21 O 18082/05 – PKW-Einbauglassscheiben

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 555

Landgericht München I
Urteil vom 9. August 2006, Az. 21 O 18082/05

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an deren Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1. in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbare Glassscheiben unter Anwendung eines Verfahrens mit den Merkmalen:
(1) Herstellen einer Verbindung zwischen einer in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbaren Glasscheibe und einem weiteren, ein Halteorgan aufweisendes Bauteil;
(2) auf eine im Verbindungsbereich befindliche Fläche der Glasscheibe wird ein Kleber aufgetragen;
(3) in den Kleberauftrag wird eine aushärtende Vergussmasse gesetzt;
(4) mit der in den Kleber gesetzten aushärtenden Vergussmasse wird an die Glasscheibe ein Zwischenhalter geformt;
(5) der Zwischenhalter ist mit einem Halteorgan des Bauteils in haltende Wirkverbindung bringbar; in der Bundesrepublik Deutschland gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
(Klagepatent 1, Anspruch 1)
II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Handlungen gemäß oben I. vom 3,7.1998-27.7.2002 eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der hier aus Handlungen gemäß I. seit dem 28.7.2002 entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen und
Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß oben I.
seit 3.7.1998 begangen hat und zwar unter Angabe
(1) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Lieferempfängern,
(2) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Angebotsempfängern,
(3) der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

(4) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
(5) der Gestehungskosten, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kostenfaktoren und des erzielten Gewinns.

IV. Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 1/4, die Beklagte 3/4; ihre notwendigen Auslagen trägt jede Partei selbst.
V. Das Urteil ist in Ziff. I., III. und IV. vorläufig vollstreckbar und zwar in Ziff. I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2 Mio. €, in Ziff. III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- € und in Ziff. IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:

Beide Parteien sind Lieferanten der Automobilindustrie. Beide Parteien liefern u. a. einbaufertige Glasscheiben für Automobile.
Die Klägerin ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 845 xxx (Klagepatent), das am 8.11.1987 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 3.6.1998 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 26.6.2002.
Der hier maßgebende Anspruch 1. des Klagepatents lautet wie folgt:
Verfahren zum Herstellen einer Verbindung zwischen einer in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbare Glasscheibe und einem weiteren, ein Halteorgan aufweisenden Bauteil, wobei auf eine in Verbindungsbereich befindliche Fläche der Glasscheibe ein Kleber aufgetragen wird und wobei mittels aushärtender Vergussmasse, die in den Kleberauftrag gesetzt wird, wenigstens ein Zwischenhalter an die Glasscheibe geformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Zwischenhalter mit mindestens einem Halteorgan des Bauteils in haltende Wirkverbindung bringbar ist.
In der Beschreibungseinleitung des Klagepatents wird ausgeführt (Abschnitt 0002-0005), dass übliche Verfahren zur Verbindung von Teilen lösbare und unlösbare Verbindungen umfassen. Geschildert werden dann die Nachteile von unlösbaren Verbindungen, wenn sie doch gelöst werden müssen. Zur Gruppe der unlösbaren Verbindungen gehört auch das nach der DE 374 271 9 bekannte Verfahren zur Herstellung einer eine Glasscheibe und eine Dichtung umfassenden Baugruppe für Fahrzeugdächer; dort werden eine Glasscheibe und eine Dichtung in eine zwangsverschließbare Form eingelegt; die in der geschlossenen Form vorhandene Kavität durch Einspritzen einer Elastomermasse gefüllt, wodurch eine Dauerverbindung zwischen der Scheibe und dem als Dichtung vorliegenden Bauteil hergestellt ist. Lösbare Verbindungen sind dagegen sowohl in der Herstellung noch Montage als auch insbesondere bei der Demontage arbeitsaufwendig und damit kostenintensiv.
In Abschnitt 0007 wird als der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe bezeichnet, eine Verbindung kostengünstig herzustellen, die mit geringem Arbeitsaufwand wieder lösbar ist. In Abschnitt 0009 wird als Besonderheit des hier angegebenen Verfahrens herausgestellt, dass das Bauteil mit der Glasscheibe nicht direkt verbunden wird, sonder vielmehr indirekt über den Zwischenhalter, wobei der Zwischenhalter in erfindungswesentlicher Weise an Ort und Stelle, dass heißt in Verbindungsbereich durch Gießen der flüssigen aushärtenden Vergussmasse ausgeformt wird. Zur Ausformung des Zwischenhalters können auch vorgefertigte Formteile verwendet werden, die z.B. zusammen mit entsprechenden Flächen des Bauteils die Ausformung des Zwischenhalters besorgen. (Abschnitt 0010)
Abschnitt 0011: Der aus Vergussmasse an Ort und Stelle, nämlich im Verbindungsbereich ausgeformte Zwischenhalter ist mit der Glasscheibe verklebt, da die noch mehr oder weniger flüssige Vergussmasse in den Kleberauftrag gesetzt wird…
Abschnitt 0014: Eine haltende Wirkverbindung zwischen Bauteilen und dem aus der Vergussmasse gebildeten Zwischenhalter wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, dass ein oder mehrere Halteorgane des Bauteils eine Ausgestaltung erhalten, die ihre Verklammerung, Verrastung oder dergleichen mit dem Zwischenhalter ermöglichen…
Zwischen Bauteil und Zwischenhalter besteht aber eine mechanische Verbindung die sich gegebenenfalls bei entsprechender Geometrie der Halteorgane auch relativ leicht wieder lösen lässt…

Abschnitt 0015: Die an der Ausformung der Vergussmasse zum Zwischenhalter beteiligten Flächen des Bauteils können bei Auftreten der Adhäsionsneigung der für Bauteile und Vergussmasse verwendeten Werkstoffe vor dem Anguss der Vergussmasse mit einem Trennmittel beschichtet werden….
Ausführungsbeispiele des Klagepatents werden u.a. in folgenden Zeichnungen wiedergegeben.

Die Beklagte fertigt für den Automobilhersteller A in B Frontscheiben für das Fahrzeug A XY. Die Beklagte rüstet Glasscheiben, die sie von der Firma C bezieht mit umrahmenden Profilteilen aus und liefert die ausgerüsteten Produkte an die Firma A. Unstreitig stellt die Zeichnung in Anlage K3 eine derartige Frontscheibe dar. Die Details der Verbindung von (Dichtungs-) Profilteilen und Scheibe zeigt dort die Einzelheit Y:

Die Kläger hat auch einen Ausschnitt aus einer derartigen Scheibe vorgelegt, die mit der Einzelheit Y übereinstimmt; dabei ist der oben schraffiert dargestellte Bereich mit einer Masse ausgefüllt, dje an der von der Scheibe abgewandten Seite eine leicht unregelmäßige glänzende Oberfläche aufweist. Ein Foto des entsprechenden Anschnitts der übergebenen, unstreitig von der Beklagten gefertigten
und an die Firma A AG gelieferten Scheibe ist in Anlage K6b gezeigt, von der folgend ein Ausschnitt wiedergegeben wird:

Die Beklagte hat gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage erhoben und diese zunächst auf die Offenlegungsschrift DE 195 948 28 gestützt, die ein Verfahren zum Herstellen und Verbinden eines Rahmens mit einer Glasscheibe in einer geschlossenen Spritzform unter Schutz stellt, wobei die Glasscheibe in dem Flächenbereich mit einem Haftvermittler versehen wird, in dem als ein sekundärer Rahmenteil bezeichneter Teil angebracht wird, der in dieser Spritzform durch Füllen eines Hohlraums mit Werkstoff erfolgt.
Des Weiteren hat sie die Nichtigkeitsklage auf verschiedene durch Gießen oder Spritzen hergestellte Verbindungen von Bauteilen in Kraftfahrzeugbau gestützt, darunter in Ni 1.5 und Ni 1.7 Durchgießen oder Spritzen hergestellte Polymerverbindungen von Luftfiltern mit Luftfiltergehäusen.
Außerdem hat sie nach der mündlichen Verhandlung die Nichtigkeitsklage gestützt (hier vorgelegt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 8. 5. 2006) auf die deutsche Offenlegungsschrift 38 18930 (Anlage N1 13), die ein Verfahren zum Vorbereiten einer Glasscheibe insbesondere einer Autoglasscheibe für den Einbau in einen Fensterrahmen durch Verklebung des Randbereichs der Glasscheibe mit dem Befestigungsflansch des Fensterrahmens unter Schutz stellt. Dabei werden auf der Glasscheibe wenigsten zwei Teilsträngen des Klebers mit kalibrierten Querschnitt jeweils durch Extrusion einer Klebermasse, die mit Hilfe einer kalibrierten Extruderdüse abgelegt, von denen ein Teilstrang beim Einsetzen der Glasscheibe in den Fensterrahmen ausgehärtet ist und ein anderer Teilstrang beim Einsetzen der Glasscheibe in den Fensterrahmen die aktive Kleberaupe bildet, wobei ein Teilstrang in möglichst kurzer Zeit aushärtet, während ein anderer Teilstrang eine ausreichend lange Zeit plastisch verformbar und klebaktiv bleibt.
Sie hat weiter die EP 0024 501 betreffend eine Zweikomponenten- Polyurethandichtmasse und ihre Verwendung vorgelegt, wobei Anspruch 15 die Verwendung als Dichtstoffe für Isolierglas und Anspruch 16 als Vergussmasse zum Vergießen von Isolierglaseinheiten in Rahmen, insbesondere Aluminiumrahmen unter Schutz stellt und schließlich die Europäische Patentanmeldung 06 147 75, in der ein Karosseriefenster mit einem umlaufenden, die Glasscheibe des Fensters umgreifenden Rahmen so ausgebildet werden soll, dass es möglich ist, vor der endgültigen Fixierung der Scheibe im Rahmen noch einen Lageausgleich zwischen diesen Teilen vornehmen zu können, wobei erfindungsgemäß vorgesehen ist, dass der dem Karosserieblech zugewandte Schenkel des Rahmens mit Durchbrüchen versehen ist, durch die ein aufgebrachter Kleber hindurch treten und damit den Rahmen und die Glasscheibe verbinden kann. Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten gelieferten Scheiben seien durch ein Verfahren nach Anspruch 1 des Klagepatents hergestellt.
Sie legt hierzu zunächst eine Merkmalsanalyse des Klagepatents (Anlage K 11 vor, die sie wie folgt sieht:
Verfahren mit folgenden Merkmalen:
1. Herstellen einer Verbindung zwischen
a) einer in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbaren Glasscheibe und
b) einem weiteren, ein Halteorgan aufweisendes Bauteil.
2. Auf einer im Verbindungsbereich befindlichen Fläche der Glasscheibe wird ein Kleber aufgetragen.
3. In den Kleberauftrag wird eine aushärtende Vergussmasse gesetzt.
4. Mit der an den Kleber gesetzten, aushärtenden Vergussmasse wird an die Glasscheibe wenigstens ein Zwischenhalter geformt.
5. Der Zwischenhalter ist mit mindestens einem Halteorgan des Bauteils in haltende Wirkverbindung bringbar.
Sie bezieht sich in soweit auf die Bezugszeichen in der Figur 1 der Klagepatentschrift.
Dies stehe auf Grund der unstreitigen Darstellung in der Zeichnung gemäß Anlage l<3, der übergebenen Fotos und des übergebenen Ausschnitts der von der Beklagten gefertigten Scheibe fest, die ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis gemäß § 139 Abs. 3 PatG. darstelle. Auch die Beklagte vergieße und spritze nicht im Sinne des Verständnisses des Fachmanns. Dabei führt die Klägerin zum Stand der Technik aus, die Herstellung derartiger Bauteile aus Scheiben mit Dichtungs-. oder Halterungsteilen sei durch Umspritzungen in einer verschlossenen Form erfolgt, wie in der Entgegenhaltung gemäß Anlage B3. Nachteile seien hohe Werkzeugkosten und hohes Glasbruchrisiko, wenn die Spritzform geschlossen werde. Davor seien die Vorfertigung von Rahmen aus Profilen, die an der Glasscheibe verklebt worden seien und die Direktprofilextrusion eines Profilrahmens auf die Scheibe bekannt gewesen, wobei bei beiden Verfahren die derart ausgerüsteten Scheiben mit Montagekleber befestigt worden seien. Das patentgemäße Verfahren schreibe im Gegensatz dazu die Fertigung eines Zwischenhalters durch Gießen einer Vergussmasse, die auf die Oberfläche der Glasscheibe gesetzt wird vor, im Unterschied zum Spritzpressen nach der Entgegenhaltung.
Ein derartiges Vergießen, also ein druckloses Verfahren finde auch bei dem Verfahren der Beklagten statt, was der fertigen Glasscheibe ohne weiteres zu entnehmen sei. Wenn die Beklagte geltend mache, dass aus dem unter der Glasscheibe angeordneten Behälter für die Vergussmasse diese mittels Druck auf die Oberfläche der Glasscheibe befördert und da selbst mit einer Düse aufgespritzt werde, werde dies bestritten; es sei gleichgültig, wo der Behälter angeordnet sei und ebenfalls gleichgültig, wie die Vergussmasse an ihren Einsatzort gelange. Entscheidend allein sei, dass es sich bei dem eigentlichen Verfahrensschritt, mit dem das Halteorgan des Bauteils mit dem Zwischenhalter in eine haltende Wirkverbindung bringbar sei, um einen drucklosen Vorgang, um ein Gießen und nicht um ein Spritzen wie bei der Injektionstechnik handle. So werde auch in der Zeichnung gemäß Anlage K3, die die streitgegenständliche Scheibe der Beklagten darstellt, von Ausgussmasse und Vergussmasse gesprochen. Die Klägerin bezieht sich auch auf die Original und die Fotos der von der Beklagten hergestellten Glasscheiben.
Soweit die Beklagte bei der Herstellung der streitgegenständlichen Scheiben ein Klebeband zwischen dem weiteren Bauteil anbringe, diene diese nur zur Fixierung, nicht der Verbindung des Zwischenhalters. Die eigentliche Befestigung des Bauteils bzw. die Verbindung des Bauteils mit Glasscheibe erfolge nämlich über den an die Glasscheibe geformten Zwischenhalter, so, wie dies bei dem patentierten Verfahren der Fall sei. Die eigentliche Haltefunktion übe auch bei dem angegriffenen Produkt des Beklagten der angeformte Zwischenhalter aus.
Die Beklagte benutze auch einen Kleber gemäß Merkmal 4.^ Soweit die Beklagte behaupte, der von ihr verwendete Auftrag sei ein Haftvermittler und kein Kleber, werde dies schon durch die Argumentation der Beklagten im Nichtigkeitsverfahren widerlegt, wo sie die Verwendung eine Haftvermittlers in der Entgegenhaltung gemäß Anlage B3 als neuheitsschädlich für das Merkmal 4 des Klagepatents ansehe. Der Kleber nach dem Klagepatent diene der Haftvermittlung zwischen Glas und Vergussmasse, die Klebewirkung des Zwischenhalters werde durch den Kleber nur verbessert.
Die Auslegung des Merkmals 5 dahingehend, dass der Zwischenhalter vorgefertigt sein müsse, um ihn in haltende Wirkverbindung bringbar zum machen, sei unzutreffend.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Nichtigkeitsklage werde keinen Erfolg haben und bezieht sich hierzu auf ihre Schriftsätze im Nichtigkeitsverfahren: Sie nimmt hinsichtlich der Anlage B3 Bezug auf ihre Ausführungen zum Stand der Technik und den Unterschieden zwischen Spritzen in geschlossener Form und Vergießen;
hinsichtlich der mit nicht nachgelassenem Schriftsatz der Beklagten vom 8. 5. 2006 vorgelegten weiteren Entgegenhaltungen hat sie mit ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsätzen ausgeführt, dass sich aus keiner der Entgegenhaltungen ein Hinweis ergebe, der zur Aufwendung der Lehre des drucklosen Angießens eines Zwischenhalters, der einerseits an der Glasscheibe klebe und andererseits das Bauteil mechanisch durch Formschluss halte, ergebe.
Die Klägerin hat ihre Klage zunächst nicht nur auf das jetzige Klagepatent, sondern auch auf ihre EP 09 xxx 14 gestützt und hinsichtlich beider Schutzrechte zunächst folgende Anträge angekündigt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom., Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an deren Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1. in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbare Glassscheiben unter Anwendung eines Verfahrens mit den Merkmalen:
(6) Herstellen einer Verbindung zwischen einer in eine Fahrzeugkarosserie einsetzbaren Glasscheibe und einem weiteren, ein Halteorgan aufweisendes Bauteil;
(7) auf eine im Verbindungsbereich befindliche Fläche der Glasscheibe wird ein Kleber aufgetragen;
(8) in den Kleberauftrag wird eine aushärtende Vergussmasse gesetzt;
(9) mit der in den Kleber gesetzten aushärtenden Vergussmasse wird an die Glasscheibe ein Zwischenhalter geformt;
(10) der Zwischenhalter ist mit einem Halteorgan des Bauteils in haltende Wirkverbindung bringbar;
in der Bundesrepublik Deutschland gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
(Klagepatent 1, Anspruch 1)
insbesondere wenn,
(1) das Bauteil an die Glasscheibe in der vorbestimmten Po-
sition gesetzt und bei der Ausformung des Zwischenhal-
ters aus Vergussmasse an der Formgebung der Ver-
gussmasse beteiligt wird;
(Klagepatent 1, Anspruch 2)
(2) für eine haltende Wirkverbindung zwischen dem Bauteil
und dem Zwischenhalter formschlussbewirkende korres-
pondierende Gestaltungen verwendet werden;
(Klagepatent 1, Anspruch 6)
(c) für die Vergussmasse ein nach der Aushärtung hinsicht-
lich seiner Härte und Elastizität zu den entsprechenden Ei
genschaften des jeweiligen Bauteils bzw. Halteorgans kon-
trärer Werkstoff
verwendet wird;
(Klagepatent 1, Anspruch 7)
(d) das Bauteil und seine Halteorgane gemeinsam in we-
nigstens einem Arbeitsgang aus unterschiedlichen
Werkstoffen gefertigt werden und danach über den
Zwischenhalter mit der Glasscheibe verbunden werden;
(Klagepatent 1, Anspruch 9)
(e) für die Halteorgane ein hinsichtlich seiner Härte und E-
lastizität zu den entsprechenden Eigenschaften des
ausgehärteten Zwischenhalters konträrer Werkstoff
verwendet wird.
(Klagepatent 1, Anspruch 10)
2. die Verbindung eines ein Halteorgan aufweisenden Dichtungs- Bauteils mit einem Bauelement unter Anwendung eines Verfahrens mit den Merkmalen:
(1)auf einer im Verbindungsbereich befindlichen Fläche des Bauelements wird mittels anhaftender und aushärtender Vergussmasse ein Zwischenhalter ausgebildet;
(3) der Zwischenhalter ist mit einem Halteorgan des Dichtungsbauteils in haltende Wirkverbindung bringbar;
(4) für eine haltende Wirkverbindung zwischen dem Bauteil und dem Zwischenhalter werden formschlussbewirkende, korrespondierende Gestaltungen verwendet;
in der Bundesrepublik Deutschland gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
(Klagepatent 2, Anspruch 1) insbesondere wenn
(a) auf die im Verbindungsbereich befindliche Fläche des
Bauelements ein Kleber aufgetragen und die Vergussmasse in
den Kleber-Auftrag gesetzt wird;
(Klagepatent 2, Anspruch 2)
(b) das Bauteil an das Bauelement in der, vorbestimmten Po-
sition gesetzt und bei der Ausbildung des Zwischenhalters aus
Vergussmasse an einer Formgebung der Vergussmasse betei-
ligt wird;
(Klagepatent 2, Anspruch 3)
(c) der Zwischenhalter aus einer Vergussmasse gegossen
wird;
(Klagepatent 2, Anspruch 5)
(d) das Bauteil und das Bauelement einen Aufnahmeraum für die gegossene bzw. extrudierte Vergussmasse während des Ausbildens des Zwischenhalters vollständig ausbilden;
(Klagepatent 2, Anspruch 7)
(e) als Aufnahmeraum durch das Bauteil und das Bauelement eine Vertiefung gebildet wird;
(Klagepatent 2, Anspruch 8)
(f) für die Vergussmasse für den Zwischenhalter ein nach
der Aushärtung hinsichtlich seiner Härte und Elastizität zu den
entsprechen den Eigenschaften des jeweiligen Bauteils bzw.
Halteorgans konträrer Werkstoff verwendet wird;
(Klagepatent 2, Anspruch 9)
(g) das Bauteil und sein Halteorgan gemeinsam in wenig-
stens einem Arbeitsgang gefertigt und danach über den Zwi-
schenhalter dem Bauelement verbunden werden;
(Klagepatent 2, Anspruch 10)
(h) als Material für das Bauteil Moosgummi verwendet und als Material für sein Halteorgan ein härtender Werkstoff (EPDM) verwendet wird.
(Klagepatent 2, Anspruch 11)
Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die von den nachfolgend bezeichneten Anträgen erfassten und nachfolgend bezeichneten Zeiten begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen:
Antrag 1,1: 19.2.2000 bis 9.5.2003 Antrag I, 2: 3.7.1998 bis 27.7.2002
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr unter den nachfolgend bezeichneten Anträgen seit dem
Antrag I, 1: 10.5.2003 Antrag I, 2: 28.7.2002
begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter den in nachfolgend bezeichneten Anträgen genannten Handlungen seit den nachfolgend genannten Daten begangen hat:
Antrag I, 1: 19.2.2000 Antrag I, 2: 3.7.1998
und zwar unter Angabe
(6) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Lieferempfängern,
(7) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Angebotsempfängern,
(8) der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
(9) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
(10) der Gestehungskosten, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kostenfaktoren und des erzielten Gewinns.
Nach Klagerücknahme hinsichtlich des Klagepatents 2 und Weglassens der Insbesondere- Anträge auf Grund eines Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 26.4.2006 beantragt die Klägerin noch, die Beklagte zu verurteilen, wie im Tenor geschehen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Merkmale 2-5 seien nicht verwirklicht und ihr Verfahren verletze daher das Klagepatent nicht. Sie stellt das von ihr angewandte Verfahren wie folgt dar:
Das ein Halteorgan aufweisende Bauteil werde mittels eines Klebebands an der Glasscheibe befestigt. Der Zwischenhalter werde nicht durch Gießen im Sinne des Klagepatents gebildet, sondern dadurch, dass aus dem unter der Glasscheibe angeordneten Behälter für die Vergussmasse diese mittels Druck auf die Oberfläche der Glasscheibe befördert und da selbst mittels einer Düse aufgespritzt werde. Die Verbindung des so geformten Zwischenhalters mit der Glasscheibe erfolge nicht mittels eines Klebers, da ein handelsüblicher Kleber keine stabile dauerhafte Verbindung mit Glas eingehe, sondern mittels eines Haftvermittlers, bei dem es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen verdünnten Kleber handle, sondern um eine silanhaltige chemische Verbindung, die nach einer Behandlung mit Feuchtigkeit und Temperatur in der Lage sei, sich mit dem Glas, welches überwiegend aus Silizium bestehe, chemisch dauerhaft zu verbinden. Auch bei der Herstellung der Formschlussverbindung zwischen dem Halteorgan des Bauteils und dem Zwischenhalter bleibe das Klebeband zwischen Halteorgan und Glasscheibe erhalten.
Merkmal 2 sei nicht erfüllt, da es hinsichtlich des Aufbaus auf der Glasscheibe an einem Kleber fehle, Merkmal 3 setze das Aufbringen einer Vergussmasse allein durch Gießen voraus; ein Verfahren, wie oben geschildert, stelle sich aber nicht als Vergießen dar. Andernfalls sei das Klagepatent durch den Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt gem. Anlage B 3 vorweggenommen.
Merkmal 5 setze voraus, dass der Zwischenhalter bereits in festgeformter Gestalt vorliege. Dies sei bei dem von der Beklagten angewandten Verfahren nicht der Fall. Nur in der noch flüssigen, damit noch nicht erstarrten Form sei es möglich, dass die Kunststoffmasse in die Vertiefungen des Halteorgans eindringen könne und damit eine haltende Wirkverbindung bilde.
Zur Nichtigkeitsklage hat die Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung sich auf die bis dahin vorgelegten Anlagen bezogen: Sie ist der Auffassung, durch die Anlage B3 sei das Klagepatent neuheitsschädlich vorweggenommen. Für den Fachmann sei druckloses Gießen und Spritzen beiderseits eine geläufige Form des Aufbringens von plastischen Massen zur Herstellung von Formteilen gewesen. Wenn man den Haftvermittler unter den Begriff des Klebers bringe, liege eine neuheitsschädliche Vorwegnahme vor. In Wirklichkeit sei aber ein Haftvermittler etwas anderes als ein Kleber, der die Haftung ohne chemische Veränderung bewirke, wogegen dies beim Haftvermittler der Fall sei. Die Klebewirkung der Vergussmasse dahingehend, dass sie selbst klebe, trete bei der Ausführungsform der Beklagten nicht ein. Diese könne auf den Haftvermittler nicht verzichten.
Soweit die Klägerin sich vom Verfahren nach Anlage B3 dadurch abgrenzen wolle, dass sie sich auf die Probleme bei Verwenden einer Spritzform beziehe, sei dem entgegenzuhalten, dass auch beim Gießverfahren nach dem Klagepatent eine nicht unkomplizierte Vorrichtung erforderlich sei. Von der Anlage B3 sei das Gießverfahren als kleinste äquivalente Abwandlung mit umfasst. In der Automobilindustrie sei im übrigen bekannt, Scheiben größerer Abmessungen dadurch mit einem Rahmen zu umspritzen, das Kunststoffe verwendet würden, die mit einem verhältnismäßig geringem Überdruck verarbeitet werden können. Das Klagepatent sei durch die Entgegenhaltung gemäß Anlage B3 neuheitsschädlich getroffen, zumindest fehle es an einem Minimum an erfinderischer Tätigkeit.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die übergebenen Patentschriften und die Schriftsätze und Anlagen zur Nichtigkeitsklage, insbesondere auf die oben genannten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im noch anhängigen Umfang begründet, zu einer Aussetzung sieht die Kammer keine Veranlassung, da keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Vernichtung des Klagepatents spricht.
1. Die Kammer folgt der auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Merkmalsanalyse der Klägerin (Anlage K11).
Entgegen der Argumentation der Beklagten erfüllt das von ihr verwendete Verfahren, wie es sich aus der Anlage K3, insbesondere Einzelheit Y, in der unstreitig der Verfahrensgegenstand dargestellt ist und auch Informationen zum Verfahren gegeben werden und den ebenso unstreitig das streitgegenständliche Erzeugnis wiedergebenden Anlagen K4-K9 (Fotos der verschiedenen Scheibenabschnitte) für die Kammer zweifelsfrei ergibt, die Merkmale des Klagepatents.
Im Einzelnen:
a) Das Merkmal 2 ist erfüllt: Die Kammer ist der Auffassung, dass, unabhängig davon, ob die Beklagte sich an ihrer Argumentationen im Nichtigkeitsverfahren festhalten lassen muss, die Klagepatentschrift eine Aussage darüber trifft, welche Art einer haftenden Verbindung der nach dem Klagepatent vorgeschriebene Kleber bewirken muss. So stellt Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau, 20.Auflage in der Einleitung (G 25 1.3.1. I. Satz) das Kleben als Ermöglichung eines Fügens auch nicht schweißbarer Werkstoffe ohne Verwendung von Nieten oder Schrauben dar. Erst später wird bei dem Kleben von Metallen auf Adhäsion abgestellt (1.3.2.).
In der Beschreibung des Klagepatents wird zunächst in Abschnitt 0011 ausgeführt, dass der Zwischenhalter mit der Glasscheibe verklebt ist, da die noch mehr oder weniger flüssige Vergussmasse in den Kleberauftrag gesetzt wird. Darüber hinaus wird nur in Abschnitt 1 5 von einem festverklebten Sitz des ausgeformten und ausgehärteten Zwischenhalters gesprochen; in Abschnitt 0021 vom Auftrag eines Klebers, ebenso in Abschnitt 0031; in Abschnitt 0032 wird erneut ausgeführt, dass der Kleber dem Verkleben des Zwischenhalters mit der Glasscheibe dient.
Damit ist nach Auffassung der Kammer der Kleber nach Merkmal 2 des Klagepatents nicht auf eine eine adhäsive Verbindung bewirkende Substanz beschränkt, sondern funktionell zu verstehen, womit jeder Auftrag eines zusätzlichen Stoffes umfasst ist, der eine feste Verbindung des Zwischenhalters mit der Glasscheibe bewirkt. Dies ist bei dem von der Beklagten verwendeten Haftvermittler aber unstreitig der Fall.
b) Die Kammer ist auch der Auffassung, dass nach dem Merkmal 3 nicht jedes unter Druck erfolgende Aufbringen des aushärtenden Materials ausgeschlossen ist: Vielmehr ist nach dem Sinnzusammenhang des Merkmals unter Gießen ein Befüllen in offener Form zu verstehen. Bei der von der Beklagten vorgetragenen Verfahrensanordnung (Anbringen des Behälters unter der Scheibe) muss hierfür selbstverständlich unter Druck gefördert werden. Dass auch das Auf- oder Einbringen in den Raum zwischen dem zu haltenden Bauteil und der Scheibe nicht völlig drucklos verfahren werden kann, ohne den Begriff des Vergießens oder der Vergussmasse im Sinne des Klagepatents zu verlassen, ergibt sich bereits aus der Darstellung der Einzelheit Y in der Anlage K3, in der von Vergussmasse gesprochen wird: In dem Bereich, der auf der von der Scheibe abgewandten Seite des Bauteils liegt, das aus „EPDM 90 Shore A nach TL 2.8.1.“ gebildet ist und jedenfalls einem teil des Bauteils 4 nach Fig. 1,10, 13 des Klagepatents entspricht, ist nach ausdrücklichem Hinweis in der Einzelheit Y „…keine Vergussmasse zulässig“; dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass nach dieser Zeichnung aus Anlage K3 die gestrichelt dargestellte Substanz, aus der der Zwischenhalter besteht, als Vergussmasse bezeichnet wird.
Aus der im Termin überreichten Anlage K14, dem Auszug aus Luger, Lexikon der Fertigungstechnik und Arbeitsmaschinen ergibt sich ebenfalls, dass Spritzgießen in geschlossener Form unter hohem Druck erfolgt (Seite 246 linke Spalte oben 6.-8.Zeile).
Dem gegenüber ist aus dem vorgelegten Erzeugnis wie auch aus den Fotos, besonders deutlich Anlage K6b, zu ersehen, dass der Zwischenhalter beim Verfahren der Beklagten in offener Form hergestellt wird (was die Beklagte auch nie bestritten hat). Dies ist zweifelsfrei aus der zwar glänzenden, aber unregelmäßigen Oberfläche des freiliegenden Bereichs des Zwischenhalters zu ersehen, der in einer Art und Weise unregelmäßig geformt ist, wie sie nur durch Aushärten in offener Form entstehen kann. Es fehlt nämlich auch an jedem Abdruck eines Formwerkzeugs.
c) Das Klagepatent verlangt nicht, dass sich der Zwischenhalter überall zwischen dem weiteren Bauteil und der Glasscheibe befindet; vielmehr sind auch in den Zeichnungen des Klagepatents Bereiche dargestellt, in denen das weitere Bauteil unmittelbar auf der Glasscheibe aufliegt; auch der von der Beklagten verwendete Klebestreifen wird aber an keiner Stelle des Klagepatents ausgeschlossen.
d) Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass Merkmal 5 nicht verwirklicht ist; die Auffassung der Beklagten, aus diesem Merkmal ergebe sich, dass der Zwischenhalter vorgefertigt sein müsse, widerspricht den Merkmalen 3 und 4 und allen sich mit dem Ausbilden des Zwischenhalters befassenden Ausführungen in der Beschreibung. Eine Patentschrift ist aber im Zweifel so zu lesen, dass sie Sinn gibt.
e) Damit verwirklicht das angegriffene Verfahren der Beklagten sämtliche Merkmale des Patentanspruchs des Klagepatents, so dass die Beklagte das patentgemäße Verfahren gem. § 9 PatG. benutzt. Der Klägerin stehen daher gemäß §§ 139, 140a PatG die im Tenor zuerkannten Unterlassungs-, Auskunfts- (einschließlich Drittauskunft) und Schadensersatzansprüche sowie gemäß § 33 PatG für die Zeit zwischen Offenlegung und Erteilung einen Anspruch auf angemessene Entschädigung zu.
Die Kammer sieht keine Veranlassung, den Rechtsstreit wegen der Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Klagepatent – Az. des BPatG: 4 Ni 12/06 (EU) – auszusetzen.
a) Voraussetzung dafür, dass ein Verletzungsprozess ausgesetzt wer
den kann, ist die hinreichende oder überwiegende Wahrscheinlichkeit
eines Erfolges der Nichtigkeitsklage. Andernfalls würde die Rechts-
stellung, die das erteilte Patent seinen Inhaber vermittelt, weitgehend
entwertet und es würden Rechtsbehelfe gegen das erteilte Patent ge-
radezu provoziert (Busse/Keukenschrijver, PatG 6.Auflage, § 140 Rd.
Nr. 7).
Auch die Kammer hat gewisse Zweifel an der erfinderische Tätigkeit im Lichte des vorgelegten Stands der Technik; diese Zweifel rechtfertigen aber weder betreffend den bis zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Stand der Technik eine Aussetzung, noch gaben sie Veranlassung, auf Grund des nach der mündlichen Verhandlung im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8.5.2006 vorgelegten weiteren Stands der Technik erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.
b) Die Anlage B3 beschreibt nach Auffassung der Kammer ein nach dem oben gesagten Datums gemäß unterschiedliches Verfahren, nämlich ein Verfahren mittels Spritzgusstechnik, dass heißt ein Gießen in geschlossener Form mit unter Druck eingebrachten Werkstoff. Auch wenn ganz allgemein die Alternativen Spritzgießen und Drucklosvergießen dem Fachmann geläufig sind, kann dies allein die erfinderische Tätigkeit – auf Grund der unterschiedlichen Verfahren ist eine neuheitsschädliche Vorwegnahme nicht gegeben – nicht begründe. Wie die Beschreibungseinleitung der Anlage B3 zeigt, waren im Stand der Technik Spritzgussverfahren zur unmittelbaren Anformung von Rahmen dieser Art und die Formung derartiger Rahmen im Extrusionsverfahren entlang dem Rand der Glasscheibe bekannt. Ebenso war bekannt, ein Strangprofil herzustellen, das nachher entlang dem Rand an der Glasscheibe angelegt wird und mit ihr verklebt wird. Insoweit wird auf die Darstellung der Klägerin in der Wiedergabe des streitigen Klägervortrags im Tatbestand Bezug genommen, die sich auf diese Beschreibungseinleitung bezieht. Angesichts der Größen- und Lageverhältnisse ist die Kammer nicht der Auffassung, dass der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit in Erwägung zieht, vom grundsätzlich bei der Herstellung derartiger Bauteile aus optischen Gründen erforderlichen Herstellungsverfahren in geschlossenen Formen oder durch Extrudieren bei denen die an sichtbaren Stellen erforderlichen optisch fehlerlosen Oberflächen entstehen, abzuweichen und Verfahren mit offener Form wie nach dem Klagepatent zu benutzen. Dies setzt nämlich voraus, dass er unter Überwindung eines entsprechenden Vorurteils ohne weiteres erkennt, dass ausnahmsweise eine an einer sichtbaren Stelle eines Bauteils absolut unakzeptable Oberflächengestaltung deshalb in Kauf genommen werden kann, weil sie an einer nach Einbau nicht sichtbaren verdeckten Stelle auftritt.
c) Soweit weitere Entgegenhaltungen, insbesondere die Anlagen Ni 1.5., Ni 1.7. und Ni 1.11. vergossene Filtereinsätze zeigen, handelt es sich um Bauteile, die immer verdeckt eingebaut werden. Im Gegensatz zu den das optische Erscheinungsbild eines Fahrzeugs stark mitprägenden Scheiben sind hier die optischen Nachteile von vornherein nicht gravierend, so dass der Fachmann im Gegensatz zu den für ihn bei sichtbaren Bauteilen geläufigen Techniken eine derartige Herstellungsweise von vornherein in Erwägung zieht.
d) Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung ins Nichtigkeitsverfahren eingeführten weiteren Entgegenhaltungen stellen auch keine Veranlassung dar, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten:
Die DE-OS 38 19 930 – Anlage Ni 1.13 – betrifft nicht einen Zwischenhalter zwischen einer Glasscheibe und einem weiteren Bauteil, sondern eine durch zwei gleichzeitig aufgebrachte unterschiedlich schnell aushärtende Klebermassen gebildete Beschichtung, bei der die schnell aushärtende Masse in etwa dem weiteren Bauteil des Klagepatents mit dem Unterschied entspricht, dass es unmittelbar und ohne Zwischenhalter mit der Scheibe verbunden wird, während die langsam aushärtende Masse dem auch nach dem Klagepatent noch zusätzlich zur Verbindung der Glasscheibe mit der Karosserie verwendeten Montagekleber (beispielsweise Bezugsziffer 6 in Figur 13 des Klagepatents) entspricht.
e) Die Ni 1.14, die Europäische Patentschrift 0 024 501, betrifft Zwei
komponenten- Polyurethandichtmassen und ihre Verwendung, wobei
die Hinweise auf die Verwendung bei Glasscheiben sehr dürftig sind
und in keiner Weise auf gattungsgemäße Autoglasscheiben hinwei-
sen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, in wie weit gerade diese spezielle
Polyurethanmasse zur Lösung des Klagepatents wesentliches beiträgt.
f) Die Europäische Patentanmeldung 0 614 775 (Ni 1.15) betrifft die
Fixierung eines Rahmens mit einem Kleber ohne Ausbildung eines Zwischenhalters; dieser Kleber soll in der Ausführungsform, in der eine weitere Kleberraupe zur Verbindung mit der Karosserie aufgetragen wird, eine Verbindung mit diesem Kleber eingehen, so dass die nach dem Klagepatent wünschenswerte leichte Lösbarkeit gerade verhindert wird. Im Übrigen fehlt es am Merkmal 3, also dem zusätzlichen Aufbringen eines Klebers zur Verbindung mit der Glasscheibe; der Zwischenhalter nach dem Klagepatent ist gerade kein Kleber wie er in der genannten Europäischen Patentanmeldung vorgeschlagen wird.
Die Beklagte war daher im Umfang der noch gestellten Klageanträge zu Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung(§139 PatG) sowie der Verpflichtung zur Leistung einer angemessen Entschädigung für die Benutzung der offen gelegten Erfindung (§33 PatG) zu verurteilen, da sie das Klagepatent benutzt (§9 PatG), ohne dazu berechtigt zu sein. Die Auskunft im für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Umfang schuldet die Beklagte gem. § 242 BGB zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs, die Drittauskunft über Lieferanten und gewerbliche Abnehmer gem. § 140 a PatG.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.