4a O 206/08 – Künstliches Kniegelenk II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1190

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Juni 2009, Az. 4a O 206/08

Rechtsmittelinstanz: 2 U 95/09

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents 42 02 xxx C1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, Vernichtung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 31.01.1992 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 11.12.1991 von den Herren A, B und C angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 17.06.1993 veröffentlicht. Am 01.08.2000 wurde als alleinige Inhaberin des Klagepatents die Klägerin, damals noch firmierend unter D GmbH, im Patentregister eingetragen. Das Patent steht in Kraft.

Das Klagepatent bezieht sich auf ein künstliches Gelenk. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

1. Künstliches Gelenk, insbesondere Endoprothese für das menschliche Kniegelenk, bestehend aus mindestens zwei zueinander sich bewegenden Gelenkteilen (1, 2; 8, 9), einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne mit toroidförmigen Gelenkflächen (4, 5; 11, 12), die in zueinander senkrechten Ebenen – einer Längsebene und einer Querebene – unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen, wobei die Krümmungsverhältnisse der Funktionsflächen in jeder der Ebenen entweder konvex-konvex, konvex-konkav oder konkav-konkav sind, und die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen (dimere Gelenkkette) bestimmt ist, die durch die Rotationszentren (M1, M2, M11, M22; M8, M9, M81, M91) der Funktionsflächen mit den Radien R1, R2, R11, R22; R8, R9, R81, R91 der jeweils zugehörigen Schnittkonturen laufen.

Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 3, 5, 6, 8 und 9 wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K10) verwiesen.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 6 und 7 zeigen jeweils einen Schnitt in der Längsebene (Figur 6) beziehungsweise Querebene (Figur 7) durch ein erfindungsgemäßes Gelenk. Die Anordnung eines rechten menschlichen Knies im Längsschnitt ist in Figur 5 abgebildet.

Die Beklagte vertreibt Knieprothesen in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „E“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform besteht aus einem femoralen Gelenkteil mit zwei Gelenkköpfen und einem tibialen Gelenkteil mit zwei Gelenkflächen. Die Gelenkköpfe des femoralen Gelenkteils und die beiden tibialen Gelenkflächen sind gekrümmt. Sowohl im Frontalschnitt als auch im Sagittalschnitt dieser Flächen ergeben sich jeweils Schnittkonturen der Flächen, die aus Kreissegmenten mit verschiedenen Radien zusammengesetzt sind. Die folgenden Abbildungen zeigen eine angegriffene Ausführungsform und verschiedene Perspektiv- und Schnittansichten der einzelnen Gelenkteile, die von der Beklagten angefertigt und beschriftet wurden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Der Klagepatentanspruch schließe nicht aus, dass jedes Gelenkteil mehrere verschiedene toroidförmige Gelenkflächen und – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – in einer Ebene verschiedene Funktionsflächen aufweise. Denn eine Funktionsfläche sei lediglich auf den Bereich um den jeweiligen Kontaktpunkt zwischen zwei Gelenkteilen beschränkt. Es genüge, dass jede einzelne Funktionsfläche eine kreisförmige Schnittkontur habe und dadurch die jeweilige Gelenkfläche toroidförmig gestaltet sei. Damit grenze sich das Klagepatent von den aus dem Stand der Technik bekannten sphärischen Flächen ab, ohne dass ein streng mathematischer Torus gemeint sei. Durch jede einzelne Funktionsfläche werde auch ein Rotationszentrum definiert, so dass bei sich kontaktierenden Gelenkteilen immer eine eindeutige Gelenkkette mit genau zwei Rotationszentren bestehe. Abgesehen davon werde die Lehre des Klagepatentanspruchs jedenfalls mit äquivalenten Mitteln verwirklicht. Gelenkflächen, die so gestaltet seien wie bei der angegriffenen Ausführungsform, würden die Aufgabe des Klagepatents, die Bewegungsfreiheit auf eine Gelenkebene zu reduzieren unter Beibehaltung der mechanischen Stabilität, ebenso lösen wie Gelenkflächen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs.

Die Klägerin beantragt,

A. die Beklagte zu verurteilen,

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
1. künstliche Gelenke, insbesondere Endoprothesen für das menschliche Kniegelenk,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn die künstlichen Gelenke aus mindestens zwei zueinander sich bewegenden Gelenkteilen, einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne bestehen, mit toroidförmigen Gelenkflächen, die in zueinander senkrechten Ebenen – einer Längsebene und einer Querebene – unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen, wobei die Krümmungsverhältnisse der Funktionsflächen in jeder der Ebenen entweder konvex-konvex, konvex-konkav oder konkav-konkav sind, und die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen (dimere Gelenkkette) bestimmt ist, die durch die Rotationszentren der Funktionsflächen mit den Radien der jeweils zugehörigen Schnittkonturen verlaufen;
hilfsweise
2. künstliche Gelenke, insbesondere Endoprothesen für das menschliche Kniegelenk,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn die künstlichen Gelenke aus mindestens zwei zueinander sich bewegenden Gelenkteilen, einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne bestehen, mit jeweils einer oder mehreren toroidförmigen Gelenkflächen, die in zueinander senkrechten Ebenen – einer Längsebene und einer Querebene – unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende eine oder mehrere Funktionsflächen besitzen, wobei die Krümmungsverhältnisse der Funktionsflächen in jeder der Ebenen entweder konvex-konvex, konvex-konkav oder konkav-konkav sind, und die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen (dimere Gelenkkette) bestimmt ist, die durch die Rotationszentren der Funktionsflächen mit den Radien der jeweils zugehörigen Schnittkonturen verlaufen;

II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, hinsichtlich der Angaben zu 1.-2. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu A I. bezeichneten und seit dem 01.08.2000 begangen hat, und zwar unter Angabe,
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, der Namen und Anschriften der Empfänger,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

III. die vorstehend zu A I. bezeichneten, seit dem 29.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen
zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 42 02 xxx C1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und
endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.

B festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu A I. bezeichneten und seit dem 01.08.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

C die Beklagte zu verurteilen, die seit dem 01.08.2000 in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu A I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Beklagten abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte ist der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht verletzt. Unter dem Begriff „toroidförmig“ sei die Form eines Torus zu verstehen. Die Gelenkflächen der angegriffenen Ausführungsform seien jedoch nicht toroidförmig gestaltet. Es handele sich vielmehr um komplexe Kurven, weil die Funktionsflächen in jeder einzelnen Ebene unterschiedliche Radien aufwiesen. Dementsprechend habe jedes Gelenk zu jedem Abschnitt der verschiedenen Funktionsflächen verschiedene Rotationszentren mit verschiedenen Gelenkachsen und damit auch verschiedene Gelenkketten. Der Klagepatentanspruch sehe hingegen nur eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen vor.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, Vernichtung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB, da die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch macht.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 ein künstliches Gelenk, insbesondere eine Endoprothesse für das menschliche Kniegelenk. In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass aus der deutschen Patentanmeldung 39 08 958.4 bereits ein künstliches Gelenk bekannt ist, bestehend aus mindestens zwei Gelenkteilen mit zueinander sich bewegenden sphärischen Funktionsflächen. Dabei weisen die Funktionsflächen eine kreisförmige Schnittkontur auf und ihre Krümmungsverhältnisse zueinander sind konvex-konvex, konvex-konkav oder konkav-konkav. Die Gelenkgeometrie wird durch eine dimere Gelenkkette, also eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen, bestimmt, die durch die Rotationszentren der Funktionsflächen verlaufen. Da die Gelenkflächen kugelförmig ausgebildet sind, ist eine Gelenkbewegung laut Klagepatentschrift mit fünf Freiheitsgraden möglich. An diesem künstlichen Gelenk wird in der Klagepatentschrift als nachteilig angesehen, dass es nicht geeignet sei, die speziellen Gelenkfunktionen des menschlichen Kniegelenks exakt nachzubilden.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu Grunde, ein künstliches Gelenk zu schaffen, das eine Bewegungsfreiheit nur in einer Gelenkebene besitzt und das gleichzeitig eine hohe mechanische Stabilität mit einer großen Variationsbreite zur Anpassung an individuelle Gegebenheiten aufweist. Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

Künstliches Gelenk, insbesondere Endoprothese für das menschliche Kniegelenk, bestehend aus
1. mindestens zwei zueinander sich bewegenden Gelenkteilen (1, 2; 8, 9), einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne
2. mit toroidförmigen Gelenkflächen (4, 5; 11, 12),
2.1 die in zueinander senkrechten Ebenen – einer Längsebene und einer Querebene – unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen,
2.2 wobei die Krümmungsverhältnisse der Funktionsflächen in jeder der Ebenen entweder
2.2.1 konvex-konvex,
2.2.2 konvex-konkav oder
2.2.3 konkav-konkav sind,
2.3 und die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen (dimere Gelenkkette) bestimmt ist,
2.4 die durch die Rotationszentren (M1, M2, M11, M22; M8, M9, M81, M91) der Funktionsflächen mit den Radien R1, R2, R11, R22; R8, R9, R81, R91 der jeweils zugehörigen Schnittkonturen laufen.

II.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 2, 2.1 und 2.3 der vorstehenden Merkmalsgliederung verwirklicht. In dieser Hinsicht bedarf der Klagepatentanspruch der Auslegung. Vor dem Hintergrund des Auslegungsergebnisses macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs weder wortsinngemäß, noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Sie weist keine toroidförmigen Gelenkflächen auf, die in zueinander senkrechten Ebenen unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen. (Merkmal 2 und 2.1). Infolgedessen wird bei dem beanstandeten Kniegelenk die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander auch nicht in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen bestimmt (Merkmal 2.3).

1. Die Auslegung des Klagepatentanspruchs hat vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs auszugehen, wobei gemäß § 14 PatG die Beschreibung und die Zeichnungen der Klagepatentschrift zur Auslegung heranzuziehen sind. Wie aus dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ – dessen Grundsätze entsprechend auch für die Auslegung deutscher Patente gelten – hervorgeht, dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Durchschnittsfachmanns (BGHZ 105, 1 (11) – Ionenanlyse).

a) Das künstliche Gelenk nach dem Klagepatentanspruch 1 besteht aus mindestens zwei Gelenkteilen, einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne. Die Gelenkteile besitzen jeweils toroidförmige Gelenkflächen.

aa) Bei einem Gelenk handelt es sich um die bewegliche Verbindung zwischen mindestens zwei Bauteilen, in dem hier maßgeblichen Bereich der Anatomie zwischen zwei oder mehr Knochen. Daher wird der Fachmann ausgehend vom Wortlaut, aber auch unter funktionalen Gesichtspunkten unter einer Gelenkfläche jedenfalls die Fläche eines Gelenkteils (Gelenkkopf oder Gelenkpfanne) verstehen, die bei einer Bewegung des Gelenks mit der Gelenkfläche eines anderen Gelenkteils in Kontakt kommen kann. Damit beschreibt die Gelenkfläche genau die Fläche eines Gelenkteils, über die die bewegliche Verbindung zwischen den beiden Gelenkteilen erfolgt, mithin das Gelenk seine Funktion erfüllt. Die Fläche, entlang der die Bewegung zwischen den Gelenkteilen abläuft, stellt die Gelenkfläche des jeweiligen Gelenkteils dar. Aus der Pluralform „Gelenkflächen“ im Wortlaut des Klagepatentanspruchs folgt nicht, dass ein Gelenkteil verschiedene Gelenkflächen aufweisen kann. Sie ist vielmehr allein dem Umstand geschuldet, dass im Merkmal 1 und 2 mehrere Gelenkteile zugleich beschrieben werden. Im Übrigen ergibt sich dieses Verständnis des Begriffs „Gelenkfläche“ auch aus der Beschreibung des Klagepatents. Demnach ersetzen die jeweils toroidförmigen Gelenkflächen „die Gelenkbahnen des menschlichen Kniegelenks“ (Sp. 1 Z. 62-67; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K 10). Das Klagepatent geht demnach von der Betrachtung der gesamten (toroidförmig gestalteten) Gelenkbahn aus, und nicht nur – wie die Klägerin meint – von einzelnen Abschnitten oder Kontaktpunkten. Dementsprechend weisen auch die in den Figuren der Klagepatentschrift dargestellten Gelenkteile jeweils nur eine Gelenkfläche auf (beispielsweise Sp. 4 Z. 2-4 zur Figur 1 und 6; Sp. 5 Z. 13-18 zur Figur 3 und 8; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K1).

bb) Die Gelenkflächen sind nach der Lehre des Klagepatentanspruchs toroidförmig. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es nicht, dass die Gelenkflächen lediglich aus jeweils toroidförmigen Abschnitten bestehen. Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs muss die gesamte Gelenkfläche toroidförmig sein. Der Begriff „toroidförmig“ ist dabei als „in der Form eines Torus“ zu verstehen. Ein Torus im herkömmlichen geometrischen Sinne ist ein Gebilde, das dadurch entsteht, dass ein Kreis entlang einer weiteren Kreisbahn verschoben wird. Es versteht sich von selbst, dass eine Gelenkfläche nicht als vollständiger Torus ausgebildet sein kann. Allerdings muss die gesamte Gelenkfläche zumindest ein Segment aus der Oberfläche eines Torus darstellen. Die weiteren Anweisungen des Klagepatentanspruchs und die Beschreibung des Klagepatents zeigen, dass „toroidförmiger“ nach der Lehre des Klagepatentanspruchs die Form eines Torus in dem soeben definierten herkömmlichen geometrischen Sinne meint und infolgedessen die Gelenkflächen die Form eines (Segments eines) solchen Torus aufweisen sollen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Begriff „toroidförmiger Körper“ sei nicht streng mathematisch zu verstehen. Abgesehen davon umfasse der Begriff des Torus auch elliptische Formen, insbesondere Ellipsoide, wie sie in dem Aufsatz „Geometrie der Facies articularis superior tibiae und Drehbewegung des Knies“ von Peretti et al. (Anlage K 17a) dargestellt sind, oder sich verjüngende oder gar sternartige Formen, wie sie in dem Lehrbuch „Räumliche Kurven und Flächen in phänomenologischer Behandlung“ von Kroll (Anlag K 18) abgebildet sind. Daher sei es ausreichend, dass die Flächensegmente im Gegensatz zu sphärisch gekrümmten Flächen in unterschiedliche Richtungen verschieden stark gekrümmt seien und lediglich einem Segment eines Torus ähneln. Diese Ansicht greift nicht durch. Mit Blick auf die weiteren Anweisungen des Klagepatentanspruchs und die Beschreibung des Klagepatents wird deutlich, dass der Begriff „toroidförmig“ im strengen geometrischen Sinne zu verstehen ist. Der Fachmann erhält weder aus dem Klagepatentanspruch, noch aus der Beschreibung des Klagepatents einen Anhaltspunkt dafür, eine Gelenkfläche in beliebig viele Abschnitte zu unterteilen, die jeweils unterschiedlich gekrümmt sein können. Vor allem gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich das Verständnis des Begriffs „toroidförmig“ an der Form des menschlichen Knies orientieren sollte. Daher ist weder der Verweis auf das in der mündlichen Verhandlung überreichte Modell eines Kniegelenks beachtlich, noch die geometrischen Annäherungen an die Form des menschlichen Knies, wie sie in dem Aufsatz „Geometrie der Facies articularis superior tibiae und Drehbewegung des Knies“ von Peretti et al. (Anlage K 17a) beschrieben werden. Denn die Beschreibung des Klagepatents erklärt ausdrücklich, dass die Gelenkbahnen des menschlichen Kniegelenks durch jeweils toroidförmige Flächen ersetzt werden können (Sp. 1 Z. 62-67). Das Klagepatent geht also selbst nicht davon aus, dass die komplexe Form der Gelenkbahnen eines menschlichen Kniegelenks als toroidförmig anzusehen ist. Mit der Form eines Torus hätte eine solche beliebige Gestaltung nicht annähernd mehr etwas zu tun. Der Begriff „toroidförmig“ würde damit der Beliebigkeit preisgegeben.

b) Die Gelenkflächen sollen nach der Lehre des Klagepatentanspruchs weiterhin in zueinander senkrechten Ebenen, einer Längsebene und einer Querebene, unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen (Merkmal 2.1). Daraus folgt, dass die Gelenkfläche eines jeden Gelenkteils zwei Funktionsflächen aufweisen soll, nämlich eine in der Längsebene und eine in der Querebene. Die Auffassung der Klägerin, mit den Funktionsflächen seien lediglich die engeren Bereiche um den Kontaktpunkt der beiden Gelenkteile gemeint, findet im Klagepatentanspruch und in der Beschreibung des Klagepatents keine Stütze.

Der Klagepatentanspruch sieht vor, dass die Funktionsflächen bestimmte Eigenschaften aufweisen müssen. Aus diesen lässt sich ableiten, dass für eine Funktionsfläche die Oberfläche der Gelenkfläche in eine Bewegungsrichtung des Gelenks – längs beziehungsweise quer – zu betrachten ist. Bereits dies spricht dafür, dass eine Gelenkfläche in jede Bewegungsrichtung nur eine Funktionsfläche aufweist.

aa) Die Funktionsflächen haben eine bestimmte Form, die jeweils durch ihre Schnittkontur beschrieben wird. Die Schnittkontur der Funktionsfläche ergibt sich dabei aus einem Schnitt entlang der Ebene längs (beziehungsweise quer) durch eine Gelenkfläche. Das Klagepatent betrachtet dabei einen Schnitt durch das gesamte Gelenkteil. Dies korrespondiert mit der durch die toroidförmigen Gelenkflächen verbundenen Wirkung, dass sich eine Bewegungsfreiheit nur in einer der Ebenen, vorzugsweise in der Längsebene ergibt, wohingegen in der dazu senkrechten Querebene eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit vorhanden ist (Sp. 1 Z. 57-62). Mit diesen beiden Ebenen werden genau die Ebenen angesprochen, über die nach dem Klagepatentanspruch die für die Funktionsflächen maßgeblichen Schnittkonturen definiert werden. Dabei liegt dem Klagepatent die Vorstellung zugrunde, dass jede Ebene nur eine Schnittkontur aufweist. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der „Schnittkontur“, der sich auf die durch eine Schnittebene in Längs- oder Querrichtung erzeugte Kontur der Gelenkfläche bezieht. Darüberhinaus soll die sich in jeder Ebene ergebende Schnittkontur kreisförmig sein. Da die Gelenkflächen nach dem Merkmal 2.1 in zueinander senkrechten Ebenen unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisende Funktionsflächen besitzen sollen, folgt daraus zwangsläufig, dass sich die kreisförmigen Schnittkonturen der beiden Funktionsflächen lediglich hinsichtlich ihres Radius unterscheiden.

bb) Das Erfordernis, die Funktionsfläche in der jeweiligen Längs- oder Querebene mit einer kreisförmigen Schnittkontur auszuführen, knüpft an den Begriff „toroidförmig“ an. Indem die Funktionsflächen in beiden Ebenen eine kreisförmige Kontur, aber unterschiedliche Radien untereinander aufweisen, entspricht die jeweilige Gelenkfläche genau einem Torus im geometrischen Sinne. Bei einem Schnitt durch einen Torus in Längs- oder Querrichtung ergeben sich Schnittkonturen, wie sie dem Verständnis des Merkmals 2.1 entsprechen. Das Merkmal 2.1 wäre hingegen sinnentleert, wenn die Schnittkontur in einer Ebene in beliebig viele kreisförmige Abschnitte mit unterschiedlichen Radien untereinander unterteilt werden könnte. Dies würde dazu führen, dass die Gelenkflächen nicht mehr toroidförmig sind, sondern eine beliebige, zum Beispiel eine elliptische Form annehmen. Insofern ist „toroidförmig“ ein geometrischer Begriff, der eine höhere Genauigkeit besitzt, als andere, einen technischen Sachverhalt nur verbal umschreibende Begriffe der Allgemeinsprache.

cc) Die Klägerin geht davon aus, dass eine Gelenkfläche mehrere Funktionsflächen in einer Ebene mit unterschiedlichen Radien aufweisen könne. Die Funktionsfläche werde dabei durch den jeweils aktuellen Kontaktpunkt der Gelenkteile und den engeren Bereich um diesen Kontaktpunkt gebildet. Abgesehen davon, dass für ein solches Verständnis des Begriffs Funktionsfläche keine Anhaltspunkte in der Klagepatentschrift vorhanden sind, widerspricht es auch dem Erfordernis einer kreisförmigen Schnittkontur. Befindet sich der Kontaktpunkt der Gelenkteile nämlich in einem Bereich mit unterschiedlichen Krümmungsradien, ist die nach der Ansicht der Klägerin zu definierende Funktionsfläche als Bereich um den Kontaktpunkt nicht mehr kreisförmig und infolgedessen die Gelenkfläche nicht mehr toroidförmig.

dd) Die hier vorgenommene Auslegung steht im Einklang mit den Erfordernissen, die an die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen gestellt werden. Nach dem Merkmal 2.3 des Klagepatentanspruchs wird die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander in jeder der beiden Ebenen durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen bestimmt. Es ist also die Gelenkkette mit den Gelenkachsen, die die Gelenkgeometrie bestimmt und nicht umgekehrt. Dabei geht der Klagepatentanspruch nach seinem Wortlaut davon aus, dass in jeder der beiden Ebenen eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen besteht. Da die Gelenkachsen jeweils durch die Rotationszentren der Funktionsflächen mit den Radien der jeweils zugehörigen Schnittkonturen verlaufen sollen, kann in jeder Ebene nur eine Funktionsfläche mit einer kreisförmigen Schnittkontur mit einem einheitlichen Radius bestehen. Andernfalls wiese jedes Gelenkteil mehrere Rotationszentren und damit auch mehrere Gelenkachsen auf, was technisch möglich, nach der Lehre des Klagepatentanspruchs jedoch nicht gewollt ist.

Dies wird auch durch die Beschreibung des Standes der Technik in der Klagepatentschrift bestätigt. Die darin aufgeführte Patentanmeldung DE 39 08 958.4 beschreibt ebenfalls ein künstliches Gelenk mit Gelenkteilen, deren Gelenkflächen Funktionsflächen mit kreisförmigen Schnittkonturen aufweisen (Sp. 1 Z. 8 ff). Zu deren Funktionsflächen wird nahezu wortgleich mit dem Klagepatentanspruch ausgeführt, „die Gelenkgeometrie ist durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen (dimere Gelenkkette) bestimmt, die durch die Rotationszentren der Funktionsflächen verlaufen“ (Sp. 1 Z. 16-19). Da aber die Gelenkflächen kugelförmig sind und sphärische Funktionsflächen mit kreisförmigen Schnittkonturen aufweisen, besitzt das Gelenk genau eine Gelenkkette mit insgesamt nur zwei Gelenkachsen. Diese aus dem Stand der Technik bekannte Gestaltung übernimmt das Klagepatent. Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs soll auch das erfindungsgemäße Gelenk eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen aufweisen. Dann kann aber jede Gelenkfläche in jeder Ebene auch nur eine Funktionsfläche mit einer kreisförmigen Schnittkontur aufweisen.

c) Über die Funktionsflächen erfolgt zugleich die Abgrenzung von den aus dem Stand der Technik bekannten künstlichen Gelenken. Anders als im Stand der Technik unterscheiden sich die Radien der Funktionsflächen erfindungsgemäßer Gelenke in den beiden Ebenen. Im Übrigen ist die konstruktive Gestaltung jedoch gleich.

aa) Für das aus der Patentanmeldung DE 39 08 958.4 bekannte künstliche Gelenk ist bereits ausgeführt worden, dass die Gelenkflächen der Gelenkteile Funktionsflächen mit kreisförmigen Schnittkonturen aufweisen (Sp. 1 Z. 8 ff). Allerdings besteht dieses Gelenk aus mindestens zwei Gelenkteilen mit zueinander sich bewegenden sphärischen Funktionsflächen (Sp. 1 Z. 12). Die Gelenkflächen dieser Gelenkteile sind kugelförmig (Sp. 1 Z. 19). Infolgedessen haben die Schnittkonturen nicht nur in den einzelnen Ebenen, sondern auch untereinander die gleiche Kreisform. Dadurch unterscheidet sich das in der DE 39 08 958 A1 beschriebene Gelenk von der Lehre des Klagepatentanspruchs. Im Übrigen werden für das patentgemäße Gelenk jedoch die Formen der Gelenkflächen übernommen, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt waren. Dies wird bereits daraus deutlich, dass im Klagepatentanspruch die gleiche Begrifflichkeit verwendet wird, die auch der Darstellung des Standes der Technik dient. Dies gilt für die kreisförmigen Schnittkonturen (Sp. 1 Z. 12) und – wie bereits gezeigt – für die Gelenkgeometrie der beiden künstlichen Gelenke, die ebenfalls durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen bestimmt wird (Sp. 1 Z. 16-21). Im Ergebnis unterscheidet sich das erfindungsgemäße Gelenk von dem aus der DE 39 08 958 A1 bekannten Gelenk hinsichtlich der Gelenk- und Funktionsflächen lediglich dadurch, dass die Gelenkflächen nicht einer Kugeloberfläche sondern einer Torusoberfläche entstammen und daher die Radien der Schnittkonturen in den beiden Ebenen unterschiedlich sind; innerhalb einer Ebene sind sie aber in beiden Gelenkgestaltungen gleich.

bb) Die in der Klagepatentschrift formulierte Aufgabe, ein künstliches Gelenk zu schaffen, das eine Bewegungsfreiheit nur in einer Gelenkebene besitzt und gleichzeitig eine hohe mechanische Stabilität aufweist, wird dadurch erreicht, dass die Radien der Schnittkonturen in den beiden Ebenen untereinander anders als bei den Kugelgelenken im Stand der Technik verschieden sind. Denn in Abhängigkeit von den jeweiligen Radien und den Krümmungsverhältnissen (konvex oder konkav) der Funktionsflächen können Bewegungen in die Querrichtung im Verhältnis zu Bewegungen in die Längsrichtung erschwert oder ganz unterbunden werden. Im Übrigen soll aber die einheitliche kreisförmige Schnittkontur in jeder einzelnen Ebene, wie sie bereits aus der DE 39 08 958 A1 bekannt war, beibehalten werden

d) Die hier vorgenommene Auslegung findet ihre Bestätigung durch die in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiele mit den zugehörigen Figuren 1 bis 4 und 6 bis 9. Diese beschreiben beziehungsweise zeigen jeweils Gelenkflächen mit nur einer Funktionsfläche, die in der Längs- und in der Querebene jeweils eine einheitliche kreisförmige Schnittkontur mit konstantem Radius aufweist (Sp. 4 Z. 7-15, 28-35; Sp. 5 Z. 17-28; Sp. 5 Z. 36-44). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Gelenkteil mehrere Gelenkflächen oder eine Gelenkfläche mit mehreren Funktionsflächen in einer Ebene aufweisen könnte. Vielmehr werden auch hier die Schnittkonturen mittels einer Ebene durch die Gelenkfläche des gesamten Gelenkteils ermittelt und definieren dadurch eine einheitliche Funktionsfläche, die in jeder Ebene kreisförmig ist. Der Einwand der Klägerin, es handele sich bei den Figuren nur im Prinzipskizzen, die die Gelenkfunktionen nicht wiedergeben könnten, greift nicht durch. Denn zumindest das Prinzip, die Gelenkflächen toroidförmig mit kreisförmige Schnittkonturen aufweisenden Funktionsflächen auszugestalten, wird durch die Figuren wiedergegeben. Ob die Krümmungsradien und Kreisausschnitte der Funktionsflächen vorteilhaft gewählt sind, ist unbeachtlich. Insofern verfängt auch nicht der Vortrag der Klägerin, der Nachbau zweier der Figuren in einem Plastikmodell zeige, dass die Gelenkfunktionen nicht vollständig erfüllt werden. Schon gar nicht kann sich die Klägerin mit Blick auf die Plastikmodelle darauf berufen, dass es für die Bestimmung der Funktionsfläche nur auf den jeweiligen Kontaktpunkt der Gelenkteile ankomme. Gerade dafür bietet das Klagepatent keinen Anhaltspunkt.

2. Ausgehend von dieser Auslegung macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht wortsinngemäß Gebrauch. Die Gelenkflächen der Gelenkteile sind nicht toroidförmig (Merkmal 2) und haben in der Quer- und der Längsebene auch keine unterschiedliche kreisförmige Schnittkonturen aufweisenden Funktionsflächen (Merkmal 2.1). Denn unstreitig bestehen die Gelenkflächen aller Gelenkteile der angegriffenen Ausführungsform aus Funktionsflächen, deren Schnittkonturen in jeder einzelnen Ebene aus Kreissegmenten mit unterschiedlichen Radien zusammengesetzt sind. Die Funktionsfläche einer Gelenkfläche ist dadurch nicht mehr kreisförmig und die Oberfläche der Gelenkfläche selbst ist nicht mehr toroidförmig.

Die Klägerin kann dagegen nicht einwenden, dass sich den Gelenkflächen der angegriffenen Ausführungsform jeweils toroidförmige Körper einbeschreiben lassen. Da die Gelenkflächen abschnittweise Flächen mit gleichem Krümmungsradius aufweisen, entsprechen diese Abschnitte den Flächensegmenten eines Torus. Maßgeblich ist aber, dass die gesamte Gelenkfläche in der Längs- und in der Querebene eine Funktionsfläche besitzt, die in der jeweiligen Ebene eine einzige kreisförmige Schnittkontur mit konstantem Radius aufweist. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn sich wie bei der angegriffenen Ausführungsform die Krümmungsradien der Funktionsfläche einer Gelenkfläche abschnittweise ändern.

Aufgrund der Tatsache, dass die Gelenkflächen der jeweiligen Gelenkteile der angegriffenen Ausführungsform beziehungsweise deren Funktionsflächen in einer Ebene unterschiedliche Radien haben, wird die Gelenkgeometrie der Funktionsflächen zueinander auch nicht durch eine Gelenkkette mit zwei Gelenkachsen bestimmt (Merkmal 2.3). Vielmehr bestehen mehrere Gelenkketten mit wechselnden Gelenkachsen in Abhängigkeit davon, in welchem Abschnitt der Gelenkfläche sich die Gelenkteile gerade kontaktieren.

III.
Der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln geltend macht, ist zulässig, aber unbegründet.

1.
Der Antrag scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 15.05.2009 nicht bereits daran, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es kommt dafür nicht darauf an, ob der Antrag die angegriffene Ausführungsform richtig beschreibt. Maßgeblich ist – insbesondere für Unterlassungsanträge – eine konkrete Fassung des beantragten Verbots, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist, worauf sich das Verbot erstreckt. Das ist hier der Fall, weil sich der Antrag auf künstliche Kniegelenkte bezieht, deren Gelenkteile Gelenkflächen aufweisen, die Flächensegmente eines oder mehrerer toroidförmigen Körper sind und die eine oder mehrere Funktionsflächen besitzen. Ob ein solches Verbot tatsächlich verlangt werden kann, ist eine Frage der Begründetheit.

2.
Der Hilfsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die Lehre des Klagepatentanspruchs wird auch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht. Unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz ist die Benutzung einer patentgemäßen Lehre im Rahmen einer dreistufigen Prüfung dann zu bejahen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte. Dabei erfordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinn der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereiches bildet, welche sich an den Patentansprüchen auszurichten hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 523, 524 – Custodiol I, GRUR 2002, 527, 529 – Custodiol II; GRUR 2006, 313 – Stapeltrockner; Urteil vom 13.02.2007, X ZR 74/05 – Kettenradanordnung; OLG Düsseldorf, Mitt. 2005, 449, 452 – Monoklonaler Maus-Antikörper). Ein vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführungsform kann daher nur unter drei Voraussetzungen in den Schutzbereich eines Patents einbezogen werden:

1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden.

2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden.

3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Es kann dahinstehen, ob Gelenkflächen, die wie die angegriffene Ausführungsform in jeder einzelnen Ebene Funktionsflächen mit Abschnitten von Kreissegmenten mit unterschiedlichen Radien aufweisen, die gleichen patentgemäßen Wirkungen entfalten wie Gelenkflächen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs. Jedenfalls ist die abweichende Ausführung nicht als dem klagepatentgemäßen Gelenk gleichwertig anzusehen. Der Sinngehalt der patentgemäßen Erfindung gibt dem Fachmann keinen Anknüpfungspunkt, die abgewandelte Ausführung als gleichwirkend aufzufinden. Vielmehr geht die Lehre des Klagepatentanspruchs davon aus, dass die Funktionsflächen in jeder Ebene nur eine kreisförmige Schnittkontur mit entsprechend konstantem Radius aufweisen. Damit sollen gerade die kreisförmigen Schnittkonturen beibehalten werden, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt waren. Lediglich die Radien in den Ebenen untereinander dürfen sich unterscheiden. In der Beschreibung des Klagepatents gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, statt der toroidförmigen Oberfläche komplexe Kurven zu verwenden. Von dem aus der US-A 3,748,662 bekannten Kniegelenk mit wulstförmigem Gelenkkopf hat sich das Klagepatent abgewandt.

IV.
Der nachgelassene Schriftsatz vom 15.06.2009 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil er keinen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag enthält.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem Vollstreckungsschutzantrag der Klägerin war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 500.000,00 EUR