4a O 62/05 – Kapillare Mikroküvette

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 542

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. März 2006, Az. 4a O 62/05

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines von dem Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist,
zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland einstückige kapillare Mikroküvetten herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
die einen Grundkörper und eine Ausnehmung mit einem Messbereich in dem Grundkörper aufweisen, wobei die Ausnehmung definiert ist durch zwei einander gegenüberliegende, im Wesentlichen parallele innere Oberflächen des Grundkörpers, einen äußeren Umfangsrand mit einem Probeneinlass und einen inneren Umfangsbereich mit einem Kanal von höherer Kapillarkraft als der Messbereich, wobei beide Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.12.1998 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, es läge eine unmittelbare Zurechenbarkeit zu den zu 1. beschriebenen Handlungen vor,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 04.12.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000.000,- € vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes EP 0 821 xxx (nachfolgend: Klagepatent) sowie des deutschen Gebrauchsmusters DE 296 23 xxx (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster). Beide Schutzrechte, deren Gegenstand identisch ist, betreffen eine einstückige kapillare Einweg-Mikroküvette mit besonderen Strömungseigenschaften. Derartige Mikroküvetten dienen dazu, im Wesentlichen gleichzeitig eine Probe aus einem Fluid zu entnehmen und zu analysieren, und finden insbesondere bei der quantitativen Bestimmung des Hämoglobingehalts im Blut Verwendung.
Das Klagepatent geht zurück auf eine PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 96/33xxx vom 18.04.1996, die die Priorität der schwedischen Patentanmeldung SE 9501xxx vom 21.04.1995 in Anspruch nahm. Die Patenterteilung wurde am 04.11.1998 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatentes steht in Kraft. Ein Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent endete mit dessen unveränderter Aufrechterhaltung durch Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes vom 11.06.2003.
Das Klagegebrauchsmuster wurde am 18.04.1996 unter Inanspruchnahme der oben genannten schwedischen Priorität bei dem deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 27.08.1998 eingetragen. Die Eintragung wurde am 08.10.1998 bekannt gemacht. Die Klägerin stützt ihr Begehren nunmehr nur noch auf das Klagepatent.

Kapillare Mikroküvetten kommen insbesondere zur quantitativen Bestimmung des Hämoglobingehalts im menschlichen Blut zum Einsatz. Sie weisen einen Grundkörper mit einer kapillaren Ausnehmung auf, in der zu Nachweiszwecken ein sich mit der eindringenden Probe vermischendes Reagenz eingebracht ist. Die mit der Probe gefüllte Küvette wird nach einer kurzen Wartezeit in ein Photometer eingelegt, das mittels einer photometrischen Durchlichtmessung den Hämoglobingehalt ermittelt. Für die Validität des Messergebnisses kommt es entscheidend darauf an, dass die Befüllung der Ausnehmung so vollständig erfolgt, dass im Messbereich keine eingeschlossenen Luftblasen verbleiben, die das Messergebnis verfälschen würden. Das Vorhandensein einer größeren Luftblase im Lichtpfad, der den Messbereich durchquert, führt zu einem durchschnittlich gemessenen Hämoglobinwert, der unterhalb des tatsächlichen liegt.

Der Anspruch 1 des Klagepatentes hat in der englischen Verfahrenssprache den folgenden Wortlaut (Anlage K1):
An integral capillary microcuvette (1) comprising a body member (2) and a cavity (3) including a measuring zone (4) within the body member (2), the cavity (3) being defined by two opposite, substantially parallel inner surfaces (5, 6) of the body member, an outer peripheral edge (7) including a sample inlet (8) and an inner peripheral zone (9) having a channel (10) of higher capillary force than the measuring zone (4), both ends of the channel (10) communicating with the exterior of the microcuvette (1).

In der amtlichen Übersetzung ins Deutsche lautet Patentanspruch 1 (Anlage K2):
Einstückige kapillare Mikroküvette (1), die einen Grundkörper (2) und eine Ausnehmung (3) mit einem Messbereich (4) in dem Grundkörper (2) aufweist, wobei die Ausnehmung (3) definiert ist durch zwei einander gegenüberliegende, im Wesentlichen parallele innere Oberflächen (5, 6) des Grundkörpers, einen äußeren Umfangsrand (7) mit einem Probeneinlass (8) und einen inneren Umfangsbereich (9) mit einem Kanal (10) von erhöhter Kapillarkraft als der Messbereich (4), wobei beide Enden des Kanals (10) mit der Umgebung der Mikroküvette (1) in Verbindung stehen.
Zur Verdeutlichung sind nachstehend die Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift wiedergegeben. Sie zeigen eine Mikroküvette in einer patentgemäßen Ausführungsform in der Draufsicht (Figur 1), im Querschnitt entlang einer Linie II-II der Figur 1 (Figur 2) sowie in perspektivischer Darstellung (Figur 3):

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt ein System zur Bestimmung der Hämoglobinkonzentration im Blut her. Sie bietet an und vertreibt dieses System in Deutschland unter der Bezeichnung „HC„. Zum System gehören ein Photometer und mit Reagenzien gefüllte Mikroküvetten; letztere werden von der Beklagten zu 1) auch isoliert angeboten.
Die Beklagte zu 1) hat ausweislich des als Anlage B10 vorgelegten undatierten Schriftsatzes unter Berufung auf eine offenkundige Vorbenutzung durch die Klägerin und druckschriftlichen Stand der Technik Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben, über die in erster Instanz noch nicht entschieden ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, die von der Beklagten zu 1) angebotenen Mikroküvetten verletzten den Anspruch 1 des Klagepatentes. Sie verweist darauf, dass die Ecken des Kanals, die durch die Innenwand des inneren Umfangsbereichs und die sich dort gegenüberliegenden inneren Oberflächen gebildet werden, nahezu rechtwinklig ausgebildet seien, wie sich dies aus der Untersuchung von in den USA unter der Produktbezeichnung „HemoPoint„ vertriebenen Mikroküvetten der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K9) ergebe. Diese gezielte Ausgestaltung des inneren Umfangsbereichs der Ausnehmung bei den angegriffenen Mikroküvetten führe dazu, dass sich das Blut mit Erreichen des inneren Umfangsbereichs in der Nähe des Messbereichs schneller fortbewege als das Blut im benachbarten Messbereich. Dies beruht nach Auffassung der Klägerin darauf, dass das Blut jedenfalls im inneren Umfangsbereich der Ausnehmung (d.h. benachbart zum Messbereich) einem stärkeren Kapillareffekt ausgesetzt sei. Ein höherer Kapillareffekt dort sei für eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmalein des „Kanals von höherer Kapillarkraft als der Messbereich„ ausreichend.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten gemäß dem Hauptantrag zu verurteilen, wie geschehen;

hilfsweise zu dem Antrag entsprechend dem Tenor unter Ziffer I. 1.,

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der im Antrag zu Ziffer I. 1. genannten Ordnungsmittel zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland einstückige kapillare Mikroküvetten herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
die einen Grundkörper und eine Ausnehmung mit einem Messbereich in dem Grundkörper aufweisen, wobei die Ausnehmung definiert ist durch zwei einander gegenüberliegende, im Wesentlichen parallele innere Oberflächen des Grundkörpers, einen äußeren Umfangsrand mit einem Probeneinlass und einen inneren Umfangsbereich mit einem Kanal von höherer Kapillarkraft als der Messbereich in einem Abschnitt, der sich entlang des Messbereiches erstreckt, wobei beide Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Klagepatent auszusetzen;

weiter hilfsweise,

ihnen gemäß § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagten sind der Ansicht, mit der angegriffenen Ausführungsform von dem Klageschutzpatent keinen Gebrauch zu machen. Es fehle an einem Kanal im Sinne von Anspruch 1 des Klagepatentes.
Der von der Klägerin geltend gemachte keilförmige Querschnitt im inneren Randbereich der Ausnehmung stelle lediglich eine Rundung der rechteckigen Stirnseite der Ausnehmung dar, die fertigungstechnisch nicht zu vermeiden sei. Von einem „Kanal„ im Sinne des Patentanspruchs 1 könne jedoch nur gesprochen werden, wenn die Forderung nach einer erhöhten Kapillarkraft durch die konkrete Maßnahme einer Verringerung der Spalttiefe erreicht werde. Für den Fachmann sei hingegen klar, dass eine höhere Kapillarwirkung im Randbereich auch ohne eine Tiefenverringerung des Spaltes erzielt werden könne. So führe bereits der einseitige Abschluss des zwischen den im Wesentlichen parallelen Grenzflächen bestehenden Spaltes durch die Stirnkante der inneren Umfangsseite zu einer erhöhten Kapillarwirkung in der Nähe der Stirnkante, weil in diesem Bereich neben den beiden zueinander im Wesentlichen parallelen Grenzflächen auch noch eine dritte Grenzfläche in Gestalt der Stirnkante zur Kapillarwirkung beitrage. Des Weiteren sei das Merkmal, wonach die beiden Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen, dahin auszulegen, dass der höhere Kapillareffekt sofort mit dem beginnenden Einziehen von Blut in die Mikroküvette wirksam werden müsse.
Die Beklagten behaupten, die angegriffene Ausführungsform entspreche vollständig einer Mikroküvette, die die Klägerin selbst bereits vor Jahrzehnten hergestellt und weltweit, auch in der Bundesrepublik Deutschland, vertrieben, jedoch nicht in das Erteilungsverfahren für das Klagepatent eingeführt habe. Sofern man bei der angegriffenen Ausführungsform das Vorliegen eines Kanals bejahen wolle, wären die Klageschutzrechte daher neuheitsschädlich vorweggenommen durch die von der Klägerin selbst bereits vor dem Prioritätsdatum hergestellten und vertriebenen Mikroküvetten. Aus den Anlagen B2, B3 und B4 sei ersichtlich, dass die Klägerin bereits zuvor Mikroküvetten, die den hier angegriffenen Ausführungsformen entsprochen hätten, vertrieben habe. Leicht gerundete Übergänge zwischen den im Wesentlichen parallelen Innenwänden und der Stirnkante bei dem in der Anlage B2 wiedergegebenen Querschnitt seien lediglich durch so genannte Einfallvorgänge (Schwundvorgänge des erkaltenden Materials) im Zuge des Spritzgussverfahrens zu erklären.
Eine lediglich marginale Verringerung der Spalthöhe durch Verrundungen der idealer Weise rechteckigen Kantenform als notwendige Folge produktionstechnischer Vorgänge könne nicht zu einem „Kanal„ im Sinne der Klageschutzrechte führen. Das Merkmal des „Kanals„ sei so zu interpretieren, dass nur eine gezielte (planmäßige, systematische) Höhenverringerung des Spaltes im Randbereich unter Schutz gestellt sei. Die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandene geringfügige Differenz der Spalthöhe am inneren Abschluss der Ausnehmung zu derjenigen im Messbereich in Richtung des äußeren Umfangsrandes beruhe hingegen auf einer produktionstechnisch unvermeidlichen „Entformungsschräge„. Zu einem Kapillareffekt bei der angegriffenen Ausführungsform führe bereits das Vorhandensein einer senkrechten Abschlusskante im Zusammenwirken mit der sonstigen Geometrie der Ausnehmung.

Dem tritt die Klägerin entgegen. Die von ihr vor dem Prioritätsdatum vertriebene Küvette sei in einer Weise hergestellt worden, die das Entstehen eines rechteckigen Übergangs zwischen den im Wesentlichen parallelen Oberflächen und der Stirnwand nicht vorsah, weil der bei der Herstellung der Küvette verwendete Schieber (dessen Fertigungszeichnung die Klägerin als Anlage K10 vorgelegt hat) eine vollständig abgerundete Abschlusskante aufgewiesen habe. Ein Kanal mit gegenüber dem Messbereich erhöhter Kapillarwirkung habe dadurch nicht entstehen können. Entformungsschrägen seien entgegen der Annahme der Beklagten heute technisch nicht zwingend notwendig. Durch bloße Verrundungen in den Kanten des inneren Umfangsbereichs seien die Verengungen im Randbereich der Ausnehmung der angegriffenen Ausführungsform nicht zu erklären.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Benutzungshandlungen durch die patentverletzenden Mikroküvetten, die die Beklagte zu 1) unter der Bezeichnung „HC„ in Deutschland anbietet und vertreibt. Zum Zwecke des der Klägerin dem Grunde nach zustehenden Schadensersatzanspruchs kann sie Auskunft und Rechnungslegung verlangen.

I.
Das Klagepatent betrifft einstückige kapillare Einweg-Mikroküvetten zur Entnahme einer Probe aus einem Fluid und zur anschließenden Analyse der Probe, wie sie in der Praxis insbesondere für die quantitative Bestimmung des Hämoglobingehalts im menschlichen Blut Verwendung finden. Die Mikroküvetten weisen einen Grundkörper mit einer kapillaren Ausnehmung auf, in die die flüssige Probe mittels Kapillareinwirkung eindringt. Soweit die Küvetten zur Feststellung des Hämoglobingehalts bestimmt sind, ist in ihre Aufnehmung ein Reagenz eingebracht, das sich mit der eindringenden Probe vermischt und die anschließende photometrische Analyse ermöglicht.

Im Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt des Klagepatentes waren Küvetten der vorbezeichneten Art bereits bekannt. Die in dem US-Patent 4,088,xxx (Anlage K4) offenbarte Küvette weist einen Grundkörper auf, der zwei ebene Oberflächen umfasst, die in einem vorgegebenen Abstand zueinander angeordnet sind, um eine Ausnehmung zu definieren und die Länge des optischen Pfades festzulegen. Die Ausnehmung umfasst einen Messbereich nebst Einlass zur Verbindung der Ausnehmung mit der Umgebung des Grundkörpers und zur Aufnahme der mit der Küvette in Berührung gebrachten Probe. Diese dringt durch Kapillarkräfte in die Ausnehmung ein und vermischt sich dort mit dem Reagenz, das auf die Oberfläche der Ausnehmung aufgetragen ist und sodann einen Messvorgang an der Probe durch optische Analyse ermöglicht.
An der Küvette gemäß dem US-Patent 4,088,xxx, die erstmals das Entnehmen einer Probe aus einem Fluid, das Vermischen und die chemische Reaktion mit einem geeigneten Reagenz mit bzw. in demselben Gefäß ermöglichte, das auch für die anschließende Messung verwendet werden konnte, kritisiert es die Klagepatentschrift als nachteilig, dass sich bei ihrem Einsatz Luftblasen ausbilden können, durch welche die optische Analyse der aufgenommenen Probe, insbesondere bei der photometrischen Hämoglobin-Messung, gestört werde. Solche Luftblasen bildeten sich, so führt die Klagepatentschrift aus, in den Ausnehmungen der vorbekannten Küvetten üblicherweise durch die Art des durch Kapillarwirkung bedingten Strömens der Probe in der Ausnehmung. Die Luftblaseneinschlüsse führen, sofern sie im Lichtpfad, der den Messbereich durchquert, zum Liegen kommen, zu einem durchschnittlich gemessenen Hämoglobinwert, der unterhalb des tatsächlichen Wertes liegt. Zwar würden in der Praxis grundsätzlich Qualitätskontrollen durchgeführt, die ein Aussortieren der Küvetten mit Luftblasen ermöglichten; die beträchtliche Zahl an weggeworfenen Küvetten lasse jedoch die Gesamtkosten für die Küvetten ansteigen.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik hat es sich die Erfindung gemäß dem Klagepatent zur Aufgabe gemacht, eine verbesserte Küvette bereitzustellen, die das Risiko des Versagens eliminiert, das durch das Vorhandensein von Luftblasen im Messbereich verursacht wird (Übersetzung Anlage K2, Seite 3, 2. Absatz).

Der Anspruch 1 des Klagepatentes schlägt hierfür die Kombination folgender Merkmale vor:
1. Einstückige kapillare Mikroküvette (1);
2. die Mikroküvette (1) weist einen Grundkörper (2) auf;
3. die Mikroküvette (1) weist eine Ausnehmung (3) mit einem Messbereich (4) in dem Grundkörper (2) auf;
4. die Ausnehmung (3) ist definiert
a) durch zwei einander gegenüberliegende, im Wesentlichen parallele innere Oberflächen (5, 6) des Grundkörpers (2),
b) durch einen äußeren Umfangsrand (7) mit einem Probeneinlass (8)
c) und durch einen inneren Umfangsbereich (9) mit einem Kanal (10);
aa) der Kanal (10) besitzt eine höhere Kapillarkraft als der Messbereich (4);
bb) beide Enden des Kanals (10) stehen mit der Umgebung der Mikroküvette (1) in Verbindung.

Zwischen den Parteien ist die Verwirklichung der Merkmale 1., 2., 3. und 4. a) und b) der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung zu Recht nicht umstritten. Die Beklagten stellen ausschließlich in Abrede, dass die von ihnen hergestellte und vertriebene Mikroküvette im inneren Umfangsbereich über einen Kanal mit einer höheren Kapillarkraft als der Messbereich verfüge (Merkmal 4. c) aa)). Mit Schriftsatz vom 20.02.2006 haben sie ferner erstmals eine Auslegung des Merkmals 4. c) bb) vertreten, wonach der Effekt der höheren Kapillarkraft sofort bei dem Einziehen von Blut in die Mikroküvette wirksam werden müsse, also unmittelbar jenseits des Probeneinlasses müsse festgestellt werden können. Da dies nach dem Vortrag der Beklagten bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall sei, stellen sie zugleich auch die Verwirklichung des Merkmals 4. c) bb) in Abrede.
Die Kammer versteht die Beklagten allerdings so, dass ihr Verweis auf – wie sie behaupten – technisch notwendige „Entformungsschrägen„ bei der angegriffenen Ausführungsform die Verwirklichung des Merkmals 4. a) nicht in Frage stellen soll. Sollte dies jedoch der Fall sein, wäre den Beklagten darin jedenfalls nicht zu folgen. Mit der Formulierung, dass die die Ausnehmung bildenden inneren Oberflächen des Grundkörpers „im wesentlichen parallel„ seien, setzt Anspruch 1 des Klagepatentes erkennbar keine absolute geometrische Parallelität voraus, sondern begnügt sich mit einer weitgehenden Parallelität, die einem Eindringen der flüssigen Probe durch Kapillareffekte nicht entgegensteht und die beabsichtige Verwendung der gefüllten Küvette, etwa zur photometrischen Messung, nicht beeinträchtigt. Es ist nicht erkennbar, warum ein Durchschnittsfachmann durch die Formulierung „im wesentlichen parallel„ dazu angewiesen werden sollte, zur Bildung der Ausnehmung vollständig parallele Oberflächen vorzusehen, solange der Effekt, ein Eindringen der Probe durch Kapillarwirkung und eine anschließende Verwendung der gefüllten Küvette zu ermöglichen, auch unter Inkaufnahme einer leichten Schräge der Oberflächen erreicht werden kann. Eine geringfügige Entformungsschräge – mag sie nun technisch vermeidbar sein oder nicht – steht der Verwirklichung dieses Merkmals in jedem Fall nicht entgegen.

1.
Ausgehend von der Kritik, die das Klagepatent an der im Stand der Technik bekannten Mikroküvette übt, und von der daraus abgeleiteten Aufgabe ist es für die Auslegung, was die Klagepatentschrift unter einem „Kanal„ im Sinne des Merkmals 4. c) versteht, entscheidend, wodurch der erstrebte Zweck erreicht werden soll, das Vorhandensein von Luftblasen im Messbereich wirkungsvoll zu vermeiden. Merkmal 4. c) des Patentanspruchs 1 spricht insoweit davon, dass die Ausnehmung (3) neben den einander gegenüberliegenden, im Wesentlichen parallelen inneren Oberflächen (5, 6) und dem äußeren Umfangsrand (7) mit einem Probeneinlass (8) definiert werde durch „einen inneren Umfangsbereich (9) mit einem Kanal (10) von höherer Kapillarkraft als der Messbereich (4)„. Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 steht mit dieser Formulierung einem funktionalen Verständnis des „Kanals„ im Hinblick auf die Gewährleistung eines gegenüber dem Messbereich höheren Kapillareffektes nicht entgegen. Er legt dieses funktionale Verständnis vielmehr nahe, indem er den Kanal gerade über die dort herrschende, gegenüber dem Messbereich höhere Kapillarkraft definiert. Der Kanal im Sinne des Patentanspruchs 1 erstreckt sich somit auf denjenigen Abschnitt des inneren Umfangsbereichs der Ausnehmung, in dem dieser über eine höhere Kapillarkraft gegenüber dem Messbereich verfügt. Der Wortlaut gibt keine Anhaltspunkte dafür, „Kanal„ nur in einem von der übrigen Ausnehmung räumlich-gegenständlich abgrenzbaren Sinne zu verstehen. Denn dies wäre für den erhöhten Kapillareffekt nicht erforderlich.
Dies korrespondiert auch mit der Beschreibung des Klagepatentes: Diese erwähnt (in der Übersetzung Anlage K2 Seite 3 Zeile 18f.) im Rahmen der Beschreibung der Ausnehmung, dass diese u.a. einen „inneren Umfangsbereich mit einem Kanal von höherer Kapillarkraft als der Messbereich„ aufweise. Dies deutet darauf hin, dass der Kanal schlicht Bestandteil des inneren Umfangsbereichs sein könne. Zugleich enthält die Beschreibung (Seite 4 Zeile 17-19) zwar auch die Formulierung, dass der innere Umfangsbereich (9) einen Kanal (10) „aufweise„, der über eine höhere Kapillarkraft als der Messbereich verfüge. Dies veranlasst den angesprochenen Durchschnittsfachmann jedoch nicht zu der Annahme, von einem Kanal könne nur dann gesprochen werden, wenn der Bereich erhöhter Kapillarkraft räumlich-gegenständlich vom inneren Umfangsbereich abgrenzbar ist. Denn aus anderen Beschreibungsstellen (etwa Seite 4, letzter Absatz) entnimmt der fachkundige Leser der Patentbeschreibung, dass es darauf ankommt, bei der eindringenden Flüssigkeit ein solches hydrodynamisches Strömungsmuster zu gewährleisten, mit dem der Einschluss von Luftblasen im Messbereich verhindert wird (so auch Seite 5 Zeile 1-4). Hinweise darauf, dass dies nur bei einem räumlich-gegenständlich abgrenzbaren Kanal erzielt werden könne, enthält die Patentschrift nicht. Es bleibt daher bei der anerkannten funktionsorientierten Auslegung der Patentschrift, nach der Merkmale und Begriffe so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist. So kommt es darauf an, welche – nicht nur bevorzugten, sondern zwingenden – Vorteile mit dem Merkmal erzielt und welche Nachteile des vorbekannten Standes der Technik – wiederum nicht nur bevorzugt, sondern zwingend – mit dem Merkmal beseitigt werden sollen (OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 599, 601ff. – Staubsaugerfilter). Mit dem Merkmal 4. c) wird – für den Durchschnittsfachmann erkennbar – das Ziel verfolgt, durch einen erhöhten Kapillareffekt im inneren Umfangsbereich den Einschluss von Luftblasen zu verhindern.
Der Umstand, dass der Kanal im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre keinen räumlich-gegenständlich klar abgrenzbaren Bereich einnehmen muss, ergibt sich für den Durchschnittsfachmann zugleich aus der Beschreibung einer alternativen Ausführungsform (Seite 5, zweiter Absatz, entsprechend dem abhängigen Unteranspruch 4). Danach nimmt der Abstand zwischen den beiden im Wesentlichen ebenen Oberflächen des Grundkörpers stetig in einer Richtung weg von der inneren Endwand des inneren Umfangsbereichs zu. In diesem Fall weise der Kanal einen keilförmigen Querschnitt auf. Entsprechend dem Unteranspruch 4 ergibt sich der Kanal somit lediglich durch die insgesamt keilförmige Gestaltung der Ausnehmung, nicht durch eine gesonderte Keilform nur eines solchen Teils des inneren Umfangsbereichs, der sodann als Kanal anzusehen wäre. Von einem Kanal kann in Übereinstimmung mit der Beschreibung folglich auch dann gesprochen werden, wenn sich der Kanal nicht von dem übrigen Teil der Ausnehmung durch eine besondere Ausgestaltung seines Querschnitts abhebt, denn daran fehlt es im Falle einer Gestaltung entsprechend Unteranspruch 4 gerade.

2.
Auf welchen konkreten Maßnahmen die Wirkung eines erhöhten Kapillareffektes im Kanal beruht, lässt die Klagepatentschrift ausdrücklich offen. Entscheidend ist nach der Fassung des Patentanspruchs 1 alleine, dass im inneren Umfangsbereich eine höhere Kapillarkraft herrscht als im Messbereich, so dass von einem Kanal gesprochen werden kann. Die Ausführungsbeispiele und ihre zeichnerische Darstellung, wonach der mit der Bezugsziffer 10 belegte Bereich in der Figur 2 und zugleich die korrespondierenden Öffnungen an den Endpunkten des äußeren Umfangsbereichs in der Figur 3 keilförmig dargestellt sind, lassen keine Rückschlüsse auf das Verständnis der Patentansprüche zu. Auf die (zeichnerische Darstellung der) Ausführungsbeispiele darf die in den Ansprüchen offenbarte technische Lehre nicht beschränkt werden. Denn die zeichnerische Darstellung von Ausführungsbeispielen dient nur der exemplarischen Erläuterung des Erfindungsgegenstandes und darf nicht in dem Sinne abschließend verstanden werden, dass nur eine der Darstellung des Ausführungsbeispiels entsprechende Gestaltung erfindungsgemäß wäre (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Die in erster Linie maßgebliche Fassung der Patentansprüche lässt hier aber keine Schlüsse auf die genaue Ausgestaltung des Kanals zu, mittels derer seine im Vergleich zum Messbereich erhöhte Kapillarkraft patentgemäß bewirkt werden soll.
Die Beschreibung betont vielmehr an mehreren Stellen, dass der Kanal 10 eine beliebige Form (Anlage K2, Seite 4 Zeile 19) beziehungsweise einen beliebigen „geeigneten„ Querschnitt aufweisen könne, solange die Kapillarkraft des Kanals höher ist als diejenige des Messbereichs (Seite 5 Zeile 4-7). Durch den Verweis auf einen beliebigen „geeigneten„ Querschnitt macht die Beschreibung deutlich, dass die Wahl der konkreten Maßnahme, durch die der erhöhte Kapillareffekt hervorgerufen wird, den Fähigkeiten des angesprochenen Durchschnittsfachmanns überlassen bleiben soll. Eine abschließende Anweisung zu der Frage, durch welche Maßnahmen der erhöhte Kapillareffekt erzielt werden solle, enthält die Patentschrift nicht. Sie leitet den Durchschnittsfachmann lediglich insofern an (Seite 5 Zeile 7-13), als die erhöhte Kapillarkraft erreicht werde durch das Bereitstellen eines Kanals, der eine geringere Tiefe hat als der Messbereich. Zugleich finden auch andere Maßnahmen Erwähnung: So kann der Kanal (Seite 5 Zeile 8ff.) insbesondere definiert sein durch eine innere Wand des inneren Umfangsbereichs und durch die zwei einander gegenüberliegenden, im Wesentlichen ebenen Oberflächen des Grundkörpers, wobei der Abstand zwischen den ebenen Oberflächen des Kanals geringer sei als der Abstand zwischen den inneren Oberflächen des Messbereichs. Auch bei dieser Anleitung in der Beschreibung geht die Erhöhung des Kapillareffektes zwar mit einer Spalthöhenverringerung des Kanals gegenüber dem Messbereich einher. Es fehlt aber an einem Anknüpfungspunkt für eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung des maßgeblichen Patentanspruchs 1, von dem auszugehen ist. Dieser umschreibt den „Kanal„ ausschließlich mittels der Wirkung eines höheren Kapillareffektes, lässt seinerseits aber völlig offen, wodurch dieser Effekt technisch-konstruktiv erreicht werden soll. Daraus lässt sich schließen, dass es patentgemäß nicht von Belang ist, ob dieser Effekt (auch) durch eine Spalthöhenverringerung oder (nur) durch andere Maßnahmen, etwa das Hinzutreten einer dritten Wand zu den die Ausnehmung definierenden, im Wesentlichen parallelen inneren Oberflächen, erzielt wird.

3.
Seine Funktion, Lufteinschlüsse im Messbereich zu verhindern, kann der erhöhte Kapillareffekt nicht nur dann erfüllen, wenn er über die gesamte Länge des inneren Umfangsbereichs vorhanden ist, sondern bereits dann, wenn er lediglich in dem zum Messbereich benachbarten Teil des inneren Umfangsbereichs auftritt. Für den von der Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmann ergibt sich aus dem anspruchsgemäßen Bezug des erhöhten Kapillareffekts zum Messbereich („höhere Kapillarkraft als der Messbereich„), dass es lediglich auf einen so weitreichenden Kanal im dargelegten Sinne ankommt, dass Lufteinschlüsse wirksam vermieden werden. Dies ist aber bereits dann der Fall, wenn sich der Kanal mit erhöhter Kapillarkraft über einen solchen Teil des inneren Umfangsbereichs erstreckt, dass eindringende Flüssigkeit den am weitesten im Inneren der Ausnehmung gelegenen Punkt schneller erreicht als diejenige Flüssigkeit, die den Messbereich durchschreitend in die Ausnehmung eindringt. Zu diesem Zweck muss der erhöhte Kapillareffekt nicht bereits am Probeneinlass auftreten. Es genügt vielmehr, dass der Beschleunigungseffekt in unmittelbarer Nachbarschaft des Messbereichs eintritt und dort so stark ausgeprägt ist, dass Flüssigkeit, die am inneren Umfangsbereich zunächst gegenüber dem Messbereich zurückgeblieben ist, in so stark beschleunigter Weise durch den Kanal gezogen wird, dass sie bis in den innersten Bereich der Ausnehmung schneller „hereingezogen„ wird und diesen vor derjenigen Flüssigkeit erreicht, die den Messbereich durchquert. Das Augenmerk des Durchschnittsfachmanns wird sowohl durch das Merkmal 4. c) aa), das einen Bezug zwischen dem Kanal höherer Kapillarkraft und dem Messbereich herstellt, als auch durch den ersten Absatz auf Seite 5 der Beschreibung darauf gelenkt, dass die Verbesserung der hydrodynamischen Strömung in der Küvette in einem Kanal mit höherer Kapillarkraft als der Messbereich bewirkt wird. Für den angesprochenen Fachmann ist auf der Grundlage seines Fachwissens erkennbar, dass es dabei auf einen Vergleich zwischen dem Messbereich einerseits und dem zum Messbereich benachbarten Teil des inneren Umfangsbereichs ankommt. Denn bei diesem Bereich handelt es sich um den entscheidenden Abschnitt, in dem die Kapillarkraft gegenüber dem Messbereich erhöht sein muss, um durch das beschleunigte Voranschreiten der Flüssigkeit im inneren Umfangsbereich Lufteinschlüsse zu vermeiden. Das gleichzeitige Eindringen der Flüssigkeitsfront in den Messbereich und den benachbarten Kanal oder gar ein anfängliches Voraneilen des Blutes im Messbereich ist nur dann für das angestrebte Ziel, Luftblasen im Messbereich zu vermeiden, schädlich, wenn das Blut im Messbereich die innere Begrenzung der Ausnehmung schneller erreicht als dasjenige Blut, das entlang des inneren Umfangsbereichs durch den Kanal gezogen wurde. Ein anfängliches Voraneilen im Messbereich ist hingegen unschädlich, wenn das Blut im inneren Umfangsbereich einen anfänglichen „Rückstand„ bis zum inneren Ende der Ausnehmung (d.h. bis zu dem für das Entstehen vom Lufteinschlüssen kritischen Bereich) aufzuholen vermag, obwohl der gekrümmte Umfangsbereich den längeren Weg darstellen mag. Die im Vergleich zum Messbereich höhere Kapillarkraft muss sich auf eine solche Strecke des inneren Umfangsbereichs erstrecken und dort so ausgeprägt sein, dass dieses Ziel erreicht wird.
Das von den Beklagten vertretene Verständnis, der Bereich erhöhter Kapillarkraft müsse bereits unmittelbar hinter dem Probeneinlass beginnen und sich über den gesamten inneren Umfangsbereich erstrecken, kann sich nicht auf die Beschreibungsstelle Seite 4, letzter Absatz stützen, wo es heißt:
Wenn eine Probenflüssigkeit durch den Einlass 8 in die Küvette gezogen wird, wird der Kanal 10 wegen seiner hohen Kapillarkraft über seine gesamte Länge gefüllt. Nach dem Füllen des Kanals dringt die Probenflüssigkeit in den Restbereich der Ausnehmung 3 in einem Strömungsmuster ein, das das Einschließen von Luftblasen in dem Messbereich 4 verhindert.
Dabei handelt es sich ersichtlich um die Beschreibung eines Idealfalles, der für die Erreichung des angestrebten Zwecks nicht verwirklicht sein muss. Für den angesprochenen Fachmann erschließt es sich auf der Grundlage seines Fachwissens, dass die auf Seite 5 (Zeile 1-4) genannte verbesserte hydrodynamische Strömung nicht nur dann entsteht, wenn zunächst der Kanal vollständig gefüllt wird und das Blut erst danach beginnt, in den Messbereich einzuströmen. Die verbesserte hydrodynamische Strömung ist das Mittel, durch welches verhindert wird, dass Luftblasen in dem Messbereich eingeschlossen werden (Beschreibung Seite 5 Zeile 1-4). Entscheidend ist demnach nicht der Beginn des Einströmens in den Messbereich, sondern der Zeitpunkt, in dem der Messbereich nahezu vollständig gefüllt ist, weil dies den „kritischen Moment„ darstellt, in dem es um die Vermeidung von Luftblasen geht. Ob und in welchem Maße der Kanal bereits gefüllt ist, wenn die Strömungsfront beginnt, in den Messbereich einzudringen, ist aufgabengemäß nicht von Belang.
Entgegen der seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung lässt sich auch aus der Zusammenschau des Merkmals 4. c) aa) mit dem Merkmal 4. c) bb) nicht schließen, dass der erhöhte Kapillareffekt über die gesamte Länge des inneren Umfangsbereiches auftreten müsse, um von einem Kanal im Sinne des Klagepatentanspruchs 1 sprechen zu können. Im Ausgangspunkt zutreffend weisen die Beklagten zwar darauf hin, dass gemäß Merkmal 4. c) bb) beide Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen müssen. Definiert man den „Kanal„ richtigerweise alleine über die in seinem Bereich auftretende höhere Kapillarkraft (s.o. unter 1.), liegt die Forderung nahe, dass auch die Enden des Kanals (also die Enden des inneren Umfangsbereichs mit gegenüber dem Messbereich erhöhter Kapillarkraft) mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen müssten. Die Beklagten verstehen diese „Verbindung„ offenbar in dem Sinne, dass die Enden des Bereichs erhöhter Kapillarkraft unmittelbar in den äußeren Umfangsbereich münden müssten. Für dieses Verständnis mag auch die Beschreibungsstelle im Zusammenhang mit der textlichen Beschreibung der Figur 1 (Anlage K2, Seite 4 Zeile 19-21) sprechen, wo es heißt:
Der Kanal 10, der eine beliebige Form haben kann, verläuft entlang des gesamten inneren Umfangsbereichs 9 und steht mit der Atmosphäre an beiden Enden des Kanals 10 in Verbindung.
Unter funktionalen Gesichtspunkten kann dieser Auslegung des Anspruchsmerkmals 4. c) bb) jedoch nicht gefolgt werden. Der insoweit nach der Verfahrenssprache maßgebliche englischsprachige Wortlaut enthält am Ende des Anspruchs 1 das folgende Merkmal:
„… both ends of the channel (10) communicating with the exterior of the microcuvette (1)„.
Mit der Möglichkeit des „communicating with„ ist dasjenige treffender als mit der deutschen Übersetzung „stehen … in Verbindung„ umschrieben, worauf es bei diesem Merkmal im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen ankommt. Der erhöhte Kapillareffekt kann nur dann wirksam zur Vermeidung von Lufteinschlüssen im Messbereich führen, wenn die in der Ausnehmung vor dem Befüllvorgang enthaltene Luft vor der eindringenden Flüssigkeit entweichen kann. In dem Maße, in dem von dem einen Ende des inneren Umfangsbereichs her die Flüssigkeit eindringt, muss es möglich sein, dass die Luft über das andere Ende entweicht. Dies ist über eine Verbindung zu gewährleisten. Ohne diese Möglichkeit wäre die erhöhte Kapillarkraft im Kanal nicht in der Lage, zu einer vollständigen Befüllung der Ausnehmung unter Vermeidung von Lufteinschlüssen beizutragen, sie müsste wirkungslos bleiben. Für die Möglichkeit des Entweichens ist es aber – in für den Fachmann erkennbarer Weise – nicht erforderlich, dass der erhöhte Kapillareffekt über die gesamte Länge des inneren Umfangsbereichs auftritt. Es genügt, dass überhaupt – und sei es unter Vermittlung durch solche Bereiche, in denen keine erhöhte Kapillarkraft herrscht – eine Verbindung des Kanals mit der Atmosphäre außerhalb der Ausnehmung besteht. Dem Fachmann erschließt sich dieses Verständnis aus der Zusammenschau des Merkmals 4. c) bb) mit dem Merkmal 4. c) aa), die geboten ist, weil Merkmale nicht isoliert voneinander, sondern unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen im Rahmen der patentanspruchsgemäßen Lehre auszulegen sind. Wie oben bereits ausgeführt, ist es zur Erreichung des angestrebten Ziels, Lufteinschlüsse im Messbereich zu vermeiden, nicht erforderlich, dass der Kanal im inneren Umfangsbereich auf seiner gesamten Länge bereits gefüllt ist, bevor die Flüssigkeit den Messbereich erreicht. Der Fachmann wird von dieser Auslegung auch nicht durch die Formulierung in der Beschreibung (Seite 4 Zeile 19-21) abgehalten, wonach der Kanal, der entlang des gesamten inneren Umfangsbereichs verläuft, mit der Atmosphäre an seinen beiden Enden in Verbindung steht. Dies mag zwar darauf hindeuten, dass die Beschreibung von einer unmittelbaren Verbindung des Kanals mit der Umgebung der Ausnehmung ausgeht. Für die Erreichung des erstrebten Strömungsmusters zur Vermeidung von Lufteinschlüssen im Messbereich ist dies aber – wie für den Durchschnittsfachmann erkennbar – nicht erforderlich.

4.
Die Klagepatentschrift enthält schließlich keine Hinweise darauf, dass nur ein solcher gegenüber dem Messbereich höherer Kapillareffekt patentgemäß sein könne, der systematisch und planmäßig durch eine gezielte Gestaltung des inneren Umfangsbereichs herbeigeführt wird, ein erhöhter Kapillareffekt, der durch gegebenenfalls fertigungstechnisch nicht zu vermeidende Einfalleffekte nach Herausziehen des Schiebers und möglicherweise notwendige Entformungsschrägen hervorgerufen wird, hingegen nicht patentgemäß sei. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Patentanspruchs 1 ist es alleine entscheidend, ob im Sinne des Merkmals 4. c) aa) ein Kanal mit höherer Kapillarkraft als der Messbereich vorliegt. Hinweise auf bestimmte Absichten oder die Motivation des Herstellers der Mikroküvette enthält weder der Patentanspruch noch die Beschreibung. Diese erklärt die Form des Kanals sowie seinen Querschnitt vielmehr ausdrücklich für unerheblich und erwähnt selbst die Möglichkeit, den Kanal insbesondere durch das Hinzutreten einer dritten Wand in Gestalt der Stirnwand zu bilden (Seite 5 Zeile 8ff.).
Auch aus der Abgrenzung des Klagepatentes zum Stand der Technik in Gestalt der US-Patentschrift 4,088,xxx (Anlage K4) ergibt sich kein Erfordernis, die Herbeiführung des erhöhten Kapillareffektes auf systematisch-planvolle Maßnahmen zu beschränken. Die Beklagten weisen zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass die Auslegung eines Patentes für die Verletzungsfrage nach den gleichen Kriterien zu erfolgen hat wie für die Frage der Rechtsbeständigkeit (BGH, GRUR 2004, 47 – Blasenfreie Gummibahn I). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, nur durch eine Beschränkung auf die systematische Ausbildung eines Kanals von erhöhter Kapillarkraft könne vermieden werden, dass die technische Lehre des Klagepatentes im Stand der Technik durch die Anlage K4 bereits vorweggenommen war. Dort werden über eine schlicht rechtwinklige Ausgestaltung der Begrenzungsflächen der Ausnehmung hinaus keine weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 offenbart, die für den hier erfindungsgemäßen höheren Kapillareffekt wesentlich sind. So kommt es neben dem höheren Kapillareffekt im Kanal (Merkmal 4. c) aa)) auch darauf an, dass die Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen (Merkmal 4. c) bb)). Wie unter 3. bereits ausgeführt, kann der erhöhte Kapillareffekt nur im Zusammenwirken mit diesem Merkmal dazu führen, Lufteinschlüsse im Messbereich zu vermeiden. Zudem offenbart das Klagepatent mit dem Merkmal 4. b) einen klar definierten Einlassbereich. Diese weitergehenden Merkmale des Klagepatentanspruchs gegenüber dem Offenbarungsgehalt der US-Patentschrift (Anlage K4) stehen einer Beschränkung des Merkmals 4. c) aa) auf einen zielgerichtet herbeigeführten erhöhten Kapillareffekt entgegen. Denn es kann nicht lediglich durch eine solche einschränkende Auslegung vermieden werden, dass der gesamte Offenbarungsgehalt des Klagepatentanspruchs 1 im Stand der Technik bereits vorweggenommen war.

II.
Die angegriffenen Mikroküvetten der Beklagten machen von den Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatentes wortsinngemäß Gebrauch. Für die Merkmale 1., 2., 3. und 4. a) und b) stellen die Beklagten dies zu Recht nicht in Abrede. Wortsinngemäß verwirklicht werden aber auch die Merkmale 4. c) aa) und bb).

Dass bei den angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls in demjenigen Teil des inneren Umfangsbereichs, der an den Messbereich angrenzt, ein erhöhter Kapillareffekt auftritt (Merkmal 4. c) aa)), können die Beklagten nicht in Abrede stellen. Soweit dies mit dem Verweis der Beklagten auf die geometrische Gestaltung der Ausnehmung in der Draufsicht (d.h. die mit zunehmender Entfernung vom äußeren Umfangsrand entsprechend der Rundung des Messbereichs abnehmende Breite der gesamten Ausnehmung) geschehen sollte, würden sich die Beklagten damit in Widerspruch zu ihrem eigenen schriftsätzlichen Vorbringen setzen.
Mit der Klageerwiderung haben die Beklagten unter Vorlage des Gutachtens des X-Städter Instituts Biomedizinische Technik vom 30. August 2005 (Anlage B1) vorgetragen, dass eine höhere Kapillarwirkung im Randbereich auch ohne Tiefenverringerung des Spalts erreicht werden könne, weil bereits das Hinzutreten einer dritten Wand (Stirnkante), die den Spalt einseitig abschließt, an dem so gebildeten Rand eine erhöhte Kapillarwirkung bewirke. Dies beruhe darauf, dass zusätzlich zu den beiden parallelen Grenzflächen auch noch eine dritte Grenzfläche zur Kapillarwirkung beitrage. Nach den schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten in Verbindung mit dem Parteigutachten nach Anlage B1 ist – da die eine Flüssigkeit mit Grenzflächen derselben Beschaffenheit in Kontakt tritt – das Maß des Kapillareffekts alleine von der Geometrie des Spalts abhängig. Zugleich sei bis zu einem Abstand von ca. 150 µm der Beitrag der dritten Wand zum Kapillardruck sogar größer als der Beitrag des Abstandes der zueinander parallelen Wände. Durch ihre Ausführungen unter Abschnitt I. 1. c) bb) der Klageerwiderung (Bl. 61f. GA) haben sich die Beklagten den Inhalt des Gutachtens gemäß Anlage B1 zu Eigen gemacht. Auch mit ihren Ausführungen eingangs der Ziffer I. 1. c) cc) der Klageerwiderung (Bl. 62 GA) bestreiten die Beklagten das Auftreten eines erhöhten Kapillareffektes nicht, sondern führen diesen lediglich auf andere Ursachen als eine Verringerung der Spalthöhe zurück.
Aus dem Vorbringen der Beklagten im Termin lässt sich lediglich entnehmen, dass sich der bei den angegriffenen Mikroküvetten bestehende erhöhte Kapillareffekt auf die Zone des Randbereichs benachbart zum Messbereich beschränke, also nicht in den übrigen Bereichen des inneren Umfangsrandes auftrete, wo die Küvetten über eine größere Spalthöhe verfügen. Wie unter I. 3. ausgeführt, setzt aber weder der Kanal im Sinne des Merkmals 4. c) aa) noch die Verwirklichung des Merkmals 4. c) bb) voraus, dass der erhöhte Kapillareffekt auf der gesamten Länge des inneren Umfangsbereichs auftritt. Vielmehr reicht es aus, dass er sich auf den Randbereich neben dem Messbereich beschränkt und dort in einem solchen Maße auftritt, dass ein etwaiger Rückstand der vorderen Strömungslinie im Randbereich gegenüber der Strömungsfront im Messbereich ausgeglichen wird, bevor das Blut im Messbereich den inneren Rand der Ausnehmung erreicht. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, wie sich den fotografischen Darstellungen in den Anlagen K9b (dort Anlage 3) und K13 entnehmen lässt. Die Abbildungen 5 ff. der Anlage K13 lassen erkennen, dass die vordere Strömungslinie am inneren Umfangsrand rechts des Messbereichs zunächst zurückbleibt, d.h. den Kanal am Messbereich noch nicht erreicht hat, wenn das Blut in den Messbereich bereits eingedrungen ist (Bild 5). Inwieweit in Bild 6 bereits ein Aufholen im Randbereich stattgefunden hat, lässt sich der Abbildung infolge des Lichtreflexes auf der außen aufliegenden Kante der Küvette nicht eindeutig entnehmen. Bild 7 zeigt dann aber, dass der Randbereich gegenüber dem Blut im Messbereich gleichgezogen ist. Aus den Bildern 8 ff. ist schließlich erkennbar, dass der Randbereich gegenüber der Strömungsfront im Messbereich voraneilt. Der Strömungsverlauf entspricht damit in seinen wesentlichen Grundzügen demjenigen, der in Anlage 3 zur Anlage K9b („Blood Flow and Front Velocity for a HemoPoint Cuvette„) wiedergegeben ist. Im rechten Bild auf der Seite 4 (t = 0,167 s) ist zu erkennen, dass Blut den Messbereich erreicht hat, in den Randbereich neben dem Messbereich jedoch noch nicht eingedrungen ist. Sobald dies geschieht (etwa ab dem linken Bild auf der Seite 5 zum Zeitpunkt t = 0,20 s), vermag das Blut im Randbereich seinen Rückstand aufzuholen und gegenüber der Strömungsfront im Messbereich voranzueilen. Diese Entwicklung lässt sich den Bildern ab t = 0,267 s (Seite 6 links) entnehmen.
Eine etwaige Überlagerung dieses Kapillareffektes durch Konsequenzen der geometrischen Gestaltung der Ausnehmung in der Draufsicht, wie die Beklagten sie ihren Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung, ausgehend von ihrem Schriftsatz vom 13. Februar 2006, betont haben, ist nicht von Bedeutung, solange in den festgestellten Strömungsmustern zumindest auch der gegenüber dem Messbereich erhöhte Kapillareffekt wirksam geworden ist. Dies haben die Beklagten, wie ausgeführt, nicht schlüssig in Abrede gestellt. Es widerspräche ihrem eigenen Vorbringen zur Ursache des Kapillareffektes, der nicht auf eine (ausweislich der Anlage B8 messtechnisch feststellbare, aber nach Behauptung der Beklagten alleine auf fertigungstechnischen Notwendigkeiten beruhende) Verringerung der Spalthöhe im Randbereich, sondern auf das Hinzutreten der dritten Wand zurückzuführen sein soll. Einer Auseinandersetzung der Beklagten mit den Ursachen des Kapillareffektes bei der angegriffenen Ausführungsform hätte es nicht bedurft, wenn die Beklagten den erhöhten Kapillareffekt im Randbereich grundsätzlich in Abrede gestellt hätten. Dass der Kapillareffekt bei der angegriffenen Ausführungsform nicht auch auf einer Verringerung der Spalthöhe, wie sie sich den als Anlage B8 vorgelegten Messungen von Prof. Dr. XYZ vom 03. Juni 2005 entnehmen lässt, sondern ausschließlich auf der hinzutretenden Stirnwand beruhe, kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden. Denn auf eine Spalthöhenverringerung als Ursache des erhöhten Kapillareffekts im Kanalbereich kommt es für die Verwirklichung des Merkmals 4. c) aa) ebenso wenig an (s.o. unter I. 2.) wie auf die Frage einer zielgerichteten Herbeiführung (s.o. unter I. 4.). Auch eine fertigungstechnisch unvermeidbare, also auf Einfallvorgängen oder einer erforderlichen Entformungsschräge beruhende Spalthöhenverringerung kann zum erhöhten Kapillareffekt führen. Ob und in welchem Umfang auch schon die geometrische Gestaltung der Ausnehmung in der Draufsicht, d.h. die kreisbogenförmige Begrenzung der Kavität von der inneren Umfangsseite her, dazu beigetragen haben mag, dass sich von dieser Seite ausgehend eine haken- oder sichelförmige Strömungsfront ausbildet, kann angesichts des nicht schlüssig bestrittenen Kapillareffektes in diesem Teil des inneren Umfangsrandes offen bleiben. Denn ausreichend für die Verwirklichung des Merkmals 4.c) und seiner Untermerkmale ist es bereits, dass (auch) erhöhte Kapillarkräfte wirksam werden. Dies ist bei den angegriffenen Mikroküvetten der Fall, wie die Beklagten nicht bestritten haben.
Da das Merkmal 4. c) bb) entgegen der Ansicht der Beklagten nicht voraussetzt, dass der Effekt der höheren Kapillarkraft sofort mit dem Einziehen von Blut in die Ausnehmung, also unmittelbar jenseits des Probeneinlasses, auftritt (s.o. unter I. 3.), steht ein nur auf den inneren Umfangsbereich neben dem Messbereich beschränkter erhöhter Kapillareffekt auch der Verwirklichung dieses Merkmals nicht entgegen, wonach beide Enden des Kanals mit der Umgebung der Mikroküvette in Verbindung stehen. Eine unmittelbare Verbindung wird dadurch gerade nicht vorausgesetzt. Dass es eine Verbindung des Kanalbereichs mit dem Äußeren der Küvette im Sinne des Merkmals 4. c) bb) gebe, die es der in der Kavität vorhandenen Luft ermöglicht, vor dem eindringenden Blut zu entweichen, haben die Beklagten nicht bestritten. Dies reicht für die Erfüllung des Merkmals 4. c) bb) aus.

III.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatentes verwirklicht, ist der Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1; 9 Satz 2 Nr. 1 PatG begründet. Aufgrund der bereits erfolgten Patentverletzung ist die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr zu bejahen.
Der Schadensersatzanspruch ist dem Grunde nach gemäß Art. 64 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2; 9 Satz 2 Nr. 1 PatG begründet. Die Beklagten sind als Fachunternehmen der Branche bzw. als dessen Geschäftsführer zur Information über die einschlägigen Schutzrechte und zu ihrer Beachtung verpflichtet. Sie haben damit zumindest die im Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und mithin fahrlässig gehandelt. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und sie ohne eine Feststellung den Ablauf der verhältnismäßig kurzen Verjährung (§ 195 BGB) gewärtigen müsste, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 140b PatG; §§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

IV.
Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Klagepatent besteht keine hinreichende Veranlassung.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1986, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 PatG, wonach der Patentschutz mit Veröffentlichung der Patenterteilung eintritt). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patentes der Vorrang gebührt. Eine Aussetzung kommt nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zu einer Aussetzung des Rechtsstreits, denn eine Nichtigerklärung des Klagepatentes erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Beklagten berufen sich im Nichtigkeitsverfahren auf eine neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung des Klagepatentes durch die Klägerin selbst, weil die von ihr schon vor dem Prioritätsdatum hergestellte und – wie die Beklagten behaupten: auch in der Bundesrepublik Deutschland – vertriebene Mikroküvette gemäß Anlagen B2 bis B4 der angegriffenen Ausführungsform exakt entsprochen habe. Dem tritt die Klägerin mit der Begründung entgegen, die von ihr vor dem Prioritätsdatum vertriebene Mikroküvette sei mit einem Schieber hergestellt worden, dessen formgebendes Ende entsprechend der Anlage K10 abgerundet gewesen sei und deshalb keinen Kanal mit einem gegenüber dem Messbereich erhöhten Kapillareffekt habe entstehen lassen können. Dass ein abgerundeter innerer Umfangsbereich, bei dem die Übergänge zwischen den im Wesentlichen parallelen Oberflächen und dem sie verbindenden Ende der Ausnehmung nicht annähernd rechtwinklig ausgestaltet sind, keine Erhöhung des Kapillareffektes bewirkt, deckt sich mit dem eigenen Vorbringen der Beklagten. In der Klageerwiderung weisen sie unter Bezug auf das als Anlage B1 vorgelegte Gutachten darauf hin, dass bereits eine Verbindung zweier paralleler Grenzflächen durch eine senkrecht zu den Grenzflächen stehende Stirnkante, die den Spalt einseitig abschließt, an dem so gebildeten Rand eine erhöhte Kapillarwirkung entstehe. Dass durch eine dritte Wand der Kapillareffekt erhöht wird, hat sich die Klägerin ausdrücklich zu Eigen gemacht (in der Replik im Abschnitt 2. c), Bl. 88f. GA). Von einer dritten Wand kann aber im Falle einer Verrundung der Übergänge zwischen den Oberflächen im inneren Umfangsbereich, wie sie sich aus Anlage K10 ergibt, nicht gesprochen werden. Mit ihrem Vortrag zur Ausgestaltung ihrer vorbenutzten Ausführungsform hat die Klägerin das Fehlen eines erhöhten Kapillareffektes damit schlüssig dargelegt, eine offenkundige Vorbenutzung erheblich bestritten. Die Frage der offenkundigen Vorbenutzung ist demgemäß als zwischen den Parteien des Nichtigkeitsverfahrens umstritten einzuordnen.
Die Behauptung einer offenkundigen Vorbenutzung rechtfertigt, wenn sie wie hier sachlich umstritten ist, nur dann eine Aussetzung, wenn die Beklagte mit liquiden Beweismitteln den im Nichtigkeitsverfahren ihr als Nichtigkeitsklägerin obliegenden Beweis einer offenkundigen Vorbenutzung führen kann. Sofern sie aber auch nur in Teilen auf andere Beweismittel, etwa den Zeugenbeweis, angewiesen ist, muss der Aussetzungsantrag ohne Erfolg bleiben (ständige Rechtsprechung des OLG Düsseldorf seit GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung). Wenn es, wie derzeit nicht auszuschließen, im Nichtigkeitsverfahren zu einer Beweiserhebung über die Frage der offenkundigen Vorbenutzung kommen kann, ist aus Sicht des Verletzungsgerichts nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es zu einer Vernichtung des Klagepatentes kommen wird.
Die vorgelegten Anlagen B2 bis B4 lassen nicht den Schluss zu, das Bundespatentgericht werde alleine auf ihrer Grundlage zu einer Nichtigerklärung gelangen. Die Anlage B2 lässt nicht erkennen, dass die wiedergegebene Küvette auch hinsichtlich des inneren Umfangsbereichs der Ausnehmung mit der angegriffenen Mikroküvette identisch ist. Die Klägerin vertritt hier wie im Nichtigkeitsverfahren zu dem auf Seite 2 der Anlage B2 dargestellten Schnitt die Auffassung, dass es durch das Eingießen der Küvette in Kunststoff vor dem Zerschneiden zu einer Verformung gekommen sei, so dass die – ohnehin undeutliche – Abbildung die tatsächliche Form der vor dem Prioritätsdatum vertriebenen Küvette nicht zutreffend wiedergebe. Zudem handele es sich lediglich um einen einzelnen Querschnitt, der die Ausgestaltung des inneren Umfangsbereichs nicht repräsentativ darstellen könne. Dem als Anlage B3 vorgelegten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Küvette für den Vertrieb in den USA lassen sich Hinweise auf die konkrete Ausgestaltung der Ausnehmung der Küvette ebenso wenig entnehmen wie dem Schreiben der „foi services incorporated„ sowie der Antwort der Food and Drug Administration (zusammen Anlage B4). Das US-Designpatent 337,xxx (Anlage B5) befasst sich nur mit der äußeren Gestaltung einer Küvette und lässt keine besondere Formgebung der Ausnehmung, insbesondere ihres inneren Umfangsbereichs, zum Zwecke der technischen Wirkung eines erhöhten Kapillareffektes erkennen. Dies spricht dagegen, dass sie vom Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren als neuheitsschädlich herangezogen werden wird.
Die Entgegenhaltung der US-Patentschrift 4,088,xxx als neuheitsschädlich im gegen das Klagepatent anhängigen Nichtigkeitsverfahren vermag keine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit der Nichtigerklärung zu begründen. Die als Anlage K4 vorliegende US-Patentschrift 4,088,xxx ist in der Klagepatentschrift als druckschriftlicher Stand der Technik ausdrücklich erwähnt und gewürdigt worden. Es ist daher auch anzunehmen, dass der sachkundige Prüfer die Ausgestaltung der Ausnehmungen in den dort in den Figuren 1 und 2 sowie 5 und 6 wiedergegebenen Küvetten gewürdigt und in ihnen keinen „Kanal mit einem erhöhten Kapillareffekt„ erblickt hat. Dies erscheint der Kammer aufgrund der folgenden Erwägungen jedenfalls vertretbar: In der US-Patentschrift 4,088,xxx wird keine Küvette offenbart, bei der zwischen einem inneren Rand- oder Umfangsbereich einerseits und dem Messbereich andererseits differenziert würde. Eine besondere „Führung„ des Blutstroms am inneren Umfangsrand ist nicht Gegenstand der dort offenbarten Erfindung, folglich wird auch kein Kanal mit höherem Kapillareffekt gegenüber dem Messbereich offenbart. Der Kapillareffekt wird in der Anlage K4 vielmehr nur als eine von mehreren Methoden (neben der Schwerkraft) genannt, durch die die Ausnehmung der Küvette gefüllt wird. Dass ein besonderer Kapillareffekt im inneren Umfangsbereich alleine durch das Hinzutreten einer dritten Wand (wie sie etwa bei den Küvetten gemäß Figuren 1 und 2 sowie 5 und 6 der Anlage K4 vorhanden ist) hervorgerufen werden könne, beruht auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung des Offenbarungsgehalts der US-Patentschrift gemäß Anlage K4 unter Berücksichtigung der Beschreibung der prioritätsjüngeren Klagepatentschrift. Die Möglichkeit, einen höheren Kapillareffekt im inneren Umfangsbereich schon alleine durch das Hinzutreten der Stirnwand zu erzielen, erschließt sich aus der Patentschrift gemäß Anlage K4 nicht. Der Vermeidung von Lufteinschlüssen widmet sie sich nicht, sondern erstrebt alleine einen einfacheren Messvorgang, indem die zu analysierende Probe direkt durch die Küvette, ohne Hinzuziehung weiterer Mittel aufgenommen werden kann.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz); 269 Abs. 3 Satz 2; 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

VI.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

VII.
Dem Vollstreckungsantrag der Beklagten nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO war nicht zu entsprechen. Gemäß § 712 ZPO hat das Gericht dem Schuldner auf seinen Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, wobei dem Antrag nicht zu entsprechen ist, wenn ihm ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe) ist ein erweiterter Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO in Patentsachen wegen der dem Patentinhaber nur zeitlich beschränkt möglichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen in der Regel zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen zu gerechtfertigt sein, die im einzelnen vorzutragen und glaubhaft zu machen sind (§ 714 Abs. 2 ZPO).
Solche besonderen Umstände haben die Beklagten nicht in ausreichender Weise dargelegt und glaubhaft gemacht. Zu der wirtschaftlichen Bedeutung der angegriffenen Mikroküvetten für den Gesamtumsatz der Beklagten zu 1) ist lediglich vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung des Steuerberaters Z vom 17.02.2006 (Bl. 148 GA) glaubhaft gemacht, dass in dem Gesamtumsatz aus dem Jahre 2005 in Höhe von 5,751 Millionen Euro Umsätze aus dem Vertrieb der Hämoglobin-Küvetten mit einem Anteil von 31 % enthalten seien und dass eine Einstellung dieses Geschäftszweigs zu einem bestandsgefährdenden Risiko für die Gesellschaft führe. Dieses wiederum könne zu einer existenzbedrohenden Situation bzw. zum Zusammenbruch des Unternehmens führen. Angaben zu weiteren von der Beklagten zu 1) hergestellten und/oder vertriebenen Produkten, die mit weiteren 69 % zum Gesamtumsatz des Vorjahres beigetragen haben müssen, liegen jedoch nicht vor. Auch offenbaren die Beklagten nicht, welchen Anteil die angegriffenen Mikroküvetten am Gewinn der Beklagten zu 1) ausmachen, obwohl der prozentuale Anteil am Gewinn gegenüber dem Anteil am Umsatz für die Möglichkeit der Beklagten, in zumutbarer Weise auf Ausweichprodukte umzusteigen, bedeutsamer ist. Es ist daher nicht überprüfbar, dass der Beklagten zu 1) keinerlei kurzfristige Ausweichmöglichkeiten auf nicht patentverletzende Alternativprodukte zur Verfügung stehen würden. Ebenso wenig ist dargetan, dass eine etwaige Umstellung des Produktionsprogramms auf nicht patentverletzende Mikroküvetten (bei denen etwa der innere Umfangsbereich so weit abgerundet ist, dass keine erhöhten Kapillarkräfte gegenüber dem Messbereich auftreten) den Verlust wesentlicher Marktanteile befürchten ließe. Auch das Ausmaß personeller Überkapazitäten bei Wegfall der angegriffenen Mikroküvetten ist nicht dargelegt.
Das Interesse des Gläubigers an einer baldigen Vollstreckung ist im Falle der Patentverletzung in der Regel als überwiegend im Sinne des § 712 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzuerkennen (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe). Die im Einzelfall gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen lässt auf der Grundlage des wiedergegebenen Vortrags der Beklagten hier nicht den Schluss zu, dass schutzwürdige Interessen der Beklagten gegenüber denjenigen der Klägerin an einer Ausnutzung ihres Schutzrechtes überwiegen. Dabei kann es im Einzelfall auch eine Rolle spielen, wieweit der Schuldner die Möglichkeit ausgeschöpft hat, sich zumindest bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu zumutbaren Bedingungen mit den Patentinhaber in einer Weise zu arrangieren, die ihm die vorübergehende Fortsetzung der Benutzungshandlungen ermöglicht (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe). Dass die Beklagten die Klägerin um die Einräumung einer (vorübergehenden) Lizenz ersucht hätten, ist nicht erkennbar.

VIII.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,- € festgesetzt.

Dr. R1 R2 R3