4b O 296/06 – Staubsauger-Saugrohr III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 718

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Dezember 2007, Az. 4b O 296/06

I. Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

II. Das Urteil ist für die Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000 € bis zum 13.11.2007 und seit dem 14.11.2007 auf das Kosteninteresse aus einem Streitwert von 500.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Verletzung des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes 0 293 xxx (Verfügungspatent, Anlage ASt 1), dessen eingetragene Inhaberin sie ist (vgl. Anlage ASt 2), auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch genommen.

Das Verfügungspatent betrifft ein teleskopierbares Staubsauger-Saugrohr; die ihm zugrundeliegende Anmeldung wurde am 31. Dezember 1987 unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Patentes 37 18 xxx (Anlage ASt 9) eingereicht und am 7. Dezember 1988 im Patentblatt veröffentlicht. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatentes ist am 26. Februar 1992 im Patentblatt bekanntgemacht worden. Anspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache verfassten Verfügungspatentes lautet wie folgt:

Teleskopierbares Staubsauger-Saugrohr (10) mit einem Außenrohr (12), mit einer sich axial erstreckenden Rastleiste (20), deren Rastausnehmungen (21) in die Wandung (22) des Innenrohres (11) eingeprägt sind, mit einem mit den Rastausnehmungen (21) zusammenwirkenden, Außenrohr (12) und Innenrohr (11) axial lösbar zueinander arretierenden, etwa radial beweglich am Außenrohr (12) gehaltenen, durch einen Niederhalter (16; 16a; 16b) arretierbaren Rastkörper (25; 25a; 25b), welcher ein gesondertes Bauteil bildet, das mittels des einen Steuerkörper darstellenden, unabhängig vom Rastkörper (25; 25a; 25b) beweglichen Niederhalters (16; 16a; 16b) bezüglich der jeweiligen Rastausnehmung (21) in eine Sperr- oder Freigabestellung versetzbar ist, wobei der Niederhalter (16; 16a; 16b) in seiner Sperrstellung den Rastkörper (25; 25a; 25 b) überlagert und in seiner Freigabestellung einen Freiraum (14) zur Rastausnehmung (21) hin öffnet, wobei eine eine Relativdrehung zwischen Innen- und Außenrohr (11, 12) verhindernde Formschlusssicherung eine in die Rohrwandung (22) des Innenrohres (11) eingeformte Axialnut (35) aufweist, in welche eine axiale Führungsrippe (36) dichtend eingreift, die einem kreiszylindrischen Kunststoff-Ringkörper (15) zugeordnet ist, welcher zwischen Innenrohr (11) und einer muffenförmigen Aufweitung (13) des Außenrohres (12) angeordnet ist und welcher zur Führung des Rastkörpers (25; 25a; 25b) eine Öffnung (29) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass zur Aufnahme des mit den Rastausnehmungen (21) der Rastleiste (20) zusammenwirkenden Rastkörpers (25; 25a; 25b) zwischen der Innenrohr-Außenmantelfläche (34) und Außenrohr-Innenmantelfläche (33) der muffenförmigen Aufweitung (13) der Freiraum (14) gebildet ist, in welchem auch der in Rohrlängs- (x) oder in Rohrumfangsrichtung (u) bewegliche Niederhalter angeordnet ist, der einen Sperrschieber (16; 16a; 16b) darstellt, welcher von dem als Führungskörper (15) ausgebildeten Kunststoff-Ringkörper geführt ist und welcher die Außenrohrwandung mit einem Betätigungsansatz (17) in einer Aussparung (18) durchgreift.

Einen von dritter Seite gegen das Verfügungspatent eingelegten Einspruch hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 27. Mai 1994 (Anlage ASt 9) rechtskräftig zurückgewiesen.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figurendarstellungen der Verfügungspatentschrift zeigen Ausführungsbeispiele der Erfindung; bei dem in den Figuren 1 und 2 darstellten Ausführungsbeispiel ist der den Rastkörper zur Verrastung des Innen- und Außenrohres freigebende oder sperrende Schieber längsverschieblich, wobei Figur 1 die Verriegelungs- und Figur 2 die Freigabestellung darstellt, während der Schieber in dem in den Figuren 3 bis 5 dargestellten Beispiel im Umfangsrichtung um die Rohrlängsachse herum verschiebbar ist; in Figur 5 ist außerdem diametral zur Rastvorrichtung die in die Axialnut des Innenrohres eingreifende axiale Führungsrippe des Kunststoff-Ringkörpers zu erkennen, die eine Formschlusssicherung bildet und eine Relativdrehung zwischen Innen- und Außenrohr verhindert.

Die Verfügungsbeklagte bot im Internet Bodenstaubsauger der Marke A an, wie sich dies aus der nachfolgend auszugsweise und verkleinert eingeblendeten Anlage ASt 3 ergibt. Unter den technischen Daten ist dort u.a. ein Teleskop-Saugrohr angegeben.

Am 31. Juli 2006 wurde ein solcher von der Verfügungsbeklagten beworbener Staubsauger an einen Mitarbeiter der Verfügungsklägerin auf dessen Bestellung hin ausgeliefert. In dieser Lieferung enthalten war ein Teleskop-Saugrohr, welches die sich aus den nachfolgend (auszugsweise) eingeblendeten Lichtbildern der Anl. ASt 8 ergebenden Details aufwies.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer durch Beschluss vom 11. August 2006

1.
der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung, bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

teleskopierbare Staubsauger-Saugrohre (gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit zugehörigen Staubsaugern) mit einem Außenrohr, mit einer sich axial erstreckenden Rastleiste, deren Rastausnehmungen in die Wandung des Innenrohres eingeprägt sind, mit einem mit den Rastausnehmungen zusammenwirkenden, Außenrohr und Innenrohr axial lösbar zueinander arretierenden, etwa radial beweglich am Außenrohr gehaltenen, durch einen Niederhalter arretierbaren Rastkörper, welcher ein gesondertes Bauteil bildet, das mittels des einen Steuerkörpers darstellenden, unabhängig vom Rastkörper beweglichen Niederhalters bezüglich der jeweiligen Rastausnehmungen in eine Sperr- oder Freigabestellung versetzbar ist, wobei der Niederhalter in seiner Sperrstellung den Rastkörper überlagert und in seiner Freigabestellung einen Freiraum zur Rastausnehmung hin öffnet, wobei eine eine Relativdrehung zwischen Innen- und Außenrohr verhindernde Formschlusssicherung eine in die Rohrwandung des Innenrohrs eingeformte Axialnut aufweist, in welche eine axiale Führungsrippe dichtend eingreift, die einem kreiszylindrischen Kunststoff-Ringkörper zugeordnet ist, welcher zwischen Innenrohr und einer muffenförmigen Aufweitung des Außenrohres angeordnet ist, und welcher zur Führung des Rastkörpers eine Öffnung aufweist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den vorgenannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen zur Aufnahme des mit den Rastausnehmungen der Rastleiste zusammenwirkenden Rastkörpers zwischen der Innenrohr-Außenmantelfläche und Außenrohr-Innenmantelfläche der muffenförmigen Aufweitung der Freiraum gebildet ist, in welchem auch der in Rohrlängsrichtung bewegliche Niederhalter angeordnet ist, der einen Sperrschieber darstellt, welcher von dem als Führungskörper ausgebildeten Kunststoff-Ringkörper geführt ist und wobei der Sperrschieber durch eine Aussparung in der Außenrohrwandung von einem Betätigungsansatz ergriffen wird;

2.
der Verfügungsbeklagten aufgegeben,

der Verfügungsklägerin unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der zu I. 1. bezeichneten Waren zu erteilen, und zwar unter Angabe des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Ware.

Gegen die einstweilige Verfügung, die ihr in dem Vereinigten Königreich zugestellt wurde, hat die Verfügungsbeklagte am 13. November 2006 (Eingang bei Gericht) Widerspruch eingelegt, den sie auf den Kostenausspruch beschränkt hat. Im Übrigen hat sie mit diesem Schriftsatz eine Abschlusserklärung abgegeben, mit der sie den Inhalt der einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung anerkannt hat.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, es habe in dem vorliegenden Fall einer – unstreitig unterbliebenen – außergerichtlichen Abmahnung nicht bedurft, da nicht zu erwarten gewesen sei, dass die Verfügungsbeklagte sich auf eine solche Abmahnung hin der geforderten Unterlassung unterworfen hätte. Schließlich habe sie, die Verfügungsklägerin, verhindern wollen, dass die Verfügungsbeklagte im europäischen Ausland eine negative Feststellungsklage einreichen könne, um die Durchsetzung ihrer (der Verfügungsklägerin) Rechte in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu gefährden.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung vom 11. August 2006 im Kostenpunkt zu bestätigen und der Antragsgegnerin auch die weiteren Kostend des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

der Antragstellerin die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, sie habe der Verfügungsklägerin außergerichtlich keine Veranlassung dazu gegeben, davon auszugehen, dass eine Abmahnung –ausnahmsweise- entbehrlich sein könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegen Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Nachdem die Verfügungsbeklagte die gegen sie geltend gemachten Ansprüche anerkannt hat und sich mit dem gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung vom 11. August 2006 gerichteten Widerspruch ausschließlich gegen den dortigen Kostenausspruch wendet, ist nur noch über die Kostentragungspflicht zu entscheiden. Dies führt vorliegend dazu, dass die Verfahrenskosten der Verfügungsklägerin aufzuerlegen sind, denn die Verfügungsbeklagte hat die gegen sie geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt und zur gerichtlichen Inanspruchnahme auch keine Veranlassung gegeben, § 93 ZPO.

Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind die Kosten des Verfahrens grundsätzlich dem anerkennenden Antragsgegner als der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Nach § 93 ZPO, der auch im Verfügungsverfahren anzuwenden ist, hat der Antragsteller aber die Kosten zu tragen, wenn der Antragsgegner zur Verfahrenseinleitung keine Veranlassung gegeben hat und er den Antrag sofort anerkennt. Der Antragsgegner hat Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben, wenn er durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, der Antragsteller bedürfe gerichtlicher Hilfe, um seinen Anspruch zu verwirklichen (Bernecke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. RN 233). Ohne vorherige Abmahnung besteht allerdings regelmäßig keine Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 93 ZPO, denn erfahrungsgemäß sind Verletzer auf eine Abmahnung hin häufig bereit, sich zu unterwerfen und so ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Auf eine Abmahnung kann der Gläubiger (die Verfügungsklägerin), ohne das Risiko einer Kostenbelastung nach § 93 ZPO einzugehen, ausnahmsweise nur dann verzichten, wenn die Aufforderung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nutzlos erscheint, der Gläubiger also annehmen muss, der Schuldner (die Verfügungsbeklagte) werde von den Verstößen nicht ohne ein gerichtliches Verbot absehen. Die Dringlichkeit alleine, die bereits Voraussetzung für den Erlass einer jeden einstweiligen Verfügung darstellt, lässt eine Abmahnung nicht bereits entbehrlich werden. Einer solchen bedarf es vielmehr erst dann nicht, wenn das verbotene Verhalten sofort abgestellt werden muss und die mit der – gegebenenfalls sehr kurzfristigen – Abmahnung verbundene Verzögerung dem Gläubiger nicht zuzumuten ist. Solches ist von der Verfügungsklägerin aber nicht dargetan worden. Soweit sie darauf abstellt, dass die Verfügungsbeklagte für die gesamte europäische Internetpräsenz des A Konzerns verantwortlich zeichnete, spricht dies nicht dagegen, dass sie sich auf eine vorgerichtliche Abmahnung hin hinsichtlich der geforderten Unterlassung für die Bundesrepublik Deutschland unterworfen hätte. Gleiches hätte selbst dann zu gelten, wenn die Verfügungsklägerin zutreffend davon ausgegangen wäre, dass die Verfügungsbeklagte auch für die Lieferung der angegriffenen Staubsaugerrohre „mit“- verantwortlich gewesen wäre. Es ist nicht erkennbar, dass die Verfügungsbeklagte auch in diesem Fall – nach Prüfung des Vorwurfs der Patentverletzung – ihr patentverletzendes Handeln fortgesetzt hätte. Auch die weiter vorgetragenen Argumente der wirtschaftlichen Bedeutung der patentverletzenden Handlungen sowie einer „gesamteuropäischen“ Bedeutung rechtfertigen keine Ausnahme von dem grundsätzlichen Erfordernis einer vorgerichtlichen Abmahnung. Auch für den Fall, dass der beanstandete Vertrieb der in Rede stehenden Staubsaugerrohre eine solch weitreichende Bedeutung gehabt haben sollte, wäre es der Verfügungsklägerin ohne weiteres zuzumuten gewesen, die Verfügungsbeklagte – gegebenenfalls mit einer entsprechend kurz bemessenen Frist – vor der gerichtlichen Inanspruchnahme abzumahnen, um ihr Gelegenheit zu geben, den gegen sie erhobenen Vorwurf zu überprüfen und sodann – kostengünstig – adäquat darauf zu reagieren.

Zwar kann sich vor einem Verfügungsverfahren eine Abmahnung des Antragsgegners auch deshalb verbieten, weil er nicht vorgewarnt werden darf, um den Erfolg der begehrten Maßnahme nicht zu gefährden. Das vorliegend eine solche Situation gegeben war, kann aber ebenfalls nicht festgestellt werden. So erfüllt beispielsweise eine auf Sicherstellung patentverletzender Gegenstände gerichtete einstweilige Verfügung regelmäßig ihren Zweck nur dann, wenn sie für den Antragsgegner überraschend erlassen wird. In solchen Fällen wird regelmäßig von dem Erfordernis einer vorherigen Abmahnung abgesehen. In dem vorliegenden Fall war die vorgerichtliche Abmahnung aber nicht deshalb entbehrlich, weil die Verfügungsklägerin ein schützenswertes Interesse daran gehabt hat, eine Vorwarnung der Verfügungsbeklagten zu verhindern, um dieser nicht die Gelegenheit zu geben, in einem europäischen Mitgliedsstaat eine negative Feststellungsklage zu erheben. Eine solche Vorgehensweise kann ggf. eine Rechtfertigung darstellen, wenn der Schutzrechtsinhaber beabsichtigt, im Wege der Hauptsacheklage gegen das patentverletzende Verhalten vorzugehen, weil in diesen Fällen gem. Art. 27 VO 44/2001 ein Hauptsacheverfahren durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage gehemmt ist. Diese Vorschrift hat aber keine Geltung im einstweiligen Verfügungsverfahren. Die Verfügungsklägerin hat in der Antragsschrift bereits darauf hingewiesen, dass wegen der Kürze der Restlaufzeit des Patentschutzes ein Hauptsacheverfahren für sie schon nicht mehr von Interesse sei, so dass sie ausschließlich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Verfügungsbeklagte vorgehen wollte. Für diese Art des Rechtsschutzes sind im Ausland anhängig gemachte negative Feststellungsklagen aber ohne Belang. Dass daneben ein besonderes „Überraschungsinteresse“ auf seiten der Verfügungsklgerin bestanden hat, ist von dieser weder geltend gemacht, noch ohne weiteres ersichtlich. Insbesondere war der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch „nur“ auf Unterlassung und Auskunfterteilung gerichtet und nicht etwa zudem auf die Herausgabe patentverletzender Gegenstände.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.