21 O 21505/05 – Farben-Mischvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 557

Landgericht München I
Urteil vom 23. August 2006, Az. 21 O 21505/05

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert des Verfahrens wird festgesetzt auf € 500.000,-.
Tatbestand:

Die Parteien streiten um Unterlassung, Schadensersatzfeststellung und Auskunft betreffend eine vermeintliche Patentverletzung durch die Beklagte.
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP-0 786 xxx (nachstehend Streitpatent). Die Anmeldung datiert vom 23.1.1997, die Erteilung des Patents wurde am 16.8.2000 veröffentlicht (Anlage K2). Das Patent steht auch in

Deutschland in Kraft (Übersetzung der Patentschrift siehe Anlage K3; Auszug aus dem Patentregister Anlage K4).
Das Patent betrifft eine Mischvorrichtung für Fluide, insbesondere für Farben oder industrielle Tinten.
Am Stand der Technik kritisiert die Streitpatentschrift:
Es sind Mischvorrichtungen für Fluide wie 2.B. Farben oder industrielle Tinten bekannt, welche mehrere normal geschlossene Ventile aufweisen mit mindestens einem Fluidzufuhrkanal (der zweckmäßigerweise mit einem unter Druck stehenden Fluidgefäß verbunden ist) und einer Zufuhrdüse. Jedes Ventil ist an einem Schlitten bzw. Gleiter angebracht, welcher, von einer entsprechenden Betätigungsvorrichtung {z.B. einem pneumatischen Zylinder) zwischen einer Ruhestellung und einer Arbeitsstellung bewegbar ist, bei welcher das Ventil mit einem Teil verbindbar ist, damit das Ventil zumindest teilweise geöffnet wird, so daß das Fluid aus der Düse in einen Mischbehälter fließt« Mischvorrichtungen des obigen Typs sind teuer, und weisen eine sehr komplizierte mechanische Struktur auf mit einer hohen Anzahl von Teilen (insbesondere einer hohen Anzahl von Betätigungsvorrichtungen zum Betreiben der Ventile). Eine derartige Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 ist aus der GB-A-2060563 bekannt.
(deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift, Anlage K3, Seite 2)

Hieran anschließend wird die technische Aufgabe des Patentes wie folgt definiert:
Es ist ein Ziel der vorliegenden Erfindung, eine Mischvorrichtung für Fluide, insbesondere für Farben oder industrielle Tinten, zur Verfügung zu stellen, die so aufgebaut ist, daß die Nachteile/ die typischerweise bei bekannten Vorrichtungen auftreten, überwunden werden,
(deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift, Anlage K3, Seite 1)
Zur Lösung dieser Aufgabe wird eine Fluidmischvorrichtung wie im Hauptanspruch 1 charakterisiert vorgeschlagen:
1. Afluid mixing device, particularly for paint or industrial ink, comprising:
– a supporting structure (3);
a number of slides (24] supporting at least a *Q respective normally closed valve (29) comprising at least one fluid supply conduit (34), a fluid nozzle (34), and a control member (35) lor at least partially opening the valve (23); characterised by,
– a number of guides (22) fitted to said supporting structure (3) and extending radial from a central portion (5) of the supporting structure (3);
each guide (22) supporting a respective slide (24) running along the guide (22);
– selecting means (42) fitted to said supporting structure (3); said selecting means (42) comprising at least a rotary portion (57) movable angularly about an axis of rotation (11) by drive means (66);

said selecting means (42) comprising an engaging device (106) fitted to said rotary portion (57) and having an engaging member (108, 109) movable radially between a first position and a second position;
said rotary portion (57) being settable to a number of angular positions in which said engaging member (108, 109), set to said first position, engages a respective slide (24) set to an idle position; said engaging member (108, 109) being movable from said first position to said second position to move said slide (24) from said idle position to an operating position in which said valve (29) engages valve opening means (103) for at least partially opening the valve (29).
(maßgebliche englische Sprachfassung, Anlage K 2, Spalten 5 und 6)
In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1:

1. Mischvorrichtung für Fluide, insbesondere für Farben oder industrielle Tinten, mit:
einer Tragestruktur (3);
mehreren Schlitten (24), die mindestens ein entsprechendes, normal geschlossenes Ventil (29) tragen, welches mindestens einen Flußzufuhrkanal (34), eine Fluiddüse (34), und ein Steuerteil (35) zum zumindest teilweisen Öffnen des Ventils (29) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Führungen (22) vorgesehen sind, die an der Tragestruktur (3) angebracht sind, und sich radial von einem zentralen Abschnitt (5) der Tragestruktur (3) aus erstrecken; wobei jede Führung {22} einen entsprechenden Schlitten (24) trägt, der die Führung (22) entlang läuft; AuswahImittel (42), die an der Tragestruktur (3) angebracht sind, wobei die Auswahlmittel (42) mindestens einen drehbaren Abschnitt (57) aufweisen, der von Antriebsmittein (66) um eine Rotationsachse (11) gedreht werden kann; wobei die AuswahImittel (42) eine Eingriffsvorrichtung (106) aufweisen, die an dem drehbaren Abschnitt (57) angebracht ist, und ein Eingriffsteil (103, 109) aufweist, welches zwischen einer ersten Stellung und einer zweiten Stellung radial bewegbar ist; und wobei der drehbare Abschnitt (57) bei mehreren Winkeisteilungen einstellbar ist, bei welchen das bei der ersten Stellung eingestellte Ein-griffsteil (100, 109) in Eingriff mit einem entsprechenden bei einer Ruhestellung eingestellten Schlitten (24) kommt; wobei das Eingriffteil (108, 109) von der ersten Stellung zu der zweiten Stellung bewegbar ist, um den Schlitten (24) von der Ruhestellung zu einer Arbeitsstellung zu bewegen, bei welcher das Ventil (29) in Eingriff mit Ventilöffnungsmitteln (103) kommt, um das Ventil (29) zumindest teilweise zu öffnen.

(Anlage K 2, Spalte 8)

(Anlage K 2, Seite 9)
Die Erfindung wird unter Bezug auf die begleitenden Zeichnungen beschrieben, von denen Figur 1 nachfolgend wiedergegeben wird:

Beschreibung vermerkt dazu (auszugsweise):
In Fig. l bezeichnet ein Bezugszeichen l eine Mischvorrichtung für Fluide, insbesondere für Farben oder industrielle Tinten. Die Mischvorrichtung 1 weist eine Tragestruktur 3 (teilweise gezeigt) auf, die wiederum eine zentrale Struktur 5, und mehrere gerade Trage- und Führungselemente 7 aufweist, die gleiche Winkelabstände haben, und sich radial von der zentralen Struktur 5 aus erstrecken. Genauer weist die zentrale Struktur 5 einen zylinderförmigen, röhrenförmigen Körper 10 koaxial zu einer Achse 11 auf, der wiederum einen ersten, oberen Endabschnitt (nicht gezeigt) aufweist, welcher an einem Tragerahmen (nicht gezeigt) angebracht ist, und einen zweiten, unteren Endabschnitt 10a, der an einem ringförmigen Plansch 12 angebracht ist, der sich von dem röhrenförmigen Körper 10 aus nach außen erstreckt. Jedes gerade .Trageelement 7 weist ein Querstück 17 auf, welches wiederum einen ersten Endabschnitt 17a aufweist, welcher durch ein
Trageelement 18 an dem röhrenförmigen Körper 10 und dem Flansch 12 angebracht ist, und einen zweiten Endabschnitt 17b, der eine Platte 20 trägt. Jedes gerade Trageelement 7 weist auch eine gerade Führung 22 (teilweise gezeigt) auf, die an der Platte 20 angebracht ist, und sich parallel zu dem Querstück 17 von der Platte 20 zu dem röhrenförmigen Körper 10 hin erstreckt. Die geraden Führungen 22 weisen gleiche Winkelabstände auf, und erstrecken sich radial von der zentralen Struktur 5.
Entlang jeder Führung 22 läuft ein Schlitten 24, welcher eine im wesentlichen rechteckige Wand 25 aufweist, von der aus sich integral nach unten ein trapezförmiger Ansatz 27 erstreckt, der einen Endabschnitt 27a aufweist, welcher ein bekanntes Dreiwegventil 29 trägt.
(deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift, Anlage K3, Seiten 2/3)

Die Beklagte ist Wettbewerberin der Klägerin in der Herstellung und im Vertrieb von Fluidmischeinrichtungen.
Auf der in Nürnberg stattgefundenen Fachmesse „XY“ stellte sie im April 2005 eine Dosiermischeinrichtung aus, die zugleich mit dem auf dem Messestand ausliegenden Prospekt (Anlage K7,) beworben und zum Verkauf angeboten wurde. Weitere Detailaufnahmen dieser angegriffenen Ausführungsform finden sich in Anlage B5.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Streitpatent. Unabhängig davon, dass bei dieser eine zentrale Führung vorgesehen sei, auf der ein Schlitten hin und her fahrender die einzelnen Ventile von der Ruhe- in die Arbeitsstellung befördere (erkennbar auf Bildern 4 und 12 der Anlage B5, einmal ohne, einmal mit aufgenommenem Ventil), weise der zentrale Dosierkreis der Beklagten dennoch eine Mehrzahl von Führungen und Schlitten auf, wie sie im Streitpatent vorausgesetzt werden. Denn auch der in radialer Richtung nach außen weisende Dornfortsatz am unteren Ende der Ventile, sowie die seitlichen Führungsflächen am oberen Ende (gut erkennbar in Bild Nr. 1.3 der Anlage B5) wirke mit der kreisförmigen Aussparung und den beiden Haltewangen der Ventilaufnahme in dessen Ruhestellung (erkennbar in Bild 14 der Anlage B5) wie Führung und Schlitten zusammen (siehe die in Bild 15 und 16 der Anlage B5 angedeutete Bewegung beim Einführen des Ventils in seine Ruheposition).
Die Klägerin vertritt insoweit die Auffassung, dass der Abschnitt des Kennzeichnungsteils von Anspruch 1, wonach „mehrere Führungen (22) vorgesehen sind, die an der Tragestruktur (3) angebracht sind, und sich radial von einem zentralen Abschnitt (5) der Tragestruktur (3) aus erstrecken“ in der deutschen Übersetzung nicht angemessen wiedergegeben ist. Der englische Originaltext „a number of guides (22) fitted to said supporting structure (3) and extending radially from a central portion (5) of the supporting structure (3)“ sei vielmehr richtig dahin zu übersetzen, dass „mehrere Führungen (22) vorgesehen sind, die an der Tragestruktur (3) angebracht sind und sich radial von einem zentralen Abschnitt (5) der Tragestruktur (3) aus erstrecken“. Für das Merkmal der „radialen Erstreckung“ genüge es daher, dass die Führungen in radialer Hinsicht auf das Zentrum der Anlage zuwiesen; eine Aussage über das Ausmaß der Erstreckung der körperlichen Struktur der Führungen könne aus diesem Merkmal dagegen nicht abgelesen werden.
Die Klägerin legt eine aus ihrer deutschen Übersetzung und dem Wortlaut der niederländischen Übersetzung abgeleitete Merkmalsanalyse zu Patentanspruch 1 vor, hinsichtlich derer auf die Seiten 9-11 der Klageschrift verwiesen wird.
Sie ist der Ansicht, dass die Anlage der Beklagten auch von allen weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 Gebrauch macht.
Die Klägerin beantragt daher:
I. Der Beklagten wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu €500.000,-
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollziehen am jeweiligen gesetzlichen Vertreter, verboten, Mischvorrichtungen für Farben oder industrielle Tinten in Deutschland auszustellen, zu bewerben, anzubieten und/oder zu liefern, die folgende Merkmale aufzuweisen:

– ein Traggerüst mit einer daran im Kreis angeordneten Mehrzahl von Ventilen, die jeweils auf einem mittels einer Führung geführten Schlitten radial zur Mitte des Kreises hin beweglich sind,
– jedem Ventil ist ein Zufuhrschlauch, eine Düse und ein Steuerteil zum Öffnen des Ventils zugeordnet,
– an dem Traggerüst ist mittig eine Operationseinheit mittels Antriebsmitteln drehbar angeordnet, die einen Arm zum Ergreifen jeweils eines gewählten Ventils bzw. Schlittens und zum radialen Bewegen des Ventils bzw. Schlittens aus einer Ruhestellung in eine Arbeitsstellung zur Mitte des Kreises hin aufweist, und
– Ventilöffnungsmittel zum Öffnen des Ventils in der Arbeitsstellung.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der diese durch Handlungen nach Ziff. I. entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Handlungen nach Ziff. I in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar insbesondere unter Angabe von Namen und Anschriften aller Angebotsempfänger und Empfänger von Mischvorrichtungen nach Ziff. I, sowie der Angebotsund/oder Lieferzeitpunkte, und der Klägerin Rechnung zu legen über ausgelieferte Mischvorrichtungen nach Ziff. I., und zwar unter aufgeschlüsselter Angabe der Gestehungskosten, der Lieferpreise und des erzielten Gewinns.

Der Beklagte beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagte hat eine eigene Merkmalsanalyse aufgestellt, hinsichtlich derer auf Bl. 34, 35 d.A. (Klageerwiderungsschriftsatz vom 3.5.2006 Seite 5/6) verwiesen wird.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Streitpatent im Plural von „Auswahlmitteln“ spricht. Sie ist der Ansicht, dass dieses Merkmal bei ihrer Ausführungsform nicht erfüllt sei, da diese nur über eine einzelne Auswahlvorrichtung (angebracht an der im Zentralbereich der Anlage vorgesehenen Führung) verfüge.
Die Beklagten berufen sich ferner darauf, bei ihrer Anlage fehle es an den im Hauptanspruch 1 genannten mehreren Führungen und mehreren Schlitten. Auch verstehe der Fachmann sowohl in der englischen Originalfassung als auch in der deutschen Übersetzung das Merkmal „von einem zentralen Abschnitt der Tragestruktur aus erstrecken“ durchaus strukturell und nicht nur im Sinne einer bloßen Ausrichtung; daher müssten die Führungen sich auch körperlich bis in einen zentralen Abschnitt (central portion) erstrecken.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Ausführungen der Parteien im Protokoll der Verhandlung vom 28.6.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angegriffene Ausführungsform „Zentrierdosierkreis“ der Beklagten macht nicht von allen Merkmalen des Streitpatentes Gebrauch, so dass weder ein Untersagungsanspruch noch Ansprüche auf Auskunft- und Schadenersatzfeststellung gegeben sind.
1. Das Patent betrifft eine Mischvorrichtung für Fluide, insbesondere für Farben oder industrielle Tinten. Die Erfindung verfolgt dabei das Ziel, mit einer möglichst einfachen mechanischen Struktur und einer geringen Anzahl von Betätigungsvorrichtungen einen Mechanismus zur Verfügung zu stellen, der es erlaubt, eine Vielzahl von Ventilen, die jeweils mit einem bestimmten Farbbehälter verbunden sind, sukzessive aus ihrer Ruhestellung in eine zentral über dem zu befüllenden Behälter gelegene Arbeitsstellung zu führen, in der sie von Ventilöffnungsmitteln ergriffen und (ggf. teilweise) geöffnet und wieder geschlossen werden können.
Das Klagepatent löst diese Aufgabe, in dem es vorschlägt, eine Vielzahl von Schlitten, die jeweils ein – mit einem Zufuhrkanal an einen Fluidbehälter angeschlossenes – Ventil tragen, derart an einer Tragestruktur mit einer Vielzahl von radial auf das Zentrum zulaufenden Führungen anzubringen, dass mit einer zentralen, um eine Rotationsachse drehbar angeordneten, Auswahlvorrichtung die an den Schlitten befestigten Ventile aus ihrer Ruhestellung in der Peripherie in eine zentrale, über dem zu befüllenden Behälter befindliche Position gebracht und dort von einer zentralen Ventilöffnungseinrichtung geöffnet und geschlossen werden können.

2. Nach Auffassung der Kammer ist der Hauptanspruch 1 des Streitpatents im Sinne einer Merkmalsanalyse wie folgt zu gliedern:
Mischvorrichtung für Fluide, die folgende Merkmale aufweist:
1. eine Tragestruktur (3);
2. mehrere Schlitten (24);
a) Diese Tragen jeweils mindestens ein normalerweise geschlossenes Ventil (29) mit
b) mindestens einem Fluidzufuhrkanal (34),
c) einer Fluiddüse (34),
d) einem Steuerteil zum mindestens teilweise Öffnen des Ventils (29);
3. mehrere Führungen (22)
a) Diese sind an der Tragestruktur (3) angebracht und
b) erstrecken sich radial von einem zentralen Abschnitt der Tragestruktur aus;
4. jede Führung (22) trägt eine entsprechenden Schlitten (24), der die Führung (22) entlang läuft;
5. an der Tragestruktur (3) sind Auswahlmittel (42) angebracht, wobei
a) die Auswahlmittel mindestens einen drehbaren Abschnitt (57) aufweisen
b) der drehbare Abschnitt (57) der Auswahlmittel (42) von Antriebsmitteln (66) gedreht werden kann
c) und zwar um eine Rotationsachse
6. Die Auswahlmittel (42) weisen eine an dem drehbaren Ab
schnitt (57) angebrachte Eingriffsvorrichtung (106) auf;
7. Die Eingriffsvorrichtung (106) weist ein Eingriffsteil (108),
(109) auf,
a) welches zwischen einer ersten und einer zweiten Stellung bewegbar ist;
b) und zwar radial;
8. Der drehbare Abschnitt (57) ist in mehreren Winkelstellungen
einstellbar,
a) bei welchen das bei der ersten Stellung eingestellte Eingriffsteil (108, 109) in Eingriff mit einem entsprechenden bei einer Ruhestellung eingestellten Schlitten (24) kommt,
b) wobei das Eingriff steil (108, 109) von der ersten zu der zweiten Stellung bewegbar ist,
c) um den Schlitten (24) von der Ruhestellung zu einer Arbeitsstellung zu bewegen
d) dabei kommt das Ventil in Eingriff mit Ventilöffnungsmitteln;
9. Diese öffnen das Ventil zumindest teilweise.
3. Die angegriffene Ausführungsform der Beklagten verfügt nicht über „mehrere Schlitten“ im Sinne von Merkmal 2., die an „mehreren Führungen“ im Sinne von Merkmal 3 „entlang laufen“ im Sinne von Merkmal 4 und dabei „von der Ruhestellung zu einer Arbeitsstellung“ bewegt werden im Sinne von Merkmal 8c. Darüber hinaus liegen keine „mehreren Führungen“ vor, die sich „radial von einem zentralen Abschnitt der Tragestruktur aus“ erstrecken, im Sinne von Merkmal 3b.
a) eine Auslegung des Patentanspruchs 1 in seiner Gesamtschau ergibt, dass Führungen nur dann als patentgemäß anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, mittels des daran angebrachten Schlittens die Ventile auf dem gesamten Weg von ihrer Ruhe- bis zu ihrer Arbeitsstellung zu führen. Hieran fehlt es jedoch vorliegend.

Der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss und Erfahrung im Anlagenbau, entnimmt bereits der Formulierung des Patentanspruchs 1, dass die dort in Merkmal 3 genannten Führungen so ausgestaltet sein müssen, dass der in Merkmal 2 genannte Schlitten, wie in Merkmal 4 ausgedrückt, an diesen über einen längeren Weg entlang läuft. Der Fachmann entnimmt Anspruch 1 des Weiteren, dass der Schlitten insgesamt eine Strecke zurücklegt, die von der Ruhestellung des Ventils bis zu dessen Arbeitsstellung reicht (8c). Hierbei wird der Schlitten gemäß Merkmal 8b von einer Bewegungsvorrichtung angetrieben, die dem „Eingriffsteil“ zugeordnet ist (siehe auch Merkmal 7a). Der Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 somit, dass Führung und Antrieb und Schlitten getrennt sind. Er erhält jedoch keinerlei Hinweise, dass der Schlitten nur auf einem geringen Teil seines Weges von der Führung geführt wird und geht daher nach dem natürlichen Verständnis der Begriffe davon aus, dass der Schlitten nicht nur ein kurzes Stück weit, sondern über seinen gesamten Weg die Führung entlang läuft. Dieses Verständnis wird weiter gefördert durch die der Patentschrift beigefügten Zeichnungen und die dazu gelieferte Beschreibung. Diese schränkt nicht einmal ein, es handle sich insoweit um ein Ausführungsbeispiel der Erfindung, sondern nimmt (gemäß Zeilen 1 und 2 auf Seite 2 der deutschen Übersetzung, Anlage K3) für sich in Anspruch, „die vorliegende Erfindung“ werde hiermit beschrieben.
So heißt es in der Beschreibung (Seite 3 unten / Seite 4 oben der deutschen Übersetzung, Anlage K3) klar und eindeutig:
„Wie später beschrieben wird, ist jeder Schlitten 24 zwischen einer Ruhestellung (die in Figur 1 durch die durchgehende Linie gezeigt ist), bei welcher der Schlitten 24 bei einem ersten Ende der Führung 22 nahe an der Platte 20 angeordnet ist, und das Ventil 29 bei einem vorbestimmten Abstand L von der Achse 11 angeordnet ist, und einer Arbeitsstellung (in Figur 1 durch die gestrichelte Linie gezeigt) bewegbar, bei welcher der Schlitten 24 bei einem zweiten Ende der Führung 24 nahe bei dem röhrenförmigen Körper angeordnet ist, und das Ventil 29 koaxial mit der Achse 11 ist.“
Auch soweit die Beschreibung im weiteren nähere Ausführungen zu der Auswahlvorrichtung 42 macht und die Bewegung der Stange 84 durch den pneumatischen Betätiger 106 schildert (Seiten 4-7 der Beschreibung) wird für den Fachmann erkennbar, dass die Stange lediglich dazu dient und in der Lage ist, den Schlitten auf der Führung zu bewegen, nicht jedoch die Führung auf großen Strecken zu ersetzen und dabei das Gewicht des Schlittens aufzunehmen.‘
Soweit die Beschreibung schließlich auf Seite 7 unten bis 8 die Anlage in Funktion nochmals Ablauf für Ablauf beschreibt, ergibt sich hieraus das Gleiche. So heißt es dort (Seite 8 Mitte):
„Bei dieser Stellung (deutlich in Figur 1 gezeigt) ist das Element 109 innerhalb des Sitzes 31 angeordnet. Wegen der T-Form des Sitzes 31 und des Elements 109 wird durch ein axiales Verschieben der Steuerwelle 108 der Schlitten 24 entlang der Führung 22 bewegt. Die elektronische Einheit 130 betätigt dann den pneumatischen Betätiger 106, um die Steuerwelle 108 in die zurückgezogene Stellung zu bewegen, so dass der Schlitten 24 zur zentralen Struktur 5 hin, und das Ventil 29 zu der Achse 11 hin gezogen wird.“
Auch hieraus ergibt sich für den Fachmann mangels anderer Anhaltspunkte, dass der Schlitten auf seinem ganzen Weg entlang der Führung bewegt wird.

b) Auch das strukturell zu begreifende Merkmal 3b ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erfüllt, da dieses eine Erstreckung der Führung von einem zentralen Abschnitt der Tragestruktur zur Peripherie voraussetzt.
Auch dieses Verständnis wird für den Fachmann sowohl aus der oben bereits geschilderten Zusammenschau der verschiedenen Merkmale des Patentanspruchs 1 nahe gelegt; sie ergibt sich ferner auch aus Figur 1 und der darauf bezogenen Beschreibung, die gerade darauf hinweist, dass Führung 22 nur teilweise gezeigt ist. Wie auch im Patentanspruch selbst ist nicht davon die Rede, dass die Führungen nur radial ausgerichtet sind, wie die Beklagte durch ihre – nach Auffassung der Kammer jedoch nicht zutreffende Übersetzung des Abschnittes „extending radially from a central portion“ belegen möchte. Die Verwendung des Ausdrucks „extending“ bzw. „erstrecken“ sowohl im Klageanspruch als auch in der Beschreibung (nachfolgend in der deutschen Übersetzung) spricht für ein räumliches Verständnis und eine gewisse Ausdehnung, nicht nur für eine bestimmte Ausrichtung der Führung:
„Jedes gerade Trageelement 7 weist auch eine gerade Führung 22 (teilweise gezeigt) auf, die an der Platte 20 angebracht ist, und sich parallel zu dem Querstück 17 von der Platte 20 zu dem röhrenförmigen Körper 10 hin erstreckt.“
(Anlage K3, Seite 3 oben)
Bei der angegriffenen Ausführungsform befinden sich die Haltevorrichtungen für die Ventile in Ruhestellung, bei deren Benutzung die Klägerin von einem Zusammenwirken im Sinne von Führung und Schlitten ausgeht, weit in der Peripherie der Anlage und keinesfalls in einem Bereich, der noch als „zentral“ angesehen werden könnte. Sie liegen auch nicht in Nähe des „röhrenförmigen Körpers 10″, der in der zuletzt genannten Passage der Beschreibung in Referenz genommen wird. Auch die Fortsetzung der Textstelle zeigt, wo das Klagepatent den Endbereich der Führungen verortet, nämlich in der Nähe der zentralen Struktur, die in Figur 1 und 2 mit Ziff. 5 bezeichnet ist:
„Die geraden Führungen 22 weisen gleiche Winkelabstände auf, und erstrecken sich radial von der zentralen Struktur 5″
(Seite 3 oben der deutschen Übersetzung Anlage K3).
Damit wird auch deutlich, dass das Streitpatent sehr wohl zwischen einer Erstreckung der Führungen bis zum Mittelpunkt des Kreises (was in der Tat eine widersinnige Vorstellung wäre) und der Erstreckung bis in einen zentralen Bereich, der durch die Struktur 5 und die darunter angeordnete Röhre 10 gekennzeichnet wird, unterscheidet. Aus diesem Grunde stellen die von der Klägerin geäußerten Bedenken gegen ein strukturelles Verständnis des Merkmals 3b auch nur ein Scheinproblem dar.
Die von der Beklagten zur weiteren Verteidigung vorgebrachte Ansicht, mangels Vorliegens mehrerer Auswahlmittel bei der angegriffenen Ausführungsform sei auch Merkmal 5 nicht erfüllt, gehen ins Leere. Aus der Patentbeschreibung wird klar deutlich, dass die Verwendung des Plurals nicht auf die Notwendigkeit mehrerer Auswahlmechanismen hindeutet. Vielmehr spricht die Beschreibung immer wieder (Seite 5 folgende der deutschen Übersetzung Anlage K3) von „einer Auswahlvorrichtung 42″, die aus einer Vielzahl von Einzelteilen besteht. Der Fachmann wird daher diese Einzelteile in ihrer Gesamtheit als die „Auswahlmittel“ ansehen, welche im Patentanspruch genannt werden.
Da es an einer Patentverletzung jedoch bereits aus den oben a) und b) genannten Gründen fehlt, kam es hierauf im Ergebnis nicht mehr an.
4. Da der Beklagten somit eine Verletzung des Streitpatents nicht nachgewiesen werden kann, ist sie auch nicht zur Leistung von Schadenersatz und zur vorbereitenden Auskunft über den Umfang der Nutzung der angegriffenen Ausführungsform verpflichtet.

Nebenentscheidungen:
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit § 709 Satz 1 und 2 ZPO Streitwert: § 3 ff. ZPO, 3, 49 GKG.