4b O 88/06 – Spreizdübel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 771

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Februar 2007, Az. 4b O 88/06

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Spreizdübel mit einem sich im wesentlichen in Längsrichtung des Spreizdübels erstreckenden Spreizbereich, in welchem der Spreizdübel scheibenförmige Spreizelemente aufweist, die näherungsweise querstehend zur Längsrichtung des Spreizdübels angeordnet sind, wobei die Spreizelemente mit in Längsrichtung des Spreizdübels durchgehenden Spreizöffnungen versehen sind, die in benachbarten Spreizelementen in unterschiedlichen Richtungen quer zum Spreizdübel versetzt angeordnet sind,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Spreizelemente eine Randverdickung in einem Bereich ihres Umfangs aufweisen, der der Richtung, in die die Spreizöffnung des jeweiligen Spreizelements versetzt ist, gegenüberliegt,
und die Spreizelemente zur Ausbildung der Randverdickung in Querrichtung des Spreizdübels von einer zur anderen Seite des Spreizdübels dicker werden,
und die Spreizelemente keilförmige Scheiben sind,
und der Spreizdübel im Spreizbereich im wesentlichen in Längsrichtung des Spreizdübels verlaufende Verbindungsstege aufweist, wobei jedes Spreizelement mit einem Verbindungssteg verbunden ist und wobei einander benachbarte Spreizelemente mit verschiedenen Verbindungsstegen verbunden sind
und die Verbindungsstege an einem Einsteckende des Spreizdübels schwenkbar miteinander verbunden sind;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28. November 1999 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist (es sei denn, diese könnten den unter 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden),

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

3.
die in ihrem Besitz oder Eigentum in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen und unter Ziffer 1. bezeichneten Spreizdübel zu vernichten.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28. November 1999 entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 €.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist ausschließliche und alleinvertretungsberechtigte Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters DE 298 08 xxx U1 (Klagegebrauchsmuster; Anlage L 10). Das Klagegebrauchsmuster ist am 11.05.1998 angemeldet worden. Die Eintragung des Klagegebrauchsmusters wurde am 28.10.1999 bekanntgemacht.

Das Klagegebrauchsmuster trägt die Bezeichnung „Spreizdübel“. Die im vorliegenden Rechtsstreit interessierenden Schutzansprüche 1, 2, 3, 4 und 6 lauten wie folgt:

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen sind der Gebrauchsmusterschrift entnommen. Figur 1 zeigt die perspektivische Darstellung eines erfindungsgemäßen Dübels in auseinandergeklappter Stellung. Die Figuren 2 und 3 geben eine Draufsicht auf den Spreizdübel und eine vergrößerte Darstellung des darin mit „III’“ gekennzeichneten Bereichs wieder.
Die Beklagte bietet an und vertreibt Dübel mit der Bezeichnung „XY“, deren Ausgestaltung sich aus dem nachfolgend eingeblendeten, verkleinert wiedergegebenen Ausdruck aus dem Internet-Auftritt der Beklagten ergibt (Anlage L 8).

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters in der Kombination seiner Schutzansprüche 1, 2, 3, 4 und 6 Gebrauch. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen, jedoch ohne die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;
hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen;
weiter hilfsweise, ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte stellt das Vorliegen einer Gebrauchsmusterverletzung in Abrede. Überdies sei das Klagegebrauchsmuster nicht schutzfähig, da die technische Lehre in der DE 43 17 039 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen und im übrigen auch nicht erfinderisch sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache überwiegend gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Dübel „XY“ macht die Beklagte widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch. Sie ist gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet. Der Beklagten war lediglich in Bezug auf die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

I.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Spreizdübel.

Das Klagegebrauchsmuster geht von der DE 40 26 944 A1 als nächstliegendem Stand der Technik aus. Zur Veranschaulichung sind nachfolgend die Figuren 1 und 6 der genannten Offenlegungsschrift eingeblendet. Figur 1 zeigt eine bevorzugte Ausführungsform eines Spreizdübels mit einer Vielzahl von Spreizscheiben, während in Figur 6 eine Ansicht des in einem Hohlbaustoff montierten Dübel dargestellt ist.

Der bekannte Spreizdübel weist einen in Längsrichtung des Spreizdübels sich erstreckenden Spreizbereich auf, in dem scheibenförmige Spreizelemente in Radialebenen angeordnet sind. Zur Verbindung der Spreizelemente sind zwei einander gegenüberliegende, am Umfang des Dübels in Längsrichtung verlaufende Verbindungsstege vorgesehen, mit denen die Spreizelemente an einer Stelle ihres Umfangs verbunden sind. Jedes zweite Spreizelement ist mit einem der beiden Verbindungsstege, das jeweils dazwischenliegende mit dem anderen Verbindungssteg verbunden. Ähnlich den Zinken eines Kamms an den Verbindungsstegen angeordnet, greifen die Spreizelemente kammartig ineinander. Jedes Spreizelement ist mit einer axial durchgehenden, exzentrisch im Spreizelement angeordneten Spreizöffnung versehen, wobei die Öffnungen benachbarter Elemente in unterschiedlichen Richtungen versetzt zueinander angeordnet sind. Durch das Einbringen eines stiftförmigen Spreizkörpers, beispielsweise einer Spreizschraube oder eines Spreiznagels, werden die Spreizöffnungen koaxial zueinander und zum Spreizdübel ausgerichtet. Dabei verschieben sich die Spreizelemente in radialer Richtung des Spreizdübels zueinander, wodurch der Spreizdübel aufgespreizt und in einem Bohrloch verankert wird.

Das Klagegebrauchsmuster bezeichnet es als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, einen Spreizdübel der beschriebenen Art so auszubilden, dass er eine erhöhte Verankerungskraft in einem Bohrloch aufweist. Dazu schlägt das Klagegebrauchsmuster einen Spreizdübel nach Schutzanspruch 1 in Kombination mit den Ansprüchen 2, 3 4 und 6 vor, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet:
1. Spreizdübel mit einem sich im wesentlichen in Längsrichtung erstreckenden Spreizbereich.

2. Im Spreizbereich (18) weist der Spreizdübel auf
a) scheibenförmige Spreizelemente (22);
b) Verbindungsstege (16).

3. Die Spreizelemente (22)
a) sind näherungsweise querstehend zur Längsrichtung angeordnet;
b) sind mit in Längsrichtung des Spreizdübels durchgehenden Spreizöffnungen versehen;
c) weisen eine Randverdickung in einem Bereich ihres Umfangs auf;
d) werden zur Ausbildung der Randverdickung in Querrichtung des Spreizdübels (10) von einer zur anderen Seite des Spreizdübels (10) dicker;
e) sind keilförmige Scheiben.

4. Jedes Spreizelement (22) ist mit einem Verbindungssteg (16) verbunden, wobei einander benachbarte Spreizelemente (22) mit verschiedenen Verbindungsstegen (16) verbunden sind.

5. Die Spreizöffnungen sind in (zu) benachbarten Spreizelementen (22) in unterschiedlichen Richtungen quer zum Spreizdübel versetzt angeordnet.

6. Die Randverdickung liegt gegenüber der Richtung, in der die Spreizöffnung des jeweiligen Spreizelements (22) versetzt ist.

7. Die Verbindungsstege (16)
a) verlaufen im wesentlichen in Längsrichtung des Spreizdübels (10);
b) sind an einem Einsteckende (20) des Spreizdübels (10) schwenkbar miteinander verbunden.
Die Beschreibung des Klagegebrauchsmusters stellt als Vorteil eines erfindungsgemäßen Spreizdübels heraus, dass eine erhöhte Verankerungskraft im Bohrloch bewirkt wird, indem die Anlagefläche dadurch größer wird, dass die Spreizelemente eine vergrößerte Dicke, also eine größere Erstreckung in Längsrichtung des Spreizdübels, in dem Bereich ihres Umfangs aufweisen, der beim Aufspreizen gegen die Wandung des Bohrlochs gedrückt wird.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von den Merkmalen der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Kombination der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 6 Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch für die im Streit stehenden Merkmale 2. a), 5 und 6. Zu Recht stehen die weiteren Merkmale der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters zwischen den Parteien nicht in Streit, so dass es eines Eingehens darauf nicht bedarf.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verfügt über scheibenförmige Spreizelemente gemäß Merkmal 2. a) der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters.

Der maßgebliche Durchschnittsfachmann misst dem Begriff des scheibenförmigen Spreizelementes nicht den von der Beklagten vorgetragenen Inhalt betreffend eine „Scheibe“ bei. Indem das Klagegebrauchsmuster von „scheibenförmigen Spreizelementen“ spricht, eröffnet es dem Fachmann von vornherein Formgebungen, die nicht Scheiben im streng geometrischen Sinne sind, denn unter „scheibenförmig“ versteht er auch an eine Scheibe im geometrischen Sinne angelehnte Formen. Im übrigen beschränkt sich schon der Begriff der Scheibe nicht auf „ebene, flach übereinander angeordnete Flächen“. Der Fachmann erkennt aufgrund der ihm zum Anmeldezeitpunkt aus dem Stand der Technik bekannten Gestaltungen, dass der Sinn der scheibenförmigen Spreizelemente darin liegt, zu vermeiden, dass beim Eindrehen der Befestigungsschraube die Spreizbereiche des Dübelschaftes als Ganzes nach außen bewegt werden, woraus hohe Flächendrücke resultieren, die beispielsweise bei Gasbetonsteinen zum Aufplatzen des Bohrlochs führen können. Das Klagegebrauchsmuster beruht auf dem ihm bekannten Prinzip, dass der Dübel nicht als Ganzes in Längsrichtung gespreizt wird, sondern dass stattdessen einzelne scheibenförmige Spreizelemente radial nach außen verlagert werden, die Spreizung also im Wesentlichen in Querrichtung auftritt. Auf diese radiale Auswärtsbewegung, die stattfindet, wenn die Befestigungsschraube eingedreht wird, nimmt der Begriffsteil „Spreiz-“ Bezug.

Hingegen weist das Klagegebrauchsmuster der Scheibenform, wie sie die Beklagte versteht, an keiner Stelle eine bestimmte Funktion zu. Vielmehr hat in die Schutzansprüche – im Gegensatz zum Anspruch des Klagepatents im Parallelverfahren 4b O 568/05 – der Begriff des „Spreizelements“ Eingang gefunden, welcher durch das Attribut „scheibenförmig“ konkretisiert wird, ohne – wie bereits ausgeführt – dadurch eine zwingende Vorgabe zur Form zu machen. Dass gerade der Scheibenform eine bestimmte relevante Wirkung zuzumessen ist, die einem anders gestalteten Spreizelement nicht zufällt, kommt in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters nicht zum Ausdruck. Soweit die Beklagte auf die Härte des für den Dübel verwendeten Kunststoffmaterials verweist, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil sich die Klagegebrauchsmusterschrift an keiner Stelle mit einer bestimmten Materialauswahl auseinandersetzt oder sich damit befasst, dass durch die beanspruchte Dübelgestaltung insofern irgendein Handlungsspielraum gewonnen wird. Erst recht gibt es keinen Anhalt dafür, dass erfindungsgemäß besonders harter Kunststoff verwendet werden soll, welcher den Schraubenwindungen aufgrund der vom Klagegebrauchsmuster vorgesehenen Gestaltung einen niedrigen Reibungswiderstand entgegensetzt, damit es beim Eindrehen der Schraube nicht zum Durchdrehen des Dübels im Bohrloch kommt. Ebenso wenig gibt es einen Anhalt dafür, dass ein hoher Einschraubwiderstand vermieden werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt ließe sich ohnehin allenfalls eine Abstimmung von Bohrungsweite und Schraubendurchmesser fordern, den das Klagegebrauchsmuster indes gerade nicht zu seinem Inhalt gemacht hat. Die Scheibenform steht jedenfalls mit dem Eindrehwiderstand in keiner Beziehung, zumal das Klagegebrauchsmuster irgend eine Scheibendicke weder fordert noch ausschließt.

Der Fachmann erkennt auch das in der angegriffenen Ausführungsform verwendete Spreizelement als scheibenförmig. Dies gilt umso mehr, als jeweils eine Scheibenseite eine anders verlaufende dreieckförmige Aussparung erhalten hat, so dass von der einen zur anderen Seite betrachtet im Wesentlichen ein Scheibenkörper erhalten geblieben ist. Da es für die Zwecke der Erfindung – wie dargelegt – nicht auf die Einhaltung einer geometrisch strengen Scheibenform ankommt, sondern lediglich darauf, dass Spreizelemente vorliegen, die aufgrund ihrer Formgebung einen Formschluss herstellen bzw. eine potentielle Andrückfläche bereitstellen können, rechtfertigen es die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Gestaltung, das Klagegebrauchsmuster als verwirklicht anzusehen.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 5 der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Spreizelemente verfügen über Öffnungen, die abwechselnd unterschiedliche Ausrichtungen aufweisen. Bei diesen Öffnungen handelt es sich um Spreizöffnungen im Sinne der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters, da sie beim Durchführen einer Schraube die Verspreizung der Spreizelemente bewirken. Dabei kommt es entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht darauf an, ob eine Materialverdrängung stattfindet oder ob die Elemente verschoben werden. Dieses Merkmal ist nicht Gegenstand der Schutzansprüche. Die vom Klagegebrauchsmuster in der Beschreibung (Anl. L10, S. 5 Z. 32-34) damit verbundene Wirkung, dass die Spreizelemente durch die von Merkmal 5 gelehrte Anordnung der Spreizöffnungen koaxial ausgerichtet werden, tritt auch dann ein, wenn das Eindrehen der Schraube mit einem Verdrängen von Dübelmaterial einhergeht und die Öffnungen dadurch (auch) auseinander gedrückt werden.

3.
Die angegriffene Ausführungsform weist in einem Bereich ihres Umfangs eine Randverdickung im Sinne des Merkmals 3. c) auf. Diese liegt gegenüber der Richtung, in der die Spreizöffnung des jeweiligen Spreizelements versetzt ist (Merkmal 6).

Aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters ergibt sich, dass es die Randverdickung in Längsrichtung des Spreizdübels versteht (vgl. Anlage L 10, S. 2 Z. 8-11). Die Randverdickung besteht bei der angegriffenen Ausführungsform in den sich keilförmig hervorschiebenden Dübelabschnitten. Die angegriffene Ausführungsform weist damit zwar im Bereich der Keilspitze keine Randverdickung, sondern nur in etwa ab der Mitte des Keils bis zur Keilgrundfläche auf. Dies genügt hingegen zur Merkmalsverwirklichung auch unter Berücksichtung der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters (aaO.), derzufolge der Spreizdübel die Randverdickung in dem Bereich des Umfangs aufweist, der beim Aufspreizen gegen die Wandung des Bohrlochs gedrückt wird.

Die technische Lehre verlangt weder, dass die Randverdickung über den gesamten Bereich vorhanden ist, noch dass sie gleichmäßig vorhanden ist oder gar in dem am weitesten herausbewegten Bereich am größten ist. Auch der außerhalb des Bereichs der Keilspitze radial heraustretende Bereich des Dübels, der den Keil bildet, wird in die Bohrlochwandung gedrückt; dieser weist die dem Klagegebrauchsmuster gemäße Randverdickung auf. Dass dies auf die Keilspitze, die am weitesten herausgedrückt wird, aber keine Verdickung aufweist, mithin nicht zutrifft, ist daher ohne Belang.

Bei der Randverdickung der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich auch nicht bloß um den Verbindungssteg, sondern die Randverdickung hebt sich erkennbar davon ab. Auch die spiegelbildliche Gestaltung der scheibenförmigen Spreizelemente bei der angegriffenen Ausführungsform steht der Annahme einer des Klagegebrauchsmusters nicht entgegen. Maßgeblich für die technische Lehre ist, dass bei der Betrachtung des der exzentrisch versetzten Spreizöffnung gegenüberliegenden Bereichs eine Randverdickung feststellbar sein muss. Dies ist – wie ausgeführt – der Fall. Ob auch auf der an der Spreizöffnung gelegenen Seite ebenfalls eine Randverdickung vorliegt, ist dabei ohne Bedeutung. Entsprechendes gilt für die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung, die scheibenförmigen Spreizelemente müssten wie aus Figur 3 des Klagegebrauchsmusters ersichtlich in der Draufsicht an der einen Seite dicker sein als an der anderen. Ein solches Erfordernis stellt die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht auf; es mag sein, dass bei einer solchen Gestaltung von der technischen Lehre Gebrauch gemacht wird, eine derartige körperliche Ausformung muss aber nicht zwingend vorliegen, um von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch zu machen.

4.
Das Klagegebrauchsmuster ist in der Kombination seiner geltend gemachten Schutzansprüche schutzfähig, denn seine – unstreitig – gewerblich anwendbare technische Lehre ist neu und weist einen erfinderischen Schritt auf (§ 1 Abs. 1 GebrMG).

a)
Die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters ist nicht durch die DE 43 17 039 A1 (Anlage B9) neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Merkmale 3. c) bis e) und 6., die die Gestaltung der Spreizelemente beschreiben, lassen sich der Entgegenhaltung nicht entnehmen. Die Beklagte erschließt diese Merkmale in der Klageerwiderung selbst nur über die Auslegung des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit dem Klagepatent des Parallelverfahrens, da dieses nach der Auffassung der Klägerin auch die Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform erfasse. Es stellt hingegen einen Unterschied dar, ob sich eine bestimmte angegriffene Ausführungsform unter die Anspruchsmerkmale eines Schutzrechtes subsumieren lässt, oder ob ein Schutzrecht eine bestimmte Gestaltung offenbart. Eine solche Offenbarung der fraglichen Merkmale des Klagegebrauchsmusters findet sich in der DE 43 17 039 A1 an keiner Stelle.

Auch nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung), wonach alles als offenbart und damit als neuheitsschädlich vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich zu ergänzen ist oder was er bei deren aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest, ist die technische Lehre nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Der BGH führt dazu aus (aaO. [332]):

Zum maßgeblichen Gegenstand eines Schutzrechts gehört demnach auch alles, was zwar in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. Dazu gehören ferner auch solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart nahe liegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als auf ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Unter diesen Voraussetzungen wird weitgehend auch das als neuheitsschädlich offenbart anzusehen sein, was in der Literatur vielfach mit dem unscharfen und zur Abgrenzung weniger geeigneten Begriff der fachnotorisch bekannten Austauschmittel umschrieben wird; für eine weitergehende Einbeziehung solcher Austauschmittel dürfte kein Bedürfnis bestehen.

Die körperliche Ausgestaltung der Spreizelemente in einer bestimmten Weise gehört dazu nicht, da es sich weder um eine Selbstverständlichkeit noch um eine naheliegende Abwandlung oder gar ein fachnotorisches Austauschmittel handelt. Zwar ist es richtig, dass der Fachmann unter einer Scheibe entgegen der eigentlich von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht nur einen Körper mit annähernd regelmäßig geformten glatten Ebenen (GA 56) versteht. Der Umstand, dass der Begriff der Scheibe keine festgelegte geometrische Form beschreibt, hat jedoch nicht zur Folge, dass sämtliche Gestaltungen damit als vorbekannt anzusehen wären (und auch ein erfinderischer Schritt nicht in betracht käme). Vielmehr sind solche speziellen Gestaltungen, wie sie insbesondere in den Unteransprüchen 2 und 3 zum Ausdruck kommen, grundsätzlich schutzfähig.

b)
Gegenüber dem von der Beklagten entgegengehaltenen Stand der Technik beruht die Merkmalskombination nach den Schutzansprüchen 1, 2, 3, 4 und 6 des Klagegebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt. Dies ergibt sich daraus, dass der Durchschnittsfachmann zu der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale – ohne unzulässige rückschauende Betrachtung in Kenntnis des Klagegebrauchsmusters – nur aufgrund das handwerkliche Können überschreitender Erwägungen gelangen konnte.

Die Entgegenhaltungen offenbaren die Merkmalsgruppen 3. c) bis e) und 6. (Anlage L15: Merkmale C, D und E) nicht; ohne Kenntnis der Erfindung war der Fachmann nicht in der Lage, aufgrund naheliegender Überlegungen zu ihr zu gelangen.

Aus dem allgemeinen Wissen des Fachmanns (vgl. Anlage L16 im Parallelverfahren) war diesem (lediglich) bekannt, dass der Begriff der Scheibe bei zutreffendem Verständnis nichts über die Lage der Stirnflächen zueinander und den Randverlauf aussagt. Dadurch ist zwar eine Keilform auch vom fachmännischen Verständnis des Begriffs der Scheibe umfasst, allerdings ist eine solche Ausgestaltung damit noch nicht vorgegeben und eine Aussage dazu noch nicht getroffen [s. o. unter 4.a)]. Die Möglichkeit, eine bestimmte Ausgestaltung unter die technische Lehre zu subsumieren, gibt dem Fachmann noch keine Anweisung, diese – expressis verbis nicht erwähnte – Gestaltung zu wählen und vermittelt ihm insbesondere nicht die Erkenntnis, welche bestimmte Form besonders vorteilhaft ist. Denn im Rahmen der vielgestaltigen Möglichkeiten, die der Begriff der Scheibe eröffnet, gibt es Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit der Gestaltung.

Weder das Klagepatent aus dem Parallelverfahren (EP 0 472 xxx; Anlage L1) noch die DE 43 17 039 A1 (Anlage B9) verhalten sich zur näheren förmlichen Ausgestaltung der Scheiben; dazu bedurfte es eines erfinderischen Schrittes. Der Fachmann erhält insbesondere keine Angaben, welche bestimmte Form besonders vorteilhaft ist. Erst recht sagt die bloße Möglichkeit, ungleichmäßige Körperformen unter den Begriff der Scheibe zu fassen, nichts über die Lage einer Randverdickung aus, wie sie das Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Anspruchskombination lehrt.

III.

Da die Beklagte das Klagegebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Sie hat daher der Klägerin Schadenersatz zu leisten (§ 24 Abs. 2 GebrMG). Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Haftung der Beklagten auf Entschädigung und Schadenersatz zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang verpflichtet, über ihre Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, § 24b GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Allerdings ist der Beklagten im Hinblick auf die der Klägerin zu offenbarenden Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Gemäß § 24a GebrMG ist die Beklagte schließlich verpflichtet, die patentverletzenden Gegenstände, soweit sie sich in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, zu vernichten.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.

Vollstreckungsschutz war nicht zu gewähren, da die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nichts dafür vorgetragen hat, dass ihr im Falle der Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.

V.

Der Streitwert wird auf 200.000,00 € festgesetzt (§ 3 ZPO, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).