4b O 566/05 – Seillängengeber

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 759

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Februar 2007, Az. 4b O 566/05

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlasen,

in der Bundesrepublik Deutschland

Seillängengeber mit einem Gehäuse, einer in dem Gehäuse angeordneten, gegen die Wirkung eines Rückstellantriebs drehbar gelagerten und längsbeweglich geführten Seiltrommel mit einem auf die Seiltrommel aufgewickelten Messseil, einem gehäusefesten Seilausgang, über welchen das Messseil aus dem Gehäuse herausgeführt ist, und einem Stellgetriebe, über welches die Seiltrommel nach Maßgabe ihrer Umdrehungen derart in Axialrichtung in dem Gehäuse verstellbar ist, dass sich die von der Seiltrommel jeweils abgewickelten oder aufgewickelten Windungen des Messseils im wesentlichen in der Ebene des Seilausgangs befinden,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen

a) in dem Gehäuse eine zentrale Welle drehbar gelagert ist,

b) die Seiltrommel undrehbar aber längsbeweglich auf dieser zentralen Welle geführt ist,

c) in der Welle eine gehäusefest gehaltene, mit einem Außengewinde versehene Gewindestange sitzt, und

d) an der Seiltrommel eine mit einem Innengewinde versehene Mutter vorgesehen ist, die mit dem Außengewinde der Gewindestange in Eingriff ist, wobei die Gewindestange und die Mutter ein Stellgetriebe bilden;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter I.1. aufgeführten Handlungen seit dem 12.9.1998 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen sowie der Typenbezeichnugnen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, und

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3.
die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend I.1. zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu bezeichnenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 12.9.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 100.000 € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.

V.
Der Streitwert wird auf 100.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 778 xxx, welches unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 4.12.1995 am 29.11.1996 unter Benennung der Bundesrepublik Deutschland angemeldet und dessen Erteilung am 12.8.1998 veröffentlicht wurde (Klagepatent, Anl. K 1).
Der für das vorliegende Verfahren allein maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Seillängengeber mit einem Gehäuse (10), einer in dem Gehäuse (10) angeordneten, gegen die Wirkung eines Rückstellantriebs (78) drehbar gelagerten und längsbeweglich geführten Seiltrommel (34) mit einem auf die Seiltrommel aufgewickelten Messseil (86), einem gehäusefesten Seilausgang (88), über welchen das Messseil (86) aus dem Gehäuse herausgeführt ist, und einem Stellgetriebe (24, 56), über welches die Seiltrommel (34) nach Maßgabe ihrer Umdrehungen derart in Axialrichtung in dem Gehäuse (10) verstellbar ist, dass sich die von der Seiltrommel (34) jeweils abgewickelten oder aufgewickelten Windungen des Messseils (86) im wesentlichen in der Ebene des Seilausgangs (88) befinden,

bei denen

a) in dem Gehäuse (10) eine zentrale Welle (18) drehbar gelagert ist,

b) die Seiltrommel (34) undrehbar aber längsbeweglich auf dieser zentralen Welle (18) geführt ist,

c) auf der Welle (18) eine gehäusefest gehaltene, mit einem Außengewinde (26) versehene Gewindehülse (24) sitzt, und

d) an der Seiltrommel (34) eine mit einem Innengewinde (58) versehene Mutter (56) vorgesehen ist, die mit dem Außengewinde (26) der Gewindehülse (24) in Eingriff ist, wobei die Gewindehülse (24) und die Mutter (56) ein Stellgetriebe bilden.

Die nachfolgend wiedergegebene Abbildung ist die aus der Klagepatentschrift stammende Figur 1, die eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung zeigt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Seillängengeber, die sie unter anderem mit der Typenbezeichnung „135-0001“ anbietet. Ein Exemplar wurde von der Klägerin erworben und als Anlage K 9 als Muster mit freigeschnittenem Fenster zur Gerichtsakte gereicht. Der Aufbau dieses Seillängengebers entspricht der von der Klägerin als Anlage K 12 zur Akte gereichten Konstruktionszeichnung, die von ihr mit patentgemäßen Bezugszeichen versehen wurde und die nachfolgend verkleinert eingeblendet ist.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent äquivalent Gebrauch mache. Auch die angegriffene Ausführungsform verfüge über eine zentrale Welle im Sinne des Klagepatents, die als Hohlwelle ausgebildet sei. Für den Fachmann sei es naheliegend gewesen, anstelle einer Gewindehülse für das Stellgetriebe eine Gewindestange zu verwenden, die er in das Innere der Hohlwelle hineinverlagere. Sie nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass eine Benutzung des Klagepatents nicht vorliege. Die von ihr verwendete Hülse könne schon nicht als zentrale Welle angesehen werden. Hierfür komme allenfalls der Gewindestift in Betracht, dem es jedoch an der drehbaren Lagerung fehle. Es sei für den Fachmann auch keinesfalls naheliegend gewesen, die Gewindehülse des Stellgetriebes der patentgemäßen Erfindung durch eine Gewindestange zu ersetzen, die dann auch noch in die Hülse der angegriffenen Ausführungsform platziert werden müsse. Eine solche Konstruktion entspreche im übrigen dem Stand der Technik, weswegen die Beklagte frei gewesen sei, diesen Aufbau zu realisieren.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der von der Beklagten hergestellte und vertriebene Seillängengeber macht von der technischen Lehre des Klagepatentes äquivalenten Gebrauch, weswegen die Beklagte der Klägerin gegenüber zur Unterlassung, Auskunfterteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet ist.

I.
Gegenstand der technischen Lehre des Klagepatents ist ein Seillängengeber. Derartige Seillängengeber gelangen in unterschiedlichen industriellen Bereichen zur Anwendung und dienen der Erfassung von Messwerten, wobei unterschiedliche Messmethoden angewendet werden können. Zu diesen Anwendungsfällen gehören die Erfassung von großen Messlängen, wie sie beispielsweise in hydraulischen Einrichtungen an Kranfahrzeugen, Wehranlagen, Theaterbühnen bzw. in Antriebssystemen von Schleusentoren, Hochregallagern, Holz- und Steinbearbeitungsmaschinen vorliegen. Die längenproportionale Anzahl der Trommelumdrehungen, mit denen die Länge des abgewickelten Seils festgestellt werden kann, wird über ein spielfreies Anpassungsgetriebe entweder durch potentiometrische, inkrementale oder absolut codierte Drehwinkelaufnehmer ausgezählt und in ein Messsignal umgesetzt. Seillängengeber, die bereits seit langem im Stand der Technik bekannt waren, verfügen stets über eine Reihe von Baugruppen. Diese sind zunächst ein Gehäuse, eine Seiltrommel, auf der das Seil aufgewickelt wird, eine zentrale Welle, um die die Seiltrommel dreht, ein Stellgetriebe, über welches die Seiltrommel in Axialrichtung in dem Gehäuse verstellbar ist, und einen Rückstellantrieb, der beim Abwickeln des Seils aufgezogen wird.

Bei dem in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik ist die Seiltrommel des Seillängengebers außen in einem zylindrischen Gehäuse gelagert. Ein Rückstellmotor sitzt koaxial innerhalb der Seiltrommel, die topfförmig mit einem gelagerten Mantelteil und einer Endplatte auf nur einer Seite ausgestaltet ist. Die Endplatte weist eine Gewindebohrung auf, mit welcher die Endplatte auf einer Gewindespindel gelagert ist. Die Gewindespindel ist undrehbar an einer Endplatte des zylindrischen Gehäuses befestigt. Wenn sich die Seiltrommel dreht, schraubt sich die Endplatte an der Gewindespindel entlang, so dass sich die Endplatte mit der Drehbewegung der Seiltrommel auch axial bewegt. Hierdurch wird erreicht, dass sich das abzuwickelnde Seil im wesentlichen immer in einer Ebene mit der Seilauslassöffnung in dem Gehäuse befindet, und gewährleistet, dass das Seil in einer Lage sauber auf die Seiltrommel aufgewickelt wird. Die Drehbewegung der Seiltrommel wird über außermittige Führungsstangen auf ein Eingangszahnrad eines Untersetzungsgetriebes übertragen, das wiederum mit der Eingangswelle eines Winkelgebers verbunden ist.

Vor diesem technischen Hintergrund stellt das Klagepatent sich die Aufgabe, die Konstruktion eines solchen Seillängengebers zu vereinfachen.

Zur Lösung dieses Problems sieht Patentanspruch 1 die Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Seillängengeber mit einem Gehäuse (10).
2. In dem Gehäuse (10) ist eine Seiltrommel (34) angeordnet,
a) welche gegen die Wirkung eines Rückstellantriebes (78) drehbar gelagert ist;
b) welche längsbeweglich geführt ist;
c) auf welche ein Messseil (86) aufgewickelt ist.

3. Das Gehäuse (10) besitzt einen gehäusefesten Seilausgang (88), über welchen das Messseil (86) aus dem Gehäuse (10) herausgeführt ist.
4. Der Seillängengeber hat ein Stellgetriebe (24, 56).
5. Über das Stellgetriebe (24, 56) ist die Seiltrommel (34) nach Maßgabe ihrer Umdrehungen derart in Axialrichtung in dem Gehäuse (10) verstellbar, dass sich die von der Seiltrommel (34) jeweils abgewickelten oder aufgewickelten Windungen des Messseils (86) im wesentlichen in der Ebene des Seilausgangs (88) befinden.
6. In dem Gehäuse (10) ist eine zentrale Welle (18) drehbar gelagert.
7. Die Seiltrommel (34) ist undrehbar aber längsbeweglich auf dieser zentralen Welle (18) geführt.
8. Auf der Welle (18) sitzt eine gehäusefest gehaltene, mit einem Außengewinde (26) versehene Gewindehülse (24).
9. An der Seiltrommel (34) ist eine mit einem Innengewinde (58) versehene Mutter (56) vorgesehen.
10. Die Mutter (56) ist mit dem Außengewinde (26) der Gewindehülse (24) in Eingriff.
11. Die Gewindehülse (24) und die Mutter (56) bilden das Stellgetriebe.

Mit einem erfindungsgemäßen Seillängengeber kann somit die Drehbewegung der Seiltrommel unmittelbar an der Welle abgegriffen werden, so dass es der Verwendung eines Untersetzungsgetriebes o.ä. nicht mehr bedarf.

II.
Eine wortsinngemäße Verwirklichung sämtlicher Merkmale ist vorliegend nicht gegeben und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht, da bei der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls keine mit einem Außengewinde versehene Gewindehülse auf der Welle (18) sitzt (Merkmal 8).

1.
Dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1-5 und 9 wortsinngemäß verwirklicht, steht zwischen den Parteien –zu recht– außer Streit.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verfügt gemäß dem Erfordernis des Merkmals 6 über eine drehbar in dem Gehäuse gelagerte zentrale Welle im Sinne des Klagepatents. Hierbei handelt es sich, wie die Klägerin zutreffend ausführt, um die Hohlwelle, die in der Anlage K 12 mit dem Bezugszeichen (18) versehen ist. Die Beklagte wendet hiergegen ein, dass es sich allenfalls bei der in dieser Hohlwelle befindlichen Gewindestange um eine Welle im Sinne des Klagepatents handeln könne, die ihrerseits aber nicht drehbar im Gehäuse gelagert sei, weswegen eine Verwirklichung des Merkmals 6 bereits hieran scheitere. Für die Frage, welches Bauteil als zentrale Welle (18) heranzuziehen ist, ist nach den Auslegungsgrundsätzen des § 14 PatG bzw. Art 69 EPÜ zunächst die Patentschrift selber heranzuziehen. In der allgemeinen Beschreibung der Erfindung findet der Fachmann, dass in dem Gehäuse des Seillängengebers eine zentrale Welle drehbar gelagert ist (Anl. K 1, Sp. 2 Z. 1,2) und dass die Seiltrommel auf einer drehbaren Welle sitzt und dass zu dieser Welle alles zentriert ist (Anl. K1, Sp. 2 Z. 17-19). Weiterhin entnimmt der Fachmann der Beschreibung, dass die Drehbewegung der Seiltrommel unmittelbar an der Welle abgegriffen werden kann. Hinzu tritt zu diesem Verständnis aus der Klagepatentschrift das hiermit in Einklang stehende allgemeine Verständnis des Fachmannes von dem Begriff der Welle. Hierbei handelt es sich um ein Maschinenelement, das zum Weiterleiten von Drehbewegungen und Kräften sowie zur Lagerung von rotierenden (sich drehenden) Teilen Verwendung findet. Wellen übertragen im Unterschied zu Achsen ein Drehmoment, wobei es zahlreiche verschiedene Ausgestaltungen von Wellen gibt, wie etwa Hohlwellen, Kurbel- und Gelenkwellen etc..
Mit diesem technischen Verständnis kann es sich nur bei der Hohlwelle um die zentrale Welle im Sinne des Klagepatents handeln und nicht etwa, wie die Beklagte meint, bei dem Gewindestift.
Diesem Gewindestift fehlt es schon an der drehbaren Lagerung in dem Gehäuse, da er drehfest an diesem an der Seite des Rückstellmotors befestigt ist. Hinzu tritt, dass sich aus den für die Auslegung ebenfalls heranzuziehenden Zeichnungen des Klagepatents ergibt, dass die zentrale Welle dort durchgängig beidseitig in dem Gehäuse gelagert dargestellt wird.
Darüber hinaus „sitzt“ die Gewindetrommel bei der angegriffenen Ausführungsform auch auf der Hohlwelle und nicht auf dem Gewindestift, da sich die axial verschiebbare Lagerung augenscheinlich auf der Hohlwelle befindet. Auch ist es nur die Hohlwelle, an der die Drehbewegung der Seiltrommel unmittelbar abgegriffen werden kann, da diese drehfest zu der Hohlwelle befestigt ist und somit auch diese Hohlwelle dasjenige Bauteil ist, welches die Drehbewegung und damit auch das Drehmoment überträgt.
Die Argumentation der Beklagten, die diese Hohlwelle zu einem bloßen „Lagerrohr“ für die Seiltrommel machen will, dem zusätzlich die Aufgabe zukommt, den Rückstellmotor aufzuziehen, kann demgegenüber bereits im Ansatz nicht überzeugen. Es ist für die Verwirklichung dieses Merkmals auch unschädlich, dass die Hohlwelle in der angegriffenen Ausführungsform nicht einstückig sondern zweistückig ausgeführt ist. Das Klagepatent verhält sich an keiner Stelle darüber, dass die zentrale Welle einstückig ausgeführt sein muss, so dass es in das Belieben des Fachmann gestellt ist, wie er die zentrale Welle auslegt.
Diese Hohlwelle ist zentral und drehbar in dem Gehäuse gelagert, so dass mit dem vorstehend aufgezeigten Verständnis Merkmal 6 wortsinngemäß verwirklicht wird.

3.
Mit diesem Verständnis des Merkmals der zentralen Welle, die bei der angegriffenen Ausführungsform durch die Hohlwelle 18 (Anl. K 12) verwirklicht wird, folgt offensichtlich auch die wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 7, da die Seiltrommel unstreitig undrehbar aber längsbeweglich auf dieser zentralen Welle geführt ist.

4.
Die Beklagte verwirklicht mit dem angegriffenen Seillängengeber die technische Lehre des Klagepatents bezüglich der übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 in äquivalenter Weise. Eine (äquivalente) Benutzung einer Erfindung liegt dann vor, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, dh an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel, mithilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte (BGH, GRUR 1987, 279 – Formstein).

Die Beklagte verwendet bei der angegriffenen Ausführungsform keine auf der Welle (18) sitzende gehäusefest gehaltene, mit einem Außengewinde versehene Gewindehülse. Statt dessen hat sie die Hohlwelle mit zwei axialen Schlitzen versehen und in dem Zentrum der Hohlwelle eine gehäusefest gehaltene, mit einem Außengewinde versehene Gewindestange versehen. Dieses Austauschmittel ist zu der Gewindehülse gleichwirkend. Denn mit der gehäusefest gehaltenen Gewindehülse wird –im Zusammenwirken mit der an der Seiltrommel versehenen Muter mit einem Innengewinde– das Stellgetriebe gebildet (Merkmal 11). Durch die Rotation der Mutter bei der Drehbewegung der Seiltrommel bewirkt das Außengewinde der drehfest gehaltenen Gewindehülse, dass sich die Seiltrommel axial verschiebt. Dies wird auch mit der Gewindestange bewirkt, so dass an der Gleichwirkung keine ernsthaften Zweifel bestehen können.

Das Auffinden dieses Austauschmittels ist für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt auch naheliegend gewesen. Die Beklagte macht hierzu geltend, dass es an jeglichem Vortrag der Klägerin zu dieser Voraussetzung für eine äquivalente Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents fehlt. Die Klägerin hat aber –unbestritten– hierzu vorgetragen (Bl. 62 dA), dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Gewindestange als Teil eines Stellgetriebes im Zusammenwirken mit einer Mutter um ein in der Technik allgemein bekanntes Konstruktionsprinzip handelt. Man finde dieses etwa seit Jahrzehnten bei Absperrventilen. Dieser Vortrag ist auch im Termin zur mündlichen Verhandlung unstreitig geblieben. Es ist auf der Hand liegend, dass der Fachmann, der dieses Merkmal im Zusammenhang mit dem gesamten Anspruch liest, versteht, dass es sich bei der Gewindehülse um den das Außengewinde tragenden Teil des Stellgetriebes handelt, der hierzu drehfest gelagert sein muss und der die Rotation der zentralen Welle nicht behindern darf. Dass er gleiches auch mit einer Gewindestange erreicht, die sich in dem Zentrum einer Hohlwelle befindet, bedarf keiner besonderen (erfinderischen) Überlegungen.

Die Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, sind auch derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert, dass er die Ausführung der angegriffenen Konstruktion mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit). Der Fachmann entnimmt der technischen Lehre des Klagepatents, dass die Gewindehülse mit der an der Seiltrommel befindlichen Hülse das Stellgetriebe für die Seiltrommel bildet, welches eine freie Rotation der zentralen Welle zulässt und somit die unmittelbare Abgreifbarkeit der Drehbewegung der Seiltrommel an der Welle erlaubt. Des weiteren entnimmt er jedenfalls den Zeichnungen des Klagepatents, dass es sich bei der zentralen Welle auch um eine Hohlwelle handeln kann. Zudem erkennt er, dass die Seiltrommel nach der technischen Lehre des Klagepatents undrehbar aber längsbeweglich auf der zentralen Welle geführt sein muss. Hierzu sieht das erste Ausführungsbeispiel des Klagepatents eine Längsnut vor, die beiden Voraussetzungen dient. In diese Längsnut greift ein Bauteil der Seiltrommel ein, welches die Undrehbarkeit bewerkstelligt. Hiervon ausgehend sind dem Fachmann aber bereits zwei Konstruktionsmerkmale für die angegriffene Ausführungsform an die Hand gegeben, die ihn dazu befähigen, die realisierte Lösung -die Mutter der Seiltrommel als durch die Längsnut eingreifendes Bauteil- aufzufinden, bei der das Innengewinde der an der Seiltrommel angebrachten Mutter dann mit dem Außengewinde der in dem Zentrum der zentralen Hohlwelle befindlichen Gewindestange in Eingriff steht.
Er wird von diesen Überlegungen auch nicht etwa deshalb abgehalten, weil sich das Klagepatent die Aufgabe stellt, die Konstruktion eines Seillängengebers zu vereinfachen. Denn er entnimmt der allgemeinen Beschreibung, dass sich die einfachere Konstruktion auf die drehbar gelagerte zentrale Welle bezieht, die es ermöglicht, die Drehung der auf ihr drehfest gelagerten Seiltrommel direkt an ihr, der Welle, abzugreifen. Dies erspart den aus dem gewürdigten Stand der Technik her bekannten Konstruktionsaufwand, bei dem die Drehbewegung der Seiltrommel über außermittige, axiale Führungsstangen, die sich durch Durchbrüche der Endplatte der Seiltrommel erstrecken, auf ein Eingangs-Zahnrad eines Untersetzungsgetriebes übertragen wird, das wiederum mit der Eingangswelle eines Winkelgebers verbunden ist. Der ebenfalls im Stand der Technik bekannte Aufbau des Stellgetriebes wird nicht mit einem Wort erwähnt. Wichtig für die Funktion der Erfindung ist allein das Vorhandensein eines Stellantriebes. Demgegenüber verbindet das Klagepatent keinerlei besonderen Vorteile mit einer ganz bestimmten Stellantriebskonstruktion. Schon diese schlichte Erkenntnis führt den Fachmann unweigerlich zu der Überlegung, die beschriebene und beanspruchte Antriebsart durch eine ihm geläufige andere zu ersetzen.

5.
Im Anschluss an die vorstehenden Erwägungen, ergibt sich eine äquivalente Verwirklichung der Merkmale 10 und 11 ohne weiteres, die sich mit dem Ineinandergreifen des Gewindes der an der Seiltrommel vorgesehenen Mutter (56) mit dem Außengewinde der Gewindehülse befassen, da bei der angegriffenen Ausführungsform das Stellgetriebe –wie ausgeführt- durch die in der Hohlwelle befindlichen Gewindestange und die an der Seiltrommel vorgesehene Mutter gebildet wird.

III.
Der von der Beklagten erhobene Einwand, sie bewege sich mit der von ihr realisierten Abwandlung im Stand der Technik, greift vorliegend nicht durch. Grundsätzlich kann der Verletzer einwenden, dass eine angegriffene Ausführungsform nicht in den Schutzbereich eines Patents fällt, wenn sie mit der Gesamtheit ihrer Merkmale, seien sie nun wortsinngemäß oder äquivalent verwirklicht, im Stand der Technik vorweggenommen ist oder sich aus diesem nahe liegend ergibt.
Voraussetzung ist hierfür jedoch, dass sich die angegriffene Ausführungsform als Ganzes aus dem Stand der Technik ergeben muss und nicht nur die äquivalent verwirklichten Merkmale. Dem von der Beklagten herangezogenen Stand der Technik, die US-Patentschrift 3,041,044 (Anl. B 1), die im übrigen bereits im Erteilungsverfahren des Klagepatents berücksichtigt wurde, sowie die US-Patentschrift 2,594,484 (Anl. B 2), ist aber diese Gesamtheit der Merkmale der angegriffenen Ausführungsform nicht zu entnehmen. Zum einen handelt es sich bei den gezeigten „Reeling Devices“ (Aufrollmittel) nicht um gattungsgeäße Seillängengeber. Überdies ist beiden dort gezeigten Geräten keine drehbar im Gehäuse gelagerte zentrale Welle zu entnehmen, da beide dort gezeigten Wellen, auf denen sich jeweils Bereiche mit einem Außengewinde befinden, drehfest in dem Gehäuse gelagert sind und auch sein müssen, wenn sie eine axiale Verstellbarkeit der Seiltrommel gewährleisten sollen.

IV.
Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents mit der angegriffenen Ausführungsform rechtswidrig benutzt hat, ist sie der Klägerin insoweit zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die Beklagte hat der Klägerin außerdem dem Grunde nach Schadenersatz zu leisten, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentbenutzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.Gemäß § 140b PatG hat die Beklagte schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind. Der Vernichtungsanspruch ergibt sich aus § 140a PatG.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO.