Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. November 2006, Az. 4a O 534/05
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 419 xxx (nachfolgend: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme zweier österreichischer Prioritäten vom 15. April 1988 und vom 23. Dezember 1988 am 04. April 1989 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 03. April 1991 veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 10. November 1993. Das Klagepatent, dessen Inhaber ursprünglich die C- Gesellschaft mit beschränkter Haftung war, wurde am 20. März 2001 auf die Klägerin umgeschrieben. Es steht in Kraft.
Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, betrifft eine Verschlussvorrichtung für ein insbesondere evakuierbares zylinderförmiges Gehäuse. Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
„Verschlussvorrichtung (1) für eine, einem verschlossenen Ende gegenüberliegende offene Stirnseite (2) eines, insbesondere evakuierbaren zylinderförmigen Gehäuses (3), mit einer die Stirnseite (2) des zylinderförmigen Gehäuses (3) umfassenden Kappe (5), mit einer Stirnwand (10), in der eine Bohrung (8) angeordnet ist und mit einer zwischen der Bohrung (8) und einer inneren Anlagefläche (21) des zylinderförmigen Gehäuses (3) zugeordneten umlaufenden Dichtfläche (18) einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung (6), wobei ein flanschartiger Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6) diese Dichtfläche radial nach außen überragt, der zwischen zwei Fortsätzen (86, 87) der Kappe (5) abgestützt ist, die gemeinsam mit dem Arretierfortsatz (16) Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13) zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6) bilden, die der umlaufenden Dichtfläche (18) in Richtung der Längsachse (19) benachbart angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass nur zwei Fortsätze (86, 87) angeordnet sind, die über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der Längsachse (19) vorragen und einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz (16) bilden, wobei der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz (87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet ist.“
Die Beklagte, ein in Indien ansässiges Unternehmen, stellte auf der vom 16. bis zum 19. November 2005 in Düsseldorf stattfindenden internationalen Messe „MEDICA“ Verschlussvorrichtungen mit einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung für evakuierte Reagenzbehälter aus. Bei den Reagenzbehältern handelt es sich um Blutprobenröhrchen, die die Beklagte unter der Bezeichnung „A1“ vertreibt. Die Verschlussvorrichtungen werden im Folgenden als angegriffene Ausführungsform bezeichnet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von Anspruch 1 des Klagepatents Gebrauch.
Die Klägerin beantragt (wobei der Antrag zu I. 2. ursprünglich ab dem 03. Mai 1991, der Antrag zu II. ab dem 10. Dezember 1993 geltend gemacht und unter II. zusätzlich Feststellung der Entschädigungspflicht der Beklagten für Verletzungshandlungen in der Zeit vom 03. Mai 1991 bis zum 10. Dezember 1993 beantragt wurde),
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 419 490 B1
Verschlussvorrichtungen für eine einem verschlossenen Ende gegenüberliegende offene Stirnseite eines insbesondere evakuierbaren zylinderförmigen Gehäuses, mit einer die Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses umfassenden Kappe, mit einer Stirnwand, in der eine Bohrung angeordnet ist, und mit einer zwischen der Bohrung und einer inneren Anlagefläche des zylinderförmigen Gehäuses zugeordneten umlaufenden Dichtfläche einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung, wobei ein flanschartiger Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung diese Dichtfläche radial nach außen überragt, der zwischen zwei Fortsätzen der Kappe abgestützt ist, die gemeinsam mit dem Arretierfortsatz Kupplungsteile einer Kupplungsvorrichtung zwischen der Kappe und der Dichtungsvorrichtung bilden die der umlaufenden Dichtfläche in Richtung der Längsachse benachbart angeordnet sind,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen nur zwei Fortsätze angeordnet sind, die über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe in Richtung der Längsachse vorragen und einen nutförmigen Aufnahmebereich für den flanschartigen Arretierfortsatz bilden, wobei der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz zwischen der Stirnseite des Gehäuses und dem Arretierfortsatz angeordnet ist;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. März 2001 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu Ziffer I. 2. a) entsprechende Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat;
3. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 20. März 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
Sie stellt eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform in Abrede. So verfüge diese nicht über einen unteren (d.h. dem zylinderförmigen Gehäuse zugewandten) Fortsatz der Kappe, der gemeinsam mit den oberen Fortsatz und dem flanschartigen Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung eine Kupplungsvorrichtung zwischen der Kappe und der Dichtungsvorrichtung bilden könnte. Folglich könne auch kein Fortsatz zwischen der Stirnseite des Gehäuses und dem Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung angeordnet sein. Durch den Anwender werde das Reagenzröhrchen vielmehr so weit in die Kappe hinein geschoben, dass die Stirnseite des Gehäuses an der Unterseite des Arretierfortsatzes anliege und kein Leerraum verbleibe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Schadensersatz sowie Vernichtung aus §§ 139 Abs. 1 und 2 Satz 1; 140a Abs. 1 Satz 1; 140b Abs. 1 und 2 PatG; §§ 242; 259 BGB mangels feststellbarer Verwirklichung sämtlicher Merkmale von Patentanspruch 1 des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform nicht zu.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Verschlussvorrichtung mit einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung für eine einem verschlossenen Ende gegenüberliegende offene Stirnseite eines – insbesondere evakuierbaren – zylinderförmigen Gehäuses. Derartige Verschlussvorrichtungen dienen dazu, insbesondere evakuierte Reagenzbehälter wie Blutprobenröhrchen luftdicht zu verschließen. Indem die evakuierten Behälter im ungebrauchten Zustand in ihrem Inneren einen gegenüber der Umgebung geringeren Luftdruck aufweisen, üben sie einen Saugeffekt auf die aufzunehmende Flüssigkeit aus, sobald die in den Verschluss integrierte Dichtungsvorrichtung etwa bei der Blutabnahme durchstochen wird. Zugleich ermöglicht die durchstechbare Dichtungsvorrichtung eine spätere Entnahme des flüssigen Inhalts mittels einer Spritze.
Die Klagepatentschrift würdigt in ihrer Beschreibung verschiedene aus dem Stand der Technik bekannte Verschlussvorrichtungen. An der aus der Patentanmeldung EP 0 129 xxx (Anlage K 6) bekannten Verschlussvorrichtung erachtet es das Klagepatent als nachteilig, dass das Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das evakuierte zylinderförmige Gehäuse nur schwer ohne Beschädigung der Dichtfläche möglich sei (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile 33-36). Hier werde die Kupplung zwischen Kappe und Dichtungsvorrichtung durch einen die Dichtfläche der Dichtvorrichtung flanschartig radial nach außen überragenden Arretierfortsatz und zwei Fortsätze der Kappe gebildet, die mit Abstand von einer auf der vom evakuierbaren zylinderförmigen Gehäuse gegenüberliegenden Seite der Dichtungsvorrichtung angeordneten Stirnwand der Kappe angeordnet seien (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile 18-26).
Zur Verdeutlichung des Aufbaus der aus dem Stand der Technik bekannten Verschlussvorrichtung wird nachfolgend die Figur 1 der Patentanmeldung EP 0 129 029 (leicht verkleinert) wiedergegeben:
Durch das zylinderförmige Gehäuse, das in der wiedergegebenen Abbildung die Bezugsziffer (12) trägt, kann der Arretierfortsatz (Bezugsziffern 54 und 56) der Dichtungsvorrichtung (24) so verformt werden, dass bei starker Adhäsion zwischen dem zylinderförmigen Gehäuse (12) und der Dichtungsvorrichtung (18) diese den Eingriff mit der vertieften Nut der Kappe (Bezugsziffer 30) verliert, so dass beim Herausziehen des Röhrchens (12) die Dichtungsvorrichtung (18) mit diesem aus der Kappe (30) herausgezogen werden kann, sich Kappe und Dichtungsvorrichtung also in unerwünschter Weise voneinander trennen.
An anderen Verschlussvorrichtungen bezeichnet es die Klagepatentschrift als nachteilig, dass beim Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das zylinderförmige Gehäuse oder beim Herausziehen einer zum Befüllen des Gehäuses bzw. zum Abziehen von Flüssigkeiten aus dem Gehäuse verwendeten Nadel die Dichtungsvorrichtung aus der Kappe herausgezogen werden könne (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile 54 bis Spalte 2 Zeile 1) oder dass je nach Adhäsionskraft zwischen Dichtungsvorrichtung und zylinderförmigem Gehäuse ein Öffnen der Verschlussvorrichtung ohne einen Austritt darin enthaltener Flüssigkeiten nicht immer sichergestellt werden könne (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 15-20).
Bei Verschlussvorrichtungen, die über pfropfenartige Dichtungsvorrichtungen verfügen, welche in den sie umhüllenden Kappen befestigt sind, sei es von Nachteil, dass teilweise sehr hohe Kräfte in Längsrichtung des zylinderförmigen Gehäuses aufgebracht werden müssten, um die Adhäsionskräfte zwischen Dichtungsvorrichtung und zylinderförmigen Gehäuse zu überwinden. Bei ihnen komme es immer wieder zum ungewollten Austritt von Flüssigkeiten (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 32-43). Nachteilig sei bei ihnen auch, dass es beim Durchstoßen der Dichtungsvorrichtungen mit einer Nadel zur Entnahme der Inhaltsstoffe zu einem unbeabsichtigten Öffnen der Verschlussvorrichtung kommen könne (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 43-47).
Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung nach dem Klagepatent das technische Problem zugrunde, eine Verschlussvorrichtung für ein zylinderförmiges Gehäuse, insbesondere ein Blutprobenröhrchen, zu schaffen, mit der ein sicherer gasdichter Verschluss des Innenraums auch über eine längere Lagerdauer aufrecht erhalten werden kann und welche einerseits eine Relativbewegung zwischen der Verschlussvorrichtung und dem zylinderförmigen Gehäuse in Längsrichtung desselben wirkungsvoll verhindert und ein vorsichtiges Öffnen ermöglicht. Darüber hinaus soll auch ein schlagartiger Austritt des Inhalts aus dem zylinderförmigen Gehäuse verhindert werden. Dies entspricht der in der Klagepatentschrift wiedergegebenen Aufgabenstellung (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 48 bis Spalte 3 Zeile 3).
Zur Lösung schlägt Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:
Verschlussvorrichtung (1) für eine einem verschlossenen Ende gegenüberliegende offene Stirnseite (2) eines – insbesondere evakuierbaren – zylinderförmigen Gehäuses (3),
welche aufweist:
1. eine Kappe (5), die die Stirnseite (2) des zylinderförmigen Gehäuses (3) umfasst;
2. eine Stirnwand (10), in der eine Bohrung (8) angeordnet ist;
3. eine umlaufende Dichtfläche (18) einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung (6), die zwischen der Bohrung (8) und einer inneren Anlagefläche (21) des zylinderförmigen Gehäuses (3) angeordnet ist;
4. einen flanschartigen Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6), der diese Dichtfläche radial nach außen überragt.
5. Der Arretierfortsatz (16) ist zwischen zwei Fortsätzen (86, 87) der Kappe (5) abgestützt.
6. Die beiden Fortsätze (86, 87) bilden gemeinsam mit dem Arretierfortsatz (16) Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13) zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6).
7. Die Kupplungsvorrichtung (13) ist der umlaufenden Dichtfläche (18) in Richtung der Längsachse (19) benachbart angeordnet.
8. Es sind nur zwei Fortsätze (86, 87) angeordnet, die
a) über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der Längsachse (19) vorragen;
b) einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz (16) bilden.
9. Der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz (87) ist zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet.
Zur Veranschaulichung wird nachfolgend die Figur 14 des Klagepatents wiedergegeben, welche die Ausbildung einer Verschlussvorrichtung nach Patentanspruch 1 (und zugleich nach dem im vorliegenden Rechtsstreit nicht interessierenden Patentanspruch 2) in der Seitenansicht zeigt:
II.
Zwischen den Parteien ist die Verwirklichung der Merkmale 1 bis 4 und 7 durch die angegriffene Ausführungsform zu Recht nicht umstritten, so dass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen. Hinsichtlich der umstrittenen Merkmale ist aufgrund der erfolgten Inaugenscheinnahme der vorliegenden Muster der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht (mehr) festzustellen, dass auch das Merkmal 9 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung verwirklicht wird.
1.
Dabei ist es geboten, die Merkmale 5, 6 und 8 einerseits und das Merkmal 9 andererseits gemeinsam zu betrachten, da sie im Zusammenwirken die technische Lehre des Klagepatents kennzeichnen.
Merkmale 5, 6 und 8 setzen übereinstimmend zwei Fortsätze (86 und 87) der Kappe (5) voraus, zwischen denen sich der Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6) abstützt (Merkmal 5). Zugleich bilden diese Fortsätze (86, 87) gemeinsam mit dem Arretierfortsatz (16) Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13) zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6) (Merkmal 6). Zu diesem Zweck ragen die beiden Fortsätze (86, 87) der Kappe (5) über deren zylinderförmige Innenfläche in Richtung der Längsachse (19) vor (Merkmal 8 a)) und bilden einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6) (Merkmal 8 b)).
Mit der Abstützung des Arretierfortsatzes (16) zwischen den beiden Fortsätzen (86, 87) der Kappe, so dass diese Teile eine Kupplungsvorrichtung zwischen Kappe (5) und Dichtungsvorrichtung (6) bilden, verfolgt das Klagepatent in einer für den Fachmann erkennbaren Weise das Ziel, eine eindeutige Bewegungsverbindung zwischen der Dichtungsvorrichtung und der Kappe in beiden Bewegungsrichtungen zu schaffen, also sowohl bei dem Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das zylinderförmige Gehäuse als auch bei dem Herausziehen aus diesem (Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 6-13). Zugleich wird eine fixe Kupplung zwischen Dichtungsvorrichtung und Kappe geschaffen, die sowohl beim Durchstechen der Dichtungsvorrichtung mit einer Nadel als auch beim Herausziehen der Nadel aus der Dichtungsvorrichtung ein unbeabsichtigten Lösen der Dichtungsvorrichtung von der Kappe ausschließt (Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 13-21). Als weiteren Vorteil gegenüber dem kritisierten Stand der Technik gibt die Beschreibung an, dass beim Einsetzen der Dichtungsvorrichtung (6) in die Kappe (5) das Risiko einer Beschädigung der Dichtungsflächen und einer damit einhergehenden nachfolgenden Undichtigkeit oder verringerten Vakuumdichtheit der Dichtungsvorrichtung ausgeschaltet werde (Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 21-28).
Dieser Schilderung der patentgemäßen Vorteile der technischen Lehre nach Patentanspruch 1 entnimmt der Fachmann, auf dessen Verständnis es maßgeblich ankommt, dass der untere, d.h. der Stirnseite (2) des zylinderförmigen Gehäuses (3) zugewandte Fortsatz (87) bei funktionaler Betrachtung so ausgestaltet sein muss, dass er in der Lage ist, den Arretierfortsatz (16) im Zusammenwirken mit dem anderen Fortsatz (86) abzustützen (Merkmal 5) und im Zusammenwirken mit der Dichtungsvorrichtung (16) und dem anderen Fortsatz (86) eine Kupplungsvorrichtung zwischen Kappe (5) und Dichtungsvorrichtung (6) zu bilden (Merkmal 6). Allein zu diesem Zweck verlangt Merkmal 8, dass die beiden Fortsätze (86, 87) einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den Arretierfortsatz (16) bilden, indem sie über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der Längsachse (19) vorragen. Der Fachmann erkennt, dass es zur Erreichung dieses Zwecks nicht erforderlich ist, die Verschlussvorrichtung exakt in der Weise auszugestalten, wie dies in dem bevorzugten Ausführungsbeispiel nach Figur 14 der Fall ist, bei dem die Fortsätze (86) und (87) in etwa gleich weit in Richtung der Längsachse (19) vorragen und bei dem der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz (87) bündig mit der Innenfläche des Gehäuses (3) abschließt, auf dessen Stirnseite er mit seiner Seitenfläche vollständig aufliegt. Lediglich im Zusammenhang mit dem in dieser Figur dargestellten Ausführungsbeispiel, das regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs erlaubt (BGH, GRUR 2004, 1023ff. – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung), führt die Beschreibung aus, dass ein Innendurchmesser einer Öffnung (89) der Fortsätze (86, 87) in etwa dem Durchmesser (83) des zylinderförmigen Gehäuses (3) entspreche (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 9-12), wobei der Durchmesser (83) ausweislich der Pfeilangabe in Figur 14 den Innendurchmesser des Gehäuses (3) beschreibt. Diese geometrische Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels lässt sich nicht dahin verallgemeinern, dass nur bei ihrer Befolgung der Zweck erreicht werde, Kappe (5) und Dichtungsvorrichtung (6) hinreichend fest miteinander zu koppeln und es auf diese Weise zu ermöglichen, die beim Einstechen und Herausziehen der Kanüle auftretenden Kräfte in Axialrichtung gemeinsam aufzunehmen und dies nicht allein der Dichtungsvorrichtung (6) zu überlassen. Eine bestimmte Geometrie setzt die technische Lehre des Klagepatents nicht voraus. Die Beschreibung des bevorzugten Ausführungsbeispiels nach Figur 14 betont selbst die Funktion der patentgemäßen Merkmale 5, 6 und 8, indem es heißt (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 33-38):
„Die beim Durchstechen und Herausziehen der Kanüle 93 aus der Dichtungsvorrichtung 6 auftretenden Achsialkräfte werden dabei vom flanschartigen Arretierfortsatz 16 der Dichtungsvorrichtung 6 und den Fortsätzen 86, 86 der Kappe 5 aufgenommen.“
Zugleich rückt auch die Beschreibung des bevorzugten Ausführungsbeispiels in den Vordergrund, dass durch die ineinandergreifenden Kupplungsteile, d.h. den Arretierfortsatz (16) und den nutförmigen Aufnahmebereich (88), eine feste Halterung zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6) in Richtung der Längsachse (19) erreicht werde (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 43-48). Der Fachmann auf dem betreffenden Gebiet erkennt, dass die Erreichung dieser Ziele nicht davon abhängt, ob der untere Fortsatz (87) entsprechend dem Ausführungsbeispiel ausgestaltet ist oder nicht. Ein Aufnahmebereich (88) für den Arretierfortsatz (16) wird vielmehr auch dann geschaffen, wenn der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz weniger weit von der Innenfläche der Kappe in Richtung der Längsachse (19) vorragt, insbesondere nicht mit der Innenfläche des zylinderförmigen Gehäuses (3) abschließt und mit seiner Seitenfläche auch nicht bündig auf dessen Stirnseite aufliegt.
Nach Merkmal 9 ist der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz (87) zwischen der Stirnseite des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet, womit ersichtlich der Montageendzustand der patentgemäßen Verschlussvorrichtung mit einem zylinderförmigen Gehäuse gemeint ist. Denn in diesem Zustand geht es dem Klagepatent darum zu vermeiden, dass der Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung unmittelbar auf der Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses aufsitzt.
An der aus dem nächstkommenden Stand der Technik (EP-A 0 129 xxx; Anlage K 6) bekannten Verschlussvorrichtung, die ebenfalls einen über der umlaufenden Dichtfläche angeordneten Arretierfortsatz verfügt, kritisiert die Klagepatentschrift, dass es dort nur schwer möglich sei, die Dichtungsvorrichtung ohne Beschädigung der Dichtfläche in das zylinderförmige Gehäuse einzusetzen (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile 33-36). Bei der aus EP-A 0 129 xxx bekannten Verschlussvorrichtung wird das Dichtungsteil so weit in die Gehäuseöffnung eingesteckt, dass die Unterseite des vorspringenden Arretierfortsatzes an die Gehäusestirnseite angedrückt wird. Im eingesetzten Zustand liegt die Dichtung mit ihrem Arretierfortsatz daher unmittelbar auf der Gehäusestirnwand auf. Im Zusammenhang mit einer anderen Verschlussvorrichtung belehrt die Beschreibung der Klagepatentschrift den Fachmann, dass die Dichtungsvorrichtung bei ihrem Einsetzen, Entfernen bzw. ihrem Durchstechen mit einer Nadel im Verhältnis zum zylinderförmigen Gehäuse erheblichen Adhäsionskräften in Längsrichtung ausgesetzt werde (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 15-20 und Zeile 32-38). Der Fachmann erkennt, dass diese Nachteile aus dem Stand der Technik damit zusammenhängen, dass die Dichtungsvorrichtung mit ihrem Arretierfortsatz unmittelbar auf der Gehäusestirnwand anliegt. Denn dadurch wirken auf die Dichtfläche und den (unmittelbar auf der Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses aufliegenden) Arretierfortsatz in Verbindung mit der Gehäusewandung erhebliche Adhäsionskräfte, die eine Beschädigung der Dichtung bewirken oder dazu führen können, dass der Arretierfortsatz derart verformt wird, dass er nicht mehr formschlüssig mit der Kappe über deren Fortsätze in Eingriff steht. Merkmal 9 dient daher im Zusammenwirken mit den Merkmalen 5, 6 und 8 zugleich dem Zweck, die auch unter Belastung feste Verbindung zwischen Kappe und Dichtungsvorrichtung zu gewährleisten. Hinzu kommt die in der Beschreibung (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 33-38) angesprochene Funktion, die auftretenden Axialkräfte beim Durchstechen und Herausziehen der Kanüle (93) aus der Dichtungsvorrichtung (6) von deren flanschartigem Arretierfortsatz (16) in Verbindung mit den Fortsätzen (86, 87) der Kappe (5) aufnehmen zu lassen. Die durch Merkmal 9 geforderte Anordnung des dem Gehäuse zugewandten Fortsatzes (87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) dient dazu, die unmittelbare Übertragung von Kräften von dem Gehäuse (3) auf die Dichtungsvorrichtung (6) zu vermeiden, indem der Arretierfortsatz (16) von der Stirnseite (2) beabstandet ist.
Der Fachmann erkennt, dass dieses Risiko einer Beschädigung oder Verformung nach der patentgemäßen technischen Lehre dadurch vermieden werden soll, dass bei der Kupplungsvorrichtung der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz der Kappe zwischen der Gehäusestirnseite und dem Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung angeordnet ist (vgl. Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 21-28). Durch die beiden Fortsätze (86, 87), die einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz (16) bilden (Merkmal 8 b)), entsteht ein Aufnahmeraum für den Arretierfortsatz (16) der Dichtung (6), der im Gegensatz zum Stand der Technik (EP-A 0 129 xxx) nicht unmittelbar an die Stirnseite des Gehäuses angrenzt, sondern durch den unteren (d.h. dem Gehäuse zugewandten) Fortsatz (87) von der Stirnseite beabstandet ist. Dies ermöglicht es, eine eindeutige Bewegungsverbindung zwischen Dichtungsvorrichtung und Kappe in beiden axialen Bewegungsrichtungen (etwa bei einem Durchstechen der Dichtungsvorrichtung und dem Entfernen der Nadel) zu schaffen (vgl. Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 7-13). Sie ist dadurch „eindeutig“, dass ein Aufdrücken des Arretierfortsatzes (16) auf die Gehäusestirnwand (2) vermieden wird. Diese Anlage der Dichtung auf der Gehäusestirnwand erleichterte im Stand der Technik die unerwünschte Kraftübertragung äußerer Einflüsse auf die Dichtungsvorrichtung. Infolge der Trennung des Arretierfortsatzes von der Stirnwand des Gehäuses werden die etwa bei dem Einschieben der Dichtung auftretenden Adhäsionskräfte vermindert bzw. können nicht mehr ungehindert bis in den Bereich des Arretierfortsatzes gelangen, weil dieser nunmehr durch den Fortsatz (87) räumlich von der Gehäusestirnwand abgetrennt wird.
Für die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 entscheidend ist damit die Beabstandung des Arretierfortsatzes von der Gehäusestirnwand durch einen dem Gehäuse zugewandten Fortsatz (87) nach Maßgabe des Merkmals 9. Der Fachmann erkennt zugleich, dass es für die Bewirkung dieser Trennung nicht entscheidend darauf ankommt, dass der Kappenfortsatz (87) in der Weise unmittelbar und bündig auf der Gehäusestirnseite (2) aufliegt, wie es im bevorzugten Ausführungsbeispiel nach Figur 14 gezeigt ist, ebenso wenig wie es für Merkmale 5, 6 und 8 erforderlich ist, dass der Fortsatz (87) bis auf Höhe der Innenoberfläche des Gehäuses vorragt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Fortsatz (87) so weit von der zylindrischen Innenfläche der Kappe in Richtung auf die Längsachse (19) vorsteht, dass er das zylinderförmige Gehäuse (3) an einem weiteren Eindringen bis an die Unterseite des Arretierfortsatzes (16) hindert. Im Zusammenwirken mit Merkmalen 6 und 8 (d.h. einer festen Halterung der Dichtung in der Kappe durch die ineinander greifenden Kupplungsteile zum einen des Arretierfortsatzes und zum anderen des durch die Kappenfortsätze gebildeten Aufnahmebereichs) bewirkt es auch ein nicht flächig auf der Gehäusestirnwand aufliegender Fortsatz, dass Axialkräfte von dem Arretierfortsatz der Dichtung zusammen mit den ihn abstützenden Kappenfortsätzen aufgenommen werden und nicht in unerwünschter Weise von der Dichtung und den am Gehäuse anliegenden Dichtungsflächen (18). Dies führt die Beschreibung zwar im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel nach Figur 14 aus (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 33-38 und Zeile 43-48); es ist aber nicht erkennbar, dass diese Vorteilsangabe ausschließlich im Zusammenhang mit der dort gezeigten Ausgestaltung (flächiges Aufliegen des Fortsatzes (87) auf der Gehäusestirnseite (2)) zu verstehen wäre. Vielmehr verweist die Beschreibung darauf, dass es die feste Verbindung zwischen Dichtungsvorrichtung und Kappe ist, die es ermöglicht, die auftretenden Axialkräfte aufzunehmen, ohne dass es auf die konkrete Ausgestaltung des Fortsatzes (87) ankäme. Um diese Wirkung nicht zu vereiteln, bedarf es der Beabstandung von Arretierfortsatz (16) und Gehäusestirnseite (2) nach Maßgabe des Merkmals 9.
2.
Nach der Behauptung der Beklagten gibt die nachfolgend eingeblendete Anlage B1 die Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform im Montageendzustand wieder, was die Klägerin bestreitet:
Bei dem Zusammensetzen der angegriffenen Ausführungsform werde das zylinderförmige Gehäuse (HS) so weit in die Kappe (CP) hineingeschoben, dass die Gehäusestirnseite (FS) über den in der Kappe umlaufenden Wulst (RM) hinweggeschoben werde und an der Unterseite des Arretierfortsatzes (LE) anliege. Der nur geringfügige Unterschied zwischen dem Außendurchmesser des zylinderförmigen Gehäuses (gemäß den unstreitig gebliebenen Messergebnissen der Klägerin nach Seite 1 der Anlage K4: 12,59 mm) und dem Innendurchmesser der Kappe (CP) auf Höhe des Wulstes (RM) (12,10 mm) sowie die materialbedingte Elastizität der Kappe (CP) ermöglichten es, dass die Gehäusestirnseite (FS) den Wulst (RM) beim Zusammenschieben passiere, weil sich dieser bereits bei geringer Kraftausübung komprimieren lasse. Der Benutzer des Röhrchens werde das zylinderförmige Röhrchen (HS) so weit in die Kappe (CP) hineinschieben, dass kein Leerraum zwischen der Stirnseite (FS) und der Unterseite des Arretierfortsatzes (LE) verbleibe.
Die Klägerin behauptet hingegen, im Montageendzustand entspreche die angegriffene Ausführungsform der Abbildung in Anlage K4 (Seite 2), die nachfolgend (verkleinert) wiedergegeben wird und gemäß welcher ein Abstand zwischen Dichtvorrichtung (SD) und Gehäusestirnseite (FS) verbleibe:
Nach Inaugenscheinnahme der als Anlage Ast 9 im parallelen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (4a O 532/05) vorliegenden angegriffenen Ausführungsform, welche die Klägerin auf der Messe MEDICA 2005 erhalten hat, lässt sich die Verwirklichung des Merkmals 9 nicht (mehr) mit der für eine Verurteilung der Beklagten erforderlichen Sicherheit feststellen. Die von der Beklagten im Termin vorgelegten und zur Gerichtsakte gereichten zylinderförmigen Gehäuse mit Dichtungsvorrichtungen tragen diese Feststellung jedenfalls nicht. Fügt man bei ihnen (bzw. bei dem Exemplar mit intakter Kappe; die Halbierung der Kappe führt zu einem nicht praxisgerechten Aufspreizen derselben) die Kappe mit eingelegter Dichtungsvorrichtung und das zylinderförmige Gehäuse zusammen, ist vor dem Erreichen einer Anlageposition von Gehäusestirnseite und Arretiervorrichtung der Dichtung kein Widerstand feststellbar, der eine Zwischenposition kennzeichnen könnte, in der die Gehäusestirnseite an der Unterkante (US) des Wulstes (RM) anliegen würde und einen Freiraum entsprechend der Seite 2 der Anlage K 4 entstehen ließe. Damit entsprechen diese Dichtungsvorrichtungen aber den Stand der Technik aus der EP-A 0 129 xxx, bei dem die Dichtung zwar in der Kappe gehaltert wird, mit ihrem Arretierfortsatz jedoch auf der Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses aufliegt. Nach der Erinnerung der am Erlass der einstweiligen Verfügung vom 17. November 2005 (4a O 532/05) beteiligten Kammermitglieder war an der damals noch im Originalzustand vorliegenden angegriffenen Ausführungsform (Anlage Ast 9 ohne eingeschnittenes Fenster) ein deutlicher Widerstand spürbar, der nur mit einem erheblichen Kraftaufwand überwunden werden konnte, um die Gehäusestirnseite (FS) den Wulst (RM) passieren zu lassen und so eine Anlage der Gehäusestirnseite an der Dichtung zu bewirken. Dies deutete nach der aus dem damals unverändert vorliegenden Muster gewonnenen Überzeugung darauf hin, dass bei einem vom Anwender beim Zusammenfügen der Teile allenfalls aufgebrachten Druck ein Leerraum verbleiben würde, wie er von Merkmal 9 durch die Anweisung, der Fortsatz (87) sei zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet, vorausgesetzt wird (s.o. unter 1.). Eine weitergehende Kraftaufbringung, die zu einer Überwindung des Wulstes (RM) führen könnte (mit der Folge, dass Merkmal 9 nicht verwirklicht wird), schien aus damaliger Sicht im Regelfall der Anwendung nicht zu erwarten zu sein.
Diese Feststellung ist allerdings heute bzw. im hier zu entscheidenden Hauptsacheverfahren nicht mehr zu treffen. Dabei kann offen bleiben, ob dies auf dem mehrfach durchgeführten Öffnungs- und Schließvorgang an der angegriffenen Ausführungsform nach Anlage Ast 9 des Verfügungsverfahrens beruht, der zu einem Nachlassen des durch den Wulst (RM) auf das Gehäuse ausgeübten Widerstandes geführt haben mag, oder auf dem nach Zurückgabe der Anlage Ast 9 an die Klägerin von dieser in die Kappe eingeschnittenen streifenförmigen Sichtfenster. Hier wäre eine weitere auf der Messe MEDICA 2005 erhaltene angegriffene Ausführungsform, die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens von der Klägerin hätte zurückgelegt und sodann zum Gegenstand der Inaugenscheinnahme hätte gemacht werden können, möglicherweise hilfreich gewesen.
Zudem hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass dem Wulst (RM) eine andere Funktion zukomme, als diejenige, in Gestalt eines dem Gehäuse zugewandten Fortsatzes (87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet zu sein. Er erfülle die Funktion, im zusammengesetzten Zustand das Gehäuse, welches insbesondere gefüllt eine nicht unerhebliche Masse aufweise, in der Kappe zu stabilisieren, indem es die Außenseite des Gehäuses ringartig umfasse. Durch diese zusätzliche Halterung in Gestalt des Wulstes (RM) solle ein „Wackeln“ des (insbesondere gefüllten) Röhrchens in der Kappe verhindert werden. Dieses Wackeln sei möglich, wenn das Röhrchen nur von der Dichtfläche der Dichtung gehalten und die Gehäusestirnseite (FS) lediglich an der Unterseite (US) des Wulstes (RM) anliegen würde. Es erschließt es sich schon anhand der unstreitigen Maßangaben, dass ohne diese Maßnahme der untere Teil der Kappe mit einem Innendurchmesser von 13,35 mm nicht in der Lage wäre, das Gehäuse mit einem Außendurchmesser von 12,59 mm an einer Relativbewegung im Verhältnis zur Kappe zu hindern, wenn die Gesamtvorrichtung vom Anwender lediglich im Bereich der Kappe gehalten wird. Der Wulst (RM) kann damit nicht nur als Fortsatz (87) im Sinne der Merkmale 5, 6, 8 und 9 angesehen werden (während ihm andernfalls keine Bedeutung zukäme, was Rückschlüsse auf die patentgemäße Ausgestaltung zuließe), sondern erfüllt in plausibler Weise eine andere Funktion, die mit der klagepatentgemäßen Funktion des Fortsatzes (87) (s.o. unter 1.) nicht in Zusammenhang steht.
Ins Gewicht fällt schließlich, dass der Anwender das zylinderförmige Gehäuse (HS) ohne einen – heute für die Kammer nicht mehr feststellbaren – spürbaren Widerstand an der Unterkante (US) des Wulstes (RM) sicherheitshalber so weit in die Kappe (CP) durchschieben wird, wie ihm dies möglich ist, ohne Beschädigungen der Gesamtvorrichtung befürchten zu müssen. Dass sich der Anwender aus Vorsichtsgründen so verhält, erscheint plausibel, weil er für die weitere Aufbewahrung wird vermeiden wollen, dass das Röhrchen seinen Inhalt verliert, nur weil es nicht mit der erforderlichen Festigkeit zusammengefügt wurde. Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn der Anwender aufgrund der Ausgestaltung der Vorrichtung einen so deutlichen Widerstand spüren würde, dass er bei weiterer Kraftanwendung befürchten müsste, die Vorrichtung zu beschädigen. Dies ist anhand der vorliegenden Vorrichtungen aber – wie bereits ausgeführt – aus heutiger Sicht nicht mehr zu erkennen.
Auch die (als solche unstreitigen) Maßangaben der drei einzelnen Bestandteile der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage K4 (Seite 1) können nicht zum Nachweis der Verwirklichung des Merkmals 9 herangezogen werden. Die Beklagte hat sich im Termin darauf berufen, im zusammengefügten Zustand weise die angegriffene Ausführungsform eine Gesamtlänge von 82 mm auf. Diese setze sich zusammen aus 75,80 mm des zylinderförmigen Gehäuses, 5,02 mm lichter Höhe des Aufnahmebereichs der Kappe für den breiteren Teil der Dichtung und 1,18 mm Höhe des oberen Fortsatzes der Kappe (75,80 mm + 5,02 mm + 1,18 mm = 82,00 mm). Dies belege, dass sich die Gehäusestirnseite (FS) am oberen Ende der Wulst befinden müsse, weil andernfalls ein Abstand zur Erhöhung der Gesamtlänge führen müsste. Da sich rechnerische und tatsächliche Gesamtlänge aber entsprächen, könne kein Abstand bestehen. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 18. Oktober 2006 tritt die Klägerin dem zwar unter Verweis auf eigene Messungen entgegen, die eine Gesamtlänge von 82,00 mm nur unter anhaltender Druckanwendung bestätigten, während sich die Gesamtvorrichtung ohne Druck auf eine Gesamtlänge von 83,33 mm ausdehne, so dass es zu einem Abstand von 1,45 mm zwischen Dichtung (SD) und Gehäusestirnseite (FS) kommen müsse. Dabei ist mit der Klägerin anzunehmen, dass allein die ohne Aufrechterhaltung einer Druckeinwirkung gegebene Länge maßgeblich und aussagekräftig ist, weil es auch in der Praxis während der Aufbewahrung der Vorrichtungen zu keiner weiteren Druckeinwirkung kommt. Dieser Ausdehnvorgang lässt sich für das Gericht aus dem einzigen vorliegenden Muster (Anlage Ast 9) jedoch nicht nachvollziehen. Wird die Kappe mit Dichtungsvorrichtung dort mit der in der Praxis zu erwartenden Kraftausübung auf das Gehäuse gesetzt, verbleibt es bei der Anlage zwischen Gehäusestirnseite und Unterseite des Arretierfortsatzes der Dichtung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz); 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 500.000,- € festgesetzt.