4a O 215/05 – Fahrrad-Schaltung III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 504

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Juni 2006, Az. 4a O 215/05

Rechtsmittelinstanz: 2 U 89/06

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein auf dem Gebiet der Fahrradteillieferung tätiges japanisches Unternehmen, ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 201 22 xxx (Anlage K 6, nachfolgend Klagegebrauchsmuster), welches aus der europäischen Patentanmeldung der Klägerin mit der Anmeldenummer 01 302 xxx abgezeigt wurde. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 13. März 2001 unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 17. März 2000 angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 5. Januar 2005, die Bekanntmachung im Patentblatt am 10. Februar 2005. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Fahrradschalteinrichtung mit linear gleitfähigem Schalthebel, der mittels einer schwenkbaren Blende betätigbar ist. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Schutzanspruch 1 hat unter Angabe der Bezugszeichen folgenden Wortlaut:

„Fahrradschaltsteuervorrichtung (105), welche einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel (104) betätigt, wobei die Schaltsteuervorrichtung (105) umfasst:

– einen Steuerkörper (170), drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104);

– einen Linearschaltkörper (220), einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) ausbildend und zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung (105) gekoppelt;

– ein Schnittstellenelement (202) beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (203), wobei die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlage des Linearschaltkörpers (220) bewirkt, um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen;

– einen zweiten Schaltkörper (130), welcher einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung (105) zur Versetzung zwischen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposition gekoppelt ist;

– eine erste Übertragung (150), die Linearversetzung des Linearschaltkörpers (220) von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170), wobei die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen (173) umfasst, die in einer Rastzahnebene (T) angeordnet sind;

– eine zweite Übertragung (160), welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers (130) von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170); und

– wobei ein Bewegungspfad beider Schaltkörper (130, 220) im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist, während das Schnittstellenelement schwenkbar montiert ist, um einem Bewegungspfad folgen zu können, der nicht parallel zur Rastzahnebene (T) ist.„

Nachfolgend abgebildet sind die Figuren 3 bis 7 der Klagegebrauchsmusterschrift, welche bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung zeigen. Figur 3 ist eine explosionsartige Ansicht der Schaltsteuervorrichtung, Figur 4 eine Querschnittsansicht der Schaltsteuervorrichtung in einem nicht betätigten Zustand, Figur 5 stellt eine Querschnittsansicht der Schaltsteuervorrichtung dar, wobei der Linearschaltkörper in einer Betriebsposition dargestellt ist. Figur 6 zeigt eine Detailunteransicht des Linearschaltkörpers in einer Ausgangs- oder Ruheposition und Figur 7 eine Detailunteransicht des Linearschaltkörpers in einer Betriebs- und Betätigungs- bzw. Schaltposition.

Die Beklagten stellen Fahrradteile her und vertreiben diese in Europa. Zu ihrem Sortiment gehört eine Fahrradgangschaltungseinrichtung mit der Bezeichnung „S1„, von welcher die Klägerin ein ungeöffnetes Original zur Gerichtsakte gereicht hat. In der mündlichen Verhandlung überreichte die Klägerin ein Exemplar einer geöffneten Fahrradgangschaltungseinrichtung, worauf ausdrücklich Bezug genommen wird. Fotografische Darstellungen der angegriffenen Ausführungsform überreichte die Klägerin als Anlage K 18. Nachfolgend abgebildet ist Seite 7 der Anlage K 18, welche die angegriffene Vorrichtung in geöffnetem Zustand zeigt.

Wegen der Herstellung und des Vertriebs der angegriffenen Fahrradschaltsteuereinrichtung nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Sie vertritt die Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster wortsinngemäßen Gebrauch mache. Das c-förmige metallische Element stelle einen Linearschaltkörper im Sinne des Klagegebrauchsmusters dar, da das Klagegebrauchsmuster nicht voraussetze, dass der Linearschaltkörper außerhalb der Schaltsteuerung angeordnet sei. Der c-förmige Körper diene auch der Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltsteuerposition, wie sich aus dem Vorhandensein zweier Langlöcher ergebe, in denen ein Führungsstift angeordnet sei. Der Linearschaltkörper werde durch eine Feder in die erste Position vorgespannt. Benachbart zu dem Führungsstift sei der Linearschaltkörper mit einem nach oben gerichteten Vorsprung, einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper ausbildend und der Wechselwirkung mit dem Auslösehebel dienend. Somit werde der Linearschaltkörper durch einen der Hebel, das Schnittstellenelement ausbildend, betätigt. Das Schnittstellenelement sei beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper, wobei eine Fläche zum Beaufschlagen des Anschlages diesbezüglich benachbart vorgesehen sei, wie auch ein Fingerkontaktabschnitt. Beim einfachen Betätigen der angegriffenen Ausführungsform sei zu erkennen, dass der Auslösehebel über einen ersten Fingerkontaktabschnitt verfüge. Beim Schwenken des Auslösehebels schräg oder windschief zur Rastzahnebene bewirke die Betätigungskraftanwendungsfläche, dass sich der Anschlag um den Linearschaltkörper entgegen der Vorspannung aus der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition bewege. Die Bewegungspfade beider Schaltkörper seien auch im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene, wohingegen das Schnittstellenelement schwenkbar montiert sei, um einem Bewegungspfad folgen zu können, der nicht parallel zur Rastzahnebene sei, wie sich aus den Abbildungen der angegriffenen Vorrichtung ergebe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem oder den Geschäftsführern, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an dem oder den Geschäftsführern, zu untersagen,

in der Bundesrepublik Deutschland Gangschaltungen für ein Fahrrad herzustellen oder herstellen zu lassen, zu vertreiben, oder vertreiben zu lassen, anzubieten oder anbieten zu lassen, zu bewerben oder bewerben zu lassen, oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder besitzen zu lassen, oder einzuführen oder einführen zu lassen, die die folgenden Merkmale in Kombination aufweisen:

Einen Steuerkörper, drehbar bezüglich einer Achse zum Steuern des Schaltsteuerkabels; einen Linearschaltkörper, einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper ausbildend und zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung vorgesehen, ein Schnittstellenelement beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper und aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich sowie eine Betätigungskraftanwendungsfläche, wobei die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers bewirkt, um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen; einen zweiten Schaltkörper, welcher einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung zur Versetzung zwischen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposition gekoppelt ist, eine erste Übertragung, die Linearversetzung des Linearschaltkörpers von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers, wobei die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen umfasst, die in einer Rastzahnebene angeordnet sind, eine zweite Übertragung, welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers, und wobei ein Bewegungspfad beider Schaltkörper im wesentlichen parallel zur Rastzahnebene ist, während das Schnittstellenelement schwenkbar montiert ist, um einem Bewegungspfad folgen zu können, der nicht parallel zur Rastzahnebene ist.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollsteckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagten stellen die Benutzungshandlung des Herstellens in der Bundesrepublik Deutschland in Abrede. Im Übrigen vertreten sie die Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von dem Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters keinen wortsinngemäßen Gebrauch mache. Das c-förmige Bauteil stelle keinen Linearschaltkörper im Sinne des Klageschutzrechtes dar. Das Klagegebrauchsmuster unterscheide zwischen zwei Schaltkörpern, nämlich einem Linearschaltkörper und einem zweiten Schaltkörper. Bei einem Schaltkörper handele es sich um ein Betätigungselement der Schaltung, welches außerhalb des eigentlichen Schaltmechanismus liege und Betätigungskraft in das Innere des Schaltmechanismus übertrage. Bei dem zweiten Schaltkörper ergebe sich das bereits daraus, dass dieser als außerhalb des Schaltmechanismus angeordneter Hebel ausgestaltet sei. Funktional gesehen müsse daher das gleiche für den Linearschaltkörper gelten, da auch dieser die Bezeichnung „Schaltkörper„ trage. Entsprechendes gelte auch bei Betrachtung der Funktion dieses Bauteils, welches die vom Schnittstellenelement ausgeübte Kraft nicht unmittelbar auf den Steuerkörper übertrage, sondern auf einen gesonderten ersten Übertragungsmechanismus, der im Gebrauchmuster von dem Linearschaltkörper unterschieden werde. Auch sei der Linearschaltkörper mit der Schaltsteuervorrichtung gekoppelt, und zwar zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition einer ersten Schaltposition.

Ein solches Verständnis des Linearschaltkörpers zugrundelegend könne unter dem c-förmigen Bauteil der angegriffenen Ausführungsform kein Linearschaltkörper verstanden werden. Das Bauteil vollführe keine geradlinige Bewegung. Die Längsachsen würden nicht parallel verlaufen, da eines der Langlöcher erheblich breiter sei als der in ihm angeordnete Führungsstift. Auch handele es sich nicht um einen Schaltkörper, da das c-förmige Bauteil des Schaltmechanismus nicht außerhalb angeordnet sei, was jedoch nach dem Verständnis der Lehre des Gebrauchsmusters nicht vorliegen dürfe. Auch liege keine Kopplung vor, da zwischen zwei aktiven Positionen gewechselt werden würde. Auch weise die angegriffene Ausführungsform kein Schnittstellenelement auf. Denn bei dem schräg gelagerten Hebel, welcher nach Auffassung der Klägerin das Schnittstellenelement darstelle, handele es sich um einen Schaltkörper. Der schräg gelagerte Hebel, welcher außerhalb angeordnet sei, übertrage die durch den Bediener ausgeübte Kraft unmittelbar auf das c-förmige Bauteil und wirke damit unmittelbar, ohne Vorschaltung irgendeines Schnittstellenelementes auf die Erstübertragung der angegriffenen Ausführungsform ein. Ein Schnittstellenelement zur verbesserten Bedienbarkeit eines Schaltkörpers sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erforderlich, da hier der Schaltkörper selbst schwenkbar angeordnet sei.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Anhaltspunkte für ein Herstellen durch die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland würden sich daraus ergeben, dass in der deutschen Offenlegungsschrift DE 10 2004 014 xxx, welche die angegriffene Schaltung unter Schutz stelle, die Erfinder die Anschrift der Beklagten zu 2. aufweisen würden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung nicht zu, da die angegriffene Fahrradschaltsteuervorrichtung von der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster keinen Gebrauch macht.

I.
Die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster betrifft eine Fahrradschalteinrichtung, die einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel betätigt, und betrifft insbesondere eine Vorrichtung, in welcher ein Aufnahmekörper, der das Schaltsteuerkabel aufnimmt, veranlasst wird, in einer Aufnahmerichtung zu drehen, mittels eines ersten Schalthebels, welcher frei zu einer Ruheposition zurückkehrt und veranlasst wird, in einer Ausgaberichtung zu drehen mittels eines zweiten Schalthebels, welcher frei zu einer separaten Ruheposition zurückkehrt.

Eine Fahrradschaltvorrichtung dieser Art zum Betätigen eines Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel ist in dem US-Patent 5 921 XXX (Anlage K 21) offenbart. Nachfolgend abgebildet sind die Figuren 12 und 13 der Druckschrift, welche in Figur 12 eine Explosionszeichnung der aus dem Stand der Technik bekannten Fahrradschaltvorrichtung zeigt und in Figur 13 eine Ansicht des Übertragungsmechanismus zwischen dem linear beweglichen Hebel und dem Steuerkörper.

Als hieran nachteilig sieht es das Klagegebrauchsmuster an, dass, da sich der linear bewegliche Hebel 120 in einer Richtung, senkrecht zur Lenkstange bewege, für einen optimalen Betrieb der Benutzer den Daumen unmittelbar gegenüber dem Linearbetätigungshebel anordnen und den Hebel in einer Richtung senkrecht zur Lenkstange beaufschlagen müsse. Unter Wettkampfbedingungen wünsche es der Fahrer jedoch üblicherweise nicht, bezüglich einer exakten Positionierung des Daumens zur Betätigung der Schaltvorrichtung Sorge tragen zu müssen. Somit sei es wünschenswert, eine Schaltsteuervorrichtung der genannten Art zur Verfügung zu haben, bei welcher der Benutzer nicht exakt den Daumen gegenüberstehend des Linearbetätigungs- oder Schalthebels für den optimalen Betrieb anzuordnen habe (vgl. Klagegebrauchsmuster Abschnitt 0003).

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik hat es sich die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster zur Aufgabe gemacht, eine Fahrradschaltvorrichtung zu entwickeln, die das Durchführen des Schaltens erlaubt, ohne eine exakte Positionierung der Hand des Fahrers zu erfordern. Hierzu schlägt das Klagegebrauchsmuster in seinem Schutzanspruch 1 eine Fahrradschaltvorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

a) Fahrradschaltsteuervorrichtung, welche einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel betätigt, wobei die Schaltsteuervorrichtung umfasst:

b) einen Steuerkörper (170), drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104)

c) einen Linearschaltkörper (220)

c1) einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) ausbildend und

c2) zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung gekoppelt;

d) ein Schnittstellenelement (202)

d1) beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und

d2) aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (203), wobei

d3) die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlags des Linearschaltkörpers (220) bewirkt,

d4) um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen;

e) einen zweiten Schaltkörper (130), welcher einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar

e1) in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170),

e2) und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung (105) zur Versetzung zwischen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposition gekoppelt ist;

f) eine erste Übertragung (150)

f1) die Linearversetzung des Linearschaltkörpers (220) von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170), wobei

f2) die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen (173) umfasst, die in einer Rastzahnebene (T) angeordnet sind,

g) eine zweite Übertragung (160), welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers (130) von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170); und

h) wobei ein Bewegungspfad beider Schaltkörper (130, 220) im wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist, während

h1) das Schnittstellenelement schwenkbar montiert ist,

h2) um einem Bewegungspfad folgen zu können, der nicht parallel zur Rastzahnebene (T) ist.

II.
Die angegriffene Ausführungsform weist kein Schnittstellenelement im Sinne der Merkmalsgruppe d) des Klagegebrauchsmusters auf.

Das Klagegebrauchsmuster geht – wie vorstehend ausgeführt – von einer Fahrradschaltvorrichtung gemäß der US-Patentschrift 5 921 xxx (Anlage K 21). Dieser Stand der Technik bildet – wie auch zwischen den Parteien unstreitig ist – die Grundlage für die Offenbarung der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster. So zeigt die unter I. wiedergegebene Figur 12 der US-amerikanischen Patentschrift im Vergleich zu der Figur 3 der Klagegebrauchsmusterschrift, dass der im Stand der Technik offenbarte Gegenstand mit dem Gegenstand des Klagegebrauchsmusters in vielen grundlegenden Funktionsteilen übereinstimmt. Danach lässt sich folgende Funktionsweise der einzelnen Bauteile der im Stand der Technik offenbarten Schaltvorrichtung feststellen.
Die Steuerschaltvorrichtung weist einen Steuerkörper (170) zur Montage an einem Fahrrad in unmittelbarer Nachbarschaft zur Lenkstange zum Steuern eines Ziehens und Lösens des Schaltsteuerkabels auf. Ein erster Hebel (130) ist an dem Steuerkörper beweglich montiert und veranlasst den Steuerkörper, das Steuerkabel zu ziehen. Der Hebel ist schwenkbar an dem Steuerkörper gekoppelt. Ein zweiter Hebel (120) ist am Steuerkörper beweglich montiert und veranlasst, dass der Steuerkörper ein Lösen des Schaltsteuerkabels durchführt. Einer der beiden Hebel ist schwenkbar an dem Steuerkörper gekoppelt. Es handelt sich um den Hebel (130), der jeweils um die Achse (107) schwenkbar angeordnet ist. Der andere Hebel ist linear beweglich relativ zu dem Steuerkörper gekoppelt. Hierbei handelt es sich um den Hebel 120, der im montierten Zustand die Öffnung 127 B durchsetzt und gegen den Zug der Feder 111 A an dem Bauteil 127/128 längsverschiebbar gelagert ist. Der zur Linearbewegung ausgelegte Hebel (120) ist mit einem Übertragungsmechanismus gekoppelt, nämlich der Klinke 151, die an einem Schwenkzapfen 152 drehbar gelagert ist und mit dem an dem Aufnahmekörper 170 angeordneten Zahnkranz 171 zusammenwirkt. In der Draufsicht der Figur 13 ist zu erkennen, dass der linearbewegliche Hebel 120 auf die verschwenkbare Klinke 151 einwirkt, die wiederum mit ihren Zähnen 151 A und 151 B wechselweise in Zähne des Zahnkranzes 171 eingreift und so dessen schrittweise Rotationsbewegung ermöglicht. Der geschilderte Übertragungsmechanismus findet seine Entsprechung im Klagegebrauchsmuster, wie die im Tatbestand abgebildete Explosionszeichnung der Figur 3 zeigt. Auch dort ist eine Klinke 151 schwenkbar um die Achse 152 vorhanden, die mit dem Zahnkranz 171 am Steuerkörper 170 zusammenwirkt. In dem im Tatbestand wiedergegebenen Figuren 6 und 7 ist dieses Zusammenwirken gezeigt. Im Übrigen verweist auch Abschnitt 20 des Klagegebrauchsmusters ausdrücklich auf die Identität der Funktion des als ersten Rastmechanismus 150 genannten Übertragungsmechanismus mit den entsprechenden Elementen des Standes der Technik.

An diesem Stand der Technik rügt es das Klagegebrauchsmuster als nachteilig, dass sich der linear bewegliche Hebel 120 in einer Richtung senkrecht zur Lenkstange bewegt, so dass für einen optimalen Betrieb der Benutzer den Daumen unmittelbar gegenüber dem Linearbetätigungshebel anordnen und den Hebel in einer Richtung senkrecht zur Lenkstange beaufschlagen muss. Gegenüber dem Stand der Technik will das Klagegebrauchsmuster mithin lediglich ein Schnittstellenelement gemäß der Merkmalsgruppe d) und h) hinzufügen. Denn das erfindungsgemäße Schnittstellenelement, welches schwenkbar montiert ist, soll einem Bewegungspfad, der nicht parallel zur Rastzahnebene ist, folgen können und dadurch bewirken, dass eine Kraftbeaufschlagung nicht wie im Stand der Technik senkrecht zur Lenkstange erfolgen muss.

Dabei soll die erfindungsgemäße Steuervorrichtung einen Linearschaltkörper 220 aufweisen, der einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper 170 ausbildet und zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung gekoppelt ist (Merkmalsgruppe c)). Der Linearschaltkörper nimmt daher erfindungsgemäß eine vergleichbare Funktion wie der aus dem Stand der Technik bekannte Hebel 120 wahr, nämlich eine Linearversetzung, welche dann von der ersten Übertragung 150 umgesetzt wird, die wiederum eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers 170 bewirkt (Merkmalsgruppe c2), f1). Ergänzend zur Vermeidung der senkrechten Beaufschlagung der Kraft zur Lenkstange sieht das Klagegebrauchsmuster ein Schnittstellenelement 202 vor, welches relativ beweglich zu dem Linearschaltkörper 220 beweglich montiert ist und einen ersten Fingerkontaktbereich und eine Betätigungskraftanwendungsfläche aufweist, wobei die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers bewirkt, um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen (Merkmalsgruppe d)). Dabei soll, wie sich aus den Merkmalen h1) und h2) ergibt, das Schnittstellenelement schwenkbar montiert sein und einem Bewegungspfad folgen, der nicht parallel zur Bewegungsebene ist.

Eine solche Ausgestaltung weist die angegriffene Ausführungsform nicht auf. Denn ein Schnittstellenelement entsprechend der Merkmalsgruppe d) mit der Funktionsweise der Merkmalsgruppe h) ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden. Dabei geht die Kammer von folgender Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform aus, nachdem die Klägerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung ein geöffnetes Exemplar der angegriffenen Ausführungsform vorgelegt hat, so dass die Kammer die Arbeitsweise der einzelnen Funktionsbauteile im Betrieb in Augenschein nehmen konnte. Danach stellt das c-förmige Bauteil, welches von der Klägerin als Linearschaltkörper angesehen wird, einen Bestandteil der Übertragungen 150 und 160 im Sinne der Merkmalsgruppen f) und g) dar. Denn das c-förmige Bauteil setzt die Linearversetzung des Linearschaltkörpers 220 – hier des schwarzen, um 30° gedrehten Hebels – von einer ersten (Ausgangs)-position zu der ersten Schaltposition in eine Rotationsversetzung des aus schwarzem Kunststoff mit einer Vielzahl von Rastzähnen ausgebildeten Steuerkörpers um (erste Übertragung) bzw. die Versetzung des zweiten Schaltkörpers von einer zweiten Ausgangsposition in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (zweite Übertragung). Das c-förmige Bauteil nimmt dabei die Funktion der Schwenkhebel/Klinken 151 bzw. 161 war, wie sie in den Figuren 6 und 7 des Klagegebrauchsmusters gezeigt werden und welche mit den im Anspruch beschriebenen Rastzähnen 172 des Steuerkörpers 170 zusammenwirken.

Es handelt sich bei diesem Element nicht – wie die Klägerin meint – um einen Linearschaltkörper, da ansonsten nicht ersichtlich wäre, welches Bauteil der angegriffenen Ausführungsform die Funktion der Übertragungen im Sinne der Merkmalsgruppen f) und g), nämlich der Umsetzung einerseits der Linearversetzung des Linearschaltkörpers von der ersten Ausgangsposition und andererseits der Versetzung des zweiten Schaltkörpers von der zweiten Ausgangsposition wahrnehmen würde.

Der um 30° gedrehte schwarze Hebel, welcher von der Klägerin als Schnittstellenelement 202 angesehen wird, stellt dann nach Auffassung der Kammer den Linearschaltkörper 202 dar. Denn dieser schwarze Hebel bildet mit dem metallenen flächigen Stift, welcher auf dem c-förmigen Bauteil angeordnet ist, einen Anschlag beabstandet von dem als aus Kunststoff mit einer Vielzahl von Rastzähnen ausgebildeten Steuerkörper. Weiterhin ist der schwarze Hebel zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung gekoppelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten bewirkt der schwarze Hebel auch eine lineare Versetzung. Wie die Kammer durch eigenen Augenschein feststellen konnte, folgt der Bewegungspfad des schwarzen Hebels zumindest in weiten Teilen einer Ebene parallel zu dem c-förmigen Bauteil und der Rastzahnebene. Erst dann, wenn die Bewegung des schwarzen Hebels durch den Eingriff eines Rastzahnes des c-förmigen Bauteils in die Rastzahnebene des Steuerkörpers gehindert wird, ist der Bewegungspfad des schwarzen Hebels nicht mehr linear, sondern folgt einem Bewegungspfad, der dann nicht mehr parallel zur Rastzahnebene (T) ist, was jedoch für die Einordnung als Linearschaltkörper ohne Relevanz ist, da es nach Merkmal h) genügt, dass der Bewegungspfad der Schaltkörper 130, 220 im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist. Diese im letzten Schritt fehlende Parallelität des Bewegungspfades zur Rastzahnebene T bewirkt mit der Verdrehung des schwarzen Hebels um 30° das erfindungsgemäße Ziel des Klagegebrauchsmusters, dem Nutzer mehr Flexibilität in dem Gebrauch der Schaltsteuereinrichtung einzuräumen.

Bei einer solchen Betrachtungsweise bleibt für die Anwesenheit eines Schnittstellenelements entsprechend der Merkmalsgruppe d) kein Raum. Es ist nicht ersichtlich, dass lediglich der obere Teil des schwarzen Hebels, d.h. der Bereich, in dem der Hebel aus der durch einen Hohlraum unterbrochenen Kunststofffläche nebst dem Fingerkontaktbereich besteht, ein erfindungsgemäßes Schnittstellenstellenelement darstellt. Danach würde dann der auf den Anschlag des c-förmigen Elementes auftreffende Bereich den Linearschaltkörper darstellen. Denn hierbei handelt es sich nicht um ein erfindungsgemäßes Schnittstellenelement. Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik, der US-Patentschrift 5 921 138, sieht das Klagegebrauchsmuster als Schnittstellenelement offensichtlich ein eigenes, bewegliches Bauteil vor, welches zu dem Linearschaltkörper hinzugefügt wird. Ein solches separates Bauteil stellt der beschriebene Bereich nicht dar.

Anhaltspunkte für eine äquivalente Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch Verwendung eines einteiligen Linearschaltkörpers/Schnittstellenelementes liegen nicht vor. Denn es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Überlegungen der Fachmann ausgerichtet an der in den Schutzansprüchen niedergelegten technischen Lehre statt der Verwendung eines zweiteiligen Bauteils ein einteiliges Bauteil verwenden sollte, welches gegenüber einer Rastzahnebene um 30 Grad verdreht wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 1.000.000,– Euro.

Dr. R1 R3 R2