4b O 307/04 – Tintenbehälter II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 415

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. September 2005, Az. 4b O 307/04

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 17.000 Euro vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin zu 1) ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 605 xxx, das – unter Inanspruchnahme verschiedener japanischer Prioritäten vom 22.05.1984 – am 9.10.1984 angemeldet und dessen Erteilung am 14.03.2001 bekanntgemacht worden ist. Das Klagepatent, welches ein Verfahren zum Imprägnieren eines Tintenabsorbers in einem Tintenbehälter betrifft, ist am 9.10.2004 infolge Ablaufs der maximalen Schutzdauer erloschen. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Verfahren zum Tränken eines tintenaufnehmenden Mittels in einem Tintenbehälter, der ein Luftloch aufweist, umfassend:

Bereitstellen eines Tintenbehälterkörpers (40) und eines Deckels (50), um denselben zu verschließen, wobei der Tintenbehälter einen Innenraum aufweist, der durch die Innenwandflächen des Tintenbehälterkörpers und den Deckel begrenzt wird,

Anordnen des tintenaufnehmenden Mittels in dem Innenraum des Behälters und Schließen des Deckels,

so dass zwischen dem tintenaufnehmenden Mittel und mindestens einer Innenwandfläche des Tintenbehälters ein Freiraum gebildet wird, wobei das tintenaufnehmende Mittel einen Abstand von mindestens einer Innenwandfläche aufweist, und so dass das Luftloch mit dem Freiraum in Verbindung steht,

Erzeugen eines Drucks, der niedriger ist als der atmosphärische Druck in dem Tintenbehälter,

und daraufhin Tränken des tintenaufnehmenden Mittels mit der Tinte bei einem Druck, der niedriger ist als der atmosphärische Druck.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 2, 5 und 7 der Klagepatentschrift) zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung.

Nach den Behauptungen der Klägerinnen ist die Klägerin zu 2) ausschließliche Lizenznehmerin am Gegenstand des Klagepatents.

Einen gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch hat das Europäische Patentamt in erster Instanz zurückgewiesen. Über die hiergegen gerichtete Beschwerde der Einsprechenden ist noch nicht entschieden. Die Beklagte zu 1) hat ferner gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage erhoben; eine Entscheidung in diesem Verfahren steht ebenfalls noch aus.

Die Beklagte zu 1) – deren Geschäftsführer der Beklagte zu 4) ist und deren vormalige Geschäftsführer die Beklagte zu 2) und 3) waren – vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Tintenpatronen, die zu den Druckern der Klägerin zu 1) kompatibel sind. Gegen sie richtet sich der Klageangriff, wobei insgesamt vier Patronentypen streitgegenständlich sind, und zwar:

S e r i e I:

S e r i e II/1:

Bestellnummer Typ für A-Drucker farbig/schwarz Verletzungsform
330802 962 B Photo f VF 10
332851 969 B Photo xxx s VF 16

S e r i e III:

S e r i e II/2:

Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die angegriffenen Patronen wortsinngemäß, zumindest aber äquivalent von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Im vorliegenden Rechtsstreit haben sie die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch genommen. Mit Rücksicht auf den zwischenzeitlichen Ablauf des Klagepatents haben die Klägerinnem den Unterlassungsantrag und den Vernichtungsanspruch für nach dem 9.10.2004 in das Eigentum oder den Besitz der Beklagten gelangten Erzeugnisse für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Wegen der Einzelheiten der Antragsfassung wird auf den Schriftsatz der Klägerinnen vom 4.07.2005 (GA II 404 – 409) verwiesen.

Die Beklagten beantragen,

1.
die Klage abzuweisen;

2.
hilfsweise,

a)
ihnen einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen;

b)
den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens bzw. des gegen den deutschen Teil des Klagepatents anhängigen Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen.

Die Beklagten bestreiten den gegen sie erhobenen Vorwurf der Patentverletzung. Patronen der Serie I seien ohnehin nach Erteilung des Klagepatents nicht mehr vertrieben worden. In jedem Fall werde sich das Klagepatent im anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahren, spätestens aber im Nichtigkietsverfahren, als nicht rechtsbeständig erweisen, was den hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag rechtfertige.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz nicht zu. Die angegriffenen Tintenbehälter der Serien II/1, II/2 und III machen keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents. Dass die Beklagten Patronen der Serie I nach Erteilung bzw. Veröffentlichung des Klagepatents angeboten und vertrieben haben, ist nicht dargetan. Ebensowenig ist ein Sachverhalt vorgetragen, der auf eine Erstbegehungsgefahr schließen ließe. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) scheitert das Klagebegehren überdies daran, dass weder behauptet noch ersichtlich ist, dass die Beklagten zu 2) und 3) nach Veröffentlichung des Klagepatents noch Geschäftsführer der Beklagten zu 1) gewesen sind oder sonst Benutzungshandlungen vorgenommen haben.

I.

Dem Klagepatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren vorzuschlagen, mit dem es gelingt, dem tintenaufnehmenden Mittel eine stabile und geeignete Menge Tinte zuzuführen, wobei die zugeführte Tinte in geringerem Maße als bisher durch Änderungen der Umgebungsbedingungen (wie Temperaturschwankungen) beeinflusst wird.

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Verfahren zum Tränken eines tintenaufnehmenden Mittels in einem Tintenbehälter.

(2) Der Tintenbehälter weist ein Luftloch auf.

(3) Das Verfahren umfasst folgende Schritte:

(a) Bereitstellen eines Tintenbehälterkörpers (40) und eines Deckels (50), um denselben zu verschließen, wobei der Tintenbehälter einen Innenraum aufweist, der durch die Innenwandflächen des Tintenbehälterkörpers und den Deckel begrenzt wird.

(b) Anordnen des tintenaufnehmenden Mittels in dem Innenraum des Behälters und Schließen des Deckels,

(c) so dass zwischen dem tintenaufnehmenden Mittel und mindestens einer Innenwandfläche des Tintenbehälters ein Freiraum gebildet wird, wobei das tintenaufnehmende Mittel einen Abstand von mindestens einer Innenwandfläche aufweist, und so dass das Luftloch mit dem Freiraum in Verbindung steht.

(d) Erzeugen eines Drucks, der niedriger ist als der atmosphärische Druck in dem Tintenbehälter.

(e) Daraufhin Tränken des tintenaufnehmenden Mittels mit der Tinte bei einem Druck, der niedriger ist als der atmosphärische Druck.

Mit der vorstehenden Merkmalskombination setzt das Klagepatent als Ausgangspunkt für das patentgemäße Verfahren einen in bestimmter Weise ausgestalteten Tintenbehälter voraus. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist insoweit vor allem wesentlich,

 dass der Tintenbehälter (der sich seinerseits aus dem Tintenbehälterkörper und einem Deckel zusammensetzt) ein Luftloch besitzt, und

 dass das tintenaufnehmende Mittel in spezieller Weise in dem (durch die Innenwandflächen des Behälterkörpers und den Deckel begrenzten) Innenraum des Tintenbehälters plaziert wird, nämlich dergestalt,

– dass das tintenaufnehmende Mittel einen Abstand von mindestens einer Innenwandfläche des Behälters einhält, so dass zwischen dem tintenaufnehmenden Mittel und der beabstandeten Innenwandfläche ein Freiraum ausgebildet wird,

– wobei die Anordnung weiter so zu treffen ist, dass dieser Freiraum mit dem Luftloch des Tintenbehälters in Verbindung steht.

Was mit diesen Vorgaben im Sinne der Aufgabenstellung bewirkt werden soll, erschließt sich dem Fachmann anhand des Beschreibungstextes, wie er sich aus den Absätzen 0017, 0031, 0047 und 0048 ergibt:

[0017]
Wie in Figur 7 schematisch dargestellt wird, weist der Tintenbehälter (140) häufig darin eingeschlossene Luftblasen oder -schichten auf. Wenn unter derartigen Umständen die Umgebungstemperatur ansteigt oder der atmosphärische Druck gesenkt wird, wird eine Luftschicht (143), welche direkt mit dem Luftloch (142) kommuniziert, expandiert und aus dem Luftloch (142) abgegeben, wie durch Pfeile (A) angezeigt wird, ohne die zum Tränken verwendete Tinte mit jeglichem Druck zu beaufschlagen, wohingegen eine Blase (144) aus zur Gänze eingeschlossener Luft expandiert wird, wie durch die Pfeile (B) angezeigt wird, und somit die umliegende Tinte bewegt. Nach Eintreffen einer derartigen Luftblase (144) an dem Tintenzufuhranschluss (142) kann das resultierende unerwünschte Ausströmen von Tinte bewirken, dass ein Blatt von Druckpapier durch einen Tintenfleck verschmiert wird oder ermöglichen, dass Tinte in den Druckerkopfmechanismus gelangt und eine Fehlfunktion von letzterem herbeiführt.

[0031]
Der Raum oder das hohle Innere, welcher(s) durch die untere Wand (40a), die seitliche Wand (40c), die Abteilung (48) und den Deckel (50) des Tankkörpers (2) definiert wird, nimmt darin die beiden porösen Elemente (61, 62) als doppelte Lagen auf, welche nur mit der erhabenen Oberfläche (44) der unteren Wand (40a), den senkrechten Rippen (47) der seitlichen Wand (40c), der Abteilung (48) und den Rippen (51) des Deckels (50) in Kontakt gehalten werden. Somit befindet sich zwischen dem porösen Element (61) und der inneren Wandoberfläche (50a) des Behälterdeckels (50) ein Raum (50b) und dieser Raum (50b) kommuniziert mit dem Luftloch (42).

[0047]

Die mit Tinte getränkten Elemente (61, 62) sind demnach von einer Luftschicht umgeben, welche über das Luftloch (42) mit der Umgebungsluft kommuniziert. Da das Tränken mit Tinte unter niedrigem Druck erfolgt, findet sich in den mit Tinte getränkten Elementen (61, 62) im Wesentlichen keine von der Tinte umschlossene Luftschicht oder -blase. Daher wird jedwede Expansion von Luft im Behälter (2), welche durch einen Anstieg der Temperatur oder eine Reduktion des atmosphärischen Drucks bewirkt wird, durch das Luftloch (42) abgelassen, so dass der Druck im Behälter (2) auf atmosphärischen Druck eingestellt wird und Tinte nicht aus dem Tintenbehälter (2) hinausdrängt.

[0048]
Der Tintenbehälter (2) ist daher gegen ein Ausströmen von Tinte infolge von Schwankungen der Temperatur und des atmosphärischen Drucks geschützt und ist imstande, Tinte stabil zuzuführen.

Der im Behälterinnenraum vorgesehene und mit dem Luftloch des Behälters kommunizierende Freiraum zielt hiernach auf Luftblasen ab, die sich trotz der Befüllung des tintenaufnehmenden Mittels bei niedrigem Druck im tintenaufnehmenden Mittel bilden können. Das Klagepatent will verhindern, dass eine temperatur- oder druckabhängige Expansion solcher Luftblasen dazu führt, dass Tinte unkontrolliert aus dem tintenaufnehmenden Mittel verdrängt wird. Namentlich für im Randbereich des tintenaufnehmenden Mittels vorhandene Lufteinschlüsse schafft der im Behälterinneren zwischen dem tintenaufnehmenden Mittel und mindestens einer Innenwandfläche des Behälters vorgesehene Freiraum, der an das Luftloch angeschlossen ist, die Möglichkeit, dass bei einer z.B. temperaturbedingten Expansion des Lufteinschlusses die Luftblase über den unter Atmosphärendruck stehenden Freiraum und das damit in Verbindung stehende Luftloch des Tintenbehälters entlüftet wird und somit keine Tinte aus dem tintenaufnehmenden Mittel verdrängen kann.

Da das Luftloch erfindungsgemäß die Funktion hat, den Freiraum zwischen dem tintenaufnehmenden Mittel und einer Behälterinnenwandfläche an die äußere Atmosphäre (d.h. die Umgebung außerhalb des Behälters) anzuschließen, muss sich das Luftloch, um solches leisten zu können, durch den gesamten Behälterdeckel erstrecken, d.h. auf der Außenseite der Behälterwand beginnen und sich bis zur Innenfläche der Behälterwand (jenseits welcher der Freiraum beginnt) fortsetzen. Daraus folgt zugleich, dass der Freiraum im Behälterinneren nicht durch das Luftloch oder einen Teil desselben gebildet werden kann. Hohlräume, die sich innerhalb einer Behälterwand befinden, sind deswegen dem Luftloch zuzurechnen und stellen keinen Freiraum zwischen tintenaufnehmendem Mittel und Behälterinnenwandfläche dar.

Zu Unrecht haben die Klägerinnen dem im Verhandlungstermin vom 2.08.2005 den Beschreibungstext im Absatz 0030 entgegen gehalten. Die aaO erläuterte Ausführungsform zeichnet sich – wie die nachstehend nochmals eingeblendeten Figuren 2 und 5 verdeutlichen –

durch eine vordere Wand (40b) und eine dahinter liegende, abteilende Wand (48) aus. Die Klägerinnen meinen nun, dass das Luftloch ausschließlich durch die Durchbrechung in der äußeren Wand (40b) gebildet werde, weswegen der von der Wand (40b) und der Ab-Teilung (48) eingefasste Kanal dem Innenraum zuzurechnen sei und mithin einen patentgemäßen „Freiraum“ darstelle. Gegen diese Betrachtung spricht bereits der Umstand, dass das für das Luftloch vorgesehene Bezugszeichen (42) in Figur 2 nicht auf die Öffnung in der äußeren Wand (40b) gerichtet ist, sondern – im Gegenteil – auf den Kanal zwischen der äußeren und der abteilenden Wand zeigt. Abgesehen davon gehen die Erwägungen der Klägerinnen an der Tatsache vorbei, dass nach der Lehre des Klagepatents das tintenaufnehmende Mittel einen Abstand von der Behälterinnenwand haben soll. Sinn dieser Anweisung ist es ersichtlich, die Bildung einer atmosphärischen Luftschicht an der Außenseite des tintenaufnehmenden Mittels zu ermöglichen, die gewährleistet, dass expandierende Luftblasen zerstört werden. Dieser vom Klagepatent angestrebte Effekt kann sich nicht einstellen, wenn das tintenaufnehmende Mittel direkt an den Behälterinnenwänden, seien es nun äußere oder (bei doppelwandiger Ausführung) innere, anliegt.

II.

Von der technischen Lehre des Klagepatents machen die streitbefangenen Tintenbehälter der Serien II/1, II/2 und III keinen Gebrauch. Es fehlt jedenfalls an einer Verwirklichung des Merkmals (3c).

1. S e r i e III:

Berücksichtigt man dies, ist den Beklagten in ihrer Auffassung zuzustimmen, dass die kreisförmige Durchtrittsöffnung und der sich daran anschließende, teils mäanderförmige Kanal im Kunststoffteil des Behälterdeckels als Luftloch anzusehen sind. Nur der Kanal und die Durchtrittsbohrung zusammen schaffen nämlich eine Durchbrechung durch das Material der oberen Behälterwand, die geeignet ist, die Atmosphäre außerhalb des Tintenbehälters an den Behälterinnenraum und einen etwaigen Freiraum anzuschließen, der zwischen der Innenfläche des Behälterdeckels und der Oberseite des tintenaufnehmenden Mittels gebildet ist. Da die Durchtrittsbohrung somit einen Teil des Luftlochs darstellt und deswegen nicht der geforderte „Freiraum“ im Behälterinneren sein kann, und jenseits der Durchtrittsbohrung das tintenaufnehmende Mittel unstreitig fest gegen die Innenfläche des Behälterdeckels anliegt, stehen die Beklagten mit Recht auf dem Standpunkt, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen ein (mit Luft gefüllter) Freiraum zwischen der Unterseite des Behälterdeckels und der Oberseite des tintenaufnehmenden Mittels nicht existiert. Eine wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents kommt somit nicht in Betracht.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer äquivalenten Patentverletzung liegen gleichfalls nicht vor. Es fehlt bereits daran, dass die angegriffenen Tintenbehälter nicht dasjenige leisten, was die Merkmalskombination des Klagepatents bewirken soll. Bei den angegriffenen Ausführungsformen kommt eine Entlüftung von im tintenaufnehmenden Mittel enthaltenen Lufteinschlüssen, wenn überhaupt, nur im Bereich der Durchgangsbohrung in Betracht. Auf sie kann indessen für die rechtliche Beurteilung nicht abgestellt werden, weil es sich um das – von dem patentgemäß geforderten Freiraum zu unterscheidende – Luftloch des Behälters handelt. Nachdem die Klagepatentschrift es dem Belieben des Fachmanns überlässt, das Luftloch in irgendeiner Wand des Tintenbehälters anzuordnen – und mithin auch eine Positionierung im Behälterdeckel gestattet -, und dennoch (d.h. auch bei einer derartigen Ausführungsvariante) einen zwischen der Innenfläche des Behälterdeckels und der Oberseite des tintenaufnehmenden Elements ausgebildeten Luftraum fordert, kann in der das Luftloch ausbildenden Öffnung nicht der patentgemäße „Freiraum“ gesehen werden.

2. S e r i e II/1:

Im Ergebnis keine andere Beurteilung gilt für die Tintenpatronen der Serie II/1. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob mit Rücksicht auf die Einbuchtung im tintenaufnehmenden Mittel im Bereich des Luftlochs von einem patentgemäßen Freiraum gesprochen werden kann. Da das tintenaufnehmende Mittel direkt an der Duchtrittsbohrung des Behälterdeckels anliegt, kann in jedem Fall keine Rede davon sein, dass ein etwaiger Freiraum mit dem Luftloch in Verbindung steht. Dementsprechend können sich auch nicht die vom Klagepatent bei sich ändernden Umgebungsbedingungen anvisierten Wirkungen einstellen, wie sie oben erläutert worden sind.

3. S e r i e II/2:

Die Patronen der Serie II/2 stellen gleichfalls keine Patentverletzung dar. Insoweit mag zugunsten der Klägerinnen unterstellt werden, dass infolge der im Bereich des Luftloches vorhandenen Einbuchtung im tintenaufnehmenden Mittel ein Abstand zwischen der Innenwand des Behälters und der Oberseite des tintenaufnehmenden Mittels existiert, der als Freiraum angesehen werden kann. Ein solcher Befund ist indessen unzureichend, weil das Klagepatent fordert, dass der den Freiraum schaffende Abstand des tintenaufnehmenden Mittels in Bezug auf mindestens eine (vollständige) Innenwandfläche des Tintenbehälters vorhanden sein muss, wovon vorliegend ersichtlich keine Rede sein kann. Dass ein Abstand von einer gesamten Innenwandfläche eingehalten werden soll, legt dem Fachmann bereits die Anspruchsformulierung nahe. Sie gibt nämlich vor, dass der Tintenbehälter einerseits aus dem Tintenbehälterkörper und andererseits aus dem Deckel besteht, weshalb bei der üblichen quaderförmigen Ausgestaltung insgesamt sechs Innenwandflächen des Tintenbehälters existieren, wobei eine durch die Innenseite des Deckels und fünf durch die Innenseiten der Wände des Tintenbehälterkörpers gebildet werden. Wenn es im Anschluss an diese Festlegung heißt, dass das in dem Tintenbehälter untergebrachte tintenaufnehmende Mittel von mindestens einer Innenwandfläche beabstandet ist, so bedeutet dies bei unbefangener Betrachtung, dass das tintenaufnehmende Mittel maximal von sechs Innenwandflächen einen Abstand einhalten kann, dass ein Abstand mindestens jedoch von einer (der sechs) Innenwandflächen vorhanden sein muss. Dass das Klagepatent exakt in diesem Sinne zu verstehen ist – und nicht dahin, dass es ausreicht, wenn das tintenaufnehmende Mittel nur von irgendeiner Teilfläche einer Innenwand beabstandet ist -, wird dem Fachmann unmittelbar verständlich, wenn er sich die dem Klagepatent zugrunde liegende Funktionsweise vergegenwärtigt. Da es um die Entlüftung von Lufteinschlüssen im tintenaufnehmenden Mittel geht und diese Lufteinschlüsse im gesamten Randbereich des tintenaufnehmenden Mittels auftreten können, bedeutet es eine schon erhebliche Einschränkung des angestrebten Erfolges, wenn das tintenaufnehmende Mittel an fünf Innenwandflächen des Behälters direkt anliegt und zu nur einer Innenwandfläche einen Abstand einnimmt. Würde es darüber hinaus genügen, dass ein Abstand auch im Bereich dieser einen Innenwandfläche nur partiell gegeben ist, müsste eine Ausführungsform als patentgemäß beurteilt werden, bei der das tintenaufnehmende Mittel über nur einen vernachlässigbar kleinen Bereich seiner Oberfläche von einer Innenwandfläche beabstandet ist, obwohl bei einer solchen Ausgestaltung der patentgemäße Erfolg (einer Entlüftung von umgebungsbedingt expandierenden Lufteinschlüssen) praktisch nicht mehr eintreten kann. Ein derartiges – von den Klägerinnen verfochtenes – Verständnis des Klagepatents ist funktionswidrig und kann deswegen nicht zutreffend sein.

4. S e r i e I:

Ansprüche wegen der Serie I scheiden aus, weil die Klägerinnen nicht substantiiert vorgetragen haben, dass es nach der Veröffentlichung des Klagepatents am 14.03.2001 zu irgendwelchen Angebots- oder Vertriebshandlungen der Beklagten gekommen ist. Nachdem die Beklagten dies ausdrücklich unter Hinweis darauf bestritten haben, dass die Serie I im Jahre 1998 zugunsten der Serie II aufgegeben worden sei, wäre es Sache der darlegungspflichtigen Klägerinnen gewesen, dem unter konkreter Benennung von Verletzungshandlungen nach dem 14.03.2001 entgegen zu treten. An entsprechendem Sachvortrag fehlt es vorliegend. Mit Schriftsatz vom 14.07.2004 (GA II 268) haben die Klägerinnen selbst vorgetragen, dass „bei Testkäufen nach Erteilung des Klagepatents Ausführungsformen der Serie I „nicht mehr … ermittelt werden konnten“. Eine Lebenserfahrung dafür, dass auch Jahre nach der behaupteten Umstellung noch Exemplare der vorigen Serie gehandelt werden, gibt es nicht.

III.

Die Beklagten zu 2) und 3) sind nicht passivlegitimiert. Es ist nicht vorgetragen, dass sie zu einer Zeit nach der Veröffentlichung des Klagepatents noch Geschäftsführer der Beklagten zu 1) waren. Hinsichtlich des Beklagten zu 2) haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 29.09.1998 (GA I 104) vielmehr selbst dargelegt, dass dieser bereits am 9.04.1998 als Geschäftsführer abberufen worden sei. Ebensowenig ist etwas dafür ersichtlich, dass sich die Beklagten zu 2) und 3) außerhalb ihrer Geschäftsführertätigkeit, insbesondere nach dem 14.03.2001, mit dem Angebot und Vertrieb der angegriffenen Tintenpatronen befasst haben. Es fehlt damit an einer in der Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2) und 3) liegenden Verletzungshandlung; irgendein Sachverhalt, der eine Erstbegehungsgefahr begründen könnte, ist von den Klägerinnen gleichfalls nicht dargelegt.

IV.

Der Antrag der Klägerinnen auf Gewährung einer Schriftsatzfrist ist nicht gerechtfertigt. Der gegnerische Schriftsatz der Beklagten vom 22.07.2005 ist – wie der Klägervertreter im Verhandlungstermin vom 2.08.2005 eingeräumt hat – innerhalb der Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO zugestellt worden. Er könnte deswegen nur dann einen Schriftsatznachlass gebieten, wenn den Klägerinnen eine Stellungnahme zu dem darin enthaltenen neuen tatsächlichen Vorbringen bis zum Verhandlungstermin nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre. Das ist nicht zu erkennen. Abgesehen davon, dass sich eine ausländische Partei, die in der Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsstreit führt, auf die hier geltenden Verfahrensvorschriften einstellen muss, wozu es auch gehört, dass zu einem Verteidigungsvorbringen kurzfristig, jedenfalls innerhalb der Fristen des § 132 ZPO, Stellung bezogen werden kann, wiederholt der Schriftsatz vom 22.07.2005 weitgehend bereits in den vorhergehenden Schriftsätzen vorgebrachte Verteidigungsmittel. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Klägerinnen gewesen, konkret darzutun, inwiefern der Schriftsatz vom 22.07.2005 neue Tatsachen enthält und weshalb ihnen hierzu eine Erwiderung bis zum 2.08.2005 unmöglich war. An entsprechenden Ausführungen fehlt es vorliegend.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.