4a O 216/05 – Kontaktwalzenwickel-Maschine

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 505

Landgericht Düsseldorf
Anerkenntnisurteil vom 26. Januar 2006, Az. 4a O 216/05

I. Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis insgesamt zwei Jahre, zu unterlassen,

1. Kontaktwalzenwickel-Maschinen zum rechts- und linksdrehenden Aufwickeln einer von einer Zuführeinrichtung kontinuierlich zulaufenden bahnförmigen Kunststofffolie (2) mit Hilfe einer Wickelwelle (3), die dazu wahlweise mit unterschiedlichem Drehsinn antreibbar ist,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei ohne Unterbrechung des kontinuierlichen Zulaufs der Kunststofffolie (2) bei jeweils einem gleichbleibenden Drehsinn ein in der Aufwickelstation (4) der Maschine (1) auf der Wickelwelle (3) zum Sollmaß aufgewickeltes Coil (5) zusammen mit seiner Wickelwelle (3) aus der Aufwickelstation (4) abgeführt wird und
wobei im Takt des Aufwickelvorganges eine neue Wickelwelle (3) in die Anwickelstation (7) der Maschine (1) eingelegt, die Bahn zwischen fertigem Coil (5) und neuer Wickelwelle (3) getrennt, die neue Wickelwelle (3) angewickelt und nach Überführung in die Aufwickelstation (4) zum Coil (5) mit Sollmaß fertiggewickelt wird, – mit
a) einer Breitstreckwalze (8) für die zulaufende Kunststofffolie (2),
b) einer Kontaktwalze (9), die für den links- oder rechtsdrehenden Wickelmodus wahlweise mit unterschiedlichem Drehsinn antreibbar ist, für den Kontaktantrieb der Wickelwelle (3) bzw. der Wickelwellen (3) mit der angewickelten Kunststofffolie (2) bzw. mit dem sich bildenden Coil (5), welche Kontaktwalze (9) wahlweise mit einem ersten Drehsinn oder einem dazu entgegengesetzten Drehsinn antreibbar ist,
c) einer Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) für die Aufnahme neu einzuführender Wickelwellen (3) sowie für den Anwickelvorgang,
d) einer mit der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) eine bauliche Einheit bildende Schneideinrichtung (11) zum Trennen des aufgewickelten Coils (5) von der zulaufenden Kunststofffolie (2) und
e) einer Aufwickelstation (4) mit Aufwickelvorrichtung (12) zum Aufwickeln der auf der Wickelwelle (3) angewickelten Kunststofffolie (2) zum fertigen Coil (5),
wobei in Kombination dazu die folgenden Merkmale f) bis l) verwirklicht sind:
f) die Anwickelstation (7) befindet sich oberhalb der Kontaktwalze (9) im Bereich einer 12h-Stellung, die Aufwickelstation (4) befindet sich tiefer als die Anwickelstation (7) im Bereich einer 9h-Stellung,
g) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) ist zugleich als Übergabevorrichtung für die Überführung einer Wickelwelle (3) mit angewickelter Kunststofffolie (2) an der Aufwickelstation (4) ausgebildet und aus dem Bereich der 12h-Stellung in den Bereich der 9h-Stellung und darüber hinaus weiter bis in den Bereich einer 6h-Stellung um die geometrische Achse der Kontaktwalze (9) schwenkbar,
h) rotiert die Kontaktwalze (9) beim Aufwickelvorgang mit ihrem ersten Drehsinn („rechtsdrehende„ Aufwicklung), so wird die Kunststofffolie (2) im Bereich oder über den Bereich der 12h-Stellung der Kontaktwalze (9) zugeführt und 9h-seitig an die Aufwickelstation (4) abgeführt, wobei sich die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) dabei funktionslos im Bereich der 6h-Stellung befindet,
i) rotiert die Kontaktwalze (9) beim Aufwickelvorgang mit ihrem dem ersten Drehsinn entgegengesetzten Drehsinn („linksdrehende„ Aufwicklung), so wird die Kunststofffolie (2) im Bereich oder über den Bereich der 6h-Stellung der Kontaktwalze zugeführt und 9h-seitig abgeführt, wobei sich die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) im Bereich der 6h-Stellung befindet,
j) die Schneideinrichtung (11) ist mit der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) verbunden und in Richtung des ersten Drehsinns vor der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) angeordnet, sie weist ein Trennmesser auf, das sowohl eine zwischen der Schneideinrichtung (11) und der Kontaktwalze (9) als auch eine an der der Kontaktwalze (9) abgewandten Seite der Schneideinrichtung vorbeilaufende Bahn trennen kann,
k) rotiert die Kontaktwalze (9) gemäß Merkmal h), so ist zum Zwecke des Einlegens einer neuen Wickelwelle (3) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) mit der Schneideinrichtung (11) aus der Stellung im 6h-Bereich gleichsinnig mit der ersten Drehrichtung der Kontaktwalze (9) über die 3h-Stellung in den Bereich der 12h-Stellung der Anwickelstation (7) schwenkbar, wobei sich zumindest eine Führungsrolle der Schneideinrichtung (11) zwischen die schlaufenfrei laufende Kunststofffolie (2) und die Kontaktwalze (9) schiebt,
l) rotiert die Kontaktwalze (9) gemäß Merkmal i), so ist zum Zwecke des Einlegens einer neuen Wickelwelle (3) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) mit der Schneideinrichtung (11) gleichsinnig mit der entgegengesetzten Drehrichtung der Kontaktwalze (9) aus der Stellung im 6h-Bereich über die 9h-Stellung in die 12h-Stellung der Anwickelstation (7) schwenkbar, wobei dazu bei gleichzeitigem Aufwickeln auf das Coil (5) ein Abstand zwischen dem Coil (5) und der Kontaktwalze (9) gebildet wird sowie zumindest eine Führungsrolle der Schneideinrichtung (11) die Kunststofffolie (2), eine Schlaufe bildend, mitnimmt,
wobei ein Ketten-Getriebe (16) angeordnet ist, welches die Wickelwelle (3) mit dem angewickelten Coil (5) im Bereich der Aufwickelstation (4) aus der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) freigibt,
wobei bei dem dem ersten Drehsinn entgegengesetzten Drehsinn („linksdrehende„ Aufwicklung) zum Zwecke der Abgabe einer Wickelwelle (3) mit Coil (5) aus der Aufwickelstation (4) während der notwendigen Abstandsbildung zwischen Coil (5) und Kontaktwalze (9) ein Hilfsantrieb vorgesehen ist und das Coil (5) antreibt
und wobei die Umstellung des Drehsinns bzw. der Folienführung bei Stillstand der Maschine erfolgt;

2. Walzenwickel-Maschinen zum rechts- und linksdrehenden Aufwickeln einer von einer Zuführeinrichtung kontinuierlich zulaufenden bahnförmigen Kunststofffolie (2) mit Hilfe einer Wickelwelle (3), die dazu wahlweise mit unterschiedlichem Drehsinn antreibbar ist,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei ohne Unterbrechung des kontinuierlichen Zulaufs der Kunststofffolie (2) bei jeweils einem gleichbleibenden Drehsinn ein in der Aufwickelstation (4) der Maschine (1) auf der Wickelwelle (3) zum Sollmaß aufgewickeltes Coil (5) zusammen mit seiner Wickelwelle (3) aus der Aufwickelstation (4) abgeführt wird und
wobei im Takt des Aufwickelvorganges eine neue Wickelwelle (3) in die Anwickelstation (7) der Maschine (1) eingelegt, die Bahn zwischen fertigem Coil (5) und neuer Wickelwelle (3) getrennt, die neue Wickelwelle (3) angewickelt und nach Überführung in die Aufwickelstation (4) zum Coil (5) mit Sollmaß fertiggewickelt wird, – mit
a) einer Breitstreckwalze (8) für die zulaufende Kunststofffolie (2),
b) einer Walze (9), die für den links- oder rechtsdrehenden Wickelmodus wahlweise mit unterschiedlichem Drehsinn antreibbar ist, für den Antrieb der Wickelwelle (3) bzw. der Wickelwellen (3) mit der angewickelten Kunststofffolie (2) bzw. mit dem sich bildenden Coil (5), welche Walze (9) wahlweise mit einem ersten Drehsinn oder einem dazu entgegengesetzten Drehsinn antreibbar ist,
c) einer Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) für die Aufnahme neu einzuführender Wickelwellen (3) sowie für den Anwickelvorgang,
d) einer mit der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) eine bauliche Einheit bildende Schneideinrichtung (11) zum Trennen des aufgewickelten Coils (5) von der zulaufenden Kunststofffolie (2) und
e) einer Aufwickelstation (4) mit Aufwickelvorrichtung (12) zum Aufwickeln der auf der Wickelwelle (3) angewickelten Kunststofffolie (2) zum fertigen Coil (5),
wobei in Kombination dazu die folgenden Merkmale f) bis l) verwirklicht sind:
f) die Anwickelstation (7) befindet sich oberhalb der Walze (9) im Bereich einer 12h-Stellung, die Aufwickelstation (4) befindet sich tiefer als die Anwickelstation (7) im Bereich einer 9h-Stellung,
g) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) ist zugleich als Übergabevorrichtung für die Überführung einer Wickelwelle (3) mit angewickelter Kunststofffolie (2) an der Aufwickelstation (4) ausgebildet und aus dem Bereich der 12h-Stellung in den Bereich der 9h-Stellung und darüber hinaus weiter bis in den Bereich einer 6h-Stellung um die geometrische Achse der Walze (9) schwenkbar,
h) rotiert die Walze (9) beim Aufwickelvorgang mit ihrem ersten Drehsinn („rechtsdrehende„ Aufwicklung), so wird die Kunststofffolie (2) im Bereich oder über den Bereich der 12h-Stellung der Walze (9) zugeführt und 9h-seitig an die Aufwickelstation (4) abgeführt, wobei sich die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) dabei funktionslos im Bereich der 6h-Stellung befindet,
i) rotiert die Walze (9) beim Aufwickelvorgang mit ihrem dem ersten Drehsinn entgegengesetzten Drehsinn („linksdrehende„ Aufwicklung), so wird die Kunststofffolie (2) im Bereich oder über den Bereich der 6h-Stellung der Walze zugeführt und 9h-seitig abgeführt, wobei sich die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) im Bereich der 6h-Stellung befindet,
j) die Schneideinrichtung (11) ist mit der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) verbunden und in Richtung des ersten Drehsinns vor der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) angeordnet, sie weist ein Trennmesser auf, das sowohl eine zwischen der Schneideinrichtung (11) und der Walze (9) als auch eine an der der Walze (9) abgewandten Seite der Schneideinrichtung vorbeilaufende Bahn trennen kann,
k) rotiert die Walze (9) gemäß Merkmal h), so ist zum Zwecke des Einlegens einer neuen Wickelwelle (3) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) mit der Schneideinrichtung (11) aus der Stellung im 6h-Bereich gleichsinnig mit der ersten Drehrichtung der Walze (9) über die 3h-Stellung in den Bereich der 12h-Stellung der Anwickelstation (7) schwenkbar, wobei sich zumindest eine Führungsrolle der Schneideinrichtung (11) zwischen die schlaufenfrei laufende Kunststofffolie (2) und die Walze (9) schiebt,
l) rotiert die Walze (9) gemäß Merkmal i), so ist zum Zwecke des Einlegens einer neuen Wickelwelle (3) die Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) mit der Schneideinrichtung (11) gleichsinnig mit der entgegengesetzten Drehrichtung der Walze (9) aus der Stellung im 6h-Bereich über die 9h-Stellung in die 12h-Stellung der Anwickelstation (7) schwenkbar, wobei dazu bei gleichzeitigem Aufwickeln auf das Coil (5) ein Abstand zwischen dem Coil (5) und der Walze (9) gebildet wird sowie zumindest eine Führungsrolle der Schneideinrichtung (11) die Kunststofffolie (2), eine Schlaufe bildend, mitnimmt,
wobei ein Ketten-Getriebe (16) angeordnet ist, welches die Wickelwelle (3) mit dem angewickelten Coil (5) im Bereich der Aufwickelstation (4) aus der Wickelwellenaufnahmevorrichtung (10) freigibt,
wobei bei dem dem ersten Drehsinn entgegengesetzten Drehsinn („linksdrehende„ Aufwicklung) zum Zwecke der Abgabe einer Wickelwelle (3) mit Coil (5) aus der Aufwickelstation (4) während der notwendigen Abstandsbildung zwischen Coil (5) und Walze (9) ein Hilfsantrieb vorgesehen ist und das Coil (5) antreibt
und wobei die Umstellung des Drehsinns bzw. der Folienführung bei Stillstand der Maschine erfolgt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 750.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:
Die Klägerin ist alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Patents DE 42 13 xxx betreffend eine Kontaktwalzenwickelmaschine zum rechts- und linksdrehenden Aufwickeln einer bahnförmigen Kunststofffolie (im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 25. April 1992 angemeldet, seine Erteilung am 09. März 1995 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Klägerin macht mit der Klage eine Verletzung des einzigen Anspruchs des Klagepatentes geltend, hinsichtlich dessen Wortlauts auf die als Anlage K1 zu den Akten gereichte Patentschrift (Spalten 5 und 6) verwiesen wird.
Anlässlich der in Düsseldorf vom 20. bis zum 27. Oktober 2004 stattfindenden Kunststoffmesse K2004 stellte die Beklagte auf ihrem Stand eine Walzenwickelmaschine mit der Bezeichnung „A„ aus, die nach Angaben eines der Messemitarbeiter der Beklagten sowohl zu einem rechts- wie linksdrehenden Arbeiten in der Lage war.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Walzenwickelmaschine verletze ihre Ansprüche aus dem Klagepatent, was sich bereits aus dem anlässlich des Messeauftritts verteilten Prospektmaterial und aus dem Internetauftritt der Beklagten ergebe, wo uneingeschränkt von einem „reverse system„ bzw. einem „reverse winding„ die Rede gewesen sei.
Zum Zwecke der Untersuchung leitete die Klägerin am 21. Oktober 2004 ein selbständiges Beweisverfahren vor der Kammer (Az. 4a OH 2/04) ein. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2004 wurde die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens darüber angeordnet, ob die von der Beklagten auf der K2004 in Düsseldorf ausgestellte Vorrichtung A sämtliche Merkmale des Anspruchs des Klagepatentes verwirklicht. Zugleich wurde der Beklagten aufgegeben, die Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen nach Maßgabe weiterer Vorgaben, hinsichtlich derer auf den parteibekannten Beschluss vom 22. Oktober 2004 Bezug genommen wird, zu dulden. Nach Besichtigung der angegriffenen Maschine am 23. Oktober 2004 erstattete der gerichtliche Sachverständige B sein Gutachten (vgl. Bl. 61 – 115 der Beiakte 4a OH 2/04). Der gerichtliche Sachverständige konnte nicht feststellen, dass die untersuchte Maschine, die zum Besichtigungszeitpunkt einen rechtsdrehenden Aufwickelvorgang vollführte, auch zu einem linksdrehenden Aufwickeln in der Lage und dazu mit gegenläufigem Drehsinn antreibbar war. Während der Besichtigung wurde die Maschine ferner mit Spalt zwischen Walze und Wickelwelle, also ohne Kontakt betrieben. Die Freigabe der Wickelwelle mit dem angewickelten Coil im Bereich der Aufwickelstation aus der Wickelwellenaufnahmevorrichtung erfolgte durch einen Kettenantrieb. Da bei der besichtigten Maschine die Wickelwelle über einen eigenen, mit der Walze elektronisch synchronisierten Antrieb verfügte, bedurfte es einer Hilfskontaktwalze nicht. Hinsichtlich der weiteren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen wird auf seine Ausführungen im Gutachten vom 23. November 2004 (Bl. 61 – 115 der Beiakte) Bezug genommen.
Mit der Klageschrift im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin Unterlassung einer wortsinngemäßen sowie einer äquivalenten Benutzung des Klagepatentanspruchs entsprechend dem Tenor zu I.1./2. geltend (Klageantrag zu I. 1. a)/b)). Sie beantragte des Weiteren, die Beklagte zur Rechnungslegung über diese Benutzungshandlungen seit dem 09. April 1995 (Klageantrag zu I. 2.) sowie zur Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse (Klageantrag zu I. 3.) zu verurteilen und die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten für Benutzungshandlungen seit dem 09. April 1995 festzustellen (Klageantrag zu II.).
Die Beklagte hat innerhalb der ihr mit Verfügung vom 26. April 2005 gesetzten Frist zur Verteidigungsanzeige von drei Wochen ab Zugang der Klageschrift am 16. September 2005 mit Schriftsatz vom 06. Oktober 2005 das vollumfängliche Anerkenntnis der Unterlassungsanträge (Klageanträge zu Ziffer I. 1. a)/b)) erklärt. Die Klageanträge zu Ziffer I. 2. (Rechnungslegung) und zu Ziffer II. (Feststellung der Schadensersatzverpflichtung) hat sie anerkannt, soweit sie sich auf Zusatzmodule für Kontaktwalzenwickel-Maschinen beziehen und ein rechts- und linksdrehendes Aufwickeln entsprechend dem Unterlassungsantrag ermöglichen. Die Beklagte behauptet insoweit, die angegriffene Wickelmaschine könne den Klageanträgen zu I. 1. a) und b) nur dann entsprechen, wenn sie mit einem zusätzlichen Modul ausgerüstet werde, das die Umkehrung des Drehsinns ermögliche. Dieses Zusatzmodul werde nur optional angeboten und selten montiert. Wenn eine Kontaktwalzenwickelmaschine mit diesem Zusatzmodul nicht versehen sei, könne sie lediglich mit einem einzigen Drehsinn arbeiten und das Klagepatent folglich nicht verletzen.
Daraufhin hat die Kammer im Einvernehmen mit den Parteien das Verfahren über die nicht auf Unterlassung lautenden Klageanträge zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
Die Klägerin beantragt im Rahmen des uneingeschränkten Anerkenntnisses der Beklagten
wie erkannt.
Die Parteien streiten über die Kosten betreffend den anerkannten Teil der Klageansprüche.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie habe die Klageansprüche sofort anerkannt, ohne der Klägerin Veranlassung zur Klageerhebung gegeben zu haben. Eine Abmahnung, die unstreitig nicht erfolgt ist, sei nicht entbehrlich gewesen.
Dem tritt die Klägerin entgegen. Unter den gegebenen Umständen sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kostenentscheidung, die nach Abtrennung der nicht bzw. nicht im Rechtssinne anerkannten Ansprüche (auf Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung) im vorliegenden Anerkenntnisurteil ergehen kann, beruht auf § 93 ZPO.
Abweichend von dem allgemeinen Grundsatz des § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO, wonach die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, waren die Prozesskosten hier gemäß § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen, nachdem die Beklagte die Unterlassungsansprüche sofort anerkannt hat, ohne der Klägerin Veranlassung zur Klageerhebung gegeben zu haben. Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes besteht regelmäßig eine Obliegenheit des Gläubigers, den Schuldner vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzumahnen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 12 UWG, Rn. 1.7 f.). Verzichtet der Gläubiger auf eine Abmahnung, so wird der Schuldner, der im Falle der gerichtlichen Geltendmachung den Klageantrag sofort anerkennt, in der Regel so behandelt, als habe er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben (§ 93 ZPO). Dies beruht auf der prozessrechtlichen Erwägung, dass ein Gläubiger nur dann ohne Kostenrisiko gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen soll, wenn er davon ausgehen darf, sein Ziel nicht ohne Klageverfahren erreichen zu können. Eine Abmahnung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn (a) die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berücksichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht hinnehmbar ist oder (b) sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, um zumindest eine Zeit lang die Verletzungshandlungen fortsetzen zu können und sich ggf. nach damit erzieltem wirtschaftlichen Erfolg unter Übernahme der vergleichsweise geringen Abmahnkosten zu unterwerfen, oder (c) wenn eine Abmahnung aus Sicht des Klägers von vornherein zwecklos erscheint.
Hier war eine vorherige Abmahnung, die die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hätte bewegen können, nicht entbehrlich. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Abmahnung sei aus ihrer Sicht zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Sinne der genannten Variante (c) erkennbar aussichtslos gewesen. Die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens als solches machte eine Abmahnung nicht entbehrlich, denn dieses diente nur der Feststellung der Sachlage und der etwaigen Vermeidung eines Rechtsstreits. Dass die Klägerin schon in der Antragsschrift des selbständigen Beweisverfahrens unmissverständlich zu verstehen gegeben habe, dass sie von dem Patentverletzungstatbestand bereits überzeugt war und die Beweissicherung alleine zu dem Zweck durchführen ließ, die bereits als patentverletzend erkannte Vorrichtung im Detail beschreiben zu können und der Beklagten somit im anschließenden Patentverletzungsrechtsstreit ein Bestreiten unmöglich zu machen, kann eine ausdrückliche Abmahnung nicht entbehrlich machen. Zum notwendigen Inhalt einer Abmahnung gehört die Aufforderung an den vermeintlichen Verletzer, innerhalb einer angemessenen Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, sowie die Androhung eines gerichtlichen Vorgehens für den Fall, dass die geforderte Unterwerfungserklärung innerhalb der gesetzten Frist nicht abgegeben wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, aaO, Rn. 1.12 ff.). Die Antragsschrift vom 21. Oktober 2004 nennt neben der Vorbereitung des Verletzungsrechtsstreits aber zugleich auch das Ziel des selbständigen Beweisverfahrens, eine Klage nach Möglichkeit zu vermeiden und leitet daraus das rechtliche Interesse nach § 485 Abs. 2 ZPO ab (vgl. Seite 13f. der Antragsschrift, Bl. 13f. der Beiakte). Es trifft folglich nicht zu, dass der Beklagten bereits durch die Antragsschrift unmissverständlich zu verstehen gegeben worden sei, ohne die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung folge zwingend die Einleitung rechtlicher Schritte.
Auch die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten, C, im Verlauf des Besichtigungstermins durften die Klägerin nicht zu der Annahme verleiten, eine Abmahnung sei aussichtslos, so dass sie ihre Ansprüche nur durch eine unmittelbare Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe würde durchsetzen können. Soweit der Geschäftsführer eine Patentverletzung trotz der Hinweise der Klägerseite und des gerichtlichen Sachverständigen (vgl. Seite 10 des Gutachtens; Bl. 71 der Beiakte) unter Berufung auf den modularen Aufbau der A-Maschinen kategorisch in Abrede gestellt hat, kann dies auch auf Sprachschwierigkeiten und die Situation des unerwarteten Besuchs auf dem Messestand zurückzuführen sein. Zumal die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zu Beginn der Besichtigung noch nicht zugegen waren, sondern erst im weiteren Verlauf eintrafen, konnte die Klägerin die spontanen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten nicht als abschließende und verbindliche Beurteilung der Patentverletzungsfrage verstehen. Dies gilt umso mehr, als auch der gerichtliche Sachverständige nach ausführlicher Besichtigung eine Patentverletzung nicht ohne weiteres, insbesondere nicht ohne Auslegung der Anspruchsmerkmale und ohne die Berücksichtigung von Äquivalenzgesichtspunkten feststellen konnte.
Das im selbständigen Beweisverfahren vorgelegte Gutachten vom 23. November 2004, das eine Patentverletzung gerade nicht hinsichtlich sämtlicher Merkmale unproblematisch bejaht hat, musste der Klägerin zusätzliche Veranlassung zu einer ausdrücklichen Abmahnung vor Klageeinreichung geben. Der Sachverständige konnte auf Grund seiner Besichtigung nicht feststellen, dass die ausgestellte Maschine mit wechselndem Drehsinn zu arbeiten vermochte. Beobachten konnte er lediglich einen rechtsdrehenden Betrieb mit Spalt zwischen Walze und Wickelwelle, was den Schluss auf eine Kontaktwalze im Sinne des Klagepatentes aus seiner Sicht nicht ohne zusätzliche Überlegungen zuließ. Ferner verfügte die besichtigte Maschine statt eines Hebel-/Kurvenscheibengetriebes über einen Kettenantrieb, mittels dessen die Wickelwelle mit dem angewickelten Coil aus der Wickelwellenaufnahmevorrichtung freigegeben wurde. Schließlich fand der Sachverständige keine Hilfskontaktwalze, sondern einen eigenständigen Antrieb der Wickelwelle vor. Vor diesem Hintergrund konnte die Klägerin erst recht nicht mehr davon ausgehen, dass eine ausdrückliche Abmahnung aussichtslos und damit entbehrlich sein würde. Zugleich musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Klägerin wie geschehen ohne weitere Korrespondenz eine Klage einreichen würde.
In der Übersendung einer Abschrift der Klageschrift vom 25. April 2005 an die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit der Aufforderung an diese, sich zur Frage der Zustellungsbevollmächtigung zu erklären (vgl. Anlage K12), ist keine Abmahnung zu sehen. Hierfür fehlt es an der für eine Abmahnung wesentlichen Aufforderung an den Schuldner, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, und an einer Androhung gerichtlicher Schritte im Unterbleibensfall. Die Übersendung der Klageschrift stellte hier erkennbar lediglich den Versuch der Klägerin dar, die Zustellung der (gleichzeitig bereits bei Gericht eingereichten) Klageschrift, die ohne eine Zustellungsbevollmächtigung der heutigen Beklagtenvertreter im Ausland erfolgen musste, zu beschleunigen.
Schließlich kann die Klägerin auch nicht daraus, dass das Bestreiten im Besichtigungstermin nach dem nunmehrigen Vortrag der Beklagten erklärtermaßen wahrheitswidrig geschehen sei, ableiten, dass sie vor Klageeinreichung von einer Abmahnung als erkennbar aussichtslos absehen durfte. Bereits die Annahme der Klägerin, die Beklagte habe nunmehr zugestanden, dass die Behauptung ihres Geschäftsführers im Besichtigungstermin, die optionale Reverse-Zusatzeinrichtung sei auf der Messe K2004 nicht gezeigt worden, wahrheitswidrig gewesen sei, trifft nicht zu. Mit ihrem Vortrag auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 06. Oktober 2005 (Bl. 79 GA) hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Streitwertfrage lediglich eingeräumt, die Zusatzmodule für die Umkehr der Drehrichtung auf der Messe K2004 (sowie auf der K2001) „ausgestellt„ zu haben. Ihr späterer Vortrag auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 28. November 2005 (Bl. 115 GA), auf der Messe (K2004) sei eine Maschine, die die Drehrichtung umkehrte, nicht ausgestellt worden, steht dazu nicht zwingend in Widerspruch. Dass keine Wickelmaschine gezeigt wurde, die in der ausgestellten Form zur Drehrichtungsumkehr in der Lage war – wie es den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen entspricht –, bedeutet nicht zugleich, dass auch die Zusatzmodule als solche nicht ausgestellt wurden. Ein schlichtes Ausstellen der Zusatzmodule kann vielmehr auch dann geschehen, wenn sie nicht auf der Maschine montiert sind und im Betrieb vorgeführt werden.
Es konnte daher aus Sicht der Klägerin zu dem maßgeblichen Zeitpunkt, in dem sie über die sofortige Klageerhebung zu entscheiden hatte, nicht angenommen werden, die Beklagte werde sich infolge einer Abmahnung nicht unterwerfen. Dass Abmahnungen bei der Beklagten nicht schlechthin erfolglos sind, wurde im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverstoß durch Auslage der Prospekte deutlich. Insoweit gab die Beklagte noch während der Messe K2004 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (vgl. Anlage K9).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG; 3 ZPO. Auf der Grundlage des von der Klägerin mit 750.000,- € angegebenen Preises für eine Gesamtvorrichtung hält die Kammer einen Streitwert für die Unterlassungsanträge von 750.000,- € für angemessen. Dass die Klägerin im Besichtigungsverfahren noch einen Streitwert von 25.000,- € für angemessen gehalten hat, lässt keine Rückschlüsse auf die Bewertung der Hauptsache durch sie zu. Denn die Angabe des dortigen Streitwertes erfolgte noch in Unkenntnis der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens mit dem Hauptsachewert oder dem Teil des Hauptsachewertes anzusetzen ist, auf den sich die Beweiserhebung bezieht (BGH, NJW 2004, 3488ff.).