4a O 413/06 – Band-Abtrenner

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 654

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Dezember 2007, Az. 4a O 413/06

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
III. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 299 21 xxx (Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft und Schadensersatz sowie auf Erstattung von Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgebühren, die für eine vorgerichtliche Abmahnung angefallen sind, in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, das am 03.12.1999 angemeldet und dessen Eintragung am 06.04.2000 im Patentblatt bekannt gemacht wurde. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Es bezieht sich auf eine Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes.

Mit Schreiben vom 29.12.2005 hat die Klägerin neue Schutzansprüche beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht (Anlage K2) und erklärt, dass sie nur noch für diese neu eingereichten Schutzansprüche Schutz begehrt. Der von der Klägerin mit dem Klageantrag zu I. 1. a) geltend gemachte neue Gebrauchsmusteranspruch 1 und der mit dem Klageantrag zu I. 1. b) geltend gemachte neue Gebrauchsmusteranspruch 2 lauten wie folgt:
Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle (5) aufgewickelten Bandes (6), welche einen Behälter (1) zur Aufnahme der Rolle (3) aufweist, wobei auf einer Seite des Bandes (6) Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht und derart auf dem Band (6) angeordnet sind, dass diese mit ihren Klebeseiten nach außen weisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Seite des Bandes (6), auf der die Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen angebracht sind, auf der Rolle nach innen weist.
Anspruch 1
Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle (5) aufgewickelten Bandes (6), welche einen Behälter (1) zur Aufnahme der Rolle (3) aufweist, wobei auf einer Seite des Bandes (6) Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht und derart auf dem Band (6) angeordnet sind, dass diese mit ihren Klebeseiten nach außen weisen, und wobei der Behälter (1) eine schlitzartige Öffnung (3) aufweist, aus der das freie Ende (4) des Bandes herausführbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass das freie Ende des Bandes (6) mit seiner etikettenfreien bzw. kleberfreien Seite auf ein Widerlager (7) des Behälters (1) an der schlitzartigen Öffnung (3) auflegbar ist, das vom Behälter (1) frei vorragt.
Anspruch 2

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagegebrauchsmusterschrift stammen. Figur 1 zeigt eine Seitenansicht des offenen Behälters in einer ersten Ausführungsform und Figur 2 eine Seitenansicht des zugehörigen abnehmbaren Behälterteils mit aufgesteckter Rolle. Figur 3 zeigt eine Seitenansicht des offenen Behälters mit eingelegter Rolle in einer zweiten Ausführungsform und Figur 4 eine Seitenansicht des zugehörigen abnehmbaren Behälterteils. Figur 5 stellt eine perspektivische Darstellung einer Ansicht des Behälters in einer dritten Ausführungsform in geöffnetem Zustand und Figur 6 dieselbe Ausführungsform in geschlossenem Zustand dar.

Die Beklagte vertreibt Vorrichtungen zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes. Die Klägerin greift mit der Klage insgesamt drei Ausführungsformen an. Die erste angegriffene Ausführungsform (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform I) ist auf der Abbildung gemäß Anlage K 9 gezeigt, die zweite angegriffene Ausführungsform (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform II) auf der Abbildung gemäß Anlage K 10 und die dritte Ausführungsform auf der Abbildung gemäß Anlage K 11 (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform III).

Anlage K9:

Anlage K10:

Anlage K11:

Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen I, II und III verletzten den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß. Die angegriffene Ausführungsform III verletze zudem den Schutzanspruch 2 wortsinngemäß. Die geltend gemachten Klagegebrauchsmusteransprüche seien schutzfähig. Die Druckschrift DE 296 17 xxx (Anlage K5) zeige keine Anordnung des Bandes, bei dem die Klebeetiketten auf der Rolle nach innen zeigten, wie es der Schutzanspruch 1 erfordere. Es sei für den Fachmann auch nicht naheliegend, die in dieser Entgegenhaltung gezeigte Vorrichtung dahingehend abzuwandeln, dass die Etiketten auf der Rolle nach innen weisen würden, da die in Figur 1 der Entgegenhaltung gezeigte Vorrichtung dann nicht funktionsfähig sei. Auch offenbare DE 296 17 xxx kein vom Behälter frei hervorragendes Widerlager, auf dem das freie Ende des Bandes mit seiner etikettenfreien Seite auflegbar sei, wie es der Schutzanspruch 2 erfordere. Der Freigabeschacht bei der DE 296 17 xxx diene nur einer vereinfachten Entnahme der Klebeetiketten.

Die Klägerin beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

a)
Vorrichtungen zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes, welche einen Behälter zur Aufnahme der Rolle aufweisen, wobei auf einer Seite des Bandes Klebeetiketten, -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht und derart auf dem Band angeordnet sind, dass sie mit ihren Klebeseiten nach außen weisen,
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Seite des Bandes, auf der die Klebeetiketten, -siegel oder dergleichen angebracht sind, auf der Rolle nach innen weist.

b)
Vorrichtungen zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes, welche einen Behälter zur Aufnahme der Rolle aufweisen, wobei auf einer Seite des Bandes Klebeetiketten, -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht und derart auf dem Band angeordnet sind, dass diese mit ihren Klebeseiten nach außen weisen, und wobei der Behälter eine schlitzartige Öffnung aufweist, aus der das freie Ende des Bandes herausführbar ist,
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen das freie Ende des Bandes mit seiner etikettenfreien bzw. kleberfreien Seite auf ein Widerlager des Behälters an der schlitzartigen Öffnung auflegbar ist, das vom Behälter frei vorragt.

Wegen der im Rahmen des Schutzanspruchs 1 „insbesondere“ geltend gemachten neuen Unteransprüche 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 20, 25, 26 und 27 auf der im Rahmen des Schutzanspruchs 2 „insbesondere“ geltend gemachten neuen Unteransprüche 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11, 20, 25, 26 und 27 wird auf die Klageschrift verwiesen.

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 06.05.2000 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen (aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen), sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten auf Antrag vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie ihrer Angebotsempfänger anstatt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 06.05.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.560,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.800,20 € seit Rechtshängigkeit der Klage (29.11.2006) sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.760,20 € seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung (08.10.2007) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig. Zum einen sei die Lehre des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Form durch verschiedene offenkundige Vorbenutzungen neuheitsschädlich vorweg genommen. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten nebst Anlagen Bezug genommen. Zudem fehle dem Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters gegenüber der DE 296 19 xxx (Anlage K5) der erfinderische Schritt, da das Klagegebrauchsmuster nur die Aufwickelrichtung der Rolle für die Klebeetiketten abweichend vom Klagegebrauchsmuster vorgebe. Die Möglichkeit, eine Rolle mit Klebeetiketten entweder mit den Etiketten nach innen oder nach außen aufzuwickeln, sei dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens bekannt, so dass die Wahl der Aufwickelrichtung keinen erfinderischen Schritt begründen könne. Jedenfalls aus der B6 könne der Fachmann diese Aufwickelrichtung entnehmen, so dass ihn auch die Kombination der B6 mit der K5 zu der klagegebrauchsmustergemäßen Erfindung führe.
Der Schutzanspruch 2 werde durch die B6 nahegelegt. Zwar zeige die B6 kein Widerlager, das vom Behälter frei hervorrage. Allerdings werde ein solches freistehendes Widerlager in den DE 1 689 xxx (Anlage B7), DE 6 934 xxx (Anlage B8) und DE 8 804 xxx (Anlage B9) gezeigt. Auch die K5 stehe allein oder jedenfalls in Kombination mit den B7, B8 oder B9 der Schutzfähigkeit des Schutzanspruchs 2 entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Klägerin kann von der Beklagten keine Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Rechnungslegung sowie Erstattung von außergerichtlich aufgewendeten Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 24 Abs. 1, 2, 24b Abs. 1, 2 GebrMG; §§ 242, 259 BGB verlangen. Die Klägerin kann aus dem Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Fassung keine Rechte herleiten, da die in diesen Ansprüchen offenbarte technische Lehre nicht schutzfähig ist.

I.
Das Klagegebrauchsmuster schützt eine Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes.
Bei den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen, denen Etiketten entnommen werden können, war es üblich, das Trägerband, auf dem die Etiketten angeordnet waren, scharfwinklig nach unten wegzuziehen, während die Etiketten waagerecht weiterlaufen. Das hervorstehende Etikett kann dann mit der Hand oder mit einer Vorrichtung ergriffen und aufgeklebt werden. Das Klagegebrauchsmuster kritisiert an diesem Stand der Technik, dass die Etiketten vergleichsweise stabil ausgebildet sein müssten und dass zudem die Handhabung ungünstig sei, weil sich eine Berührung der Klebeseiten der Etiketten nicht vermeiden lasse.
Das Klagegebrauchsmuster macht es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe, eine Vorrichtung der gattungsgemäßen Art dahingehend zu verbessern, dass die verwendeten Klebeetiketten, -siegel oder dergleichen in ihrer Stärke und/oder ihrer Empfindlichkeit gegenüber den bekannten Ausführungen reduziert werden können und deren Handhabung ohne Berührung derselben möglich ist.

Dies soll insbesondere durch die Schutzansprüche 1 und 2 des Klagegebrauchsmusters in der mit Schreiben vom 29.12.2005 eingereichten Fassung erreicht werden, die folgende Merkmale aufweisen:
1. Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle (5) aufgewickelten Bandes (6), mit
2. einem Behälter (1) zur Aufnahme der Rolle (3),
3. einem Band (6), auf dessen einer Seite Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht sind;
4. die Klebeetiketten (8) sind derart auf dem Band (6) angeordnet sind, dass diese mit ihren Klebeseiten nach außen weisen;
5. die Seite des Bandes (6), auf der die Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen angebracht sind, weist auf der Rolle nach innen.
Anspruch 1

1. Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle (5) aufgewickelten Bandes (6), mit
2. einem Behälter (1) zur Aufnahme der Rolle (3),
3. einem Band (6), auf dessen einer Seite Klebeetiketten (8), -siegel oder dergleichen ablösbar angebracht sind,
4. die Klebeetiketten (8) sind derart auf dem Band (6) angeordnet, dass sie mit ihren Klebeseiten nach außen weisen,
5. der Behälter (1) weist eine schlitzartige Öffnung (3) auf, aus der das freie Ende (4) des Bandes herausführbar ist,
6. das freie Ende des Bandes (6) ist mit seiner etikettenfreien bzw. kleberfreien Seite auf ein Widerlager (7) des Behälters (1) an der schlitzartigen Öffnung (3) auflegbar,
7. das Widerlager (7) ragt vom Behälter (1) frei vor.
Anspruch 2

II.
Das Klagegebrauchsmuster ist weder im Schutzanspruch 1 noch im Schutzanspruch 2 schutzfähig.

1.
Der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Fassung beruht ausgehend von der Entgegenhaltung DE 296 17 xxx (Anlage K5, im Folgenden: K5) nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne des § 1 Abs. 1 GebrMG.

Die K5 offenbart ein Etikettenspendegerät, das in der Figur 1 näher dargestellt ist.

Bei diesem Gerät befindet sich in einem Gehäuse 1 eine Etikettenbandrolle 21. Von dieser Etikettenbandrolle wird ein Etikettenband 7 herausgeführt. Auf dem Etikettenband 7 befinden sich Etiketten 9, wobei sich jeweils die Klebeschicht der Etiketten auf der dem Etikettenband abgewandten Seite befindet (vgl. Anspruch 1, erstes kennzeichnendes Merkmal). In dem Gehäuse 1 befindet sich zudem eine Schneideinrichtung 13, die jeweils einzelne Abschnitte des Etikettenbandes, auf dem sich ein Etikett befindet, abschneidet.
Diese Entgegenhaltung offenbart die Merkmale 1 bis 4 des Klagegebrauchsmusters. Eine Vorrichtung zum Abtrennen von Abschnitten eines zu einer Rolle aufgewickelten Bandes im Sinne des Merkmals 1 ist in Form der Schneideinrichtung 13 vorhanden, die einzelne Etikettenbandabschnitte 7’ mit jeweils einem darauf befindlichen Etikett 9 von dem Etikettenband abschneidet (vgl. K5, Seite 2, 4. Absatz, Zeilen 5f). Ein Behälter zur Aufnahme der Rolle (Merkmal 2) ist in Form des Gehäuses 1 offenbart. Auf dem Etikettenband sind Klebeetiketten ablösbar angebracht gemäß Merkmal 3. Dies ergibt sich bereits aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 der K5. Dass die Etiketten mit ihrer Klebeseite nach außen weisend auf dem Band angebracht sind (Merkmal 4), ergibt sich aus dem ersten kennzeichnenden Merkmal der K5.
Das Merkmal 5, nach dem die Klebeetiketten auf der Rolle nach innen weisend angebracht sein müssen, ist zwar in der K5 nicht offenbart. Bei der K5 sind die Etiketten auf der Rolle nach außen weisend angebracht. Dies ergibt sich aus verschiedenen Beschreibungsstellen, die eine solche Anordnung voraussetzen. So heißt es auf Seite 3, 1. Absatz, Zeilen 4-6:
„Wegen dieser geringen Haftfähigkeit des Etikettenbandes 7 haften die einzelnen Etiketten 9 in der Bandrolle 21 nicht an der in der Bandspule 5 nächsten äußeren Lage des Etikettenbandes 7.“
Die Problematik, dass ein Etikett an einer nächsten äußeren Lage des Etikettenbandes haften kann, kann sich nur stellen, wenn die Etiketten außen auf dem Band angeordnet sind.
Des Weiteren ergibt sich dies aus Seite 3, 2. Absatz, Zeilen 6-8:
„(…) wobei infolge der geringen Haftkraft des Etikettenbandes 7 an seiner Unterseite dieses nicht an der Klebeschicht der in der Rolle darunter liegenden Etiketten 9 anhaftet“
Nur bei einer Aufwickelung mit den Klebeseiten nach außen kann die Unterseite des Etikettenbandes mit den darunter liegenden Etiketten in Berührung kommen. Bei umgekehrter Wickelung würde nämlich die Oberseite des Etikettenbandes mit dem darüber liegenden Etikett in Berührung kommen. Die gleiche Schlussfolgerung hinsichtlich der Ausrichtung der Etiketten auf der Rolle lässt sich schließlich aus den Textstellen auf Seite 3, 3. Absatz, Zeilen 4-6 und 4. Absatz, Zeilen 4-5 ziehen.
Wenn auch die K5 das Merkmal 5 nicht offenbart, so fehlt es doch ausgehend von der K5 an einem erfinderischen Schritt. Ob ein erfinderischer Schritt vorliegt, ist nach der Entscheidung „Demonstrationsschrank“ des BGH vom 20.06.2006 (GRUR 2006, 842) kein quantitatives, sondern ein qualitatives Kriterium. Nach dieser Entscheidung ist bei der Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ im Gebrauchsmusterrecht derselbe Maßstab anzuwenden wie bei der Beurteilung des Beruhens auf einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 1 PatG. Da nach § 4 PatG eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, liegt entsprechend ein „erfinderischer Schritt“ vor, wenn sich die Erfindung, die Gegenstand des Gebrauchsmusters ist, für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Vorliegend unterscheidet sich die klagegebrauchsmustergemäße Vorrichtung im Vergleich zu der K5 lediglich dadurch, dass bei der klagegebrauchsmustergemäßen Vorrichtung die Klebeetiketten auf dem aufgewickelten Band nach innen weisen, während die Rolle bei der K5 derart aufgewickelt ist, dass die Etiketten nach außen weisen. Der Schritt, den es ausgehend von der K5 für den Fachmann bedarf, um zu der gebrauchsmustergemäßen Lehre zu gelangen, besteht somit darin, die Aufwickelrichtung der Bandrolle umzukehren. Dieser Schritt geht nicht über das auf der Hand Liegende hinaus. Es ist für jeden Laien und jeden Fachmann ohne weiteres einsichtig, dass das Band mit den Etiketten in zwei verschiedenen Richtungen zu einer Rolle aufgewickelt werden kann: entweder derart, dass die Etiketten auf der Rolle nach innen weisen oder derart, dass die Etiketten auf der Rolle nach außen weisen. Wählt der Fachmann eine dieser Aufwickelungen, so vertauscht er lediglich ein bekanntes Mittel gegen ein anderes gleichfalls bekanntes Mittel, was keinen erfinderischen Schritt begründet (Benkard/Goebel, GebrMG, 10. Aufl. 2006, § 1 Rn. 22).

Eine Anregung dahingehend, die Etikettenrolle so aufzurollen, dass die Klebeetiketten nach innen weisen, kann der Fachmann sogar der K5 entnehmen. Dort ist auf Seite 3, letzter Absatz angesprochen, dass darauf zu achten sei, dass das Etikettenband nicht mit der Kassette in Berührung komme. Es soll demnach vermieden werden, dass die auf der Außenseite der Etikettenbandrolle freiliegenden und klebenden Etiketten an der Innenseite des Gehäuses anhaften. Um dies zu vermeiden, sieht die K5 vor, dass das Band auf einer Spule aufgewickelt wird, die einen größeren Durchmesser hat als der Durchmesser der Rolle des Etikettenbandes. Indem die K5 dem Fachmann aber das Problem, dass die Etiketten mit ihrer Klebeseite an dem Gehäuse anhaften können, aufzeigt, legt die Entgegenhaltung dem Fachmann auch nahe, andere Möglichkeiten zur Lösung dieses Problems in Betracht zu ziehen. So ist insbesondere vor diesem Hintergrund nahe liegend, die Etiketten auf der Rolle nach innen zu verlegen, weil so verhindert wird, dass die Etiketten an dem Gehäuse anhaften. Die Überlegung, zu diesem Zweck die Rolle anders herum aufzuwickeln, erfordert keine kreative technische Leistung, sondern stellt lediglich eine routinemäßige Weiterentwicklung der Technik dar.
Der Einwand der Klägerin, eine umgekehrte Aufwickelung der Rolle habe deshalb für den Fachmann nicht nahe gelegen, weil die in der Figur 1 der K5 dargestellte Etikettiervorrichtung mit einer Rolle mit nach innen weisenden Etiketten nicht funktionstüchtig wäre, greift nicht durch. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sich dann, wenn man die umgekehrt aufgewickelte Rolle so in das Gehäuse einlegen würde, wie es in der Figur 1 gezeigt ist, die Etiketten auf der Unterseite des Etikettenbandes 7 befinden würden, so dass diese an der Führungsschiene, auf der sie zur Austrittsstelle transportiert würden, schaben würden. Würde der Fachmann vor diesem Hintergrund in Erwägung ziehen, die umgekehrt aufgewickelte Rolle derart in das Gehäuse einzulegen, dass das freie Ende des Etikettenbandes nicht – wie auf der Figur 1 abgebildet – vom oberen Ende der Rolle abgezogen wird, sondern vom rechts liegenden Ende der Rolle (indem die Rolle, wie sie auf der Figur 1 abgebildet ist, vor dem Einlegen um 180° um eine von ihrem Durchmesser gebildeten Achse gedreht würde), so wäre diese Anordnung ebenfalls nicht funktionsfähig. Denn bei dieser Anordnung müsste das Etikettenband an derjenigen Stelle, an der es in den Austrittsschlitz 23 übergeht, eine Kurve durchlaufen. Es würde nicht – wie auf der Figur 1 ersichtlich – auf gerader Linie in den Austrittsschlitz 23 hineinlaufen, sondern es müsste einen Winkel von bis zu 90° beschreiben. Bei einer solchen Führung des Etikettenbandes könnten die Etiketten beschädigt werden, so dass der Fachmann eine solche Anordnung nicht in Betracht ziehen würde.
Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht. Richtig ist zwar, dass der Fachmann die umgekehrt aufgewickelte Etikettenrolle derart in das Gehäuse einlegen wird, dass die auf der Rolle nach innen weisenden Etiketten nach dem Abrollen auf der Führungsschiene nach oben zeigen. Ein derartiges Einlegen der Rolle ist aber auch in der von der K5 beschriebenen Vorrichtung ohne weiteres möglich. Ausgehend von der K5 wird der Fachmann nämlich nicht davon ausgehen, dass es bei einem umgekehrten Einlegen der Etikettenbandrolle stets dazu kommen muss, dass das Etikettenband beim Austritt in den Führungsschlitz eine für die einzelnen Etiketten problematische Kurve beschreibt. Vielmehr ist in der K5 die Position des Austrittsschlitzes nicht vorgegeben. Die K5 lässt es also offen, ob der Austrittsschlitz im Bereich des oberen Endes der Etikettenrolle angebracht ist – wie in der Figur 1 gezeigt – oder aber weiter unten, z.B. auf der Höhe der Mitte der Etikettenrolle. Je tiefer aber der Austrittsschlitz angebracht ist, umso weniger eng ist die Kurve, die das freie Ende des Etikettenbandes beim Eintritt in den Austrittsschlitz beschreiben muss. Im Übrigen ist unmittelbar einsichtig, dass eine Kurve, so sie sich denn aufgrund der Anordnung des Austrittsschlitzes bilden sollte, desto langgestreckter wird, je weiter die Etikettenbandrolle bereits aufgebraucht ist, das heißt je weniger Etikettenband auf der Rolle verbleibt. Je nach Positionierung des Austrittsschlitzes und nach Aufbrauchzustand der Etikettenbandrolle kann die Kurve am Austrittsschlitz demnach in ihrer Ausgestaltung beeinflusst werden. Der Fachmann wird ausgehend von der K5 auch nicht annehmen, dass eine Kurvenbildung beim Eintritt des Etikettenbandes in die Führungsschiene generell ausgeschlossen sein muss. Denn auch bei der beispielhaft in der Figur 1 gezeigten Vorrichtung wird das Etikettenband zumindest dann eine Kurve beim Eintritt in den Austrittsschlitz 23 durchlaufen müssen, wenn die Etikettenbandrolle bereits sehr weit abgerollt ist. Dann beginnt das freie Ende des Etikettenbandes nämlich nahe des Mittelpunktes der Rolle, also in dem Bereich, wo die Bandrolle aufgehängt ist, und muss von dort aus zu dem weiter oben liegenden Austrittsschlitz geführt werden.

Trotz des Umstandes, dass sich bei einer umgekehrt aufgewickelten Etikettenbandrolle bei richtiger Einlegung in das Gehäuse im Bereich des Eintritts des Etikettenbandes in den Austrittsschlitz eine Abwinkelung ergibt, liegt es somit für den Fachmann nahe, das Etikettenband andersherum als in der K5 offenbart aufzuwickeln. Der Schutzanspruch 1 ist somit mangels eines erfinderischen Schritts ausgehend von der K5 nicht schutzfähig.

2.
Schutzanspruch 2 des Klagegebrauchsmusters wird neuheitsschädlich durch die K5 vorweg genommen.

Wie vorstehend ausgeführt offenbart die K5 die Merkmale 1 bis 4 des Schutzanspruchs 1 und damit die gleichlautenden Merkmale 1 bis 4 des Schutzanspruchs 2.

Auch das Merkmal 5 des Schutzanspruchs 2 ist offenbart. In der Figur 1 der K5 ist zu sehen, dass das Etikettenband durch einen Freigabeschacht 15 austritt. Hierbei handelt es sich um eine schlitzartige Öffnung.

Merkmal 6 verlangt, dass das freie Ende des Bandes mit seiner etikettenfreien bzw. klebefreien Seite auf ein Widerlager des Behälters an der schlitzartigen Öffnung auflegbar ist. Nach dem Wortlaut dieses Merkmals muss das Widerlager eine Auflagefläche für das Etikettenband bieten. Weitere Anforderungen an die Ausgestaltung des Widerlagers stellt dieses Merkmal nicht. So kann nicht etwa nur ein solches Teil als ein „Widerlager“ angesehen werden, das auch zugleich die Abtrennung des Bandabschnitts bewirkt. Zwar ist im Klagegebrauchsmuster beschrieben, dass die Bandabschnitte vom Etikettenband nach ihrem Austritt aus dem Behälter abgetrennt werden können (Seite 2, Spalte 11f), und dass dies durch eine an dem Widerlager angebrachte Abtrenneinrichtung, beispielsweise durch eine Sägezahnung bewirkt werden kann (Seite 3, 3. Absatz a. E.). Dem kann aber nicht entnommen werden, dass die Abtrenneinrichtung zwingend an dem Widerlager vorhanden sein muss; schließlich ist dies schon nach der Beschreibung nur „beispielhaft“ genannt. Somit muss das Widerlager gemäß Merkmal 6 lediglich eine Auflagefläche für den abgetrennten oder abzutrennenden Bandabschnitt darstellen.
Dies ist bei der K5 der Fall. Die K5 beschreibt auf Seite 2, letzter Absatz, dass das Etikettenspendegerät einen Freigabeschacht 15 aufweist, auf dem der abgeschnittene Bandabschnitt 7’ mit dem zugehörigen Etikett 9 zum Entnehmen durch eine Bedienungsperson bereitgestellt wird. Auf Seite 5, 4. Absatz wird näher erläutert, dass im Freigabeschacht das bereits abgeschnittene Etikett entnommen werden kann, wobei die Entnahme noch erleichtert werden kann, wenn der Schacht eine Griffmulde aufweist, durch die die Bedienperson auf die nicht klebende Seite des Bandabschnitts (das heißt unten) zugreifen kann. Demnach liegt der Bandabschnitt auf der Unterseite des Führungsschachts mit seiner nicht klebenden Seite auf. Das Merkmal 6 ist offenbart.

Gemäß Merkmal 7 muss das Widerlager vom Behälter frei hervor ragen. Auch dieses Merkmal ist durch die K5 offenbart. Wenn das Klagegebrauchsmuster vorgibt, das Widerlager müsse frei hervorragen, dann bedeutet dies, dass die Ablagefläche, auf der das Etikett zu liegen kommt, sich nicht im Innern des Gehäuses befinden darf, sondern derart hervorstehen muss, dass ein einfacher Zugriff möglich ist. Dies ist ebenfalls bei der K5 der Fall: der Freigabeschacht steht von dem Gehäuse hervor, so dass das abgetrennte Etikett gut zugänglich aus dem Gehäuse ragt.

Die K5 nimmt den Schutzanspruch 2 somit neuheitsschädlich vorweg.

3.
Auch die „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 20, 25, 26 oder 27 können eine Schutzfähigkeit der beiden Schutzansprüche nicht begründen. Die in den Unteransprüchen 4, 5, 6, 7, 10, 11 und 20 enthaltenen Merkmale sind bereits in der Entgegenhaltung K5 offenbart. Dass der Behälter mit einem abnehmbaren Behälterteil verschließbar ist gemäß dem Unteranspruch 20, ergibt sich aus Figur 1 der K5 sowie aus der Beschreibung auf Seite 5, 3. Absatz. Dort wird ausgeführt, dass das Gehäuse gegen ein Öffnen verriegelbar ist. Das bedeutet, dass eine Verschließbarkeit des Behälters gegeben ist. Die in den Unteransprüchen 8 und 9 enthaltenen Merkmale, die das Anbringen einer Sägezahn-Abtrenneinrichtung am Widerlager betreffen, beruhen ebenfalls ausgehend von der K5 nicht auf einem erfinderischen Schritt. Dem Fachmann wie dem Laien ist aus älteren Schutzrechten, die Abrollgeräte für Selbstklebebänder betreffen, so etwa die DE 1 689 601 (Anlage B7) und die DE 88 04 005 (Anlage B9) hinlänglich bekannt, dass die Entnahmevorrichtung für ein abzurollendes Band mit einer Abreisskante in Form einer Sägezahnung versehen werden kann.
Schließlich begründen die Unteransprüche 25, 26 und 27 die Schutzfähigkeit der geltend gemachten Schutzansprüche nicht. Diese Unteransprüche machen Angaben zur konkreten Ausgestaltung des Verschlusses des Behälters. Hierbei handelt es sich jedoch um rein handwerkliche Maßnahmen, die keine tieferen Überlegungen erfordern und damit nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhen.

III.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 03.12.2007 gibt keinen Anlass, die mündlichen Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 EUR.
Der Klageantrag zu III. wirkt gemäß § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO nicht streitwerterhöhend, da es sich bei den eingeklagten Kosten um eine Nebenforderung handelt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 4 Rn. 13; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 4 Rn. 16).