieht Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 3 PatG in Umsetzung der Enforcement-Richtlinie einen Anspruch auf Rückruf und Entfernung patentverletzender Erzeugnisse aus den Vertriebswegen vor. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs sowie der endgültigen Entfernung aus den Vertriebswegen im Sinne von Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 4 PatG sind nicht ersichtlich.
4.
Schließlich kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten sowohl aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG, als auch aus §§ 683 S. 1, 670 BGB analog verlangen, wobei der zu erstattende Betrag gemäß §§ 291 S. 1 und 2, 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 S. 1, 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 300.000,- EUR festgesetzt.