4b O 267/04 – Autositzheizung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 407

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. September 2005, Az. 4b O 267/04

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 62.000,– EUR vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 3.000.000,– EUR festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 548 xxx, das ein Flächenheizelement sowie ein Verfahren zu seiner Herstellung betrifft. Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Erteilung am 4.06.1997 veröffentlicht worden ist, hat folgenden Wortlaut:

Flächenheizelement, insbesondere für Sitzheizungen im Kfz-Bereich, bestehend aus im wesentlichen parallel angeordneten Heizdrähten, die an ihren Enden und/oder Umlenkstellen mit Stromzuführungs-leitern elektrisch verbunden sind und die in ein überwiegend textiles Grundmaterial eingebettet sind, wobei die Heizleiter (1) sinusförmig über ein gewirktes Grundmaterial verlaufen und zumindest an den Maxima der Amplituden in das textile Grundmaterial eingebunden sind,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,

dass als Heizleiter (1) ein Filament aus Kohlefasern verwendet wird, wobei die Kohlefasern im Teilschuss oder im Kurzschuss in das Grundmaterial eingewirkt sind, und dass die Stromzuführungsleiter als Kontaktleiter (4) an den sich gegenüberliegenden Rapportkanten (5) rechtwinklig zur Sinusachse angeordnet sind und jeder Heizleiter (1) mit jedem Kontaktleiter (4) elektrisch leitend verbunden ist, wobei die Heizleiter aus Kohlefasern die Kontaktleiter in Höhe der Rapportkante (5) im rechten Winkel kreuzen und durch die darüberliegenden Maschen gegen die Kontaktleiter (4) angepresst werden.

Die nachfolgend wiedergegebene – einzige – Patentzeichnung verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Autositzheizungen, die über Flächenheizelemente verfügen. Als Anlagen K 9 und B 1 haben die Parteien zwei unterschiedlich gestaltete Heizelemente zur Akte gereicht, die nach der Auffassung der Klägerin wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der (näher bezeichneten) Ordnungsmittel zu unterlassen,

Flächenheizelemente, insbesondere für Sitzheizungen im Kfz-Bereich, bestehend aus im wesentlichen parallel angeordneten Heizdrähten, die an ihren Enden und/oder Umlenkstellen mit Stromzuführungsleitern elektrisch verbunden sind und die in ein überwiegend textiles Grundmaterial eingebettet sind, wobei die Heizleiter sinusförmig über ein gewirktes Grundmaterial verlaufen und zumindest an den Maxima der Amplituden in das textile Grundmaterial eingebunden sind,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen als Heizleiter ein Filament aus Kohlefasern verwendet wird, wobei die Kohlefasern im Teilschuss oder im Kurzschuss in das Grundmaterial eingewirkt sind, und bei denen die Stromzuführungsleiter als Kontaktleiter an den sich gegenüberliegenden Rapportkanten rechtwinklig zur Sinusachse angeordnet sind und jeder Heizleiter mit jedem Kontaktleiter elektrisch leitend verbunden ist, wobei die Heizleiter aus Kohlefasern die Kontaktleiter in Höhe der Rapportkante im rechten Winkel kreuzen und durch die darüberliegenden Maschen gegen die Kontaktleiter angepresst werden;

2. ihr (der Klägerin) unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig und wahrheitsgemäß darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4.07.1997 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt eingeräumt werden mag,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und -medien, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter 1. bezeichneten Flächenheizelementen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei hinsichtlich der Angaben zu a) und b) Bestell- und Lieferscheine sowie Rechnungen vorzulegen sind;

3. die in ihrem (der Beklagten) unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Flächenheizelemente zu vernichten oder nach ihrer (der Beklagten) Wahl an einen von ihr (der Klägerin) zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 4.07.1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Sie bestreitet den gegen sie erhobenen Vorwurf der Patentverletzung in mehrfacher Hinsicht. Bei den angegriffenen Flächenheizelementen seien die Heizdrähte weder „im wesentlichen parallel“ angeordnet noch in ein „gewirktes“ Grundmaterial „eingebettet“ und erst recht nicht „im Teilschuss oder Kurzschuss eingewirkt“. Die Heizleiter verliefen ebenso wenig „sinusförmig“ und „kreuzten die Kontaktleiter“ auch nicht „im rechten Winkel“. Schließlich seien die Stromzuführungsleiter auch nicht „rechtwinklig zur Sinusachse“ angeordnet. Abgesehen vom mangelnden Benutzungstatbestand erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und beruft sich hilfsweise darauf, dass die Vollstreckung eines Unterlassungsurteils zu ihrer kurzfristigen Insolvenz führen werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz nicht zu, weil die angegriffenen Flächenheizelemente keinen – allein geltend gemachten – wortsinngemäßen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents machen.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Flächenheizelement, das insbesondere für Kfz-Sitzheizungen Verwendung findet.

Um zu erreichen, dass das Heizelement bei Zug- und Knickbeanspruchungen mechanisch belastbar und an den Kontaktstellen zwischen Heizleiter und Stromzuführungsleiter korrosionsstabil ist, wobei gleichzeitig eine erhöhte Sicherheit gegen Veränderungen des elektrischen Widerstandes in der Kontaktfläche zwischen Heizleiter und Stromzuführungsleiter gegeben ist, sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Das Flächenheizelement besteht aus

(a) im wesentlichen parallel angeordneten Heizdrähten (Heizleitern, 1),

(b) einem gewirkten, überwiegend textilen Grundmaterial (2) und

(c) Stromzuführungsleitern (4).

(2) Als Heizleiter (1) wird ein Filament aus Kohlefasern verwendet.

(3) Die Heizleiter (1)

(a) verlaufen sinusförmig über das gewirkte Grundmaterial (2),

(b) sind in das textile Grundmaterial (2) eingebettet und

(c) zumindest an den Maxima der Amplituden in das textile Grundmaterial (2) eingebunden.

(4) Die Kohlefasern (der Heizleiter) sind im Teilschuss oder im Kurzschuss in das Grundmaterial (2) eingewirkt.

(5) An ihren Enden und/oder Umlenkungen sind die Heizdrähte (1) mit Stromzuführungsleitern (4) elektrisch verbunden.

(6) Die Stromzuführungsleiter sind als Kontaktleiter (4)

(a) an den sich gegenüberliegenden Rapportkanten (5)

(b) rechtwinklig zur Sinusachse angeordnet.

(7) Jeder Heizleiter (1) ist mit jedem Kontaktleiter (4) elektrisch leitend verbunden.

(8) Die Heizleiter (1)

(a) kreuzen die Kontaktleiter (4) in Höhe der Rapportkante (5) im rechten Winkel,

(b) werden durch die darüber liegenden Maschen gegen die Kontaktleiter (4) angepresst.

Zu den Vorteilen einer derartigen Ausgestaltung führt die Klagepatentschrift aus, es habe sich gezeigt, dass ein Heizleiter aus Kohlefasern derart durch die Maschen des Grundgewirkes geführt werden könne, dass er eine konstante Berührungsfläche mit den Kontaktleitern bilde und sogar bei erhöhter mechanischer Belastung gegen die Kontaktleiter durch ein Zusammenziehen der Maschen angepresst werde. Für die überraschende Wirkung sei nicht allein die erhöhte Zugfestigkeit des Kohlefadens selbst verantwortlich. Es habe vielmehr erst für eine besondere Einbindung des Kohlefasermaterials in das Grundgewebe gesorgt werden müssen, um die bekannten Eigenschaften des Kohlefasermaterials (wie erhöhte Zugfestigkeit und verbesserte Korrosionsbeständigkeit) im Verbund mit einem Flächenheizelement zu nutzen. Mit dem erfindungsgemäßen Flächenheizelement sei es erstmalig gelungen, Kohlefasern als Teil des Grundmaterials in dieses einzuwirken, so dass ein vollständig neuer Materialaufbau entstehe. Dadurch, dass die Heizleiter aus Kohlefasern die Kontaktleiter im rechten Winkel kreuzten und gegen die darüberliegenden Maschen gegen die Kontaktleiter angepresst würden, entstehe ein homogenes Heizelement mit besonders hoher Flexibilität, das auch unter mechanischen Belastungen einen stets gleichbleibenden Widerstandbeiwert aufweise.

II.

Von der patentgemäßen Lehre machen die angegriffenen Ausführungsformen keinen (wortsinngemäßen) Gebrauch. Es fehlt jedenfalls an einem „gewirkten“ Grundmaterial, „über das“ die Heizleiter „verlaufen“. Außerdem „kreuzen die Heizleiter die Kontaktleiter“ nicht „im rechten Winkel“.

1.
Patentanspruch 1 des Klagepatents sieht vor, dass die Heizleiter „über“ das „gewirkte Grundmaterial“ verlaufen (Merkmale 1b, 3a). „Gewirke“ bezeichnet dabei ein textiles Flächengebilde, das aus einem oder mehreren Fadensystemen durch Maschinenbildung hergestellt ist, d.h. seine Entstehung dem Ineinandergreifen von Fadenschleifen verdankt (DIN 62050, Teil 2, Ziffern 2, 3.1, Anlage K 10). Da die Heizleiter „über“ das gewirkte Grundmaterial verlegt sein sollen, fordert das Klagepatent, dass ohne die Heizleiter ein Gewirke existiert, in welches die Heizleiter im Teil- oder Kurzschuss eingewirkt werden können. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein „Gewirke“ nicht erst durch die Heizleiter entstehen darf.

Exakt dieser sich bereits aus der Anspruchsformulierung erschließenden Auffassung ist auch die fachkundige Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vom 28.10.2003 – in Auseinandersetzung mit den nachfolgend eingeblendeten Figuren 11 und 12 der US-Patentschrift 34 72 269 gewesen (Seite 5 zu 4.):

„Gemäß Anspruch 1 verlaufen die Heizleiter über das gewirkte Grundmaterial und sind in dem textilen Grundmaterial eingebunden.

Gesetzt den Fall, dass die Heizleiter nicht über das gewirkte Grundmaterial verliefen, wäre das gewirkte Grundmaterial immer noch vorhanden. Die Tatsache, dass die Heizleiter durch Einbetten, Einbinden und Einwirken eine enge Bindung mit dem gewirkten Grundmaterial aufweisen, ändert daran nichts. Folglich sind die Heizleiter gemäß Anspruch 1 nicht ein Teil des (an sich) gewirkten Grundmaterials, sondern in diesem eingebettet, eingebunden bzw. eingewirkt, und verlaufen somit unabhängig vom gewirkten Grundmaterial.

Dagegen, gemäß Figuren 11 und 12 (der US-PS 34 72 289), sind die Heizleiter ein integraler Bestandteil des gewirkten Grundmaterials, welches ohne diese Heizleiter auseinanderfiele und somit nicht bestünde.“

In Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen steht zwischen den Parteien außer Streit, dass das Grundmaterial ein Vlies ist, d.h. ein textiles Flächengebilde, das durch (chemische, mechanische oder thermische) Verfestigung direkt aus (kurzen) Fasern gebildet ist. Selbst wenn der die Heizleiter fixierende „Nähfaden“ mit in Betracht gezogen wird, ergibt sich – bei der gebotenen Außerachtlassung der Heizleiter – kein Gewirke. Die „Nähfäden“ sind nämlich nicht miteinander verschlungen, bilden also untereinander kein Gewirke. Die Fasern des Fließes hingegen stellen keine Fäden dar. Sie schaffen deshalb zusammen mit den Nähfäden ebenfalls kein ineinanderhängendes Fadensystem.

2.
Merkmal (8a) verlangt, dass „die Heizleiter die Kontaktleiter im rechten Winkel kreuzen“. Da – entsprechend dem Merkmal (7) – jeder Heizleiter mit jedem Kontaktleiter verbunden sein soll, erschließt sich für den Fachmann ohne weiteres, dass die Anforderungen des Merkmals (8) für jeden Heizleiter und jeden Kontaktleiter gelten, dass das Klagepatent also verlangt, dass jeder Heizleiter sämtliche Kontaktleiter im rechten Winkel kreuzt. Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift besagt – entgegen der von der Klägerin im Verhandlungstermin vom 11.08.2005 geäußerten Auffassung – nichts anderes. Ausweislich des Bezugszeichens (1) ist als die Kontaktleiter kreuzende Endabschnitt des Heizleiters nämlich dasjenige Teil anzusehen, welches etwa parallel zur Rapportkante (5) verläuft. In Bezug auf diesen Heizleiterabschnitt ist für jeden der drei dargestellten Kontaktleiter das Erfordernis erfüllt, dass er von dem Heizleiter im rechten Winkel gekreuzt wird.

Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen ist das betreffende Merkmal (8a) offensichtlich nicht erfüllt, weil es eine Vielzahl von Kreuzungspunkten zwischen Heizleitern und Kontaktleitern gibt, die keinen rechten Winkel bilden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709, 108 ZPO.