4b O 140/06 – Hometrainer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 689

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. September 2007, Az. 4b O 140/06

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils beizutreibenden Forderung.

T a t b e s t a n d :

Der Geschäftsführer der Klägerin ist eingetragener Inhaber des am 04. April 2003 angemeldeten deutschen Patents DE 103 15 xxx B4 (Anlage MPB 1, Klagepatent), dessen Erteilung am 17. November 2005 bekannt gemacht wurde. Gegen die Erteilung hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 15. Februar 2006 Einspruch beim Deutschen Patent- und Markenamt erhoben (Anlage RK 2), über den bislang noch nicht entschieden ist.

Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende nebengeordnete Patentanspruch 8 und der davon abhängige Patentanspruch 9 haben folgenden Wortlaut:

Figur 2 des Klagepatents zeigt das erfinderische Funktionsprinzip in der Draufsicht.

Figur 5 zeigt ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Trainingsgerätes, bei dem das reaktive Funktionsprinzip verwirklicht ist.

Die Klägerin, der der Patentinhaber eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt hat, wendet sich mit ihrer Klage gegen die Herstellung und den Vertrieb von Trainingsgeräten durch die Beklagte. Sie bezieht sich auf die Ausführungsformen, die aus den als Anlagen MBP 21 und 22 vorgelegten Ausdrucken aus dem Internetauftritt der Beklagten aus dem Jahr 2004 ersichtlich sind. Das von den Beklagten als “A” bezeichnete und in der erwähnten Anlage MBP 21 auf den Seiten 6 bis 10 ersichtliche Gerät ist nachfolgend abgebildet:

Das auf den Seiten 1 bis 5 der Anlage MBP 21 gezeigte und in Anlage MBP 22 vergrößert dargestellte Trainingsgerät ist nachfolgend eingeblendet, wobei es von der Klägerin mit Bezugszeichen a – d versehen worden ist, die denen des Patentanspruchs 8 entsprechen.

Die Beklagte hat den Vertrieb der als “A” bezeichneten Geräte bereits im Jahr 2004 eingestellt. Von den als “B” bezeichneten Geräten sind noch Anfang 2006 Auslieferungen an Kunden erfolgt, die nach dem Vorbringen der Beklagten bereits vor Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung bestellt worden waren. Ob die Beklagten nach dem letztgenannten Zeitpunkt die Geräte “B” noch angeboten haben, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch; hilfsweise stützt sie ihr Begehren auf eine patentrechtlich äquivalente Verwirklichung des Merkmals des Verbindungsgelenks.

Die Klägerin beantragt,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1),

Trainingsgeräte mit einem Ständer zur ortsfesten Anordnung des Trainingsgeräts, mit einem beweglichen Gerätefußteil, mit einem beweglichen Gerätearmteil, wobei am Gerätefußteil und am Gerätearmteil Einwirkungselemente vorhanden sind, die eine aktive oder passive Bewegung der Beine oder Arme und Beine des Trainierenden ermöglichen, und wobei das Gerätefußteil und das Gerätearmteil zur Durchführung von Trainingsbewegungen relativ zueinander beweglich sind, so dass der Schultergürtel relativ zum Beckengürtel des Trainierenden gegeneinander verdrehbar ist und wobei das Gerätefußteil und das Gerätearmteil über ein Verdrehgelenk verbunden sind, so dass sich die Relativsteuerung zwischen Gerätefußteil und Gerätearmteil als Relativverdrehung der Wirbelsäulenachse zwischen dem mit dem Gerätefußteil zusammenwirkenden Beckengürtel und dem mit dem Gerätearmteil zusammenwirkenden Schultergürtel des Trainierenden auswirkt,

herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2.
der Klägerin für die Zeit seit dem 17.12.2005 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Erzeugnisse gemäß Ziffer I. 1 zu erteilen, umfassend Angaben über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;

3.
der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 17.12.2005 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, unter Angabe

– der Herstellungsmengen und der Herstellungszeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen der Namen und Anschriften der Hersteller und anderer Vorbesitzer;

– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Angabe von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden darf, es sei denn, dass diese sich ausnahmsweise den vorstehend unter Ziffer I. 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zuordnen lassen;

4.
die in unmittelbarem oder mittelbarem Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziffer I. 1. an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.
festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 17.12.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch auszusetzen.

Die Beklagten stellen den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede. Sie machen darüber hinaus geltend, etwaige Rechte der Klägerin seien im Hinblick auf die Zusammenarbeit der Parteien erschöpft. Des weiteren stehe ihnen ein privates Vorbenutzungsrecht zu, da sich bereits aus den als Anlagen RK 10 bis 15 überreichten Zeichnungen, die nach dem Vortrag der Beklagten aus dem Jahr 1998 datieren, ergebe, dass sie im Prioritätszeitpunkt Erfindungsbesitz hatten.

Jedenfalls werde sich das Klagepatent im anhängigen Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, was den hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag rechtfertige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegen Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatz und Vernichtung nicht zu, da die angegriffenen Trainingsgeräte, soweit überhaupt Benutzungshandlungen während der Geltung des Klagepatents stattgefunden haben, nicht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen.

I.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Ihre Aktivlegitimation steht zwischen den Parteien fest, nachdem die Beklagten diese auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Bestätigung des Patentinhabers, er habe der Klägerin eine exklusive Lizenz am Klagepatent erteilt, ausdrücklich nicht weiter bestritten haben.

II.

Die Erfindung betrifft im Hinblick auf die mit der Klage verfolgten Ansprüche ein Trainingsgerät (Anspruch 8) für ein gezieltes Training des menschlichen Körpers; zudem lehrt Anspruch 1 ein darauf gerichtetes Verfahren.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es bei den im Stand der Technik bekannten Trainingsverfahren und Trainingsgeräten als nachteilig, dass immer nur einzelne Teile des Körpers betätigt werden und nicht der gesamte Körper, so dass eine Vielzahl von verschiedenen Geräten notwendig ist, um ein Ganzkörpertraining durchzuführen. So werden bei vielen Geräten Oberkörper, Arme und Nacken während des Trainings unverändert in ihrer Lage gehalten, während Beine und Unterkörper aktiv sind. Bei anderen Geräten wiederum ist der Oberkörper aktiv und der Unterkörper und die Beine passiv. Nicht zuletzt findet bei diesen bekannten Verfahren und Trainingsgeräten kein mentales Training statt (Anlage MBP 1, Absätze [0002] und [0003]).

Die Klagepatentschrift erwähnt in diesem Zusammenhang die DE 37 42 513 A1, die ein Trainingsgerät lehrt. Sie kritisiert daran, dass allenfalls eine geringe Verdrehung zwischen Schultergürtel und Beckengürtel bewirkt wird und es sich nur um ein Teiltraining des Körpers ohne paralleles mentales Training handelt.

Die weiter erörterte EP 0 354 785 A2 ermöglicht nach der Beschreibung des Klagepatents zwar möglicherweise ein gewisses mentales Training, dies jedoch auf Kosten der Breite des physischen Trainings.

Bei dem von der DE 86 23 738 U1 offenbarten Trainingsgerät gegen Wirbelsäulen- und Bandscheibenschäden wird lediglich der Oberkörper gegen den Unterkörper eines Trainierenden verdreht, um dadurch lokal den Bandscheibenbereich der Wirbelsäule des Trainierenden gezielt zu strecken und zu drehen.

Die Klagepatentschrift erwähnt weitere Druckschriften aus dem Stand der Technik und beschreibt deren Gegenstand jeweils kurz, ohne jedoch auf Vor- oder Nachteile der jeweiligen technischen Lehre einzugehen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein Verfahren und ein Trainingsgerät für ein gesundheitsförderndes Ganzkörpertraining bereitzustellen (Anlage MBP 1, Absatz [0014]). Diese Aufgabe wird hinsichtlich des Trainingsgeräts gemäß Anspruch 8 gelöst durch die Kombination folgender Merkmale:

8.1 Trainingsgerät

8.2 insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche

8.3 mit einem Ständer (a) zur ortsfesten Anordnung des Trainingsgeräts

8.4 mit einem beweglichen Gerätefußteil (b, 24, 52),

8.5 mit einem beweglichen Gerätearmteil (c, 28, 53),

8.6 wobei am Gerätefußteil (b, 24, 52) und am Gerätearmteil (c, 28, 53) Einwirkungselemente vorhanden sind,

8.7 die eine aktive oder passive Bewegung der Beine oder Arme und Beine des Trainierenden ermöglichen, und

8.8 wobei das Gerätefußteil (b, 24, 52) und das Gerätearmteil (c, 28, 53) zur Durchführung von Trainingsbewegungen relativ zueinander beweglich sind,

8.9 so dass der Schultergürtel (h) relativ zum Beckengürtel (i) des Trainierenden gegeneinander verdrehbar ist.

Von bekannten Trainingsgeräten unterscheidet sich der Anspruch 8 durch die Merkmale 8.8 und 8.9.

Aus dem abhängigen Patentanspruch 9 macht die Klägerin in Kombination mit Patentanspruch 8 das folgende weitere Merkmal geltend:

9.1 Das Gerätefußteil (b, 24, 52) und das Gerätearmteil (c, 28, 53) sind über ein Verdrehgelenk (4, 29, 42, 54) verbunden, so dass sich die Relativsteuerung zwischen Gerätefußteil (b, 24, 52) und Gerätearmteil (c, 28, 53) als Relativverdrehung der Wirbelsäulenachse zwischen dem mit dem Gerätefußteil (b, 24, 52) zusammenwirkenden Beckengürtel (i) und dem mit dem Gerätearmteil (c, 28, 53) zusammenwirkenden Schultergürtel (h) des Trainierenden auswirkt.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es als Vorteil der Erfindung, dass Hände, Arme und Schultern in die eine Richtung verdreht werden, während Hüfte, Beckengürtel und Beine in die andere Richtung verdreht werden. Nach der Beschreibung des Klagepatents entspricht diese gleichzeitige Gegenbewegung der dem Menschen eigenen neuronalen Steuerung des Muskel-Skelettapparates, wodurch zusätzlich ein mentales Training unterstützt wird (Anlage MBP 1, Absatz [0015]).

III.

Eine Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents durch die Beklagten kann nicht festgestellt werden. Dabei beschränken sich die Erörterungen auf die von den Beklagten als „B“ bezeichneten Geräte, denn zwischen den Parteien steht fest, dass der Vertrieb der mit „A“ bezeichneten Geräte bereits im Jahre 2004 und mithin vor Erteilung des Klagepatents eingestellt wurde. Maßgebliche Benutzungshandlungen können daher nur durch den Vertrieb der Geräte mit der Bezeichnung „B“ stattgefunden haben, der – wie die Beklagten selbst einräumen – noch nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte; dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass diese nach dem Vortrag der Beklagten auf Bestellungen beruhten, die vor Patenterteilung angenommen wurden.

Die angegriffenen Trainingsgeräte des Typs „B“ (im folgenden: angegriffene Ausführungsform) machen von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch in patentrechtlich äquivalenter Weise Gebrauch, da die angegriffene Ausführungsform jedenfalls nicht über ein Verdrehgelenk verfügt.

1.
Merkmal 9.1 der technischen Lehre des Klagepatents sieht vor, dass das Gerätefußteil (b, 24, 52) und das Gerätearmteil (c, 28, 53) über ein Verdrehgelenk (4, 29, 42, 54) verbunden sind, so dass sich die Relativsteuerung zwischen Gerätefußteil (b, 24, 52) und Gerätearmteil (c, 28, 53) als Relativverdrehung der Wirbelsäulenachse zwischen dem mit dem Gerätefußteil (b, 24, 52) zusammenwirkenden Beckengürtel (i) und dem mit dem Gerätearmteil (c, 28, 53) zusammenwirkenden Schultergürtel (h) des Trainierenden auswirkt.

a)
Zu Recht macht die Klägerin im Rahmen ihres Klageantrages das aus dem abhängigen Patentanspruch 9 stammende Merkmal 9.1 über die sich aus dem selbständigen Patentanspruch 8 ergebenden Merkmale hinaus in unbedingter Kombination geltend. Denn aus der Anmeldung des Klagepatents ergibt sich – wie es der Beklagte zu 2) zutreffend im Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent geltend macht –, dass die dort offenbarte technische Lehre ein Gelenk vorsah und das Klagepatent in seiner erteilten Fassung demgegenüber in unzulässiger Weise erweitert worden ist, indem Patentanspruch 8 dieses Merkmal nicht enthält. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es für diese Beurteilung, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nicht auf die Fassung des offengelegten Anspruchssatzes ankommt, sondern die gesamte Offenbarung in den Blick zu nehmen ist. Die Offenlegungsschrift (Anlage MBP 27) lehrt aber nicht nur im Vorrichtungsanspruch 8 ausdrücklich ein „Verbindungsgelenk (4, 29, 42, 54) zwischen Gerätefußteil und Gerätearmteil, für eine Relativverstellung der Teile zueinander“, durch welches sich die Relativverstellung als Relativverdrehung im Bereich der Wirbelsäulenachse zwischen dem mit dem Gerätefußteil und dem mit dem Gerätearmteil zusammenwirkenden Schultergürtel der Trainierenden auswirkt. Vielmehr zieht sich dieses Merkmal durch die gesamte Offenlegungsschrift (vgl. Anlage MBP 27, Sp. 9, Z. 3, 53; Sp. 10, Z. 5, 19, 28f., 40, 46, 52, 58; Sp. 11, Z. 14 ). Daher kann der Klägerin nicht in der Auffassung gefolgt werden, bereits die Anmeldung habe sich sowohl auf Geräte mit als auch ohne Verbindungsgelenk bezogen. Bei nahezu allen Ausführungsformen ist in den genannten Beschreibungsstellen ein Gelenk bzw. Verdrehgelenk erwähnt; auch bei Fig. 14, die ein solches im Text nicht erwähnt, zeigt die Figur selbst ein solches (Bezugsziffer 42). Insbesondere auch die von den Beklagten herangezogene Beschreibungsstelle betreffend die Ausführung als Laufband, in der explizit darauf hingewiesen wird, auch dort müsse ein „Knickgelenk“ zwischen Gerätearmteil und Gerätefußteil vorhanden sein (Sp. 5, Z. 31 bis 35), zeigt in aller Deutlichkeit, dass die offenbarte technische Lehre davon ausgeht, dass ein Gelenk vorhanden ist. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt bei Lektüre der Anmeldung erkannt haben soll, dass auch Geräte ohne Gelenk von der Offenbarung umfasst sind. Ebenso wenig vermag das Argument der Klägerin, der in der Offenlegungsschrift enthaltene Verfahrensanspruch 1 erwähne kein Verbindungsgelenk, zu überzeugen. Verfahrensanspruch 1 erwähnt lediglich pauschal ein Trainingsgerät, beschreibt das verwendete Trainingsgerät in keiner Weise näher, sondern verhält sich nur zum Trainingsablauf und trifft daher keine für den Vorrichtungsanspruch relevante Aussage.

b)
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die fakultativ einsetzbare O-Ringe hingegen nicht als Verdrehgelenk im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents anzusehen.

Der Begriff des „Gelenks“ beschreibt nach allgemeinem technischen Verständnis – wie die Klägerin zutreffend vorträgt – eine Verbindung von mindestens zwei Körpern. Eine solche ist auch durch einen über die beiden Bolzen der angegriffenen Ausführungsform gespannten O-Ring gegeben. Der mit einem „Verdrehgelenk“ nach dem Klagepatent verbundene Sinngehalt geht hingegen über das bloße Vorliegen einer derartigen Verbindung hinaus.

Der Durchschnittsfachmann entnimmt dem Klagepatent, dass das „Verdrehgelenk“ eine gegenläufige Bewegung des Arm- und des Fußteils bewirken muss. Auf diese Funktion stellt die Beschreibung des Klagepatents durchgehend ab. Bereits aus der unmittelbar auf die Aufgabenstellung folgenden Beschreibungsstelle entnimmt der Fachmann, dass die technische Lehre des Klagepatents auf dem Prinzip beruht, dass bei einer Verdrehung von Händen, Armen und Schultern in die eine Richtung eine Verdrehung von Hüfte, Beckengürtel und Beinen in die andere Richtung erfolgt; dies beschreibt das Klagepatent als gleichzeitige Gegenverdrehung der unterschiedlichen Körperbereiche (Anlage MBP 1, Abs. [0015]).

In bezug auf eine bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung beschreibt das Klagepatent in Zusammenhang mit der Anordnung des Gelenks, dass eine Abweichung von der Placierung in der Mitte zwischen vorderem und hinterem Rahmenteil möglich ist, allerdings nur bis zu einem gewissen Maße (Anlage MBP 1, Abs. [0029]). Das Klagepatent begründet diese Einschränkung damit, dass ansonsten das für das Klagepatent typische Knickprinzip nicht mehr erfüllt sei (aaO.). Aufgrund dieser generellen Aussage erkennt der Fachmann dies als das der technischen Lehre zugrunde liegende Prinzip und sieht den Aussagegehalt nicht auf ein Ausführungsbeispiel beschränkt an, zumal das Knickprinzip auch an weiteren Stellen der Beschreibung in ähnlicher Weise Erwähnung findet (vgl. Anlage MBP 1, Abs. [0035], [0041]).

Dieses Verständnis findet sich bestätigt in der Beschreibung der dem Klagepatent beigefügten Zeichnungen. Dabei ersieht der Fachmann, dass die Figuren 1 und 2 eine Prinzipkonstruktion von Trainingsgeräten zeigen, wie sie – im Unterschied beispielsweise zu sog. Steppern oder Ellipsentrainern, auf welche das Trainingsprinzip patentgemäß auch übertragbar ist – in etwa der angegriffenen Ausführungsform entsprechen. Diese geben eine schematische Darstellung des Funktionsprinzips wieder (vgl. Anlage MBP 1, Abs. [0060]) und sehen ein mit „d“ bezeichnetes Verdrehgelenk vor. Aus der Verdrehachse I und dem mit Doppelpfeil II gekennzeichneten Knicklinienweg wird deutlich, dass ein Verdrehen des Gerätearmteils „c“ entgegen dem Uhrzeigersinn aufgrund des Verdrehgelenks „d“ ein Verdrehen des Gerätefußteils im Uhrzeigersinn bewirkt.

Diese Relativsteuerung hat sich anhand der in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen angegriffenen Ausführungsform nicht ergeben. Soweit die Bewegung der Pedale dort überhaupt zu einem Auslenken des Gerätefußteils führte, bewirkte der O-Ring – sowohl ein einzelner als auch mehrere gleichzeitig eingespannte – nicht ein Abknicken des Gerätearmteils und umgekehrt. Auch bei einer gewillkürten Auslenkung des Gerätearmteils nahm dieses das Gerätefußteil nicht über den O-Ring in die entgegengesetzte Richtung mit. Zu einem gegenläufigen Auslenken bedurfte es erkennbar stets einer entsprechenden Körperbewegung des Trainierenden, so dass entgegen der technischen Lehre des Klagepatents nicht das Trainingsgerät dem Trainierenden eine bestimmte Relativbewegung aufzwang.

Auch die verständige Würdigung des Abschnitts [0069] der Beschreibung des Klagepatents, demzufolge das Verdrehgelenk eine Verdrehung entsprechend dem Doppelpfeil IX um die in Fig. 7 gezeigte Achse V (lediglich) ermöglichen muss, ergibt keine andere Beurteilung. Dies besagt nur, dass nicht zwangsläufig eine Verdrehung bewirkt werden muss; findet aber die Verdrehung eines Teils statt, muss zwangsläufig das andere Geräteteil in die entgegengesetzte Richtung verschwenkt werden. Eine Aussage mit dem Inhalt, dass eine beliebige Verdrehung für die technische Lehre des Klagepatents genügt, wird hingegen nicht getroffen. Vielmehr verhält sich die genannte Beschreibungsstelle nicht zu dem vorstehend erörterten Knickprinzip, sondern geht ohne weiteres von dessen grundsätzlicher Verwirklichung aus und betrifft nur die Frage, ob die Verdrehung notwendigerweise geschehen muss. Dass dies zu verneinen ist, ist dem Fachmann bereits aus den Unteransprüchen 9 bis 11 ersichtlich, die sich mit dem automatischen und dem willkürlichen Bewirken der Verdrehung befassen.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 9.1 auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.

Nach § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch den Inhalt des Patentanspruchs bestimmt. Das gleichwertig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit erfordert, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt des Patents nicht nur den allgemeinen Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich am Patentanspruch auszurichten (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515 – Scheidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 – Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 – Custodiol I; BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II; OLG Düsseldorf, Mitt. 2005, 449 – Monoklonaler Maus-Antikörper). Jedes Merkmal des Patentanspruchs ist danach allein schon wegen seiner Aufnahme in den Anspruch wesentlich und begrenzt für jeden erkennbar den Schutzbereich. Bei einer vom Sinngehalt der Ansprüche eines Patents abweichenden Ausführung kann eine äquivalente Benutzung der patentgemäßen Lehre dann vorliegen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte.

Dies ist in bezug auf das Verdrehgelenk, das die Klägerin bei der angegriffenen Ausführungsform dadurch verwirklicht sieht, dass das Gerätearmteil und das Gerätefußteil durch einen Gummiring verbunden werden können, nicht festzustellen. Dabei ist bereits nicht zu erkennen, dass die erfindungsgemäßen Vorteile bei der angegriffenen Abwandlung in gleichwirkender Weise erzielt werden.

Das patentgemäße Verdrehgelenk bewirkt, dass eine stabile Kopplung der Drehbewegung des Gerätearmteils mit der Drehbewegung des Gerätefußteils zustande kommt. Dabei hat eine Drehbewegung des einen Teils eine Drehbewegung des anderen Teils zur Folge. Dies kann die angegriffene Vorrichtung, bei der das Verdrehgelenk durch einen O-Ring und zwei scharnierartige Vorsprünge realisiert ist, nach dem Vorgesagten nicht erfüllen, da eine zwangsweise Wirkverbindung nicht besteht. Nach dem in der technischen Lehre des Klagepatents verwirklichten Trainingsprinzip stellt es einen Unterschied dar, ob das Verbindungsgelenk dem Trainierenden die Relativverdrehung – wenn auch nicht unbedingt bei jeder Bewegung – vorgibt oder ob dieser lediglich die Möglichkeit hat, eine solche durchzuführen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

V.

Die Kammer hat beschlossen, den Streitwert auf

300.000,– €

festzusetzen (§§ 63 Abs. 2, 51 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO).