4b O 568/05 – Spreizdübel II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 760

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Februar 2007, Az. 4b O 568/05

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Spreizdübel mit am Dübelschaft versetzt hintereinander angeordneten und innerhalb des Dübelschaftes einen verengten Schraubkanal bildenden Spreizscheiben, die beim Eindrehen einer Befestigungsschraube radial nach außen verschiebbar sind,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Spreizscheiben jeweils eine exzentrische Bohrung aufweisen, die mit der Bohrung der benachbarten Spreizscheibe zur Bildung des verengten Schraubkanals überlappt ist, und bei denen jede zweite aufeinanderfolgende Spreizscheibe an einem gemeinsamen, parallel zur Schieberichtung der Spreizscheiben angeordneten elastischen Verbindungssteg angebracht ist, wobei die Spreizscheiben an den Verbindungsstegen auf Lücke versetzt übereinandergreifend nach innen abstehen.

2.
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. April 1992 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist (es sei denn, diese könnten den unter 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden),

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 26. November 1994 zu machen sind und der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

3.
die in ihrem Besitz oder Eigentum in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen und unter Ziffer 1. bezeichneten Spreizdübel zu vernichten.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. November 1994 entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
2. der Klägerin eine nach den Umständen angemessene Entschädigung für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen für den Zeitraum vom 4. April 1992 bis zum 25. November 1994 zu zahlen.

III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 €.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 472 xxx (Klagepatent), zu dessen benannten Vertragsstaaten auch die Bundesrepublik Deutschland gehört. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der deutschen Prioritätsanmeldung 40 26 xxx vom 25.08.1990 am 27.06.1991 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 04.03.1992. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 26.10.1994 veröffentlicht. Die Verfahrenssprache ist Deutsch.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Spreizdübel“. Der im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Inhalt:

„Spreizdübel mit am Dübelschaft versetzt hintereinander angeordneten und innerhalb des Dübelschaftes einen verengten Schraubkanal bildenden Spreizscheiben, die beim Eindrehen einer Befestigungsschraube radial nach außen verschiebbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Spreizscheiben (3,4) jeweils eine exzentrische Bohrung (12,13) aufweisen, die mit der Bohrung der benachbarten Spreizscheibe zur Bildung des verengten Schraubkanals überlappt ist, und dass jede zweite aufeinanderfolgende Spreizscheibe (3,4) an einem gemeinsamen, parallel zur Schieberichtung der Spreiz¬scheiben angeordneten elastischen Verbindungssteg (9,10) angebracht ist, wobei die Spreizscheiben (3,4) an den Verbindungsstegen (9,10) auf Lücke versetzt übereinandergreifend nach innen abstehen.“

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen sind der Klagepatentschrift entnommen.

Figur 1 zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiels eines Spreizdübels mit einer Vielzahl von Spreizscheiben.

Die Figuren 3 und 4 geben einen Schnitt durch die in Figur 1 gezeigten Spreizdübel vor der Montage bzw. im montierten Zustand wieder.

In Figur 6 ist eine Ansicht des in einem Hohlbaustoff montierten Spreizdübels gezeigt.

Die Beklagte bietet an und vertreibt Dübel mit der Bezeichnung „XY“, deren Ausgestaltung sich aus dem nachfolgend eingeblendeten, verkleinert wiedergegebenen Ausdruck aus dem Internet-Auftritt der Beklagten ergibt (Anlage L 8).

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß – hilfsweise äquivalent – von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung sowie Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen, jedoch ohne die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts;
hilfsweise beantragt sie eine Verurteilung, bei der der in Ziffer I. des Antrages enthaltene Begriff „Spreizscheiben“ durch den Begriff „keilförmige Spreizelemente“ ersetzt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;
hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen;
weiter hilfsweise, ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte stellt das Vorliegen einer Patentverletzung in Abrede und macht geltend: Die Spreizelemente der angegriffenen Ausführungsform seien keine Scheiben; sie verfügten außerdem nicht über eine Bohrung und sie würden auch nicht verschoben, vielmehr finde eine Materialverdrängung statt. Für die Annahme einer äquivalenten Benutzung fehle es schon an der technischen Gleichwirkung. Darüber hinaus sei eine erfinderische Tätigkeit erforderlich gewesen, um die angegriffene Ausführungsform aufzufinden. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass auf die angegriffene Ausführungsform das europäische Patent EP 0 964 xxx erteilt worden sei, in dem als vorbekannter Stand der Technik das Klagepatent gewürdigt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache überwiegend gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Dübel „XY“ macht die Beklagte widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie ist gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet. Der Beklagten war lediglich in Bezug auf die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Spreizdübel.

Als nächstliegenden Stand der Technik führt das Klagepatent den von der deutschen Patentanmeldung DE 30 17 xxx offenbarten Spreizdübel an. Zur Veranschaulichung sind nachfolgend die Figuren 1 bis 5 der genannten Offenlegungsschrift eingeblendet. Figur 1 zeigt eine Vorrichtung mit Dübel und Schrauben vor dem Einbau, Figur 2 dasselbe während des Einschraubens einer Schraube. Figur 3 gibt eine Ansicht im Schnitt III/III der Figur 1 und Figur 4 eine Ansicht im Schnitt IV/IV der Figur 2 wieder, während in Figur 5 eine Abwicklung des Dübels dargestellt ist.

Bei dem bekannten Spreizdübel ist der Dübelschaft eine Metallhülse, in der mehrere Spreizelemente in entsprechenden Schlitzen der Hülse abgestützt sind. Die nach innen ragenden Kanten der Spreizelemente weisen eine halbkreisförmige Ausbuchtung auf, die jeweils eine Begrenzungsfläche eines Schraubkanals bilden; die gegenüberliegende Begrenzungskante ergibt sich durch das nächstfolgende Spreizelement.

Die Klagepatentschrift stellt daran als nachteilig heraus, dass es erforderlich ist, dass jedes einzelne Spreizelement für sich in einem Schlitz geführt und radial gesichert werden muss und sich durch die einzeln abgestützten Spreizelemente nur eine geringe Spreizfläche ergibt, so dass eine Anwendung in Hohlkammerbausteinen oder Doppelstegplatten nicht möglich ist (Anlage L 1, Spalte 1, Zeilen 17 – 23). Als ebenfalls nachteilig wird dargestellt, dass es zur Erzielung hoher Haltewerte erforderlich ist, dass an der Rückseite des Steges und in dem Hohlraum die Spreizelemente vollständig aufspreizen und sich gegenseitig abstützend an der Rückseite der Stege ein großflächiges Gegenlager bilden (Anlage L 1, Spalte 1, Zeilen 26 – 31). Die Klagepatentschrift kritisiert ferner, dass die einzelnen Spreizelemente durch das Fehlen einer geschlossenen Bohrung für jedes einzelne Spreizelement in radialer Richtung nicht gesichert sind und der Dübel daher nur für Anwendungen in Vollbaustoffen geeignet ist, bei denen eine geschlossene Bohrlochwandung vorliegt (Anlage L1, Spalte 1, Zeilen 31 – 38). Schließlich wird kritisiert, dass die Spreizelemente so angeordnet sein müssen, dass die innere Begrenzungskante der Spreizelemente ein in den Gewindegang der Befestigungsschraube eingreifendes Gegengewinde bildet, wobei zur Erzielung einer axialen Verschiebung der Spreizelemente bei dem bekannten Dübel eine Schraube erforderlich ist, die einen konischen Kern¬querschnitt aufweist. Aufgrund dieses konischen Kernquerschnittes ergibt sich jedoch im vorderen Dübelbereich eine geringere und im hinteren Dübelbereich eine stärkere radiale Verschiebung der Spreizelemente mit dem ungünstigen Ergebnis, dass im Bereich der Bohrlochmündung Spannungsspitzen entstehen, die zu einem Ausbrechen führen können (Anlage L 1, Spalte 1, Zeilen 38 – 52).

Das Klagepatent bezeichnet es als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, einen Spreizdübel zu schaffen, der sowohl für eine Verankerung in Vollbaustoffen als auch für Hohlraumbefestigungen geeignet ist.

Dazu schlägt das Klagepatent in Patentanspruch 1 einen Spreizdübel vor, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet:

1. Spreizdübel mit Spreizscheiben (3,4).
2. Die Spreizscheiben (3,4)
a) sind am Dübelschaft (1) versetzt hintereinander angeordnet;
b) bilden innerhalb des Dübelschaftes (1) einen verengten Schraubkanal (15);
c) sind beim Eindrehen einer Befestigungsschraube radial nach außen verschiebbar;
d) weisen jeweils eine exzentrische Bohrung (12, 13) auf.
3. Die exzentrische Bohrung (12, 13) einer Spreizscheibe (3, 4) überlappt mit der Bohrung der benachbarten Spreizscheibe.
4. Der verengte Schraubkanal (15) wird durch diese Überlappung der Bohrung (12, 13) gebildet.
5. Jede zweite aufeinanderfolgende Spreizscheibe (3, 4) ist angeordnet an einem
a) gemeinsamen,
b) parallel zur Schieberichtung angeordneten,
c) elastischen
Verbindungssteg (9, 10).
6. Die Spreizscheiben (3,4) stehen an den Verbindungsstegen (9,10) auf Lücke versetzt übereinandergreifend nach innen ab.

Die Klagepatentschrift stellt als Vorteil der Erfindung heraus, dass über den gesamten Spreizbereich eine sehr gleichmäßige Aufspreizung erhalten wird, da die als Spreizelemente wirkenden Spreizscheiben nahezu über die gesamte Länge des Spreizdübels angeordnet sind (Anlage L 1, Spalte 2, Zeilen 10 – 14).

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von sämtlichen Merkmalen der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten verfügt sie über Spreizscheiben, die mit einer exzentrischen Bohrung versehen und beim Eindrehen einer Befestigungsschraube radial nach außen verschiebbar sind. Zu Recht stehen die weiteren Merkmale der technischen Lehre des Klagepatents zwischen den Parteien nicht in Streit, so dass es eines Eingehens darauf nicht bedarf.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verfügt über Spreizscheiben gemäß Merkmal 1 und 2 der technischen Lehre des Klagepatents.

Der maßgebliche Durchschnittsfachmann misst dem Begriff der Spreizscheibe weder den von der Beklagten noch den ursprünglich von der Klägerin vorgetragenen Inhalt bei; der Begriff der Scheibe beschränkt sich nicht auf „ebene, flach übereinander angeordnete Flächen“ bzw. auf „runde oder ovale Platten“. Der Fachmann erkennt vielmehr, dass der Sinn der Spreizscheiben darin liegt, zu vermeiden, dass beim Eindrehen der Befestigungsschraube die Spreizbereiche des Dübelschaftes als Ganzes nach außen bewegt werden, woraus hohe Flächendrücke resultieren, die beispielsweise bei Gasbetonsteinen zum Aufplatzen des Bohrlochs führen können. Die gattungsbildende und vom Klagepatent als nächstliegender Stand der Technik angegebene DE 30 17 xxx sieht aus diesem Grunde vor, anstelle sich spreizender Dübelschäfte einzelne Spreizanker vorzusehen, die in der bevorzugten Ausführungsform nach Unteranspruch 2 die Gestalt flacher Scheiben haben. Auf demselben Prinzip beruht auch das Klagepatent, bei dem der Dübel ebenfalls nicht als Ganzes in Längsrichtung gespreizt wird, sondern bei dem stattdessen einzelne Spreizscheiben radial nach außen verlagert werden, die Spreizung also im Wesentlichen in Querrichtung auftritt. Auf diese radiale Auswärtsbewegung, die stattfindet, wenn die Befestigungsschraube eingedreht wird, nimmt der Begriffsteil „Spreiz-“ Bezug. In der gattungsbildenden DE 30 17 xxx werden die Spreizelemente – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – allgemein als „Spreizanker“ beschrieben und sollen nur bevorzugt die Form einer (flachen) Scheibe haben. Ausgehend von diesen Begrifflichkeiten hat sich das Klagepatent im Hauptanspruch auf „Spreizscheiben“ festgelegt und damit aus der weiterreichenden Offenbarung des gattungsbildenden Standes der Technik – rein sprachlich betrachtet – eine Auswahl getroffen. Bei dieser Feststellung kann für die Auslegung indessen nicht stehen geblieben werden. Da es für das Verständnis auf den technischen Wortsinn ankommt, ist vielmehr die Frage zu stellen, ob das Klagepatent dem Vorhandensein einer streng geometrischen Scheibenform eine Bedeutung beimisst. Dies ist zu verneinen.

Das Klagepatent weist der Scheibenform, wie sie die Beklagte versteht, an keiner Stelle eine bestimmte Funktion zu. Im Rahmen der Abhandlung des vorbekannten Standes der Technik ist in der Beschreibung des Klagepatents im Gegenteil immer nur von „Spreizelement“ die Rede. Ohne Rücksicht auf die geometrische Form, d. h. darauf, ob es sich um eine Scheibe oder nicht um eine Scheibe handelt, werden dem bekannten Spreizelement diverse Nachteile zugeschrieben, wie sie vorstehend unter Ziffer I. wiedergegeben sind (vgl. Anlage L 1, Spalte 1, Zeilen 17 – 52). Auch in der Beschreibung der Vorteilsangaben des Klagepatents kommt nicht zum Ausdruck, dass gerade der Scheibenform eine bestimmte relevante Wirkung zuzumessen ist, die einem anders gestalteten Spreizelement nicht zukommt. Soweit die Beklagte auf die Härte des für den Dübel verwendeten Kunststoffmaterials verweist, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil sich die Klagepatentschrift an keiner Stelle mit einer bestimmten Materialauswahl auseinandersetzt oder sich damit befasst, dass durch die beanspruchte Dübelge¬staltung insofern irgendein Handlungsspielraum gewonnen wird. Erst recht gibt es keinen Anhalt dafür, dass erfindungsgemäß besonders harter Kunststoff verwendet werden soll, welcher den Schraubenwindungen aufgrund der vom Klagepatent vorgesehenen Gestaltung einen niedrigen Reibungswiderstand entgegensetzt, damit es beim Eindrehen der Schraube nicht zum Durchdrehen des Dübels im Bohrloch kommt. Ebenso wenig gibt es einen Anhalt dafür, dass ein hoher Einschraubwiderstand vermieden werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt ließe sich ohnehin allenfalls eine Abstimmung von Bohrungsweite und Schraubendurchmesser fordern, den das Klagepatent indes gerade nicht zu seinem Inhalt gemacht hat. Die Scheibenform steht jedenfalls mit dem Eindrehwiderstand in keiner Beziehung, zumal das Klagepatent irgend eine Scheibendicke weder fordert noch ausschließt.

Da das Klagepatent die Forderung nach einer „flachen Scheibe“ nicht aus der DE 30 17 xxx übernommen hat und es bezüglich der Anwendungsgebiete auch nicht um leicht zerbröckelndes Material geht, genügt vielmehr auch eine dicke Scheibe dem Wortsinn des Patentanspruchs. Als eine solche erkennt der Fachmann auch das in der angegriffenen Ausführungsform verwendete Spreizelement, für das die Patentschrift der Beklagten (EP 0 964 xxx; Anlage B 12) selbst (vgl. a.a.O. Spalte 4, Zeilen 23 – 26) erwähnt, dass die angegriffene Ausführungsform trotz ihrer Formgebung vorteilhaft in Hohlkammersteinen verwendet werden kann. Dies gilt umso mehr, als jeweils eine Scheibenseite eine anders verlaufende dreieckförmige Aussparung erhalten hat, so dass von der einen zur anderen Seite betrachtet im Wesentlichen ein Scheibenkörper erhalten geblieben ist. Da es für die Zwecke der Erfindung – wie dargelegt – nicht auf die Einhaltung einer geometrisch strengen Scheibenform ankommt, sondern lediglich darauf, dass Spreizelemente vorliegen, die aufgrund ihrer Formgebung einen Formschluss herstellen bzw. eine potentielle Andrückfläche bereitstellen können, rechtfertigen es die bei der angegriffenen Ausführungsform gegebenen Abweichungen, von einer streng geometrischen Scheibenform nicht, das Klagepatent als nicht verwirklicht anzusehen.

Der Umstand, dass die Beklagte Inhaberin des Patents EP 0 964 xxx ist, das nach ihrer Behauptung die angegriffene Ausführungsform betrifft, steht der Annahme, dass die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 1 und 2 des Klagepatents Gebrauch macht, nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 1991, 436 [440] – Befestigungsvorrichtung II; 1999, 977 [979 f.] – Räumschild; jeweils zur äquivalenten Benutzung). Die Subsumtion des Spreizelementes der angegriffenen Ausführungsform unter den Begriff der Spreizscheibe schließt nicht aus, dass die modifizierte Scheibenform der Spreizelemente eine besondere Wirkung hervorbringt und deshalb (abhängig) erfinderisch ist.

2.
Die Spreizscheiben verfügen über exzentrische Bohrungen im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents. Für die Verwirklichung von Merkmal 2. d) ist es lediglich erforderlich, dass die Spreizscheiben eine Durchtrittsöffnung aufweisen, durch die die Befestigungsschraube hindurchgeführt werden kann und deren Mittel¬punkt nicht im Scheibenzentrum gelegen ist. Auf eine bestimmte, beispielsweise kreisrunde Form der Öffnung kommt es dabei nicht an. In Bezug auf die patentgemäße Funktion ist die räumliche Ausgestaltung der Durchtrittsöffnung nicht festgelegt, weil auch eine von der Kreisform abweichende Öffnung es erlaubt, die von der Erfindung angestrebte Funktion zu erfüllen, nämlich die einzelnen Spreizscheiben beim Eindrehen der Befestigungsschraube, durch welche die exzentrischen Öffnungen in eine konzentrische Lage gebracht werden, radial zu verschieben. Auch für die Herstellung ist eine bestimmte Form der Bohrung nicht von Bedeutung, da das Klagepatent sich nicht auf eine bestimmte Fertigungsmethode festlegt und es unstreitig üblich ist, die Bohrung nicht nachträglich mittels eines bohrerartigen Werkzeugs einzubringen, sondern direkt beim Vorgang des Spritzgießens vorzusehen, was eine beliebige Formgestaltung erlaubt.

Als wesentlichen Inhalt des Merkmals 2. d) erkennt der Fachmann nach allem, dass die Aufnahme für die Befestigungsschraube exzentrisch angeordnet ist, da dies Bedingung für die bezweckte Verschiebung der Spreizscheiben beim Einführen der Befestigungsschraube ist. Die Exzentrizität der Durchtrittsöffnungen bei der angegriffenen Ausführungsform belegt Anlage L 19, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist.

3.
Die klagepatentgemäßen Spreizscheiben sind beim Eindrehen einer Befestigungsscheibe radial nach außen verschiebbar im Sinne von Merkmal 2 c) des Patentanspruchs. Dass die Spreizelemente der angegriffenen Ausführungsform infolge des Eindrehens nach außen verschoben werden, verdeutlicht schon das als Anlage L 7b vorgelegte Muster. Auch die eigene Patentschrift der Beklagten (EP 0 964 xxx) erwähnt dies wiederholt (vgl. Anlage B 12, Spalte 1, Zeilen 45 – 48; Spalte 4, Zeilen 1 – 3; Spalte 4, Zeilen 13 – 20; Spalte 4, Zeile 53 bis Spalte 5, Zeile 4; Spalte 5, Zeilen 13 – 17).

Zwar mag es sein, dass bei der angegriffenen Ausführungsform aufgrund der asymmetrischen Form der Bohrung die Verschiebung nicht in einer einzigen linearen Richtung erfolgt, sondern eine bogenförmige Auswärtsbewegung stattfindet, in der sich zwei radiale Bewegungskomponente überlagern. In Längsrichtung des Dübels ergibt sich deswegen ein leicht spiral- oder wendelförmiger Verlauf der die Verbindungsstege aufweisenden Dübelhälften. Für die Merkmalsverwirklichung ist dies hingegen unerheblich, weil es auf die radiale Verlagerung der Spreizelemente aus dem ursprünglichen Dübelumfang hinaus ankommt, um Flächen für einen Formschluss oder eine Andrückfläche zu bilden. Dies geschieht auch bei der angegriffenen Ausführungsform. Es ist nicht zu erkennen, dass über das seitliche Verschieben der Spreizelemente hinaus in einem durch das Klagepatent nicht zugelassenen Maße deformierend auf das Dübelmaterial eingewirkt wird. Auch die eigene Patentschrift der Beklagten erwähnt solches an keiner Stelle; soweit von einer „gegebenenfalls starken Komprimierung“ der Spreizelemente die Rede ist (vgl. Anlage B 12, Spalte 1, Zeile 48), zielt diese Bemerkung lediglich darauf ab, dass die Spreizelemente bei ihrer seitlichen Verlagerung dort gestaucht werden, wo sie im Dübelloch keinen Platz für eine Auswärtsbewegung finden (vgl. Anlage B 12, Spalte 4, Zeile 53 bis Spalte 5, Zeile 4). Dies ist bei einem klagepatentgemäßen Dübel selbstverständlich nicht anders (vgl. Anlage L 1, Spalte 2, Zeilen 27 – 30).

Auch die von der Beklagten angeführte Äußerung der Klägerin im Rahmen des Erteilungsverfahrens (Anlage B 5a) des Klagepatents steht dem erläuterten Verständnis nicht entgegen. Die Äußerung besagt lediglich, dass die darin erörterte Entgegenhaltung DE 27 45 xxx das Prinzip gegeneinander verschiebbarer Spreizscheiben nicht offenbart; es ist daraus aber nicht zu entnehmen, dass die Klägerin für Spreizdübel nach dem Klagepatent eine Verdrängung von Dübelmaterial unter allen Umständen ausschließen wollte.

III.

Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Die Entschädigungspflicht der Beklagten folgt aus Artikel II § 1 Abs. 1 IntPatÜG. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten folgt aus Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagte als Fachunternehmen hat jedenfalls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bezüglich der Beachtung fremder Schutzrechte verletzt, so dass ihr zumindest fahrlässiges Verschulden zur Last fällt. Da die genaue Entschädigungs- und Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Entschädigungs- und Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang verpflichtet, über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB). Allerdings ist der Beklagten im Hinblick auf die der Klägerin zu offenbarenden Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Gemäß § 140 a PatG ist die Beklagte schließlich verpflichtet, die patentverletzenden Gegenstände, soweit sie sich in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, zu vernichten.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, xxx ZPO.

Vollstreckungsschutz war nicht zu gewähren, da die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nichts dafür vorgetragen hat, dass ihr im Falle der Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.

V.

Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt (§ 3 ZPO, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).