4b O 28/11 – Biaxial orientierte Verbundfolie

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1802

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. Januar 2012, Az. 4b O 28/11

I. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

II. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

III. Der Streitwert wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland am 15.11.1995 erteilten europäischen Patents EP 0 476 XXX (nachfolgend: Klagepatent A), welches biaxial orientierte Verbundfolien betrifft.
Die Beklagte stellte auf der Messe „A 2010“, die vom 08.05. – 13.05.2010 in B stattfand, zwei verschiedene Folientypen aus, die sie als käufliche Produkte bewarb. Die Klägerin sah hierin eine Verletzung des Klagepatents A und nahm die Beklagte infolgedessen ohne vorherige Abmahnung mit Klageschrift vom 15.11.2011 – der Beklagten am 24.02.2011 zugestellt – auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Entfernung und Schadenersatzfeststellung in Anspruch. Innerhalb der ihr im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.03.2011 (Bl. 32 d. GA), dass sie beabsichtigte, sich zu verteidigen. Die materielle Klageerwiderung bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Mit Schreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE-12) sandte die Beklagte an die Klägerin „zu deren Information“ ein von ihr verfasstes Schreiben vom selben Tag, gerichtet an die niederländische Tochtergesellschaft der Klägerin, in der diese wegen Verstoßes gegen das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs abgemahnt wird. In diesem Schreiben heißt es u.a., dass das Klagepatent A in Deutschland nicht verletzt werde, worauf die Beklagte im hiesigen Verfahren hinweisen werde; sie werde außerdem beantragen, die hiesige Klage abzuweisen. Mit Schriftsatz vom 29.06.2011 erkannte die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Klageerwiderungsfrist sämtliche auf das Klagepatent A gestützten Klageanträge unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Die Kammer hat am 20.07.2011 antragsgemäß ein Teilanerkenntnisurteil (Bl. 75 ff. d. GA) erlassen.

Die Klägerin ist des Weiteren eingetragene Inhaberin des mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland am 04.02.2004 erteilten europäischen Patents EP 1 190 XXX (nachfolgend: Klagepatent B), welches einen heißschrumpfbaren Mehrschichtfilm betrifft.
Wegen Verletzung des Klagepatents B durch die bereits genannten Folien nahm die Klägerin die Beklagte ohne vorherige Abmahnung mit Klageerweiterung vom 10.06.2011 – der Beklagten am 06.07.2011 zugestellt – auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Entfernung und Schadenersatzfeststellung in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 07.11.2011 erkannte die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Klageerwiderungsfrist sämtliche auf das Klagepatent B gestützten Ansprüche der Klageerweiterung unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Die Kammer hat am 05.12.2011 antragsgemäß ein Teilanerkenntnisurteil (Bl. 116 ff. d. GA) erlassen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagten seien sowohl bezüglich der ursprünglichen Klage als auch bezüglich der Klageerweiterung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Im Hinblick auf das Klagepatent A ergebe sich dies aus dem absichtlich auch an sie übersandten Abmahnschreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE-12). Hiermit habe die Beklagte selbst noch nach Klageerhebung und nach Ablauf eines Zeitraums, der üblicherweise zur Beantwortung einer Abmahnung wegen Patentverletzung ausreichend ist, gegenüber der Klägerin generell eine Verletzung des Klagepatents A in Abrede gestellt. Das Schreiben verdeutliche, wie sich die Beklagte im Falle einer Abmahnung verhalten hätte. Sie hätte es auf eine weitere Konfrontation ankommen lassen. Es gebe nämlich keinen Grund, anzunehmen, dass sie sich auf eine Abmahnung als dem sanfteren Angriffsmittel hin anders verhalten hätte als nach dem schärferen Schwert der Klageerhebung, die die Beklagte zunächst ebenfalls nicht dazu veranlasst habe, die Ansprüche anzuerkennen.
Die Kostentragungspflicht der Beklagten bezüglich des Klagepatents B erwachse aus der Überlegung, dass sich die Klageerweiterung gegen die gleichen Folientypen gerichtet habe. Wer wie die Beklagte selbst nach Erhebung einer Klage wegen einer eindeutigen Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform die Ansprüche selbst einen Monat nach Klageerhebung noch nicht anerkenne und sich stattdessen gegenüber der Klägerin und deren Tochtergesellschaft damit brüste, keine Patentverletzung zu begehen, und darüber hinaus damit drohe, die Klägerin oder deren Tochtergesellschaft gerichtlich zu verfolgen, der mache deutlich, dass er an einer gütlichen außergerichtlichen Streitbeilegung kein Interesse habe. Zum Zeitpunkt der Klageerweiterung hatte die Beklagte – insoweit unstreitig – die mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten Ansprüche noch nicht anerkannt. Sie, die Klägerin, habe zu diesem Zeitpunkt auch keine Hinweise auf den späteren Sinneswandel der Beklagten gehabt. Die Beklagte habe sie nicht darüber informiert; vielmehr habe die Beklagte erst rund 3 Monate nach Zusendung der Anlage HE-12 und rund einen Monat nach Zustellung der Klageerweiterung ein Anerkenntnis abgegeben. Aus damaliger Sicht habe somit keine Aussicht bestanden, durch eine Abmahnung die Klageerweiterung vermeiden zu können. Sie habe vielmehr befürchten müssen, mit einer Abmahnung zusätzliche, unnötige Kosten zu verursachen sowie – angesichts der langen noch verbleibenden Laufzeit des Klagepatents B – einen „Torpedo“ der Beklagten zu provozieren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte verwahrt sich gegen die Kostenlast, da sie unstreitig nicht abgemahnt worden ist. Sie habe mithin keine Veranlassung zur Klageerhebung bzw. Klageerweiterung gegeben.
Die Umstände nach Erhebung der ursprünglichen Klage führten nicht dazu, dass ihr, der Beklagten, ausnahmsweise die Kosten auferlegt werden könnten. Das Abmahnschreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE-12) sei an die Klägerin lediglich informationshalber gesendet worden. Dies entspreche einem auch standesrechtlich gebotenen fairen Verfahren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Schreiben im Zeitpunkt seiner Versendung inhaltlich richtig gewesen sei, da – insoweit unstreitig – am 14.05.2010 die Rezeptur für die Folienherstellung umgestellt worden ist, so dass nur noch Folien hergestellt worden sind, die weder das Klagepatent A noch das Klagepatent B verletzen.
Ihre Anerkenntnisse seien auch jeweils „sofort“ erfolgt. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass sie zunächst aus Gründen der Fristwahrung ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Kosten des Verfahrens sind gem. § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen, da die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt und keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.

1.
Die Anerkenntnisse der Beklagten erfolgten „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO. Sie hat sowohl bezüglich der ursprünglichen Klage (Klagepatent A) als auch bezüglich der Klageerweiterung (Klagepatent B) das jeweilige Anerkenntnis innerhalb der ihr im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens gesetzten jeweiligen Klageerwiderungsfristen (§ 276 Abs. 1, S. 2 ZPO) abgegeben. Die Abgabe der Anerkenntnisse innerhalb der Klageerwiderungsfristen genügt; ein Anerkenntnis muss im Falle der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nicht bereits innerhalb der Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO abgegeben werden. Dem in Anspruch Genommenen muss ein hinreichend langer Zeitraum zwecks Prüfung des Verletzungsvorwurfs gewährt werden; dazu darf er die Klageerwiderungsfrist ausnutzen (BGH NJW 2006, 2490 m. w. Nachw.). Aus der Verteidigungsbereitschaftserklärung der Beklagten vom 09.03.2011 (Bl. 32 d. GA) folgt nichts anderes. Zum einen musste die Beklagte allein zwecks Vermeidung eines etwaigen Versäumnisurteils aus Fristwahrungsgründen ihre Absicht, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen, kund tun. Zum anderen enthält die Verteidigungsbereitschaftserklärung vom 09.03.2011 weder einen Sachantrag noch eine Ankündigung eines Sachantrages noch ein Bestreiten des Klagevorbringens. Sie beinhaltet lediglich die Ankündigung, überhaupt zur Klage materiell Stellung nehmen zu wollen. Ein Aufschluss, wie sich die Beklagte zum Klageanspruch in der Sache stellt, ergibt sich daraus nicht ((BGH NJW 2006, 2490; MüKo/Giebel, ZPO, 3. Aufl., § 93 Rn. 10; Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 93 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rn. 4).

2.
Eine Veranlassung zur Klageerhebung seitens der Beklagten ist weder mit Blick auf die ursprüngliche Klage (Klagepatent A) noch mit Blick auf die Klageerweiterung (Klagepatent B) festzustellen.

a)
Veranlassung zur Erhebung einer Klage auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Schadenersatzpflicht wegen Patentverletzung ist gegeben, wenn der Kläger aufgrund des vorprozessualen Verhaltens des Beklagten annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (OLG Düsseldorf InstGE 2, 237 – Turbolader II; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. § 139 Rn. 163; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 611 ff; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rn. 3). Zu dieser Annahme kann ein Kläger regelmäßig nur dann gelangen, wenn er den Beklagten vorgerichtlich erfolglos abgemahnt hat. Eine Abmahnung ist ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sie aus Sicht des Klägers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er abmahnt oder nicht, bei Anlegung eines objektiven Maßstabs unzumutbar ist (OLG Düsseldorf InstGE 2, 237 – Turbolader II; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. § 139 Rn. 163; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 611).

Unzumutbar ist eine vorgerichtliche Abmahnung, wenn (a) die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berücksichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht mehr hinnehmbar ist, etwa um besonderen Schaden vom Kläger abzuwenden, (b) sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, um mindestens eine Zeit lang Verletzungshandlungen begehen zu können und sich gegebenenfalls nach damit erzieltem wirtschaftlichen Erfolg unter Übernahme vergleichsweise niedriger Abmahnkosten zu unterwerfen (OLG Düsseldorf InstGE 2, 237 – Turbolader II; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. § 139 Rn. 163; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 611) oder (c) die Abmahnung aus Sicht des Klägers von vornherein zwecklos und als bloße Förmelei erscheint, weil nach den gesamten Umständen des Einzelfalls mit definitiver Gewissheit feststeht, dass die Abmahnung den Beklagten nicht zum freiwilligen Einlenken bewegen wird (OLG Düsseldorf InstGE 13, 238 – Laminatboden-Paneele II).

b)
Dies zu Grunde gelegt, hat die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung oder zur Klageerweiterung gegeben. Die Klägerin hat die Beklagte weder wegen Verletzung des Klagepatents A noch wegen Verletzung des Klagepatents B durch die angegriffenen Folientypen abgemahnt. Vorgerichtliche Abmahnungen waren indes nicht entbehrlich.

aa)
Dass eine Abmahnung der Beklagten vor Erhebung der ursprünglichen Klage (Klagepatent A) für die Klägerin unzumutbar war, kann nicht festgestellt werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist derjenige, in dem sich die Klägerin entscheiden musste, ob sie abmahnt oder ob sie ohne Abmahnung direkt eine Klage erhebt. Es kommt mithin auf das Verhalten der Beklagten vor dem Prozess an (BGH, ZIP 2007, 95; BGH NJW 1979, 2040; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 1591; OLG Naumburg, BeckRS 2011, 17576; OLG München NJW 1988, 270; OLG Düsseldorf GRUR 1970, 432; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 611).
Tatsachen zum vorprozessualen Verhalten der Beklagten sind nicht vorgetragen. Es fehlt insbesondere ein Vorbringen zu den unter a) dargestellten drei Fallkonstellationen, die eine Unzumutbarkeit begründen könnten. Aufgrund welcher Überlegungen die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt zu dem Schluss gelangt ist, dass sie auf eine Abmahnung betreffend das Klagepatent A verzichtet, ist deshalb nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist überprüfbar, ob die Überlegungen bei Anlegen eines objektiven Maßstabes die Annahme der Unzumutbarkeit einer Abmahnung gerechtfertigt hätten.

Soweit die Klägerin auf das Verhalten der Beklagten nach Zustellung der Klage am 24.02.2011 abstellt, genügt dies nicht. Zwar kann ein Verhalten eines Beklagten nach Klageerhebung für die Beurteilung eines vorprozessualen Verhaltens herangezogen werden, hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass allein aus dem Verhalten während eines Verfahrens nicht rückschauend ein Anlass zur Klageerhebung hergeleitet werden kann. Ein Klageanlass kann nicht „nachwachsen“ (BGH NJW 1979, 2040; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 1591; OLG Naumburg BeckRS 2011, 17576; OLG München NJW 1988, 270; OLG Düsseldorf GRUR 1970, 432). Das Schreiben der Beklagten vom 25.03.2011 (Anlage HE 12) kann deshalb bereits im Ansatz nicht für die Feststellung verwendet werden, dass eine Abmahnung ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen ist.
Aber auch dann, wenn dieses Schreiben bzw. die Weiterleitung des Schreibens an die Klägerin als Indiz zu berücksichtigen wäre, würde es nicht die Feststellung einer der unter a) dargestellten Fallkonstellationen erlauben. In Betracht käme allenfalls die Konstellation, dass eine vorgerichtliche Abmahnung von vornherein zwecklos und als bloße Förmelei erscheint. Hierfür genügt es indes nicht, dass eine gegebenenfalls hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich die Beklagte nicht freiwillig unterwirft; erforderlich ist vielmehr die definitive Gewissheit (OLG Düsseldorf InstGE 13, 238 – Laminatboden-Paneele II). Eine solche Gewissheit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Zwar hat die Beklagte in dem Schreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE 12) eine Verletzung des Klagepatents A in Abrede gestellt und mitgeteilt, sie werde im hiesigen Verfahren auf die Nichtverletzung hinweisen und Klageabweisung beantragen. Ebenso hat sie durch die Übersendung des Schreibens an die Klägerin diese über ihre zu diesem Zeitpunkt bestehende Sichtweise informiert. Hieraus ergibt sich jedoch allenfalls eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte einer vorgerichtlichen Abmahnung nicht nachgekommen wäre. Anlass des Schreibens vom 25.03.2011 (Anlage HE 12) war ein Schreiben der niederländischen Tochtergesellschaft der Klägerin, welche die Tochtergesellschaft an einen dänischen Abnehmer der Beklagten gerichtet hatte. Es handelte sich zudem um eine Abmahnung wegen unlauteren Wettbewerbs. Das Schreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE 12) betraf mithin andere Parteien und eine andere Auseinandersetzung (in einem anderen Land). Überdies hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass seit dem 14.05.2010 die Rezeptur für die Folienherstellung umgestellt worden ist, so dass in dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte Veranlassung für das Schreiben vom 25.03.2011 (Anlage HE 12) sah, eine Verletzung des Klagepatents A durch die aktuellen Folien nicht mehr in Rede stand. Schließlich kann in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, dass die hiesige Klage gegen die Beklagte bereits erhoben war und die Klageerwiderungsfrist für sie noch lief. Angesichts dessen lässt sich nicht die Gewissheit ziehen, dass die Beklagte einer vorgerichtlichen Abmahnung aus prinzipiellen Erwägungen heraus und ohne Prüfung ihrer Rechtsverteidigungsmöglichkeiten entgegen getreten wäre und in jedem Fall eine gerichtliche Klärung hätte erzwingen wollen.

bb)
Es lässt sich gleichfalls nicht feststellen, dass es der Klägerin unzumutbar war, die Beklagte vor der Klageerweiterung wegen des Klagepatents B abzumahnen.

Mit Blick auf die unter a) dargelegte Fallkonstellation (b) hat die Klägerin nichts vorgetragen. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte in der genannten Art und Weise auf die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Abmahnung durch die Klägerin gebaut hat.

Im Ergebnis ist ebenso wenig von der Fallkonstellation (a) auszugehen. Zwar könnte die Gefahr einer negativen Feststellungsklage wegen angeblicher Nichtverletzung in einem anderen Mitgliedstaat, der bekanntermaßen langsamer Rechtsschutz gewährt (sog. Torpedo), grundsätzlich zu einem außergewöhnlichen Eilbedürfnis führen, wenn einem Kläger hierdurch ein besonderer Schaden entsteht (OLG Düsseldorf InstGE 2, 237 – Turbolader II; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. § 139 Rn. 163). Indes hat die Klägerin weder Tatsachen vorgetragen, die die Gefahr eines Torpedos begründen, noch solche, die erkennen lassen, dass bei der Klägerin ein besonderer Schaden droht. Zum letztgenannten Gesichtspunkt schweigt sie. Hinsichtlich der Gefahr eines Torpedos belässt sie es bei theoretischen Erwägungen, ohne Tatsachen vorzutragen, die bei objektiver Betrachtung den Schluss zuließen, die Beklagte habe ein solches Vorgehen in Erwägung gezogen. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Beklagte nicht wenigstens mit einer so kurzen Frist hätte abmahnen können, dass dieser die Erhebung einer (vermuteten) negativen Feststellungsklage unmöglich gemacht hätte (OLG Düsseldorf InstGE 2, 237 – Turbolader II).

Des Weiteren ist nicht festzustellen, dass eine Abmahnung wegen Verletzung des Klagepatents B bloße Förmelei im Sinne der Fallkonstellation (c) gewesen wäre. Das Verhalten der Beklagten mit Blick auf das Klagepatent A führt nicht zu der erforderlichen Gewissheit. Abgesehen davon, dass die Gewissheit der Zwecklosigkeit einer Abmahnung aus den dargelegten Gründen schon nicht für das Klagepatent A festgestellt werden kann, kann das dieses Patent betreffende Verhalten für sich genommen erst recht keine Gewissheit für eine Zwecklosigkeit einer Abmahnung wegen des Klagepatents B begründen. Auch wenn dieselben Folientypen angegriffen wurden, ändert das nichts an der Tatsache, dass es sich bei dem Klagepatent B um ein vom Klagepatent A zu unterscheidendes Schutzrecht handelt. Solange es nicht zur Unternehmensstrategie der Beklagten gehört, bezüglich jedweden Verletzungsvorwurfs unabhängig vom Einzelfall Gerichtsverfahren anzustreben, kann aus der außerprozessualen Verneinung der Verletzung des Klagepatents A im Schreiben vom 25.03.2011 kein sicherer Schluss auf ein Verhalten bezüglich eines davon unabhängigen Verletzungsvorwurfs gezogen werden. Angesichts der Unabhängigkeit der geltend gemachten Klageschutzrechte zueinander gehen die Ausführungen der Klägerin zur fehlenden Information über den „späteren Sinneswechsel“ ins Leere. Dass die Beklagte das Anerkenntnis (erst) mit Schriftsatz vom 07.11.2011 abgab, ist nicht zu beanstanden. Sie konnte die ihr mit Blick auf das Klagepatent B gesetzte Klageerwiderungsfrist ausnutzen, ohne dass daraus ein für sie nachteiliger Schluss zur Zwecklosigkeit einer vorgerichtlichen Abmahnung gezogen werden kann.

II.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.