Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Februar 2006, Az. 4a O 452/05
Rechtsmittelinstanz: 2 U 25/06
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CDs, umfassend einen tablettartigen Körper, der Sitze zum Aufnehmen von wenigstens zwei Platten bildet, wobei der tablettartige Körper wenigstens einen ersten Bereich zum Aufnehmen von wenigstens einer ersten Platte und wenigstens einen zweiten Bereich zum Aufnehmen von wenigstens einer zweiten Platte aufweist, der auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liegt, wobei die Platten axial in den Sitzen gehalten sind, so dass jede der Platten individuell erfasst und axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die wenigstens eine zweite Platte in dem zweiten Bereich derart angeordnet ist, dass sie von der einen ersten Platte beabstandet ist und diese teilweise überlappt und zwar in einer axial beabstandeten Weise.
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 21. Februar 1998 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und gegebenenfalls der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und gegebenenfalls der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten nach ihrer Wahl und auf ihre Kosten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und nicht gewerblichen und gewerblichen Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 21.2.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann jeweils auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die in Italien ansässige Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 676 xxx (Klagepatent). Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme zweier italienischer Prioritäten vom 15.7.1994 und 19.1.1995 am 4.7.1995 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 11.10.1995.
Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, hat folgenden Wortlaut:
Container for a plurality of discs, particularly compact discs, comprising a tray-like body (10, 110) defining seats for accommodating at least two discs, said tray-like body (10, 110) including a first region (20) for accommodating at least one first disc (21, 121, 122) and at least a second region (30) for accommodating at least one second disc (31, 131, 132) located at a higher level than said first region (20), the discs (21, 31, 121, 131, 122, 132) being axially retained in said seats, so that each of the discs (21, 31, 121, 131, 122, 132) can be individually gripped and axially detached for removal from said seats in which they are retained, characterized in that said at least one second disc (31, 131, 132) is arranged in said region (30) so as to be spaced from, and to partially overlap said at least one first disc (21, 121, 122) in an axially offset manner.
In der veröffentlichten deutschen Übersetzung hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:
Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CD’s, umfassend einen tablettartigen Körper (10, 110), der Sitze zum Aufnehmen von wenigstens zwei Platten bildet, wobei der tablettartige Körper (10. 110) wenigstens einen ersten Bereich (20) zum Aufnehmen von wenigstens einer ersten Platte (21, 121, 122) und wenigstens einen zweiten Bereich (30) zum Aufnehmen von wenigstens einer zweiten Platte (31, 131, 132) aufweist, der auf einem höheren Niveau als der erste Bereich (20) liegt, wobei die Platten (21, 31, 121, 131, 122, 132) axial in den Sitzen gehalten sind, so dass jede der Platten (21, 31, 121, 131, 122, 132) individuell erfasst und axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass die wenigstens eine zweite Platte (31, 131, 132) in dem zweiten Bereich (30) derart angeordnet ist, dass sie davon unter Abstand liegt und die wenigstens eine erste Platte (21, 121, 122) in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt.
Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 die Darstellung eines erfindungsgemäßen Behälters in geschlossener Position für eine Vielzahl von Platten, in Figur 2 die Darstellung eines erfindungsgemäßen Behälters für zwei Platten in geöffneter Position und in Figur 3 eine Schnittdarstellung des erfindungsgemäßen Behälters für zwei Platten.
Gegen den deutschen Teil des Klagepatents ist am 5.1.2006 von dem Unternehmen BDMO aus Belgien Nichtigkeitsklage erhoben worden, über die noch nicht entschieden worden ist.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen und bietet an und vertreibt unter der Bezeichnung „Mediacook für Duel-Tray“ eine Verpackung in aufklappbarer Buchform für mehrere CDs oder DVDs. Die fertige Verpackung besteht aus einem Behälter aus Kunststoff und dem bedruckten Kartonteil, auf den der Behälter aufgeklebt wird. Die Beklagte zu 1) bewirbt ihre „Mediacooks„ im Internet unter „www.N.de„ und in Fachzeitschriften. Die Klägerin hat ein Muster als Anlage K 12 vorgelegt. Nachfolgend wird eine Anzeige aus der Zeitschrift DVD Entertainment vom August 2005 wiedergegeben, die (rechts) eine Abbildung des Produkts enthält. Zudem werden die von der Klägerin als Anlage K 11 überreichten Abbildungen eines Behälters „Duel-Tray„ mit und ohne eingelegte CDs gezeigt:
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten durch das Anbieten und den Vertrieb des „Duel-Trays„ (angegriffene Ausführungsform) die in Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellte Lehre verletzen.
Die Klägerin beantragt,
wie zuerkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von BDMO gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Sie stellen die Verletzung des Klagepatents in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform nicht den Gegenstand von Patentanspruch 1 verwirkliche. Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht als nicht bestandskräftig erweisen, so dass jedenfalls auszusetzen sei. Dem tritt die Klägerin entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz wegen Verletzung des Klagepatents, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB.
I.
Das Klagepatent betrifft einen Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CDs.
In der Klagepatentschrift wird zum Stand der Technik ausgeführt, dass es bekannt sei, Behälter für eine Vielzahl von CDs aus einem tablettartigen Körper zu bilden, der Seite an Seite liegende Ausnehmungen oder Sitze zur Aufnahme der CDs aufweise. Eine solche Anordnung bewirke, dass die Abmessungen des Behälters im Verhältnis 2 zu 1 seien. Der Behälter nehme infolgedessen Außenabmessungen an, die nicht nur ästhetischen Ansprüchen kaum genügten, sondern auch nicht leicht platzsparend unterzubringen seien.
Ein Behälter für eine Vielzahl von Platten mit den folgenden Merkmalen sei aus der WO-A 92 15505 bekannt:
1. Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CDs, umfassend einen
2. tablettartigen Körper (10, 110), der
a) Sitze zum Aufnehmen von wenigstens zwei Platten bildet und
b) Bereiche aufweist,
aa) einen ersten Bereich (20) zum Aufnehmen von wenigstens einer ersten Platte (21, 121, 122) und
bb) wenigstens einen zweiten Bereich (30) zum Aufnehmen von wenigstens einer zweiten Platte (31, 131, 132);
cc) der zweite Bereich liegt auf einem höheren Niveau als der erste Bereich (20);
3. die Platten (21, 31, 121, 131, 122, 132) sind axial in den Sitzen gehalten, so dass
a) jede der Platten (21, 31, 121, 131, 122, 132) individuell erfasst und
b) axial abgenommen werden kann,
um von den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind.
Weitere Behälter nach dem Stand der Technik seien aus der DE-U 86 25 285 sowie der US-A 5 322 162 bekannt.
Dem Klagepatent liegt das Problem („die Aufgabe“) zugrunde, einen Behälter für eine Vielzahl von Platten bereitzustellen, der zwei oder mehrere Platten aufnehmen könne und bei dem es möglich sei, diese einzeln zu entnehmen und die äußeren Abmessungen zu reduzieren, so dass es leichter und einfacher gemacht werde, den Behälter in den Bereichen unterzubringen, in denen er aufbewahrt werden solle. Darüber hinaus solle das Verhältnis der Außenabmessungen so beschaffen sein, dass zusätzlich zu einem gefälligen ästhetischen Effekt eine einfachere Verwendung des Behälters bereitgestellt werde und der Behälter aufgrund seiner speziellen konstruktiven Merkmale in hohem Maße zuverlässig und gebrauchssicher ausgestaltet sei. Zudem solle der Behälter aus gewöhnlich im Handel erhältlichen Elementen und Materialien hergestellt werden können und ökonomisch konkurrenzfähig sein.
Alles dies soll durch die Kombination der vorgenannten Merkmale mit den nachfolgend genannten zusätzlichen Merkmalen erreicht werden:
4. Die wenigstens eine zweite Platte (31, 131, 132) ist in dem zweiten Bereich (30) derart angeordnet, dass sie
a) von der wenigstens einen ersten Platte in einer axial versetzten Weise beabstandet ist und
b) die wenigstens eine erste Platte (21, 121, 122) in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt.
II.
Der von den Beklagten unter der Bezeichnung „Duel-Tray„ angebotene und vertriebene Behälter für CDs oder DVDs verwirklicht die in Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellte Lehre wortsinngemäß. Das ist zwischen den Parteien hinsichtlich der Merkmale 1 bis 2 b) bb), 3 bis 4 und 4 b) – zu Recht – unstreitig, so dass es insoweit keiner weiteren Erläuterungen bedarf. Darüber hinaus entspricht die angegriffene Ausführungsform aber auch den Anforderungen der Merkmale 2 b) cc) und 4 a).
1.) Nach der Merkmalsgruppe 2 weist der tablettartige Körper neben Sitzen zum Aufnehmen von wenigstens zwei Platten Bereiche auf und zwar einen ersten Bereich zum Aufnehmen von wenigstens einer ersten Platte und wenigstens einen zweiten Bereich zum Aufnehmen wenigstens einer zweiten Platte. Vor diesem Hintergrund sieht Merkmal 2 b) cc) vor, dass der zweite Bereich auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liegen soll.
Nach Ansicht der Klägerin beschreibt das Klagepatent mit dem Begriff des „Bereichs„ einen dreidimensionalen Raum, in dem die Platten aufgenommen werden. Deshalb sei für die Frage, ob der zweite Bereich auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liege, auf die relative Beziehung der beiden Bereiche abzustellen. Demgegenüber werden die Bereiche nach Meinung der Beklagten durch den jeweiligen Boden des tablettartigen Körpers sowie die daran anschließenden Seitenwände gebildet
Der Auslegung der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Bei technisch funktionaler Betrachtungsweise ist unter den Bereichen, die der erfindungsgemäße Behälter aufweisen soll, ein dreidimensionaler Raum zu verstehen, der geeignet ist, wenigstens eine Platte aufzunehmen. Das ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut der Merkmalsgruppe 2, in der ein erster Bereich zum Aufnehmen von wenigstens einer ersten Platte und wenigstens ein zweiter Bereich zum Aufnehmen von wenigstens einer zweiten Platte vorgesehen ist und entspricht Merkmal 1, wonach ein Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CDs unter Schutz gestellt werden soll. Die räumlichen Anordnung des ersten gegenüber dem zweiten Aufnahmebereich wird in Merkmal 2 b) cc) dahingehend konkretisiert, dass der zweite Bereich auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liegen soll. In Zusammenwirken mit der Merkmalsgruppe 4, wonach die wenigstens eine zweite Platte in dem zweiten Bereich derart angeordnet ist, dass sie von der wenigstens einen ersten Platte in einer axial versetzten Weise beabstandet ist und die wenigstens eine erste Platte in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt, wird eine Anordnung erreicht, die es dem Benutzer ermöglicht, jede der Platten – und damit insbesondere auch die wenigstens eine erste Platte – dem Behälter ohne Schwierigkeiten zu entnehmen (vgl. deutsche Übersetzung des Klagepatents, Anlage K 2, S. 3, Z. 28 ff.). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Teilfläche des Behältnisses, über der die wenigstens eine erste Platte angeordnet ist und die Teilfläche, über der sich die wenigstens eine zweite Platte befindet, auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Vielmehr ist allein die relative Höhenanordnung der Platten zueinander von Bedeutung, die es ermöglicht, Behälter zu vermeiden, bei denen die Platten (etwa CDs) Seite an Seite liegen (vgl. a.a.O., S. 1, Z. 3 ff.; S. 6, Z. 5 ff.). Der Durchschnittsachmann wird daher bei der Definition des Bereichs auf den dreidimensionalen Raum abstellen, in dem die wenigstens eine erste gegenüber der wenigstens einen zweiten Platte aufgenommen ist, so dass nach Merkmal 2 b) cc) allein erheblich ist, ob die wenigstens eine zweite Platte oberhalb der wenigstens einen ersten Platte liegt. Ob zusätzlich die Teilfläche des Behältnisses unterhalb der wenigstens einen zweiten Platte auf einem höheren Niveau liegt als die Teilfläche des Behältnisses unterhalb der ersten Platte, ist ohne Belang. Dass Figur 3 gerade eine solche Ausgestaltung zeigt, steht dem nicht entgegen, weil in Figur 3 lediglich ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel wiedergegeben ist, das die in Patentanspruch 1 niedergelegte weitere Lehre nicht zu beschränken vermag. Danach wird Merkmal 2 b) cc) durch die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß verwirklicht, weil der Bereich, in dem die zweite CD aufgenommen ist, sich oberhalb des Bereichs befindet, der von der ersten CD eingenommen wird.
2.) Die Beklagten stellen darüber hinaus die Verwirklichung des Merkmals 4 a) in Abrede. Sie meinen, dass die erste und die zweite Platte bei der angegriffenen Ausführungsform nicht hinreichend beabstandet seien, um ein sicheres und bequemes Entfernen der ersten CD auch dann zu erlauben, wenn nicht zuvor die zweite CD entnommen worden ist. Auch darin kann ihnen nicht zugestimmt werden.
Merkmal 4 a) schreibt vor, dass die wenigstens eine zweite Platte in dem zweiten Bereich derart angeordnet ist, dass sie von der wenigstens einen ersten Platte in einer axial versetzten Weise beabstandet ist. Damit ist – wie auch die Beklagten zu Recht hervorheben – nicht jeder noch so kleine Abstand zwischen den Platten gemeint. Vielmehr muss der Abstand zwischen den Bereichen so gewählt werden, dass jede der Platten – also auch die untere wenigstens eine erste Platte – leicht und sicher entnommen werden kann. Das ergibt sich für den Fachmann aus der Beschreibung des Klagepatents, wenn darin ausgeführt wird, dass ein Behältnis zur Aufnahme einer Vielzahl von Platten bereit gestellt werden soll, bei dem einerseits die äußeren Abmessungen des Behältnisses reduziert werden können (vgl. a.a.O., S. 1, Z. 3 ff., 15 ff.; S. 6, Z. 5 ff.), und bei dem andererseits eine leichte und sichere Handhabung möglich ist (vgl. a.a.O., S. 1, Z. 25 ff.; S. 3, Z. 28 ff.; S. 6, Z. 5 ff.). Den Beklagten kann aber nicht darin beigetreten werden, dass der bei der angegriffenen Ausführungsform – bei unstreitig axialem Versatz – zwischen der ersten und der zweiten CD realisierte Abstand nicht hinreichend sei, um ein leichtes und sicheres Entnehmen der unteren ersten CD zu ermöglichen, auch wenn die obere zweite CD dem Behältnis nicht zuvor entnommen worden ist. Vielmehr kann die erste CD, wie sich anhand des von der Klägerin vorgelegten Musters ohne weiteres nachvollziehen lässt, dem Behältnis auch ohne vorherige Entnahme der zweiten CD problemlos entnommen werden. Dies ist in aller Regel auch ohne Berührung des Randes der zweiten CD möglich. Selbst wenn es dabei gelegentlich doch zu einer Berührung kommen sollte, wird dadurch die Sicherheit der Entnahme nicht in Frage gestellt, weil davon die allein kratzempfindlichen Teilbereiche der Unterseiten der CDs nicht berührt werden. Die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Beabstandung der beiden CDs genügt damit den Anforderungen des Merkmals 4 a) des Klagepatents.
III.
1.) Die Beklagten sind gegenüber der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG.
2.) Die Klägerin kann von den Beklagten überdies Schadensersatz verlangen, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1), wie die Beklagte zu 2) als deren Geschäftsführerin, die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
3.) Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
Die Beklagten haben schließlich über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140 b PatG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.
IV.
Eine Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf die von dem belgischen Unternehmen BDMO gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht eingereichten Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst, § 148 ZPO.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist, § 58 Abs. 1 PatG. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
Nach diesen Grundsätzen ist eine Aussetzung der Verhandlung hier nicht gerechtfertigt.
Mit der Nichtigkeitsklage wird allein der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht, Art. II § 5 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 52 ff. EPÜ. Die Nichtigkeitsklägerin beruft sich darauf, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und stellt zur Begründung zum einen auf druckschriftlichen Stand der Technik und zum anderen auf eine offenkundige Vorbenutzung ab.
Bei dem druckschriftlichen Stand der Technik handelt es sich um die Entgegenhaltungen WO-A-92/15505 und DE-U-86 25 285. Beide Druckschriften sind bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden und als nicht erfindungshindernd angesehen worden. Soweit die Nichtigkeitsklägerin – und mit ihr die Beklagte in diesem Verfahren – darauf abhebt, dass sich auch die Merkmale der Merkmalsgruppe 3 aus der WO-A92/15505 ergeben würden, kann dies dahin gestellt bleiben. Denn selbst wenn den Beklagten soweit gefolgt wird, steht immer noch in Zweifel, ob dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt aus beiden Druckschriften der kombinierte Gegenstand aus Patentanspruch 1 nahe gelegt worden ist.
Die für eine Aussetzung erforderliche Erfolgswahrscheinlichkeit ergibt sich zudem nicht aus der in der Nichtigkeitsklage vorgetragenen offenkundigen Vorbenutzung. Wie auch von der Nichtigkeitsklägerin eingeräumt wird, weist das in der Anlage MBP 10 zur Nichtigkeitsklage fotografierte Behältnis jedenfalls nicht das Merkmal 3 a) auf, wonach jede der Platten individuell erfasst werden soll. Zudem ist auch nicht das Merkmal 4 a) offenbart, wenn dieses – mit den Beklagten – zutreffenderweise so verstanden wird, dass der Abstand der ersten von der zweiten Platte in einer axial versetzten Weise derart beschaffen ist, dass die untere erste Platte auch dann herausgenommen werden kann, wenn die obere zweite Platte in dem zweiten Bereich aufgenommen ist. Der in den vorgelegten Fotografien gezeigte Gegenstand nimmt daher den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neuheitsschädlich vorweg und es ist auch nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Überlegungen dieser für den Fachmann nach Kenntnisnahme der Vorbenutzung zum Prioritätszeitpunkt nahegelegen haben soll.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 108 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
Der Streitwert beträgt 500.000,– Euro.
Dr. R1 R3 R2