4b O 82/11 – Tierklauenerhöhung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1933

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. Oktober 2012, Az. 4b O 82/11

I. Die Beklagten werden unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
an der Klaue zu befestigende Klötze, die mit der Klaue über ein Verbindungsmittel wie Ein- oder Mehrkomponentenkleber verbindbar sind und
dazu geeignet sind, Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres zu bilden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes ein poröses mit einem Reaktionskleber oder einer Komponente eines solchen versehenes oder aus einem solchen bestehendes Material zur Bildung des Verbindungsmittels zwischen dem Klotz und der Klaue vorgesehen ist,
Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;

2. den Klägern unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses schriftlich Auskunft über die Herkunft und die Vertriebswege der unter Ziff. 1. beschriebenen Erzeugnisse seit dem 21.02.2004 zu erteilen, unter Angabe der Namen und Anschriften des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren,

wobei

die Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 30.04.2006 anzugeben sind;

3. den Klägern über den Umfang der vorstehend zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 21.02.2004 Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege, unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferung der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt den Klägern einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägern auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 21.02.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger 5.988,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2011 zu zahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu 95% und die Klägerin zu 5% zu tragen.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 310.000,00 € des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte wegen der Kosten in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagten wegen Patentverletzung u.a. auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Kläger sind eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaber des mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 298 XXX (Anlage K1, nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent nimmt eine Priorität vom 12.07.2000 in Anspruch und wurde am 12.07.2001 angemeldet. Die Bekanntmachung des Hinweises auf seine Erteilung erfolgte am 21.01.2004. Das Klagepatent, das ein „Hilfsmittel sowie Verfahren zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres“ betrifft, steht in Kraft.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue (22) eines Tieres wie Rind umfassend einen an der Klaue zu befestigenden Klotz (24) wie Holzklotz, der mit der Klaue über ein Verbindungsmittel wie Ein- oder Mehrkomponentenkleber verbindbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
auf klauenseitiger Fläche (26) des Klotzes (24) ein poröses mit einem Reaktionskleber oder einer Komponente eines solchen versehenes oder aus einem solchen bestehendes Material zur Bildung des Verbindungsmittels zwischen dem Klotz (24) und der Klaue (22) vorgesehen ist.“

Die nachstehend eingeblendeten Figuren der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 stellt die Abschnitte von Läufen eines Tieres dar. Figur 2 zeigt ein Klauenpaar, von denen eines erhöht ist. Figur 3 bildet eine Prinzipdarstellung eines Hilfsmittels ab, das einen Klotz umfasst, der mit einer zu erhöhenden Klaue zu verbinden ist. Figur 4 stellt eine Unteransicht eines Fußes eines Tieres und Figur 5 eine Seitenansicht desselben Fußes mit Klotz dar. Figur 6 und 7 zeigen Prinzipdarstellungen eines Klotzes mit aufgebrachten Träger.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Hufblöcke als Bestandteil eines Systems zur Klauenbehandlung unter der Bezeichnung „A B Kit“ und als Ersatzteile unter der Bezeichnung „A B Ersatzklötze“ (vgl. Anlagen K4, K5 und K6). Die Ausgestaltung dieser Hufblöcke (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) ist dem als Anlage K7 zur Akte gereichten Muster zu entnehmen, auf das Bezug genommen wird.

Die angegriffene Ausführungsform soll gemäß der Homepage der Beklagten zu 1) durch Sekundenkleber mit der Klaue des Tieres verbunden werden (vgl. Anlagen K5 und K6).

Mit Schreiben vom 12.04.2011 (Anlage K11) ließen die Kläger die Beklagten erfolglos abmahnen.

Die Kläger sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche das Klagepatent mittelbar.

Das poröse Material auf klauenseitiger Fläche des Klotzes müsse nicht zwingend in Form einer eigenen Trägerschicht ausgebildet sein. Es genüge, wenn der Block selbst durchgängig aus dem gleichen porösen Material bestehe.

Das Material der angegriffenen Ausführungsform sei porös im Sinne des Klagepatents. Der Durchmesser der offenen Poren an der Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform betrage 0,05 mm bis 0,15 mm. Diese Zahlen lägen innerhalb der von dem Klagepatent vorgegebenen Bandbreite für die Größe der Poren. Die angegriffene Ausführungsform bestehe unstreitig aus EVA (Ethylen-Vinylacetat), das als EVA-Schaum bekannt sei. Schaum sei porös.

Die Kläger haben mit der am 23.05.2011 (Bl. 23, 23a d. A.) den Beklagten zugestellten Klage ursprünglich die Anträge wie aus der Klageschrift vom 10.05.2011 ersichtlich (Bl. 2-4 d. A.) gestellt.
Nachdem sie die Klage mit Schriftsatz vom 18.05.2012, bei Gericht am 22.05.2012 eingegangen, in Bezug auf den geltend gemachten Vernichtungs- und Rückrufanspruch teilweise zurückgenommen haben, beantragen sie nunmehr sinngemäß,
im Wesentlichen wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten stellen eine mittelbare Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents in Abrede.

Anspruch 1 des Klagepatents setze voraus, dass auf den Hufblock als Klotz im Sinne des Klagepatents ein poröses Material als eine weitere Schicht aufgebracht werde.

Auf der angegriffenen Ausführungsform sei kein poröses Material als weitere Schicht aufgebracht. Vielmehr sei die angegriffene Ausführungsform einheitlich und durchgehend in einer Schicht aus demselben Material gefertigt. Dieses Material sei nicht porös im Sinne des Klagepatents.

Die klauenseitige Fläche der angegriffenen Ausführungsform könne nicht als das Verbindungsmittel zwischen Klotz und Klaue angesehen werden. Die klauenseitige Fläche sei vielmehr dem Klotz selbst zuzuordnen. Ein Verbindungsmittel zwischen Block und Klaue könne nur ein von dem Block verschiedenes weiteres Material sein.

Da die Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hätten, seien die Abmahnkosten lediglich nach dem reduzierten Streitwert zu berechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadenersatzfeststellung nach den Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1, 139 Abs. 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB bzw. aus § 139 Abs. 2 PatG begründet.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres (wie z.B. eines Rindes), das einen unter der Klaue zu befestigenden Klotz umfasst. Der Klotz ist mit der Klaue über ein Verbindungsmittel (wie beispielsweise Ein- oder Mehrkomponentenkleber) verbindbar. Das Klagepatent bezieht sich darüber hinaus auf ein Verfahren zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres durch Befestigen eines Klotzes an der Klaue mittels Kleber.

Das Klagepatent führt einleitend aus, dass Stallhaltung, Ernährung und Hochleistungszüchtung häufig dazu führten, dass Tiere an den Klauen erkrankten. Diese Erkrankungen mündeten in Lahmheit und Schmerzen bei den Tieren, was wiederum Einbuße bei der Milchleistung und Gewichtsverluste nach sich ziehe. Das Resultat seien wirtschaftliche Verluste beim Menschen.

Als schnelle und wirksame Methode für die Linderung der Schmerzen bei den Tieren sowie für die Heilungsförderung habe sich die Druckentlastung der erkrankten Klaue durch das Anbringen eines Klötzchens unter der gesunden Klaue erwiesen.

Es seien zunächst Eisenbeschläge verwandt worden, deren Herstellung jedoch teuer und deren Verarbeitung aufwendig seien.
Aus dem Stand der Technik seien zudem Gummiklötzchen bekannt, die mit einem Einkomponentenkleber (Cyanacrylat) an der Klaue befestigt werden würden (vgl. z.B. US-A-6 056 XXX). Die Gummiklötzchen könnten auch genagelt werden. Dies sei jedoch problematisch und könne zu Verletzungen an der gesunden Klaue führen.
Zur Behandlung von zwei kranken Klauen könnten Kunststoffschuhe zum Einsatz gelangen, die durch Bänder, Gurte oder Schnüre am Fuß befestigt würden. Mit diesen Kunststoffschuhen seien die gewünschten Resultate jedoch kaum erzielbar.
Am weitesten verbreitet seien Holzklötzchen, die – wie Gummiklötzchen und Kunststoffschuhe – mittels Reaktionsklebstoffen befestigt würden, bei denen es sich um Ein- oder Mehrkomponentensysteme handele.
Bei Einkomponentensystemen (auf Cyanacrylat-Basis) müsse sauber gearbeitet werden. Ein Ausgleich von Unebenheiten sei nicht möglich, so dass bei unebenen Klauenflächen und/oder bei Feuchtigkeit eine unzureichende bzw. mangelnde Haftung erfolge. Das Klebstoffmaterial könne dem Grunde nach nicht verformt werden.
Bei Mehrkomponentenreaktionsklebstoffen (Pulver-Flüssigkeitssystemen, vorzugsweise auf Polyester oder Polymetylmethacrylat-Basis) müssten wegen deren Entflammbarkeit besondere Vorkehrungen getroffen werden. Da das System aus zwei Komponenten bestehe, sei ein Anmischen erforderlich. Bei tiefen Temperaturen ergebe sich dabei ein Aushärteproblem.
Bei Zweikomponentensystemen auf der Basis Flüssigkeit-Flüssigkeit und/oder Paste-Paste, die auf der Grundlage von Epoxid, Acrylat (Methacrylat), Polyester oder Polyurethan aufgebaut sein könnten, sei eine aufwendige Verarbeitung erforderlich, so dass die Systeme häufig nur in Zweikammer-Kartuschen mit speziellen Mischköpfen und Auspressgeräten zur Verfügung gestellt würden. Die Lagerstabilität sei meistens auf nur sechs Monate begrenzt, die Modellierbarkeit sei schlecht.
Bei dem Zweikomponentensystem „C-Verfahren“, bei dem eine Komponente auf die Klaue oder den Huf und die andere auf den Klotz aufgetragen werde, könne die Schicht nur im Millimeterbereich aufgetragen werden, so dass Unebenheiten nicht ausgeglichen werden könnten.

Ausgehend hiervon formuliert das Klagepatent es mit Blick auf die hier in Rede stehende Erfindung als seine Aufgabe, ein Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres sowie ein Verfahren hierfür zur Verfügung zu stellen, das eine problemlose und einfache Befestigung des Klotzes an der Klaue ermöglicht, wobei Unebenheiten problemlos ausgeglichen werden können. Gleichzeitig sollen die Vorteile sowohl der Ein- als auch der Mehrkomponentenklebersysteme erreichbar sein, ohne deren Nachteile zu übernehmen, (Klagepatent Absatz [0009]).

Zur Lösung dieser Aufgabe (technisches Problem) schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 ein Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres (wie zum Beispiel eines Rindes) mit folgenden Merkmalen vor:

1) Hilfsmittel zur Erhöhung einer Klaue eines Tieres (wie zum Beispiel eines Rindes)
2) Das Hilfsmittel umfasst einen an der Klaue (22) zu befestigenden Klotz (24) wie Holzklotz.
3) Der Klotz (24) ist mit der Klaue über ein Verbindungsmittel wie Ein- oder Mehrkomponentenkleber verbindbar.
a) Zur Bildung des Verbindungsmittels zwischen dem Klotz (24) und der Klaue (22) ist auf der klauenseitigen Fläche (26) des Klotzes (24) ein poröses Material vorgesehen,
aa) das mit einem Reaktionskleber versehen ist,
bb) das mit einer Komponente eines Reaktionsklebers
versehen ist, oder
cc) aus einem Reaktionskleber besteht.

II.

Das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland an zur Benutzung der Erfindung nicht Berechtigte ohne Zustimmung der Patentinhaber stellt sich als wortsinngemäße mittelbare Patentverletzung gemäß § 10 Abs. 1 PatG dar.

Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung des Gegenstandes des Patents berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich des Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1.

Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich unstreitig um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Die angegriffene Ausführungsform ist überdies objektiv dazu geeignet, zur Benutzung der technischen Lehre des Anspruchs 1 verwendet zu werden.

Der in § 10 PatG normierte Gefährdungstatbestand der mittelbaren Patentverletzung bezweckt, die unberechtigte Benutzung der geschützten Erfindung bereits im Vorfeld zu verhindern (BGH GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Er verbietet deshalb schon das Anbieten und das Liefern von Mitteln, die den Belieferten in den Stand setzen, die geschützte Erfindung unberechtigt zu benutzen. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung setzt deshalb voraus, dass es sich bei dem Mittel um ein solches handelt, das geeignet ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Ob das Mittel hierfür geeignet ist, beurteilt sich nach der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes, der angeboten oder geliefert wird (BGH GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat; BGH GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Das Mittel muss so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit all ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist.

a.

Zu Recht gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Mittel im Sinne von § 10 PatG handelt und zwar um ein solches, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Letzteres ist der Fall, wenn das Mittel mit einem Element bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenwirkt (BGH GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; BGH GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung; BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Die angegriffene Ausführungsform weist unstreitig einen an der Klaue zu befestigenden Klotz auf (Merkmal 2). Damit umfasst die angegriffene Ausführungsform ein Element des Hilfsmittels gemäß Merkmal 1, ohne welches die beanspruchte Erfindung, die der Erhöhung einer Klaue dienen soll, nicht funktionsfähig wäre.

b.

Gleichfalls zu Recht ist zwischen den Parteien die objektive Eignung der angegriffenen Ausführungsform für die Benutzung der Merkmale 1) und 2) unstreitig. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich. Die angegriffene Ausführungsform ist darüber hinaus objektiv dazu geeignet, für die unmittelbare Benutzung eines Hilfsmittels verwendet zu werden, das die Merkmalsgruppe 3) umfasst.

aa.

Merkmal 3) sieht vor, dass der Klotz mit der Klaue über ein Verbindungsmittel wie Ein- oder Mehrkomponentenkleber verbindbar ist. Ferner konkretisiert Merkmal 3)a) das Merkmal 3) dahingehend, dass zur Bildung des Verbindungsmittels zwischen dem Klotz und der Klaue auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes ein poröses Material vorgesehen ist. Dieses poröse Material kann gemäß den Merkmalen 3a)aa), 3)a)bb) und 3a)cc) mit Reaktionskleber versehen sein, mit einer Komponente eines Reaktionsklebers versehen sein oder aus einem Reaktionskleber bestehen.

Der Fachmann erkennt, dass das Verbindungsmittel entweder ausschließlich ein poröses Klebstoffmaterial ist, oder der Reaktionskleber zusammen mit einem porösen Material auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes zusammenwirkt und mit diesem Material gemeinsam das Verbindungsmittel bildet. Dabei ist nicht erforderlich, dass das poröse Material auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes als eigene Trägerschicht ausgebildet ist.

Für die Auslegung eines Patents ist maßgeblich auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Durchschnittsfachmann vermittelt. Der Patentanspruch ist nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen, das heißt der Erfindungsgedanke muss unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich aus dem Patent ergeben, bestimmt werden. Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung, sondern die Auffassung des praktischen Fachmanns, so wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht. Zwar können der allgemeine Sprachgebrauch wie auch der allgemeine technische Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Auch wird der allgemeine Sprachgebrauch den Fachmann veranlassen, gegebenenfalls weitere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff darf jedoch nicht unbesehen der gemeinhin gebräuchliche Inhalt beigemessen werden, weil die Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist, dass das Patent den betreffenden Ausdruck nicht in seinem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden Sinne verwendet. Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Ein abweichendes Begriffsverständnis kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext (z.B. durch eine Legaldefinition) explizit deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem ganz bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird. Die Divergenz zum Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Fachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2011, I – 2 U 3 9/11).

Weder der Anspruchswortlaut noch eine funktionsorientierte Auslegung lassen die Schlussfolgerung zu, dass das poröse Material auf klauenseitiger Fläche des Klotzes in Form einer eigenen Trägerschicht ausgebildet sein muss.

Nach Merkmal 3)a) ist auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes ein poröses Material zur Bildung des Verbindungsmittels zwischen dem Klotz und der Klaue vorgesehen. Der Wortlaut dieses Merkmals lässt offen, ob das poröse Material in Form einer eigenen Trägerschicht auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes vorliegen muss.

Das poröse Material dient – wie der Fachmann bereits dem Anspruchswortlaut in Merkmal 3)a) entnimmt – „zur Bildung des Verbindungsmittels“. Merkmal 3) erhellt, dass der Klotz mit der Klaue über jenes Verbindungsmittel, das zum Beispiel Ein- oder Mehrkomponentenkleber sein kann, verbindbar ist. Das poröse Material ist mithin dann Verbindungsmittel, wenn es ausschließlich aus dem Klebstoff besteht. Dient es dagegen lediglich als Verbindungshilfe mit dem Klebstoff zusammen, so bilden das poröse Material und der Kleber gemeinsam das Verbindungsmittel.

Dass das poröse Material jedenfalls in dem zuletzt genannten Fall auf dem Klotz selbst ausgebildet sein kann, ergibt sich zunächst aus der allgemeinen Beschreibung des Klagepatents. In Abs. [0010] ist beschrieben, dass das poröse Material vorzugsweise ein auf dem Klotz angeordneter Träger wie beispielsweise eine Schicht ist, die mit dem Klotz verbunden ist. Das poröse Material könne aber auch auf klotzseitiger Fläche des Klotzes ausgebildet sein. Entsprechend heißt es in Abs. [0014] der Klagepatentschrift, dass der Träger herstellungsseitig fest mit dem Klotz verbunden sein kann oder als separates Teil geliefert wird. Auch der konkrete Beschreibungsteil bestätigt, dass der Träger als vorgefertigte Einheit mit dem Klotz zur Verfügung gestellt werden kann oder getrennt angeboten wird und dann mit dem Klotz zu verbinden ist (Klagepatentschrift, Abs. [0031]).

In dieselbe Richtung zielen auch die Unteransprüche 4 und 5. Gemäß Unteranspruch 4 ist das poröse Material mit dem Klotz verbunden. Für den weiter gefassten Hauptanspruch bedeutet dies, dass – im Einklang mit der allgemeinen und konkreten Beschreibung des Klagepatents – das poröse Material auch Teil des Klotzes sein kann. Entsprechendes folgt aus Unteranspruch 5, der statuiert, dass das poröse Material auf klauenseitiger Fläche des Klotzes ausgebildet ist.

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel des Klagepatents, welches durch die Verwendung des porösen Materials verfolgt wird. Sinn und Zweck des in Merkmal 3)a) erwähnten porösen Materials ist es, als Kleber oder im Zusammenwirken mit dem Kleber eine problemlose und einfache Befestigung des Klotzes an der Klaue sowie den Ausgleich von Unebenheiten zu ermöglichen.
Bei einem Mehrkomponentenkleber ist durch das poröse, saugfähige und aushärtende Material an der mit der Klaue zu verbindenden Fläche des Klotzes das Durchmischen der Komponenten nicht mehr erforderlich. Denn das poröse und saugfähige Material wird mit einer ersten Komponente imprägniert geliefert, vor Ort imprägniert, oder es besteht aus einer ersten Komponente, so dass die zweite Komponente des Klebers problemlos aufgenommen werden kann. Aufgrund der großen Oberfläche des porösen aushärtenden Materials erübrigt sich ein Mischen der zweiten Komponente mit der ersten, (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0014], [0030], [0035] und Ausführungsbeispiel 3). Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Träger mit einer Komponente imprägniert wird und vor dem Verarbeiten, d.h. dem Verbinden des Klotzes mit der Klaue, mit einer zweiten bzw. mit den erforderlichen Komponenten gesättigt wird. In diesem Fall kann die Aushärtung durch einen in dem Träger vorhandenen „ruhenden Katalysator“ erreicht werden, der zum Beispiel durch Druck, Luftabschluss, Wellen oder Strahlung aktiviert wird (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0035]).
Aufgrund der Verwendung eines porösen, aushärtenden Materials, können Einkomponentensysteme, die bisher nur in dünnen Schichten aushärten, nunmehr in dickeren Schichten aushärten. Auch dies wird durch die große Oberfläche des Materials, die durch die Porenstruktur erzielt wird, ermöglicht.
Die Klagepatentschrift führt zusammenfassend aus, dass allein von Bedeutung ist, dass der Träger hinreichend porös ist (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0036] a.E.). Aus den genannten Textpassagen lässt sich entnehmen, dass es dem Klagepatent entscheidend darauf ankommt, eine feste und leicht herzustellende Verbindung zu ermöglichen, die darüber hinaus in der Lage ist, Unebenheiten auszugleichen. Zur Verwirklichung dieses Zieles ist es nicht von Bedeutung, ob das poröse Material als eigene Schicht auf der klauenseitigen Fläche des Klotzes angeordnet ist und in dieser Form mit den Kleberkomponenten zusammenwirkt oder ob der gesamte Klotz eine durchgehende poröse Struktur aufweist, die in gleicher Weise dazu geeignet ist, mit den Kleberkomponenten zusammen Wirkung zu entfalten. Entsprechend findet sich in dem Klagepatent kein Hinweis, dass der Klotz nicht auch selbst aus dem porösen Material ausgebildet sein darf. Insbesondere handelt es sich bei dem von den Beklagten erwähnten Holzklotz nur um eine von mehreren – nicht weiter vorgegebenen – Ausgestaltungsvarianten des Klotzes nach Merkmal 3) des Patentanspruchs 1. Zudem lässt sich nicht feststellen, dass die in den Absätzen [0017, 0018, 0019, 0032, 0033 und 0034] festgehaltenen Ziele, nämlich die Erhaltung der Bewegungsfreiheit der Tiere sowie die Nutzung der Hohlräume des porösen Materials für heilungsfördernde Wirkstoffe oder Medikamente, nicht in gleicher Weise durch einen Klotz erzielt werden, der – wie die angegriffene Ausführungsform – durchgehend aus porösen Material besteht und eine angepasste, den Ballenbereich aussparende Form wie der Träger in Figur 7 aufweist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten legen die Verfahrensansprüche 25 und 26 kein anderes Verständnis zugrunde. Zwar unterscheiden die Verfahrensansprüche – wie die Beklagten zutreffend ausführen – zwischen Klotz und porösem Material. Die Verfahrensansprüche sind jedoch nicht dazu geeignet, den weiter gefassten Vorrichtungsanspruch einzuschränken. Dies wird insbesondere durch Abs. [0031] der Klagepatentschrift gestützt, nach dem der Träger als Einheit mit dem Klotz zur Verfügung gestellt werden kann. Auch vermögen die Ausführungsbeispiele 2, 3, 5, 6 und 7 sowie die entsprechenden Beschreibungsstellen (vgl. zum Beispiel Abs. [0030]), die das poröse Material als eigenständige Schicht darstellen, den Schutzbereich des Patentanspruchs nicht zu beschränken. Soweit die Beklagten argumentieren, die angegriffene Ausführungsform falle aus dem Schutzbereich des Patents heraus, da die klauenseitige Fläche des Klotzes als Teil des Klotzes nicht das Verbindungsmittel zwischen Klotz und Klaue darstellen könne, verkennen sie, dass nicht die klauenseitige Fläche des Klotzes, sondern das dort verwendete Material zusammen mit dem Reaktionskleber das Verbindungsmittel bilden.

Im Lichte der Zielsetzung des Klagepatents ist auch das Wort „porös“ zu verstehen. Das Material soll so beschaffen sein, dass es im Zusammenwirken mit Klebstoffen eine einfache Befestigung des Klotzes an der Klaue ermöglicht und darüber hinaus durch eine gewisse Nachgiebigkeit Unebenheiten problemlos ausgeglichen werden können. Das Material muss daher zunächst in der Lage sein, Klebstoffe aufzunehmen, es muss mithin saugfähig sein. Durch die Poren muss eine große Oberfläche bestehen, die bei Mehrkomponentenklebern ein Mischen der übrigen – nicht im Material enthaltenen Komponenten – entbehrlich macht und bei Einkomponentensystemen ein Aushärten in dickeren Schichten ermöglicht. Darüber hinaus ist – wie die Beklagten zur Recht in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben – eine gewisse Elastizität des porösen Materials erforderlich, die den Ausgleich von Unebenheiten ermöglicht.
Soweit das Klagepatent in Abs. [0013] und [0037] bestimmte Angaben zur Dicke des Materials und zu dessen Porengröße macht, handelt es sich hierbei um empfohlene Angaben für ein vorzugsweise zu verwendendes Schaumstoffmaterial, durch welche die Erfindung nicht eingeschränkt werden soll (vgl. insbesondere Abs. [0037] und [0044]). Dieses Verständnis bestätigend sind Angaben zur Dicke eines aus Schaumstoff bestehenden porösen Materials sowie zur Porengröße des Schaumstoffes lediglich in den als Anspruch 1 und Unteranspruch 12 enger gefassten Unteransprüchen 13 und 14 aufgeführt.

Das von den Klägern selbst vertriebene Produkt (vgl. Anlage B4, B5 und das in der mündlichen Verhandlung durch den Beklagtenvertreter zur Akte gereichte Muster) kann zur Auslegung des Klagepatents weder in Bezug auf die Auslegung der Beklagten hinsichtlich des porösen Materials als eigene Schicht, noch bezüglich der Auslegung des Begriffs „porös“ herangezogen werden.

bb.

Ausgehend von diesen Überlegungen ist die angegriffene Ausführungsform objektiv dazu geeignet, für die unmittelbare Benutzung eines Hilfsmittels verwendet zu werden, das die Merkmalsgruppe 3) umfasst, nämlich ein Verbindungsmittel, bestehend aus dem porösem Material der angegriffenen Ausführungsform auf der klauenseitigen Fläche sowie Reaktionskleber, der zwischen die angegriffene Ausführungsform und der Klaue angebracht wird (vgl. Anlage K6). Dabei spielt es aus den genannten Gründen keine Rolle, dass die angegriffene Ausführungsform – wie die Kammer sich durch Inaugenscheinnahme des als Anlage K7 zur Akte gereichten Musters überzeugen konnte – durchgehend aus demselben Material besteht.

Das Material ist auch porös im Sinne des Klagepatents. Denn die Struktur der angegriffenen Ausführungsform ermöglicht genau das, was das Klagepatent sich zum Ziel gesetzt hat: Eine einfache, problemlose Verbindung zwischen Klotz und Klaue durch ein saugfähiges Material, das mit Kleberkomponenten zusammenwirken kann und den Ausgleich von Unebenheiten durch eine gewisse Nachgiebigkeit (vgl. Anlage K6). Sofern die Beklagten mit Nichtwissen bestreiten, dass die Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform porös ist, ist dieses Bestreiten nicht zulässig. Denn es handelt sich um eine Tatsache, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten ist. Auch ihr Hinweis darauf, dass EVA nicht zwangsläufig als Schaum verwendet werden müsse, führt nicht weiter. Denn die Beklagten erklären nicht ausreichend, in welcher Form EVA bei der angegriffenen Ausführungsform verwendet wird und warum die Beschaffenheit des Materials nicht porös im Sinne des Klagepatents sein sollte. Denn die Porengröße der angegriffenen Ausführungsform hält sich im Übrigen – ohne dass es darauf entscheidend ankommen würde (s.o.) – nach Anlage K8 mit 0,05 mm bis 0,15 mm in dem Bereich, den das Klagepatent in Abs. [0037] und Unteranspruch 14 als bevorzugt angibt. Gleiches gilt für die Dicke der angegriffenen Ausführungsform (vgl. Unteranspruch 13).

Die angegriffene Ausführungsform ist darüber hinaus auch nachgiebig und verformbar, wovon sich die Kammer durch das zur Akte gelangte Muster selbst überzeugen konnte. Dies wird insbesondere dann gelten, wenn ein schweres Tier – wie in Anlage K6 beschrieben – sein Gewicht auf die mit der angegriffenen Ausführungsform versehene Klaue verlagert und dadurch die Verbindung der angegriffenen Ausführungsform mit der Klaue abgeschlossen wird. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Beklagten folgt aus dem Umstand, dass in Anlage K6 festgehalten ist, dass die Klaue zunächst mit einer Raspel behandelt werden soll, nichts Gegenteiliges. Denn die Raspel dient in erster Linie dazu, die Klauenoberfläche für die Klebverbindung aufzurauhen.

2.

Die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung stehen zwischen den Parteien nicht in Streit, so dass diesbezüglich keine weiteren Ausführungen der Kammer notwendig sind.

III.

Angesichts der mittelbaren Patentbenutzung durch die angegriffene Ausführungsform stehen den Klägern die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagten zu.

1.

Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9, 10, 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.

2.

Die Kläger haben gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) und ihr Geschäftsführer, der Beklagte zu 2), die mittelbare Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Kläger noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennen, ist ein rechtliches Interesse der Kläger an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Auf Grundlage welcher Berechnungsmethode die Schadenersatzhöhe zu ermitteln ist, bedarf im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung keiner Entscheidung.

3.

Damit die Kläger in die Lage versetzt werden, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, stehen ihnen gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Für nicht gewerbliche Abnehmer und die Angebotsempfänger ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren (OLG Düsseldorf InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Die Kläger sind auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügen; die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4.

Die Erstattung der durch die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten entstandenen Patentanwaltskosten (vgl. Anlage K11) basiert auf § 139 Abs. 2 PatG bzw. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB. Zu erstatten sind – ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 300.000,00 € ein Betrag in Höhe von 5.988.80 € (1,3 x 2.288,00 € x 2 + 40,00 €). Denn in der Abmahnung wurde Rückruf, Entfernung und Vernichtung nicht verlangt und der Gegenstandswert mit 300.000,00 € angenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kläger diesen – angemessenen – Gegenstandswert auch den mit der Klage zuletzt geltend gemachten Ansprüchen zugrunde legen wollten.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert des Verfahrens wird wie folgt festgesetzt: Bis zum 22.05.2012 310.000,00 €, wobei 235.000,00 € auf den Unterlassungsanspruch, 50.000,00 € auf den Schadensersatzfeststellungsantrag, 15.000,00 € auf den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch, 5.000,00 € auf den Rückrufanspruch und 5.000,00 € auf den Vernichtungsanspruch entfallen. Danach: 300.000,00 €, wobei von den oben genannten entsprechenden Teilstreitwerten auszugehen ist.