9 O 134/05 – Kotflügel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 475

Landgericht Braunschweig
Urteil vom 10. Mai 2006, Az. 9 O 134/05 (039)

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Der Streitwert wird auf 125.000,– € festgesetzt.
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Tatbestand
Die Klägerin geht gegen die Beklagte wegen einer Patentverletzung vor und begehrt Unterlassung sowie Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung.
Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr …, ist Inhaber des am … angemeldeten europäischen Patents … betreffend eines Kotflügels, insbesondere eines Lastkraftwagens (K1). Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Patents erfolgte am … im Patentblatt. Zu den Vertragsstaaten des Klagepatents gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Das Patent steht in Kraft.
Der Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:
Kotflügel für ein Fahrzeug, insbesondere für einen Lastkraftwagen, wobei der Kotflügel (1) eine einen Radraum (6) teilweise umschließende Außenwand (5) aufweist, an die längs zum Fahrzeug gerichtete, zum Radraum (6) gezogene Seitenwände (7) angeformt sind, wobei der Kotflügel (1) mindestens ein als Rohr (15) ausgebildetes Haltemittel (15) aufweist, in das ein am Fahrzeug vorgesehenes, den Kotflügel (1) haltendes Kupplungsglied (14) eindringt, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohr (15) im Radraum (6) vorgesehen ist, beide Seitenwände (7) durchdringt, an diesem einstückig festgelegt ist und den in den Kotflügel (1) eindringenden Abschnitte des Kupplungsglieds (14) ummantelt. In Figur 1 der europäischen Patentschrift ist der Kotflügel wie folgt dargestellt

Herr … hat der Klägerin eine ausschließliche Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb des Klagepatents eingeräumt. Insoweit wird auf den undatierten Lizenzvertrag (Anlage K3) verwiesen. Die Klägerin produziert die vom Patent umfassten Kotflügel und vertreibt sie weltweit.
Die Beklagte ist in … ansässig und stellt Kotflügel für Lastkraftwagen her. Auf ihrer Homepage bietet die Beklagte verschiedene Kotflügel an, u. a. den auf der Internetseite mit dem Code … bezeichneten Kotflügel (Anlage K10). Auf der IAA (Nutzfahrzeugmesse) in Hannover stellte die Beklagte zurzeit der Messe vom 23.09. bis 30.09.2004 einen Kotflügel aus (siehe Lichtbildaufnahme K11) und die Zeichnungen …. Bei diesem Kotflügel handelt es sich um den Verletzungsgegenstand. Die Beklagte hat zur Augenscheinseinnahme einen Teil des Kotflügels bei Gericht eingereicht …. Die folgenden Fotos zeigen den Verletzungsgegenstand:

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform den Patentanspruch 1 verletze und nimmt diesbezüglich auf ihre Merkmalsanalyse (K4) Bezug.

Sie beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, Kotflügel für Fahrzeuge, insbesondere für Lastkraftwagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu gebrauchen,
die eine den Radraum teilweise umschließende Außenwand aufweisen, an die längs zum Fahrzeug gerichtet, zum Radraum gezogene Seitenwände angeformt sind, wobei die Halterung des Kotflügels mindestens ein als Rohr ausgebildetes Haltemittel aufweist, in das ein am Fahrzeug vorgesehenes, den Kotflügel haltendes Kupplungsglied zur Befestigung am Fahrzeug eingebraucht wird, wobei weiterhin das Rohr im Radraum vorgesehen ist, beide Seitenwände durchdringt oder in den Bereich der Seitenwände eindringt und an diesen einstückig festgelegt ist, wobei das Rohr den in den Kotflügel eindringenden Abschnitt des Kupplungsgliedes ummantelt.

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer 1 bezeichnete Handlung seit dem … begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter 1. Ziffer 1 bezeichneten und in der Zeit vom … bis … begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen und dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter 1. bezeichneten und in der Zeit seit dem … begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie
für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

Die Beklagte wendet ein, dass der streitbefangene Kotflügel auf der Messe in Hannover nur ausgestellt worden sei. Eine Herstellung der Kotflügel finde in der Bundesrepublik Deutschland nicht statt. Insofern fehle es für den überwiegenden Teil der im Antrag aufgeführten Benutzungshandlungen an der Wiederholungsgefahr. Im Übrigen erfülle die angegriffene Ausführungsform folgende Merkmale des Patentanspruchs 1 nicht:
a) „Das Rohr ist im Radraum vorgesehen.“
Bei der angegriffenen Ausführungsform sei das Rohr Teil der Kotflügelaußenwandung. Das Rohr sei in der Außenwand selbst ausgebildet. Dazu trägt die Klägerin vor, dass nach der Nomenklatur des Patentanspruchs 1 das Rohr innerhalb der Außenwand im Radraum vorgesehen sei. Es sei klar, dass die Wände den Radraum nicht vollständig umschließen – der Kotflügel sei nur im oberen Bereich des Radraumes vorgesehen.

b) „Das Rohr durchdringt beide Seitenwände“
Bei der angegriffenen Ausführungsform erstrecke sich das Rohr nur von dem inneren Abschnitt der beiden Seitenwände. Ein Durchdringen sei jedoch stets mit einer Öffnung verbunden. Dazu trägt die Klägerin vor, dass es nur darauf ankomme, dass sich die rohrförmige Aussparung von einer Seitenwand zur anderen erstrecke (siehe dazu S. 2 Spalte 2 Zeile 9 – 12 der Patentschrift). Eine äquivalente Verletzung dieses Merkmals kommt nach Ansicht der Beklagten nicht in Betracht, da es an einem Austauschmittel fehle. Es gäbe keine Kompensation dafür, dass das Rohr nicht die Seitenwand durchdringt, vor allem seien die Funktionen, die Montage von beiden Seiten, nicht erfüllt. Im Übrigen entspreche die angegriffene Ausführungsform dem Stand der Technik.

c) „Das Rohr ummantelt den in den Kotflügel eindringenden Abschnitt des Kupplungsgliedes“
Eine Ummantelung des Kupplungsgliedes liege nicht vor, weil ein sogenanntes Fenster auf der Innenseite und somit einer Öffnung des Kupplungsgliedsbereichs vorhanden sei. Dadurch komme das Kupplungsteil mit Schmutzwasser in Berührung; das solle aber aus Korrosionsschutzgründen nach der Lehre des Klagepatents gerade ausgeschlossen werden. Die Klägerin trägt dazu vor, dass das Merkmal erfüllt sei, da zumindest 98 % des Kupplungsteils ummantelt seien. Soweit eine wortsinngemäße Verletzung deshalb ausscheide, sei es jedenfalls eine äquivalente Verletzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der von der Beklagten eingereichte Teil des Kotflügels … wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Kammer und den Parteien in Augenschein genommen. Bezüglich der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom … (Bl. 130 – 134 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus Artikel 64 EPÜ i. V. m. § 139 PatG, weil die angegriffene Ausführungsform des Kotflügels nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs aufweist. Eine Patentverletzung liegt nur dann vor, wenn die angegriffene Ausführungsform von allen im Patentanspruch genannten Merkmalen Gebrauch macht, entweder im Sinne einer wortsinngemäßen Benutzung oder im Sinne der Äquivalenz. Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

1. Das Patent betrifft einen Kotflügel für ein Fahrzeug, insbesondere für Lastkraftwagen. Der Kotflügel wird mittels eines Kupplungsgliedes an dem Fahrzeug befestigt. Aus dem Stand der Technik sind u.a. mehrteilige Kotflügel bekannt (…), die über eine Befestigungsvorrichtung mit der Fahrzeugkarrosserie verbunden sind. Die Patentschrift schildert es als nachteilig, dass bei diesen Kotflügeln nach dem Stand der Technik die Befestigungselemente nicht so ausgebildet sind, dass eine Stabilisierung des Kotflügels erfolgt und die Befestigung nicht ausreichend vor Korrosion geschützt wird. Ferner ist die Art und Weise der Befestigung (betr. …) umständlich. Aus der … ist ein Kotflügel aus thermoplastischen Kunststoff bekannt, der doppelwandig ausgebildet ist. Zur Aufnahme von Befestigungselementen, insbesondere Bolzen, sind die Außen- und Innenwandung des Kotflügels derart geformt, dass ein rohrförmiger Durchbruch ausgespart ist. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Kotflügel zu schaffen, der leicht zu montieren ist und eine erhöhte Festigkeit aufweist. Zusätzlich soll das am Fahrzeug vorgesehene, den Kotflügel haltende Kupplungsglied vor Spritzwasser geschützt sein.
Der Lösungsvorschlag des Patentanspruchs 1 ist wie folgt gegliedert:

Kotflügel für ein Fahrzeug, insbesondere ein Lastkraftwagen mit folgenden Merkmalen
(1) Der Kotflügel 1 weist eine, einen Radraum teilweise umschließende Außenwand 5 auf.
(2) An diese Außenwand sind längs zum Fahrzeug gerichtete, zum Radraum 6 gezogene Seitenwände 7 angeformt.
(3) Der Kotflügel 1 weist mindestens ein als Rohr 15 ausgebildetes Haltemittel 15 auf.
(4) In das Haltemittel 15 dringt ein am Fahrzeug vorgesehenes, dem Kotflügel 1 haltendes Kupplungsglied 14 ein.
(5) Das Rohr 15 ist im Radraum 6 vorgesehen.
(6) Das Rohr 15 durchdringt beide Seitenwände.
(7) Das Rohr 15 ist einstückig an den beiden Seitenwänden 7 festgelegt.
(8) Das Rohr 15 ummantelt den in den Kotflügel 1 eindringenden Abschnitt des Kupplungsgliedes 14.
2. Ausgehend von dieser -dem Inhalt nach zwischen den Parteien unstreitigen- Merkmalsanalyse (entspricht der Merkmalsanalyse der Klägerin K4) weist der angegriffene Kotflügel das Merkmal (8) „Das Rohr 15 ummantelt den in den Kotflügel 1 eindringenden Abschnitt des Kupplungsgliedes 14“ nicht auf. Sowohl anhand der vorgelegten Lichtbildaufnahmen (K11/4, 11/5, 11/6) als auch anhand der von der Beklagten vorgelegten Zeichnungen des angegriffenen Kotflügels … und der Inaugenscheinnahme des Kotflügelteils ist zu festzustellen, dass sich an der Seite des Rohrs, die dem Rad zugewendet ist, ein sogenanntes Fenster befindet, in welchem sich der Mechanismus zum Lösen des Kupplungsteils befindet. Das bedeutet, dass das Rohr in dem Bereich, wo sich das Fenster befindet, das Kupplungsteil nicht ummantelt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es nicht ausreichend, dass das Kupplungsteil zum größten Teil nach ihrer Auffassung zu ca. 98 %, durch das Rohr ummantelt ist. Dass die Ummantelung vollständig sein muss, d. h. das Kupplungsglied vollständig von der Ummantelung erfasst ist, ergibt sich aus der Patentschrift. Die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs des Patents gem. § 14 PatG, hier des Europäischen Patents (EPÜ Art. 69) ist der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt der Patentansprüche, zu deren Verständnis Beschreibungen und Zeichnungen heranzuziehen sind (Busse, PatG, 6. A., § 14 Rn. 43; BGH GRUR 1986, 803, 805 – Formstein; BGH GRUR 1988, 896, 898 – Ionenanalyse).

a) Für die wortsinngemäße Auslegung ist zunächst der Wortlaut des Patentanspruchs heranzuziehen. Entscheidend bei der Ermittlung der Bedeutung des Wortes Ummantelung im Sinne der Patentschrift ist nicht die allgemeine sprachliche oder logisch wissenschaftliche Begriffsbestimmung, sondern der technische Sinn, d. h. der Erfindungsgedanke unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie die sich aus dem Patent ergeben (BGH GRUR 1975, 422 – Strickwalze II; BGH GRUR 1964, 612 – Bierabfüllung). In dem Patentanspruch selbst befindet sich keine nähere Angabe darüber, wie der Begriff Ummantelung zu verstehen ist. Anhaltspunkte ergeben sich hingegen aus der Beschreibung.

b) In Spalte 2 Zeile 1 – 6 ist die Aufgabe der Erfindung dargelegt. U. a. liegt der Erfindung auch die Aufgabe zugrunde, dass das Kupplungsglied vor Spritzwasser geschützt sein soll (Spalte 2 Zeile 4 – 6). Dazu heißt es auch in Spalte 2 Zeile 25: „Da das Rohr das Kupplungsglied ummantelt, wird das Kupplungsglied besonders wirksam vor abspritzenden Salzwasser geschützt, was zu einer beträchtlichen Verminderung der Korrosionsgefahr des Kupplungsgliedes führt“. Ein weiterer Hinweis zur Funktion der Ummantelung des Kupplungsgliedes ergibt sich aus Spalte 6 Zeile 17 f. Dort heißt es: „Da diese Schrauben ausschließlich von der Außenseite des Kotflügels in das Kupplungsglied eindringen, kann das vom Rad abgespritzte Wasser nicht zum Kupplungsglied gelangen, sodass dessen Korrosionsgefahr entsprechend reduziert wird. Das abgespritzte Wasser trifft vielmehr auf das Rohr, das das Kupplungsglied ummantelt.“ Diese Textstellen in der Beschreibung machen deutlich, dass mit Ummantelung im Sinne der Patentschrift gemeint ist, dass das Kupplungsteil durch das Rohr vollständig eingefasst ist. Andernfalls würde der Korrosionsschutz, der ein wesentlicher Teil der erfindungsgemäßen Aufgabe ist – der Korrosionsschutz wird in der Abgrenzung zum Stand der Technik besonders betont- Spalte 1, Zeile 33-, ins Leere laufen. Denn es reicht, wenn an einer Stelle im Radbereich – wie hier im Bereich des Fensters- die Gelegenheit besteht, dass Wasser an einen frei gelegten Teil des Kupplungsbereichs gelangt. Wasser kann durch die Öffnung in den Bereich zwischen Kupplungsglied und Rohr und durch das in dem Kupplungsglied vorhandene Fenster auch in dieses selbst eindringen. Damit wäre ein wirksamer Korrosionsschutz nicht gewährleistet. Auch in der Figur 1 ist zu sehen, dass es sich um eine vollständige Ummantelung handelt. Es soll auch ein Verdrehen des Halteelements verhindert werden ( Spalte 1, Zeile 13 und Spalte 1, Zeile 29).

c) Es liegt auch keine äquivalente Verletzung vor. Äquivalenz im patentrechtlichen Sinne liegt nur dann vor, wenn bei den sich gegenüberstehenden Ausführungsformen Aufgabe und technischer Erfolg gleich, die zur Lösung der Aufgabe und damit zur Erzielung des gleichen Erfolges verwendeten Mittel aber verschieden sind. Erforderlich ist demnach, dass das Ersatzmittel, welches bei der angegriffenen Ausführungsform anstelle des im Patent ausdrücklich empfohlenen Mittels benutzt wird, zur Erfüllung der im Patent gestellten konkreten Aufgabe dient und den vom Patent angestrebten Erfolg – zumindest im wesentlichen – erreicht BGH GRUR 1999, 909 (914 – Spannschraube).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Korrosionsschutz, wie ihn die Klägerin gemäß der patentgemäßen Lehre mit der Ummantelung erreichen will, bei der angegriffenen Ausführungsform durch ein gleichwirkendes technisches Mittel erreicht wird. Dazu fehlt es an jeglichem Vortrag. Die bloße Behandelung/spezielle Lackierung des Kupplungsteil vermag jedenfalls den Korrosionsschutz nicht auf gleiche Weise zu gewährleisten. Es werden auch gerade die Nachteile (Korrosion, Verdrehung) in Kauf genommen, die vermieden werden sollen.

3. Auch das Merkmal 6 „Das Rohr durchdringt beide Seitenwände“ ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht gegeben. Bei Inaugenscheinnahme des Kotflügelteils und bei Besichtigung der Fotos und der Zeichnungen der angegriffenen Ausführungsform ist zu sehen, dass das Rohr nicht beide Seitenwände durchdringt und sich das Rohr auch nicht von einer Seitenwand zur anderen Seitenwand erstreckt. Ein Durchdringen der Seitenwände wäre nur dann zu bejahen, wenn beide Seitenwände des Kotflügels Öffnungen aufweisen würden. Die angegriffene Ausführungsform weist jedoch an der dem Fahrgestell abgewandten Seite eine Seitenwand ohne Öffnung auf. Das ergibt sich aus dem vorgelegten Kotflügelteil sowie aus den Lichtbildaufnahmen (K11/2 f.). Das Rohr dringt auch nicht die der Fahrzeugseite abgewandten Seitenwand ein. Es besteht ein Abstand zwischen der Seitenwand und dem Ende des Rohres. Das ist in der Zeichnung … zu erkennen. Zur Überbrückung des Abstandes zwischen Rohrende und Seitenwand des Kotflügels ist bei der angegriffenen Ausführungsform ein Steg vorgesehen. Auch dieser Steg durchdringt jedoch nicht die Seitenwand und ist auch nicht als Teil des Rohres ausgebildet. Von diesem Stand der Technik will sich das Patent abgrenzen (Spalte 1, Zeile 56).
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, das Durchdringen der Patentschrift nicht bedeutet, dass das Rohr die durch die Seitenwand durchgeht, ist dieses unzutreffend. Diese Auslegung entspricht nicht dem Sinn und Zweck der erfindungsgemäßen Aufgabe. Neben dem Korrosionsschutz ist es ausweislich Spalte 2 Zeile 3 der Patentschrift Aufgabe der Erfindung, dass der Kotflügel eine erhöhte Festigkeit aufweist. Diese Festigkeit würde nicht in dem Maße erreicht werden, wenn das Rohr nicht die Seitenwände durchdringt. Die von der Klägerin in der Beschreibung zitierte Stelle (Spalte 2, Zeile 9-12) „ Da das Haltemittel als rohrförmige Aussparung in der Kotflügelwandung vorgesehen ist und dabei sich von einer Seitenwand zur anderen erstreckt…“ gibt keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass der Wortlaut „Durchdringen“ in dem Patentanspruch einschränkend auszulegen ist. Denn in der zitierten Stelle (Spalte 2, Zeile 9-12) wird weiter auf die Funktion des Erstreckens verwiesen, nämlich auf die dadurch herbeizuführende Steifigkeit (Spalte 2, Zeile 13,14). Es finden sich in der Patentschrift auch keine weiteren Anhaltspunkte für die Interpretation der Klägerin.

Anhaltspunkte für eine äquivalente Verletzung dieses Merkmals sind nicht gegeben.

4. Aufgrund der Tatsache, dass nach Auffassung der Kammer sowohl das Merkmal 8 als auch das Merkmal 6 von der angegriffenen Ausführungsform nicht erfüllt wird, kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob das Merkmal 5: „Das Rohr ist im Radraum vorgesehen.“ erfüllt ist, dahingestellt bleiben.

5. Da es an einer Patentverletzung fehlt hat die Klage auch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs und des Schadensersatzanspruchs keinen Erfolg.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Bei der Bemessung des Streitwertes war das wirtschaftliche Interesse der Klägerin maßgeblich, § 51 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten geht die Kammer nicht von einem weitaus höheren Streitwert als dem von der Klägerin angegebenen aus. Der von der Beklagten hochgerechnete und geschätzte Umsatz ist allein nicht aussagekräftig um den wirtschaftlichen Wert des Patents für die Klägerin bemessen zu können. Die Klägerin selbst hat keine näheren Angaben zu ihren Umsätzen gemacht, insbesondere die Schätzung der Beklagten nicht bestätigt. Die Kammer geht daher von folgenden Streitwerten aus:
Unterlassungsanspruch : 100.000,– €
Auskunftsanspruch: 10.000,– €
Schadensersatzanspruch/Schadensersatzfeststellung: 15.000,– €