Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. August 2006, Az. 4a O 214/06
I.
Auf den Widerspruch des Antragsgegners wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 2006 – 4a O 214/06 – im Kostenpunkt (Ziffer III.) dahin abgeändert, dass der Antragstellerin die Verfahrenskosten auferlegt werden.
II.
Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist ein Maschinenbauunternehmen, das sich auf die Entwicklung und den Bau von Maschinen für die unterirdische Verlegung und grabenlose Erneuerung von Rohrleitungen spezialisiert hat. Der Antragsgegner ist eingetragener Inhaber des europäischen Patentes 0 817 xxx B1 (nachfolgend Verfügungspatent) betreffend ein Verfahren zum Ziehen eines im Erdreich verlegten oder zu verlegenden Rohres und Mitgesellschafter und Geschäftsführer der „K Technologieunternehmen GmbH & Co. KG“ (nachfolgend K GmbH) mit Sitz in B. Das Unternehmen ist unter anderem im Bereich des Rohrleitungs- und Kanalbaus tätig und wendet das im Verfügungspatent beschriebene Verfahren an. Die Antragstellerin und die K GmbH konkurrieren bundesweit miteinander.
Zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ist vor dem Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 16 O 43/04 ein Patentverletzungsverfahren anhängig. Der Antragsgegner macht in diesem Verfahren geltend, dass die Antragstellerin durch die Herstellung und das Angebot von Vorrichtungen zur unterirdischen Verlegung von Rohrleitung das Verfügungspatent verletze. Unter dem 25. Januar 2005 erhob die Antragstellerin bei dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage. Die mündliche Verhandlung in dem Nichtigkeitsverfahren, welches unter dem Aktenzeichen 4 Ni 7/05 (EU) geführt wird, fand am 15. März 2005 statt. Wegen der damals zwischen den Parteien schwebenden Vergleichsverhandlungen erfolgte keine Verkündung einer Entscheidung am Schluss der mündlichen Verhandlung. Eine solche sollte erst in einem Verkündungstermin nicht vor dem 24. März 2006 erfolgen. Die Parteien baten das Bundespatentgericht mehrfach, die Zustellung an Verkündung statt hinauszuschieben. Eine Zustellung erfolgte bisher noch nicht. Am 7. Juni 2006 teilten sie dem Bundespatentgericht mit, dass die Vergleichsverhandlungen gescheitert seien. Unter Hinweis auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren setzte das Landgericht Berlin den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29. November 2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss wegen der hohen Erfolgswahrscheinlichkeit der gegen das Verfügungspatent gerichteten Nichtigkeitsklage aus. Auf den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. November 2005 (Anlage L 5) wird verwiesen.
Unter dem 22. Mai 2006 richtete der Antragsgegner ein Schreiben an die P Bauunternehmung GmbH, welche eine Kundin der Antragstellerin im Hinblick auf die streitgegenständliche Technik zur grabenlosen Rohrverlegung ist, welches nachfolgend wiedergegeben ist. Die Kundin der Antragstellerin benutzt ein Gerät, das sie von der Antragstellerin erworben hat, um damit Rohre grabenlos einzuziehen. Dieses Gerät und das damit durchführbare Verfahren macht nach Auffassung des Antragsgegners von der Lehre nach dem Verfügungspatent Gebrauch.
Das abgebildete Schreiben des Antragsgegners vom 22. Mai 2006 wurde der Antragstellerin am gleichen Tag per Telefax zugeleitet.
Auf einen am 21. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde dem Antragsgegner mit Beschluss vom 22. Juni 2006 entsprechend Ziffer I.1. und 2. des Tenors untersagt, im Verhältnis zu Abnehmern der Antragstellerin auf bestehenden Patentschutz zu verweisen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass zum einen der deutsche Teil des Verfügungspatentes Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht ist, und zum anderen, dass das Landgericht Berlin einen auf den deutschen Teil des Verfügungspatentes gestützten Verletzungsrechtsstreit wegen hoher Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der gegen das Verfügungspatent gerichteten Nichtigkeitsklage ausgesetzt hat.
Gegen die einstweilige Beschlussverfügung legte der Antragsgegner mit einem am 3. Juli 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Kostenwiderspruch ein, mit dem er geltend macht, von der Antragstellerin nicht abgemahnt worden zu sein, obwohl eine Abmahnung zum Erfolg geführt hätte, da er eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hätte.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
den Kostenwiderspruch zurückzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 22. Juni 2006 im Kostenausspruch abzuändern und die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der zulässige Widerspruch ist begründet.
I.
Weil der Antragsgegner seinen Widerspruch ausdrücklich auf die Kostenentscheidung beschränkt hat, steht die Berechtigung der gegen ihn ergangenen Beschlussverfügung fest. Obwohl der Antragsgegner damit als in der Sache unterlegene Partei anzusehen ist, trifft ihn entgegen der allgemeinen Vorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO die Kostenlast nicht, weil er die Unterlassungsverfügung sofort anerkannt hat, ohne der Antragstellerin durch sein vorheriges Verhalten Veranlassung zur Anbringung eines gerichtlichen Verfügungsantrages gegeben zu haben. Gemäß § 93 ZPO, der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar ist (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rdnr. 6, Stichwort: Einstweilige Verfügung), ist vielmehr trotz Obsiegens in der Sache die Antragstellerin verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen.
Dass das Anerkenntnis des Antragsgegners „sofort“ erfolgt ist, zieht die Antragstellerin – mit Recht – nicht in Zweifel. Sie meint allerdings, der Antragsgegner habe ihr – der Antragstellerin – Veranlassung zur gerichtlichen Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs gegeben, welcher im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchgesetzt habe werden müssen, ohne dass es einer Abmahnung durch sie bedurft habe. Eine vorherige Abmahnung hätte eine bloße Förmelei dargestellt.
Dem ist zu widersprechen. Der Antragsgegner gibt Veranlassung zur Einleitung eines Verfügungsverfahrens, wenn der Antragsteller auf Grund des Verhaltens des Antragsgegners den Eindruck gewinnen musste, zur Verwirklichung seines Rechts auf die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe angewiesen zu sein. Veranlassung zur gerichtlichen Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche besteht regelmäßig erst bei Erfolglosigkeit einer Abmahnung (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. Rdnr. 10 und 204 m.w.N.). Eine solche hat die Antragstellerin vorliegend nicht ausgesprochen und es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Antragstellerin vorliegend auf eine solche verzichten konnte, ohne das Risiko der Kostenbelastung nach § 93 ZPO einzugehen. Denn auf eine Abmahnung kann ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn die Aufforderung nach den besonderen Umständen des Streitfalls nutzlos erscheint, der Antragsteller also annehmen muss, der Antragsgegner werde von den Wettbewerbsverstößen nicht ohne ein gerichtliches Verbot absehen, oder die besondere Eilbedürftigkeit der Sache eine Abmahnung entbehrlich macht.
Keiner der beiden Ausnahmefälle wird vorliegend verwirklicht. Eine besondere Eilbedürftigkeit der Sache hat die Antragstellerin selbst nicht vorgetragen und ist auch nicht zu erkennen. Aber auch ansonsten sind nach dem Vorbringen der Antragstellerin keine durchgreifenden Umstände ersichtlich, aufgrund welcher eine vorherige Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragstellerin als nutzlos erscheinen musste. Zwar mag das Verhältnis zwischen den Parteien wegen der gerichtlichen Auseinandersetzung und der geführten Vergleichsverhandlungen angespannt gewesen sein. Hieraus kann aber nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass der Antragsgegner unter keinen Umständen auf eine Abmahnung hin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hätte. Denn auch ein gestörtes Verhältnis zwischen den Parteien musste dem Antragsgegner nicht notwendigerweise die Einsicht nehmen, dass sein Verhalten gegenüber der Kundin der Antragstellerin wettbewerbswidrig ist, wenn er mit sachlichen Argumenten darauf hingewiesen wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht anhand der Ausführungen des Antragsgegners in der Begründung des Kostenwiderspruchs. Der Auffassung der Antragstellerin, dass sich hieraus ein Bestreiten des materiellen Unterlassungsanspruches ergebe, mit der Folge, dass für die Anwendung des § 93 ZPO kein Raum sei, kann nicht gefolgt werden. Der Antragsgegner hat ausgeführt, dass er nach der Nichtigkeitsverhandlung vor dem Bundespatentgericht habe davon ausgehen können, dass die Nichtigkeitsklage abgewiesen und das Verfügungspatent aufrechterhalten würde. Er hätte eine Unterlassungserklärung unverzüglich abgegeben, da nach der Auskunft des Bundespatentgerichtes das Urteil innerhalb kurzer Zeit zugestellt worden wäre und die Unterlassungsverpflichtung damit hinfällig geworden wäre. Der Antragsgegner will damit ersichtlich nicht die materielle Unterlassungsverpflichtungen Abrede stellen, sondern deutlich machen, dass ihm die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ohne Weiteres möglich gewesen wäre, da sie – nach seiner Auffassung – ohnehin hinfällig geworden wäre. Die Antragstellerin hat nicht in Abrede gestellt, dass der von dem Antragsgegner aus der mündlichen Verhandlung bei dem Bundespatentgericht gewonnene Eindruck von den Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage abwegig gewesen ist.
II.
Die Entscheidung zu den weiteren Verfahrenskosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
– bis zum 2. Juli 2006: 50.000,00 €,
– sodann: Kosteninteresse.