21 O 17880/05 – Keramikschneidwerkzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 778

Landgericht München I
Urteil vom 17. Januar 2007, Az. 21 O 17880/05

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 13.4.2003
a) Keramikschneidwerkzeuge für die Metallbearbeitung mit wenigstens einer Schneidkante oder wenigstens einer Schneidspitze und wenigstens einer Spanleitstufe
hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht und/oder gebraucht hat
soweit die Spanleitstufe als U-förmige oder V-förmige Ausnehmung ausgebildet ist mit einer nach innen gerichteten äußeren Innenwandung, die unter einem Winkel von 3 Grad bis 10 Grad geneigt verläuft, wobei die Öffnung der Ausnehmung der Spanleitstufe im Bereich von 0,2 mm bis 4 mm liegt,
sowie
b) ein Verfahren zur Bearbeitung von Metallteilen angewendet hat, bei dem das unter a) genannte Keramikschneidwerkzeug ein Metallteil mit einer Schnittgeschwindigkeit von > 50 m / min, vorzugsweise > 100 m/min, bevorzugt > 400 m/min, noch bevorzugter zwischen 150 m/min und 350 m/min und besonders bevorzugt von 300 m/min bearbeitet
und zwar unter Angabe
– der Dauer und der Anzahl von Anwendungen des unter b) genannten Verfahrens zur Bearbeitung von Metallteilen,
– der Menge, der von ihr hergestellten Keramikschneidwerkzeuge gemäß a),
– der Dauer und der Anzahl von Einsätzen solcher Werkzeuge,
– der einzelnen Lieferungen solcher Werkzeuge, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmenge, Zeiten und Preisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den unter a) fallenden Keramikschneidwerkzeugen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dir durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden
Schaden zu ersetzen, der ihr und/oder Herrn A durch
seit dem 13.4.2003 begangene Handlung der Beklagten gemäß Ziffer 1 a)
und 1 b) entstanden ist oder noch entstehen wird.
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Antrag Ziffer 1 a) und 1 b) bezeichneten in der Zeit vom 23.9.2001 bis 12.4.2003 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 20.000,–, in Ziffer 3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des deutschen Patents DE 1000xxx C2. Die Veröffentlichung der am 15.2.2000 erfolgten Anmeldung erfolgte am 23.8.2001, die der Patenterteilung am 13.3.2003. Die Ansprüche 1, 6 und 7 des Klagepatents lauten wie folgt:
1. Keramikschneidwerkzeug, für die Metallbearbeitung mit wenigstens einer Schneidkante oder wenigstens einer Schneidspitze und wenigstens einer Spanleitstufe, dadurch gekennzeichnet, dass die Spanleitstufe als U-förmige oder V-förmige Ausnehmung ausgebildet ist mit einer nach innen gerichteten äußeren Innenwandung, die unter einem Winkel von 3 Grad bis 10 Grad geneigt verläuft, wobei die Öffnung der Ausnehmung der Spanleitstufe im Bereich von 0,2 mm bis 4 mm liegt.
6. Verwendung des Keramikschneidwerkzeugs gemäß einem der vorherigen Ansprüche zum Bearbeiten von Metallteilen, insbesondere zum Schneiden von Metallteilen und/oder Einbringen von Ausnehmungen in Metallteile.
7. Verfahren zur Bearbeitung von Metallteilen, dadurch gekennzeichnet, dass das Keramikschneidwerkzeug gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 ein Metallteil mit einer Schnittgeschwindigkeit von > 50 m / min, vorzugsweise > 100 m/min, bevorzugt > 400 m/min, noch bevorzugter zwischen 150 m/min und 350 m/min und besonders bevorzugt von 300 m/min bearbeitet.
Das Patent wurde erteilt, nachdem in die ursprünglich weiter formulierten Ansprüche der Anmeldung durch Aufnahme neuer Merkmale eingeschränkt worden waren; insbesondere wurde der Bereich des Winkels eingeschränkt und der Abstand der Innenwandungen der oberen Öffnung der Ausnehmung der Spanleitstufe auf den Bereich von zwischen 0,2 mm und 4 mm begrenzt (vgl. Anlagenkonvolut CBH 13).
Als Patentinhaber ist eingetragen Herr A. Der Patentinhaber hat der Klägerin mit Wirkung zum 18.8.2003 schriftlich eine umfassende und unbefristete ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt und der Klägerin außerdem sämtliche Ansprüche abgetreten, die sich aus einer Verletzung dieses Patents durch Dritte ergeben, einschließlich Ansprüchen aus der offengelegten Erfindung (Anlage K3).
Der Patentinhaber ist Erfinder der dem Klagepatent zugrundeliegenden technischen Lehre. Er ist seit ca. 20 Jahren Angestellter der Beklagten und machte die streitgegenständliche Erfindung im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagten im Jahr 1998.
Am 10.7.1998 reichte er eine Meldung einer technischen Verbesserung ein (Anlage K4) wobei unter Bezugnahme auf die Betriebsmittelbezeichnung als Kurzfassung das Versehen dieser Betriebsmittel mit einem Spanwinkel von 5 Grad angegeben wurde und als Vorteil das Vermeiden von Aufschmierungen und Ausrissen des Materials geschildert wurden. Unmittelbar darauf wurden in der Abteilung, in der der Erfinder arbeitete, weitere Versuche mit derartigen Schneidwerkzeugen vorgenommen (nicht bestrittener Vortrag auf Seite 9 bis 11 des Schriftsatzes vom 27.9.2006 = Blatt 100 bis 102 der Akten).
Mit als Erfindungsmeldung bezeichnetem Schreiben vom 9.12.1998 meldete der Erfinder dieselbe Ausgestaltung als Erfindung, und verwies auf den Verbesserungsvorschlag.
Am 19.1.1999 leitete die Abteilung, in der der Erfinder arbeitete, einen Bericht des Erfinders mit Zeichnungen zur Prüfung der Schutzfähigkeit der Entwicklung weiter (Anlage K12). Das Schreiben trägt die Überschrift: Schutzfähigkeit einer „Erfindung“ prüfen. Die in diesem Schreiben ausdrücklich in Bezug genommene Zeichnung 31-81999-1352 ist als Anlage K 13 vorgelegt, die folgendes Aussehen hat (handschriftliche Hinzufügungen später von Klägerseite vorgenommen):

Mit Schreiben vom 25.2.1999 (Anlage K6) teilte die Firma B-AG mit, es sei beschlossen worden, seitens der Beklagten keine Patentanmeldung zu tätigen und den Gegenstand mithin nicht Anspruch zu nehmen. Die Bearbeitung des Verbesserungsvorschlags. bleibe davon selbstverständlich unbeeinflusst. Dasselbe wiederholte die Firma B- AG mit Schreiben vom 17.12.1999 (Anlage K7) gegenüber den Anwälten des Herrn N. Das Schreiben enthält die Formulierung: „Nachdem eine Inanspruchnahme durch C nicht erfolgt ist, steht es ihrem Mandanten frei, seine in Rede stehende Erfindung selbst zum Schutzrecht anzumelden.“ Bereits vorher wie auch in der Folge verhandelte der Erfinder mit der Beklagten wegen der Honorierung des Verbesserungsvorschlags; er erhielt am 12.12.2000 einen Bescheid über eine Prämie von DM 28.170,- die ihm gleichzeitig angewiesen wurde; letztlich erhielt er Zahlungen von insgesamt knapp DM 40.000.-.
Die Beklagte benutzt oder benutzte Werkzeuge, die der Anlage K13 wie auch der Anlage K14, einer weiteren in dieser Zeit entstandenen technischen Zeichnung der Beklagten, entsprechen.
Mit Schreiben vom 8.9.1999 mahnten die damaligen Anwälte des Erfinders widersprüchliches Verhalten der Beklagten an (Anlage CBH 2). Am 18.1.2001 legte der Erfinder durch seine Patentanwälte Widerspruch gegen die Vergütungsfestsetzung ein; weitere Korrespondenz erfolgte bis 2002. Mit Schreiben vom 20.8.2003 (Anlage K9 und K10) bezog sich die Klägerin auf die Vorgeschichte, führte aus, dass der Erfinder eine Vergütung in Höhe von etwa 40.000,- DM erhalten habe und machte geltend, dass für den Fall, dass die Beklagte derartige Schneidwerkzeuge benutze, die Rechte aus dem Patent verletzt würden. Sie regte ein Treffen zur Besprechung des weiteren Vorgehens an.
Im vorliegenden Verfahren wurde die am 9.9.2005 (der Eingangsstempel, der auf den 9.9.2006 lautet, muss anhand des sonstigen Akteninhalts falsch sein).eingereichte Klage am 19.11.2005 zugestellt. Mit Schreiben vom 6.6.2006 (Anlage CBH 14) nahm die Beklagte gegenüber dem Patentinhaber die Erfindung in Anspruch, da die Erfindungsmeldung nicht die vollständige Erfindung beschrieben habe:
Die Klägerin ist der Auffassung, die Erfindung sei durch die Beklagte nicht in Anspruch genommen und die Inanspruchnahme als technischer Verbesserungsvorschlag begründe auch kein Benutzungsrecht der Beklagten.
Die Klägerin weist darauf hin, dass nach Literatur und Rechtssprechung zwischen Verbesserungsvorschlag und Erfindungsmeldung strikt zu unterscheiden ist und eine freigegebene Erfindung dem Arbeitnehmer uneingeschränkt zur Verfügung steht. Sie weist darauf hin, dass zur Zeit der Zahlung der ersten Prämie für den Verbesserungsvorschlag das Patent nicht einmal offengelegt war und dass die Zahlung für den Verbesserungsvorschlag, der dem Arbeitgeber kein ausschließliches Nutzungsrecht gibt, für die Nutzung ab der tatsächlichen Aufnahme der Benutzung Mitte 1998 gezahlt worden sei, das Patent aber erst seit der Offenlegung am 23.8.2001 überhaupt die Möglichkeit von Ansprüchen bietet.
Die Klägerin beantragt nach Ergänzung des ursprünglichen Klageantrags um die Ziffer 11.1 mit Schriftsatz vom 20.3.20 und Erweiterung des Schadensersatzfeststellungsantrags auf Schäden, die dem Patentinhaber entstanden sind, im Termin vom 5.4.2006, die Beklagte zu verurteilen, wie im Tenor geschehen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Weiter beantragt die Beklagte hilfsweise, gem. § 712 Abs. 1 S. 2 ZPO von der vorläufigen Vollstreckbarkeit abzusehen bzw. der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleitung durch Bankbürgschaft abzuwenden.
Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, die Vergütung der Erfindung als betrieblicher Verbesserungsvorschlag habe zumindest zu einem kostenlosen Nutzungsrecht der Beklagten geführt. Durch die Behandlung dieses Verbesserungsvorschlags habe die Beklagte klargestellt, dass sie die Erfindung benutzen wolle und durch die Annahme der Vergütung sei jedenfalls ein Lizenzvertrag zustande gekommen. Der Einspruch gegen die Vergütung sei verspätet erfolgt, die Klägerin müsse sich die Lizenzeinräumung also entgegenhalten lassen. Die Gegenstände von Verbesserungsvorschlag und Erfindungsmeldung seien auch nicht deckungsgleich, da die Patentanmeldung über den Verbesserungsvorschlag hinausgehe. Die Beklagte habe sich ein Recht zur Eigennutzung vorbehalten; dies stelle im Ergebnis eine beschränkte Inanspruchnahme dar. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf die Zweckübertragungsregel. Zumindest sei eine Benutzung durch die Beklagte nicht rechtswidrig.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 5.4.2006 hat die Beklagte Akteneinsicht beim Patentamt genommen und, wie oben erwähnt, die Erfindung mit Schreiben vom 6.6.2006 in Anspruch genommen. Die Beklagte führt dazu aus, gemeldet worden sei auch bei der Erfindungsmeldung nur eine Spanleitstufe mit einem Winkel von 5 Grad. Nicht gemeldet worden seien die U- oder V-Form der Ausnehmung sowie deren Dimensionen. Der Patentinhaber habe also die technische Lehre weiterentwickelt. Die Zeichnungen stammten nicht vom Erfinder, sondern von einem inzwischen ausgeschiedenen Mitarbeiter der Beklagten und seien erst nach der Erfindungsmeldung angefertigt worden. Dazu sei der Mitarbeiter der Beklagten F, mit dem der Erfinder nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Klagepartei die Erfindung im Einzelnen erprobt hat, nicht der richtige Adressat für die Erfindungsmeldung gewesen.
Die Beklagte bestreitet mit Schriftsatz vom 18.11.2006 erstmals die Benutzung der Erfindung und stellt mit umfangreichen Ausführungen darauf ab, dass sie weder eine U- noch eine V-förmige Ausnehmung benutze (Seite 7 ff dieses Schriftsatzes = Blatt 126 ff der Akten). Die V-Form setze voraus, dass ein Knick zwischen den Schenkeln der Ausnehmung vorhanden sein müsse, um ein Brechen der Späne zu erreichen. Die U-Form setze im Allgemeinen zwei zueinander parallele gerade Schenkel voraus. Mit steigender Gesamtumlenkung vergrößere sich die maximal auftretende Krümmung. Dies führe dazu, dass kürzere Bruchspäne erzeugt würden, was nach dem Klagepatent dessen Erfolg sei. Der Fachmann werde im Sinne des Klagepatents unter U-förmig auch noch Formen verstehen, bei denen unter Abweichung vom eigentlichen Begriffsinhalt die beiden über einen gekrümmten Abschnitt verbundenen Schenkel nicht exakt parallel ausgerichtet seien, sondern einen gewissen – allerdings geringen Neigungswinkel miteinander einschlössen. In jedem Fall sei die absolute Obergrenze für die Winkelumlenkung zwischen dem Eintritt und dem Austritt einer U-Form im Sinne des Klagepatents kleiner als 90 Grad. Die Beklagte ist der Auffassung, keine in der in den Anlagen K13 und K14 gezeigten Gestaltung weise eine als U- oder V-förmige Vertiefung gestaltete Spanleitstufe auf. Damit benutze sie das Patent nicht.
Die Klägerin hat zur Inanspruchnahme noch darauf verwiesen, dass im Erteilungsverfahren der Schutzbereich der ursprünglich der Anmeldung zugrundeliegenden Ansprüche eingeschränkt wurde und damit die Erfindung nicht fortentwickelt worden sei.
Zur Frage der ausreichenden Mitteilung hat sie ausgeführt, dass es ausreiche, dass die Weiterentwicklung einer Diensterfindung gegenüber der ersten Meldung dem Arbeitgeber in welcher Form auch immer übermittelt worden sei und sich dazu auf die Entscheidung BGH Landungsträgergenerator (GRUR 2006, 141, 142) bezogen.
Darüber hinaus hat sie darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit der jetzigen Inanspruchnahme letztlich den Einwand widerrechtlicher Entnahme geltend mache, hinsichtlich dieser sei aber die Frist nach § 8 III PatG abgelaufen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet, da nach dem unstreitigen Sachverhalt die Beklagte das Patent benutzt und weder ein kostenloses Nutzungsrecht noch einen Anspruch wegen widerrechtlicher Entnahme (§ 8 PatG) hat.
I. Die Beklagte hat die Erfindung nicht in Anspruch genommen.
1. Der Erfinder hat eine ordnungsgemäße Erfindungsmeldung getätigt. Auch wenn in der Anlage K5 nicht sämtliche Merkmale der späteren Patentanmeldung enthalten sind, ist der Beklagten jedoch im Zuge der weiteren Entwicklungen in der Abteilung der Beklagten, in der der Erfinder arbeitete, die die Klägerin an der angeführten Stelle ihres Schriftsatzes vom 4.9.2006 ausführlich geschildert hat und die die Beklagte nicht bestritten hat, jedenfalls das bekannt gewesen, was in der Zeichnung gemäß Anlage K13 enthalten ist. Wie die Klägerin zutreffend zitiert, hat der BGH in der Entscheidung Ladungsträgergenerator folgendes ausgeführt: „Ist eine Diensterfindung …. gegenüber einer (ersten) Meldung oder sonstigen Mitteilung weiterentwickelt worden und ist diese Weiterentwicklung dem Arbeitgeber – in welcher Form auch immer – übermittelt worden, kann der Arbeitnehmer vernünftigerweise nicht annehmen, der Arbeitgeber wolle nur dasjenige in Anspruch nehmen, was in der (ersten) Meldung oder Mitteilung angegeben worden ist“ (GRUR 2006, 141, 142 Tz. 15). Die Anlage K12, der unstreitig die Zeichnung K13 beigelegen hat, stellt aber eindeutig eine derartige Mitteilung dar, die auch ausweislich des Inhalts des Schreibens gemäß Anlage K12 an die für die Prüfung der Inanspruchnahme zuständige Stelle der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaft der Firma B- AG, gerichtet war. Die Erfindung ist somit in diesem Umfang dem Arbeitgeber ausreichend gemeldet worden. Dass der Arbeitgeber hier nicht in Anspruch genommen hat, rechtfertigt keine unterschiedliche Bertachtungsweise: Der Beklagten waren im wesentlichen sämtliche Merkmale bekannt, die sich im erteilten Patentanspruch finden.
2. Hinsichtlich der beiden Merkmale, die die Beklagte in diesem Zusammenhang ausführlich abhandelt, ist folgendes auszuführen:
a) Die Bereichsangabe von 0,2 bis 4 mm ist der Anlage K13 zwar nicht zu entnehmen. Die Bereichsangabe von 1 +/-0,15 mm in der Zeichnung beschreibt aber einen engeren Bereich. Erfahrungsgemäß werden im Rahmen einer Patentanmeldung zahlenmäßig zu definierende Bereiche auch weiter beansprucht, als sie zunächst in der Praxis erprobt werden, so dass insoweit die Vollständigkeit der Erfindungsmeldung nicht beeinträchtigt ist.
b) Die Ausführungen der Beklagten über die Auslegung des Merkmals V- oder U-förmig, die sich auf die letztere Alternative konzentrieren, gehen nach Auffassung der Kammer fehl:
aa) Die Merkmale des Patentanspruchs sind zunächst anhand von Beschreibung und Zeichnungen auszulegen (s. etwa BGH GRUR 2002, 511 a. E. -Kunststoffrohrteil m. w. Nachw.). Die Beschreibung spricht im Abschnitt 25 noch von einer vorzugsweisen U-förmigen oder V-förmigen Vertiefung – offenbar ist sie im Erteilungsverfahren nicht der Aufnahme dieses zunächst in einem Unteranspruch formulierten Merkmals in den Hauptanspruch an-gepasst worden. Weitere Angaben zur näheren Ausgestaltung dieses Merkmals gibt die Beschreibung nicht.
Anders ist dies aber bei den Zeichnungen: Während aus der Figur 3 noch eine Umlenkung um mehr als 90 Grad angenommen werden könnte, gilt dies für die mit der Bezugsziffer 9 beschriebene Ausnehmung bei der Figur 6 und 7 nicht mehr. Auch wenn die Figur 7 wohl eine V-förmige Ausnehmung beschreibt, ist daher dem Klagepatent in Bezug auf dieses Merkmal nur zu entnehmen, dass die Ausnehmung entweder mit einem Knick oder mit einer Rundung versehen sein soll. Weitere Anhaltspunkte über die konkrete Ausgestaltung des – hier die maßgebliche Alternative bildenden -U gibt die Patentschrift nicht. Insbesondere kann ihr keinesfalls entnommen werden, dass nach der Lehre des Klagepatents das U parallele Seitenflächen aufweisen müsste; aus den Zeichnungen ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Damit fällt eine Ausgestaltung, wie sie die Anlage K13 aufweist, bei der das U noch flacher als in den Zeichnungen der Patentschrift ausgebildet ist, ohne weiteres unter den Patentanspruch.
Die Erfindungsmeldung beschrieb die Merkmale des später vom Erfinder angemeldeten Klagepatentes daher ausreichend. Die Tatsache, dass nach dem mündlichen Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2006 die patentgemäße Wirkung bei einer U-Form, wie sie die Anlage K13 aufweist, nicht eintritt, war bei der Frage der Erfindungsmeldung nicht zu berücksichtigen; maßgeblich ist die Frage, ob die angemeldeten Merkmale den erteilten entsprechen. Die Beklagte hat daher am 25. 2. und 17. 12. 1999 die Inanspruchnahme der Erfindung in Kenntnis sämtlicher Merkmale des später erteilten Patentes abgelehnt.
3. Die Frist des § 8 I Ziffer 3 ArbNEG zur Inanspruchnahme war auch bei Zugrundelegung einer anderen Auffassung zum Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 6.6.2006 abgelaufen: Die Beklagte wusste nämlich seit der Abmahnung der Klägerin vom 20.8.2003 vom genauen Inhalt des Patents, wenn sie nicht, wovon auszugehen ist, auf ihrem Arbeitsgebiet den Stand der Technik ständig verfolgt und daher mit Offenlegung der Patentanmeldung über deren Inhalt informiert war. Die Frist ist darüber hinaus auch seit Klageerhebung abgelaufen: Spätestens mit Zustellung der Klage war die Beklagte in Besitz der Patentschrift und hätte somit auch bei Zugrundelegung der von ihr vorgetragenen Sach- und Rechtslage der Erfindung in Anspruch nehmen können.
4. Darüber hinaus ist der Klägerin mit ihrem Argument zu folgen, für die Einrede der Vindikationsklage (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Auflage, § 21 Rdnr. 75 und § 6 ArbNEG, Rdnr. 16) wäre die Einhaltung der 2-Jahresfrist des § 8 Satz 3 Patentgesetz zur Erhebung der Vindikationsklage oder des Vindikationseinwands nach Veröffentlichung der Patenterteilung erforderlich gewesen. Auch diese Frist hat die Beklagte versäumt. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass der Erfinder insoweit bösgläubig war. Vielmehr durfte er davon ausgehen, im Betrieb sämtliche Merkmale seiner Erfindung ausreichend geoffenbart zu haben. Schließlich wurde dort die Erfindung als solche auch erfolgreich benutzt.
II. Die Beklagte hat auch kein Nutzungsrecht:
1. Die Klägerin weist zurecht auf die Kommentierung bei Bar-tenbach/Volz, ArbNEG, 4. Auflage 2002, § 2 Rdnr. 21, § 3 Rdnr. 23, § 6 Rdnr. 17/1 und § 8 Rdnr. 70 hin, wonach die Freigabe der Diensterfindung ein unbeschränktes Verfügungsrecht des Arbeitnehmererfinders mit der daraus sich ergebenden Risiken für den Arbeitgeber darstellt. Bei ordnungsgemäßer Meldung einer Diensterfindung geht ein Irrtum des Arbeitsgebers über ihre Schutzfähigkeit grundsätzlich zu seinen Lasten (Bartenbach/Volz, a.a.O. Rdnr. 24).
2. Durch die Behandlung des über geraume Zeit parallel laufenden Verbesserungsvorschlags hat die Beklagte auch kein Nutzungsrecht erworben; die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Nutzung eines Verbesserungsvorschlags mit der Benutzung einer patentierten Erfindung in keiner Weise zu vergleichen ist. Die Frage, ob derartige Zahlungen möglicherweise die Lizenzgebühr herabsetzen können, ist vorliegend nicht zu entscheiden; die Kammer neigt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die ausdrückliche Nicht-Inanspruchnahme einer Erfindung deren unbeschränkten Übergang auf den Erfinder beinhaltet, dazu, dies zu verneinen.
III. Die Beklagte benutzt die Erfindung auch nach dem unstreitigen Vortrag jedenfalls bei richtiger Auslegung des Klagepatents, so dass die geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungs-sowie Entschädigungsansprüche begründet sind:
1. Das Bestreiten der Beklagten beschränkt sich auf die von ihr oben als unzutreffend abgehandelte Auslegung des Patents. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob die patentgemäße Aufgabe erfüllt wird, bei identischer Benutzung der Merkmale des Anspruchs 1 und der insoweit darauf rückbezogenen Ansprüche 6 und 7 nicht zu prüfen ist; angesichts der fehlenden näheren Angaben über die U-förmige Ausgestaltung können auch die von der Beklagten zusätzlich in diese Merkmale hineininterpretierten weiteren Ausgestaltungen nicht als den Wortsinn des Patentanspruchs beschränkend hinzu gelesen werden. Damit ist eine Herstellung und Verwendung von Schneidwerkzeugen gemäß Anlage K13 oder K14 eine Benutzung des Patents, so dass die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Vollstreckungsschutz nach § 712 Abs. 1 ZPO, wie von der Beklagten beantragt, war ihr nicht zu gewähren, da sie in keiner Weise geltend gemacht hat, in wie weit ihr nicht zu ersetzende Nachteile durch die Vollstreckung entstehen. Solche sind auch in keiner Weise ersichtlich, nach dem die Klägerin nicht Wettbewerberin der Beklagten ist und somit die nach der Verurteilung geschuldeten Auskünfte der Klägerin auch keine weiteren geschäftlichen Vorteile bringen können.