Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. Oktober 2006, Az. 4a O 462/05
Rechtsmittelinstanz: 2 U 132/06
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 299 24 xxx (Anlage K 2, nachfolgend Klagegebrauchsmuster) in Anspruch.
Das Klagegebrauchsmuster ist, wie das Gebrauchsmuster 299 24 xxx, welches Gegenstand des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen 4a O 362/05 vor der Kammer ist, durch Teilung aus der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung DE 299 24 xxx.9 (Anlage AS 4, nachfolgend Stammgebrauchsmuster) hervorgegangen, welche ihrerseits am 25. April 2005 durch Abzweigung aus der PCT-Anmeldung PCT/US99/19267 (Anlage AS 1) angemeldet wurde. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 23. August 1999 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität 21 89 90 vom 22. Dezember 1998 angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 7. Juli 2005.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Aufzugssystem. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Aufzugssystem mit einer Maschine (20), einer von der Maschine (20) drehend antreibbaren Traktionsscheibe (24), einer Kabine (14), einem Gegengewicht (16), und einem Zugelement (22), das die Kabine (14) und das Gegengewicht (16) trägt und das mit der Traktionsscheibe (24) zum Bewegen der Kabine (14) und des Gegengewichts (16) zusammenwirkt, dadurch gekennzeichnet, dass das Zugelement (22) einen lasttragenden Strang (26) aus metallischem Material aufweist, der in eine flammhemmende Umhüllungsschicht (28) aus nichtmetallischem Material eingeschlossen ist; und dass das Zugelement (22) ein Dimensionsverhältnis Breite zu Dicke hat, welches größer als 1 ist.
Wegen des Wortlauts der lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Schutzansprüche 2 bis 6, 11 bis 18 sowie 20 bis 23, 25 und 34 wird auf die Klagegebrauchsmusterschrift verwiesen.
Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen der Erfindung, welche aus der Klagegebrauchsmusterschrift stammen. Figur 1 zeigt eine Perspektivansicht eines Aufzugssystems mit einem Traktionsantrieb und Figur 2 eine im Schnitt dargestellte Seitenansicht des Traktionsantrieb unter Darstellung eines Zugelementes und einer Scheibe.
Die Beklagte beantragte unter dem 16. Januar 2006 (Anlage B 7) die Löschung des Klagegebrauchsmusters bei dem Deutschen Patent- und Markenamt, über die noch nicht entschieden worden ist.
Die Beklagte vertreibt unter den Produktbezeichnungen „A1“, „A2“, „A3“ und „A4“ Aufzugsanlagen, in welchen, wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Produktinformationen (Anlage K 7 bis K 10) ergibt, flache Gurte verwendet werden, die von der Beklagten als „Traction Belts“ bezeichnet werden. In dem Werbematerial wird jeweils unter der Überschrift „Traction Belt“ wie folgt ausgeführt:
„Die innovativen Traction Belts bestehen aus speziellen Metallkabeln, umhüllt mit Gummi oder Polyurethan. Sie ersetzen die herkömmlichen Stahlseile, wiegen weniger, brauchen weniger Platz und laufen ruhiger. Dank der Traction Belts bleibt direkt im Aufzugsschacht Platz für den Antrieb – und Platz für eine größere Kabine.“
Die Klägerin hat als Anlage K 15 die Fotografie eines „Traction Belts“ der Beklagten vorgelegt. Auf die weiterhin von der Klägerin eingereichte als Anlage K 17 eingereichte Darstellung, deren „Ordnungsmäßigkeit“ die Beklagte bestritten hat, wird Bezug genommen. Zwischen den Parteien unstreitig sind von der Beklagten verwendete Zugelemente auf der der Antriebsscheibe abgewandten Seite mit einer Textilschicht aus Nylon versehen, im Übrigen von EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk) umgeben, einem elastomeren Material. Umstritten ist hingegen zwischen den Parteien, ob die Beklagte nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters Zugelemente verwendet hat, die mit einer Umhüllung bestehend aus einer Nylontextilschicht und Elastolan xxx, einem Polyurethanpolymer auf Etherbasis, versehen sind.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass die Verletzung des Klagegebrauchsmusters im Hinblick auf ein Aufzugssystem mit einem Zugelement bestehend aus Polyurethan auf Etherbasis und EPDM geltend gemacht wird, dass die Beklagte auch nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters Zugelemente bestehend aus Polyurethanmaterial auf Etherbasis vertreibe. Hierfür spreche bereits der Umstand, dass die Beklagte in der Vergangenheit entsprechendes Umhüllungsmaterial verwendet habe, so dass jedenfalls eine Erstbegehungs-/Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Benutzung entsprechenden Materials bestehe. Sowohl das Zugelement aus Polyurethan auf Etherbasis als auch aus EPDM sei flammhemmend.
Sie beantragt, nachdem sie im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Vernichtung der angegriffenen Aufzugssysteme nicht mehr geltend gemacht hat,
A. die Beklagte zu verurteilen,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Eur, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
ein Aufzugssystem mit einer Maschine, einer von der Maschine drehend antreibbaren Traktionsscheibe, einer Kabine, einem Gegengewicht, und einem Zugelement, das die Kabine und das Gegengewicht trägt und das mit der Traktionsscheibe zum Bewegen der Kabine und des Gegengewichts zusammenwirkt,
herzustellen, anzubieten, zu verkaufen oder sonst in Verkehr zu bringen,
bei dem das Zugelement einen lasttragenden Strang aus metallischem Material aufweist, der in eine flammhemmende Umhüllungsschicht aus nicht-metallischem Material eingeschlossen ist und bei dem das Zugelement ein Dimensionsverhältnis Breite zu Dicke hat, welches größer als 1 ist;
II. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu I. bezeichneten und für die Zeit seit dem 7. August 2006 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten der einzelnen Anlagen unter Einschluss etwaiger Wartungs- und Serviceverträge für die Anlagen unter Angabe
1. der Liefermengen, Typenbezeichnungen, Artikel-Nummern, Lieferzeiten, Lieferpreise der Lieferverträge,
2. der Laufzeiten, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Wartungs- und/oder Servicepreise der Wartungs- und Serviceverträge,
3. Namen und Anschriften der jeweiligen Vertragspartner,
4. der produktabhängigen Gestehungskosten unter Nennung der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns,
5. der einzelnen Angebote und der Werbung unter Nennung der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
6. der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
wobei der Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch seine Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer und/oder Lieferungen in der erteilten Rechnung enthalten sind;
III. der Klägerin für die Zeit seit dem 7. August 2006 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter I. verwandten Zugelemente zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie unter Angabe der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;
IV. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Zugelemente entsprechend Ziffer III. an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
V. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 7. September 2006 entstehen wird.
Die Beklagte beantragt unter Zustimmung zu einer etwaigen Teilklagerücknahme,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, im Falle der Verurteilung zur Rechnungslegung der Beklagten nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
notfalls der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden.
Sie stellt eine Verletzung des Klageschutzrechtes in Abrede und macht weiterhin geltend, dass das Klagegebrauchsmuster nicht rechtsbeständig sei.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt zu.
I.
Die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster betrifft Aufzugssysteme, insbesondere Zugelemente für solche Aufzugssysteme.
Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagegebrauchsmuster aus, dass ein herkömmliches Traktionsaufzugssystem eine Kabine beinhaltet, ein Gegengewicht, zwei oder mehr die Kabine und das Gegengewicht miteinander verbindende Seile, eine Traktionsscheibe zum Bewegen der Seile sowie eine Maschine zum Drehen der Traktionsscheibe. Die Seile sind aus gelegtem oder verdrilltem Stahldraht und die Scheibe bzw. Seilscheibe ist aus Gusseisen gebildet. Die Maschine kann entweder eine mit Getriebe versehene Maschine oder eine getriebelose Maschine sein. Eine mit Getriebe versehene Maschine erlaubt die Verwendung eines Motors mit höherer Drehzahl, der kompakter und kostengünstiger ist, jedoch zusätzliche Wartung und zusätzlichen Platz benötigt.
Das Klagegebrauchsmuster beschreibt weiter, dass, obwohl sich herkömmliche, runde Stahlseile und Gusseisenscheiben als sehr zuverlässig und kosteneffektiv erwiesen haben, es Einschränkungen hinsichtlich ihres Einsatzes gibt und zwar hinsichtlich der Traktionskräfte zwischen den Seilen und der Scheibe. Diese Traktionskräfte können durch Erhöhen des Umschließungswinkels der Seile oder durch Unterschneiden der Nuten in der Scheibe erhöht werden. Beide Techniken reduzieren jedoch die Haltbarkeit der Seile als Ergebnis gesteigerter Abnutzung (Umschließungswinkel) oder des gesteigerten Seildrucks (Unterschneiden). Ein weiteres Verfahren zur Steigerung der Traktionskräfte besteht in der Verwendung von Auskleidungen, die aus einem synthetischen Material gebildet sind, in den Nuten der Scheibe. Die Auskleidungen erhöhen den Reibungskoeffizienten zwischen den Seilen und der Scheibe, während sie gleichzeitig den Verschleiß der Seile und der Scheibe minimieren.
Als weitere Einschränkung beim Einsatz runder Seile beschreibt das Klagegebrauchsmuster beim Einsatz runder Stahlseile die Flexibilität und Ermüdungseigenschaften. Aufzugssicherheitsbestimmungen erfordern, dass jedes Stahlseil einen Mindestdurchmesser d (dmin = 8 mm für CEN; dmin = 9,5 mm (3/8’’) für ANSI) hat und dass das D/d-Verhältnis für Traktionsaufzüge größer oder gleich vierzig ist (D/d > 40), wobei D der Durchmesser der Scheibe ist. Dies führt dazu, dass der Durchmesser für die Scheibe mindestens 320 mm beträgt (380 mm für ANSI). Je größer der Scheibendurchmesser D ist, desto größer ist das von der Maschine benötigte Drehmoment zum Antreiben des Aufzugssystems.
Mit der Entwicklung von leichten Synthetikfasern mit hoher Zugfestigkeit ist der Gedanke entstanden, Stahldrahtseile in Aufzugssystemen durch Seile zu ersetzen, die aus Synthetikfasern gebildete Lasttragelitzen aufweisen, wobei es sich bei diesen Fasern z.B. um Aramidfasern handelt. An diesen Fasern ist das verbesserte Verhältnis von Zugfestigkeit zu Gewicht vorteilhaft sowie die verbesserte Flexibilität der Aramidmaterialien zusammen mit der Möglichkeit einer verbesserten Traktion zwischen dem Synthetikmaterial des Seils und der Scheibe.
Als weiteren Nachteil herkömmlicher runder Seile sieht es das Klagegebrauchsmuster, dass die Lebensdauer des Seils umso kürzer ist, je höher der Seildruck ist. Der Seildruck (Prope) wird erzeugt, wenn sich das Seil über die Scheibe bewegt, und ist direkt proportional zu dem Zug (F) in dem Seil und umgekehrt proportional zu dem Scheibendurchmesser D und dem Seildurchmesser d (Prope = F/(Dd)). Außerdem steigert die Form der Scheibennuten einschließlich solcher traktionserhöhenden Techniken wie Unterschneiden der Scheibennuten weiter den maximalen Seildruck, dem das Seil ausgesetzt wird.
Weiter wird ausgeführt, dass obwohl die Flexibilitätseigenschaften von solchen Seilen aus synthetischen Fasern zum Reduzieren des erforderlichen D/d-Verhältnisses und somit des Scheibendurchmessers D verwendet werden können, die Seile immer noch einem beträchtlichen Seildruck unterliegen. Die umgekehrte Beziehung zwischen dem Scheibendurchmesser D und dem Seildruck begrenzt die Reduzierung des Scheibendurchmessers D, die mit herkömmlichen Seilen aus Aramidfasern erzielt werden kann. Darüber hinaus haben Aramidfasern zwar eine hohe Zugfestigkeit, jedoch sind sie defektanfälliger, wenn sie Querbelastungen ausgesetzt werden. Selbst bei Reduzierungen hinsichtlich des D/d-Erfordernisses kann der resultierende Seildruck übermäßigen Schaden an den Aramidfasern hervorrufen und die Lebensdauer der Seile vermindern.
Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik hat es sich das Klagegebrauchsmuster zur Aufgabe gemacht, die bekannten Nachteile zu verhindern. Hierzu schlägt das Klagegebrauchsmuster in seinem Schutzanspruch 1 ein Aufzugssystem mit folgenden Merkmalen vor:
1. mit einer Maschine (20), einer von der Maschine (20) drehend antreibbaren Traktionsscheibe (24), einer Kabine (14), einem Gegengewicht (16), und
2. einem Zugelement (22),
2.1 das die Kabine (14) und das Gegengewicht (16) trägt und
2.2 das mit der Traktionsscheibe (24) zum Bewegen der Kabine (14) und des Gegengewichts (16) zusammenwirkt;
3. einem Zugelement (22), das einen lasttragenden Strang (26) aufweist,
3.1 aus metallischem Material,
3.2 der in eine flammhemmende Umhüllungsschicht (28)
3.21 aus nichtmetallischem Material eingeschlossen ist;
4. und dass das Zugelement (22) ein Dimensionsverhältnis Breite zu Dicke hat, welches größer als eins ist.
II.
Unabhängig von den zwischen den Parteien weiter im Streit stehenden Merkmalen scheidet eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters vorliegend aus, da die angegriffenen Aufzugssysteme das Teilmerkmal 3.2, welches besagt, dass der lasttragende Strang in eine flammhemmende Umhüllungsschicht aus nicht-metallischem Material eingeschlossen ist, nicht verwirklichen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die zwischen den Parteien streitigen Frage nicht an, ob das angegriffene Zugelement eine erfindungsgemäße Umhüllungsschicht aufweist, obwohl die Umhüllung des Zugelementes sowohl aus einer textilen Nylonschicht auf der der Antriebsscheibe abgewandten Seite des Zugelementes als auch einem nichtmetallischen Material wie EPDM besteht.
Eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch ein Aufzugssystem mit einem Zugelement bestehend aus Polyurethan auf Etherbasis sowie einer Nylontextilschicht liegt bereits mangels Vorliegens einer Benutzungshandlung oder der Drohung einer solchen nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters nicht vor.
Zwischen den Parteien unstreitig sind die lasttragenden Stränge der angegriffenen Ausführungsform auf einer Seite, der der Antriebsscheibe abgewandten Seite, von einem Nylontextilgewebe abgedeckt. Soweit die Beklagte als weitere Umhüllung eine Beschichtung bestehend aus Elastolan xxx verwendet, handelt es sich zwar, wie sich anhand der Angaben des Herstellers Elastogran ergibt, um ein Polyurethanpolymer auf Etherbasis. Die Klägerin hat jedoch trotz Bestreitens der Beklagten und Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht konkret dargetan, dass die Beklagte auch nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters – 7. Juli 2005 – Elastolan xxx als Umhüllungsmaterial verwendet hat. Konkrete Ausführungen hierzu waren trotz des Umstandes, dass die Beklagte unstreitig vor Eintragung des Klagegebrauchsmusters eine entsprechende Umhüllungsschicht verwendet hat, erforderlich, denn aus einer nicht rechtswidrigen Benutzung vor Eintragung des Schutzrechtes wird keine Wiederholungsgefahr begründet. Aus Handlungen der Beklagten vor Eintragung des Klagegebrauchsmusters kann daher kein Anhalt abgeleitet werden, dass die Beklagte auch nach Eintragung noch entsprechende Produkte vertreibt. Die Voraussetzungen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, wie sie für einen Unterlassungsanspruch aus § 24 GebrMG erforderlich ist, sind damit nicht schlüssig dargetan. Indem § 24 GebrMG davon spricht, dass auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wer entgegen den §§ 11 bis 14 GebrMG ein Gebrauchsmuster benutzt, steht fest, dass Angebots- und Lieferhandlungen, die vor dem Zeitpunkt der Schutzrechtserteilung vorgenommen wurden, keine Unterlassungsansprüche wegen Wiederholungsgefahr auslösen können. Denn vor der Schutzrechtserteilung gibt es noch keine „geschützte Erfindung“, die benutzt werden könnte.
In den von der Klägerin als Anlage K 7 bis K 10 vorgelegten Prospektmaterialien der angegriffenen Aufzugssysteme wird Polyurethan als Umhüllungsmaterial der „Traction Belts“ angegeben (vgl. Anlage K 7 Seite 8, Anlage K 8 Seite 12, Anlage K 9 Seite 12 und Anlage K 10 Seite 8). Es ist jedoch nicht zu erkennen und wurde von der Klägerin auch nicht behauptet, dass die Prospekte aus einem Zeitraum nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters stammen bzw. noch heute unverändert vertrieben werden. Aus dem Umstand, dass die Beklagte ihren Internetauftritt insoweit verändert hat, dass nunmehr statt „Polyurethan“ eine Umhüllung aus „Polymer“ genannt wird, kann ein Anbieten und Vertreiben eines Zugelementes mit Polyurethan auf Etherbasis als Umhüllung nicht geschlossen werden. Denn der Begriff „Polymer“ umfasst eine sehr große Anzahl natürlicher und synthetischer Verbindungen ohne nähere Spezifizierung. Von dem Begriff wird daher zwar auch eine Polyurethanumhüllung umfasst, für einen objektiven Betrachter des Internetauftritts ergibt sich dies jedoch nicht zwingend (vgl. BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer).
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Behauptung von Benutzungshandlungen nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters weiter Bezug genommen auf die Anlage K 25, bei der es sich um einen Teil des Bedienungs- und Servicehandbuches der Musteranlage der Beklagten handeln soll. Dort wird auf Page 5-2 unter „Antriebselemente für den Aufzug“ und „Eigenschaft“ ausgeführt, dass das Riemen-Mantel Material PU (Polyurethan) oder EPDM sei. Die Klägerin hat jedoch trotz Bestreitens der Beklagten in der Klageerwiderung nicht vorgetragen, dass dieser Teil des Bedienungs- und Servicehandbuches der Musteranlage nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters noch vertrieben wird. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich.
Entsprechend kann dem von der Klägerin als Anlage K 18 vorgelegten Auszug aus dem Anhang zur EG-Entwurfsprüfbescheinigung keine Benutzung von Polyurethan auf Etherbasis nach dem 7. Juli 2005 entnommen werden. Dort wird zwar unter „Technische Daten“ und dem Unterpunkt „Kunststoff (Riemenmaterial)“ Elastolan xxx unter dem Produktbegriff „MEGADYNE“ genannt. In der Überschrift zu dieser Anlage K 18 „Anhang zur EG-Entwurfsprüfbescheinigung Schindler EPR003/1“ wird jedoch das Datum „2004-08-17“, d.h. 17. August 2004 genannt, ein Datum mehr als drei Jahre vor Eintragung des Klagegebrauchsmusters.
Das Teilmerkmal 2.3 wird hingegen auch nicht durch das angegriffene Aufzugssystem mit einem Zugelement bestehend aus einer Umhüllungsschicht aus EPDM, einem nichtmetallischen Material, und der Nylontextilschicht verwirklicht. Denn es ist von der Klägerin nicht hinreichend dargetan worden und auch ansonsten nicht ersichtlich, dass die Umhüllungsschicht auf Basis von EPDM und Nylon flammhemmend ist.
Der Begriff „flammhemmend“ wird im Klagegebrauchsmuster auf Seite 5 Zeilen 160 ff. näher beschrieben. Dort heißt es:
„Die flammhemmende Umhüllungsschicht minimiert die Wirkungen eines Feuers auf die nicht-metallischen Stränge, die empfindlich für Hitze und Feuer sein können. Obwohl Stahlstränge sowie Stränge aus anderen metallischen Materialien in inhärenter Weise flammhemmend sind, schafft die Ausbildung einer flammhemmenden Umhüllung bzw. Beschichtung darüber hinaus den Vorteil, dass eine Situation vermieden wird, in der loses brennendes Umhüllungsschichtmaterial aus dem Seil in dem Aufzugsschacht periphere Schäden hervorrufen kann. Durch die flammhemmende Ausbildung der Umhüllungsschicht besteht eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass sich das Umhüllungsschichtmaterial von dem Seil löst und periphere Schäden hervorruft.“
Auf Seite 6 Zeilen 170 ff. heißt es dann weiter:
„Unter dem Begriff „flammenhemmend“, wie er hierin verwendet wird, ist ein Material zu verstehen, das selbstlöschend ist, sobald die aktive Flamme von dem Material eliminiert worden ist.“
Auf Seite 13 Zeilen 415 ff. wird ausgeführt:
„Die flammhemmenden Eigenschaften lassen sich erreichen durch Auswählen eines Materials für die Umhüllungsschicht, das in inhärenter Weise flammhemmend ist oder durch Verwendung eines Zusatzes zu dem Material der Umhüllungsschicht, um dieses flammhemmend zu machen. Beispiele für solche Zusätze sind Phosphorester, Melamine und Halogene.“
Die flammhemmende Eigenschaft der Umhüllungsschicht soll danach erfindungsgemäß verhindern, dass loses brennendes Umhüllungsmaterial sich löst und in dem Aufzugsschacht Schänden hervorruft. Dies wird dadurch erreicht, dass das Material selbstlöschend ist, sobald die Flamme von dem Material eliminiert worden ist.
Dass die Umhüllungsschicht aus EPDM und Nylon solche Eigenschaften aufweist, ist nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung führte die Klägerin einen Filmausschnitt vor, der Untersuchungen der Klägerin an dem angegriffenen Zugelement im Hinblick auf dessen Brenneigenschaften zeigte. Im Rahmen dieses Filmausschnitts war zu erkennen, dass die Nylonschicht keine dem Klagegebrauchsmuster entsprechende flammhemmende Eigenschaft aufwies. Die Nylonschicht brannte auch nach Entfernung der Flamme weiter und ging in den flüssigen Aggregatszustand unter Tropfenbildung über, zeigte mithin ein Verhalten, welches die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster gerade zu vermeiden sucht. Dieser Feststellung entspricht das von der Beklagten als Anlage B 4 vorgelegte Memo der Gates Corporation, der Lieferantin der streitgegenständlichen Zugelemente, vom 23. August 2005. Nach den in der ersten Tabelle niedergelegten Untersuchungsergebnissen der in den Zugelementen verwendeten EPDM-Gummimischung, betrug die Nachbrennzeit 120 sec, wobei die Flammen nach zwei Minuten gelöscht werden mussten.
Das angegriffene Zugelement weist jedoch auch dann keine flammhemmende Umhüllungsschicht auf, wenn die Nylonschicht unberücksichtigt bleibt, man als Umhüllungsschicht lediglich die EPDM-Schicht ansieht. Das Bestehen einer solchen Schicht aus EPDM auf der der Traktionsscheibe abgewandten Seite, in welche die lasttragenden Stränge eingeschlossen sind, ist von der Beklagten in Abrede gestellt worden. Dies habe, so die Beklagte, seine Ursache in dem Herstellungsverfahren, da zunächst die lasttragenden Stränge auf die textile Nylonschicht gepresst würden und anschließend das EPDM aufgetragen werde, welches nicht zwischen die lasttragenden Stränge und die textile Nylonschicht dringe. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin ihr Vorbringen unterstellt, dass eine Schicht aus EPDM mit einer Dicke von ca. 200 μm zwischen der Nylonschicht und den lasttragenden Strängen vorhanden ist, ist bereits zweifelhaft, ob diese als flammhemmende Umhüllungsschicht im Sinne der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster angesehen werden kann. Denn es ist nicht zu erkennen, dass diese Schicht die erfindungsgemäß geforderten Funktionen wahrnehmen kann. Die Umhüllungsschicht soll die Metallstränge versiegeln, so dass die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Auftragens sowie Wiederauftragens von Schmiermitteln bzw. Gleitmitteln auf die Stränge nicht mehr – wie noch im Stand der Technik bei herkömmlichen Stahlseilen – besteht. Die Umhüllungsschicht soll darüber hinaus einen schützenden Mantel um die lasttragenden Stränge bilden, um eine unbeabsichtigte Beschädigung aufgrund von Umweltfaktoren, wie z. B. Lösungsmittel, aber auch Korrosion zu verhindern. Dass die 200 μm-EPDM-Schicht die genannten Funktionen erfüllen kann, erscheint mehr als zweifelhaft.
Unterstellt man hingegen, dass es sich bei einer solchen EPDM-Schicht um eine den Anforderung an die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster genügende Umhüllungsschicht handelt, ist nicht zu ersehen, dass diese flammhemmend wäre. Dies ergibt sich nicht auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Auszuges eines Teils des Bedienungs- und Servicehandbuches der Musteranlage der Beklagten (Anlage K 25). Zwar wird auf Seite 5-2 unter Eigenschaften beschrieben, dass das Riemenmaterial nicht brennbar sei; unter Brennbarkeit „UL 94“ wird zudem von selbstlöschend gesprochen. Die Klägerin hat jedoch trotz Bestreitens der Beklagten in der Klageerwiderung nicht vorgetragen, dass dieser Teil des Bedienungs- und Servicehandbuches der Musteranlage nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters vertrieben wurde, entsprechend die angegriffenen Aufzugssysteme nach der Musteranlage ausgestaltet sind. Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, dass dieser Auszug aus dem Handbuch eine Vorauflage für Musteranlagen gewesen sei. Die Angaben in diesem Handbuch hätten mit den tatsächlich vertriebenen Riemen nicht übereingestimmt. Eine Änderung sei erfolgt, da erkannt worden sei, dass das Vorhandensein einer flammhemmenden Eigenschaft nach der EG-Entwurfsprüfbescheinigung nicht erforderlich sei. Dem ist die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 750.000 festgesetzt.