9 O 1615/04 – Kanalreinigungsfahrzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 326

Landgericht Braunschweig
Urteil vom 16. März 2005, Az. 9 O 1615/04 (239)

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Streitwert: … EUR.

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Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer Patentverletzung in Anspruch.

Der Kläger ist Geschäftsführer der … GmbH. Diese stellt ebenso wie die Beklagte Kanalreinigungsfahrzeuge her und vertreibt diese.

Der Kläger ist Inhaber des auch für Deutschland am … angemeldeten und am … erteilten Patents EP….

Der Anspruch 1 des Patentes lautet in der erteilten Fassung:

Kanalreinigungsfahrzeug mit wenigstens einem an einen Schlammbehälter angeschlossenen Saugschlauch (2), der auf einem auf dem Schlammbehälter angeordneten, um eine stehende Achse schwenkbaren Ausleger (5) aufgenommen ist, und mit wenigstens einem mit Spülwasser beaufschlagbaren Räumschlauch (10), der auf einer mit horizontaler Achse unterhalb des Auslegers (5) angeordneten, mit diesem verbundenen Haspel (11) aufnehmbar ist, wobei der Saugschlauch (2) auf einer einen Schlauchvorrat enthaltenden, auf dem Schlammbehälter aufgenommenen Aufnahmeeinrichtung (3) aufnehmbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Saugschlauch (2) mit seinem von der Aufnahmeeinrichtung (3) ab- bzw. auf diese auflaufenden Trum auf dem mit eine dem Saugschlauch (2) zugeordnete Führungsbahn bildenden Aufnahme- und Leitrollen (6, 7) versehenen Ausleger (5) läuft, an dem die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) aufgehängt ist und der auf der der Haspel (11) zugewandten Innenseite seines Endbereichs wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13) trägt.

Der Anspruch 5 des Patentes lautet in der erteilten Fassung:

Kanalreinigungsfahrzeug nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ausleger (5) als Teleskopausleger mit einem schwenkbar vorzugsweise auf dem Schlammbehälter gelagerten, mittels einer Antriebseinrichtung (8) antreibbaren Grundträger (19) und einem auf diesem ein- und ausfahrbar aufgenommenen Ausfahrträger (20) abgebildet ist.

Der Anspruch 6 des Patentes lautet in der erteilten Fassung:

Kanalreinigungsfahrzeug nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) samt zugeordneter Führungseinrichtung (14) am Grundträger (19) gehaltert ist und dass der Ausfahrträger (20) die wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13) vorzugsweise die dem Arbeitsschlauch (24) zugeordnete Haspel (25) trägt.

Der Kläger ist weiter Inhaber des am … angemeldeten und am … bekannt gemachten Gebrauchsmusters DE ….

Anspruch 1 des erteilten Gebrauchsmusters lautet wie folgt:

Kanalfahrzeug mit wenigstens einem mit Spülwasser beaufschlagbaren, auf einer Haspel (11) aufnehmbaren Räumschlauch (10) und wenigstens einem an einen Schlammbehälter angeschlossenen, über einen um eine horizontale Achse (a) schwenkbar vorzugsweise auf dem Schlammbehälter aufgenommenen Ausleger (5) geführten Saugschlauch (2), dadurch gekennzeichnet, dass auch der Räumschlauch (10) über den Ausleger (5) geführt ist und dass die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) am Ausleger (5) gehaltert ist.

Anspruch 2 des erteilten Gebrauchsmusters lautet wie folgt:

Kanalreinigungsfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die im Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) an der Unterseite des Auslegers (5) aufgehängt ist, der auf der der Haspel (11) zugewandten Seite seines Endbereichs wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13) trägt.

Anspruch 6 des erteilten Gebrauchsmusters lautet wie folgt:

Kanalreinigungsfahrzeug nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ausleger (5) als Teleskopausleger mit einem schwenkbar vorzugsweise auf dem Schlammbehälter gelagerten, mittels einer Antriebseinrichtung (8) antreibbaren Grundträger 819) und einem auf diesem ein- und ausfahrbar aufgenommenen Ausfahrträger (20) ausgebildet ist.

Anspruch 7 des erteilten Gebrauchsmuster lautet wie folgt:

Kanalreinigungsfahrzeug nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) samt zugeordneter Führungseinrichtung (14) am Grundträger (19) gehaltert ist und dass der Ausfahrträger (20) wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13) und vorzugsweise die dem Arbeitsschlauch (24) zugeordnete Haspel (25) trägt.

Wegen der Einzelheiten des Inhaltes der Schutzrechte wird auf die Patentschrift (Anlage K5) und die Gebrauchsmusterschrift (Anlage K3) Bezug genommen.
Die Schutzrechte stehen in Kraft. Löschungs- oder Nichtigkeitsverfahren sind nicht anhängig.

Die Beklagte stellt u. a. ein Kanalreinigungsfahrzeug her, welches parallel geführte Räum- und Saugschläuche und einen am Fahrzeugheck angebrachten schwenkbaren Ausleger aufweist. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform wird auf das auf der nächsten Seite abgebildete Foto (Bild 3 der Anlage K 11) sowie die Anlagen K7, K8 sowie die Fotos K11 Bezug genommen.

Der Kläger hat die Beklagte bereits in dem Verfahren 9 O 1862/03 (237) aus dem Streitpatent sowie aus dem Gebrauchsmuster DE … in Anspruch genommen. Als verletzend wurde eine andere Ausführung eines Kanalreinigungsfahrzeuges angegriffen (Anlage K6 des Verfahrens 9 O 1862/03). Dieses Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2003 mit einem Vergleich beendet. Wegen des Wortlauts des Vergleichs wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2003 (Bl. 58 d.A. 9 O 1862/03) Bezug genommen.

Der Kläger ist der Auffassung,
dass auch der jetzt von der Beklagten hergestellte und vertriebene Typ des Kanalreinigungsfahrzeugs sein Patent und das Gebrauchsmuster verletze. Es liege eine wortsinngemäße, zumindest aber eine äquivalente Verletzung vor.
Bei dem Gebrauchsmuster liege ein offensichtlicher Schreibfehler vor. Es sei für den Fachmann sofort erkennbar, dass keine horizontale, sondern eine vertikale Achse gemeint sei.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Kanalreinigungsfahrzeuge herzustellen, anzubieten und in Verkehr zu bringen, die die folgenden Merkmale aufweisen:

1. Das Kanalreinigungsfahrzeug weist einen mit Spülwasser beaufschlagbaren, auf einer Haspel aufnehmbaren Räumschlauch auf;
2. das Kanalreinigungsfahrzeug weist einen an einen Schlammbehälter angeschlossenen Saugschlauch auf;
2. 1. der Saugschlauch ist auf einen Ausleger geführt;
2.2. der Ausleger ist um eine stehende Achse schwenkbar an dem Schlammbehälter aufgenommen;
3. der Räumschlauch ist über den Ausleger geführt und
4. die dem Räumschlauch zugeordnete Haspel ist am Ausleger gehaltert
4.1. die dem Räumschlauch zugeordnete Haspel ist an der Unterseite des Auslegers aufgehängt, wobei
4.2. der Ausleger auf der der Haspel zugewandten Seite seines Endbereichs wenigstens eine dem Räumschlauch zugewandte Umlenkrolle trägt;
5. der Ausleger ist als Teleskopausleger mit einem schwenkbar gelagerten mittels einer Antriebseinrichtung antreibbaren Grundträger und einem auf diesem ein- und ausfahrbar aufgenommenen Ausfahrträger ausgebildet;
6. die dem Räumschlauch zugeordnete Haspel ist samt zugeordneter Führungseinrichtung am Grundträger gehaltert;
7. der Ausfahrträger trägt wenigstens eine dem Räumschlauch zugeordnete Umlenkrolle.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter I. bezeichneten Handlungen seit dem 02.11.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Fahrzeuge sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Liefermengen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger),
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu I. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I. bezeichneten, seit dem 01.11.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren zu unterlassen,

Kanalreinigungsfahrzeuge mit den folgenden Merkmalen herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen:

1.
Das Kanalreinigungsfahrzeug weist einen an einen Schlammbehälter angeschlossenen Saugschlauch auf;

2.
der Saugschlauch ist auf einem an dem Schlammbehälter angeordneten, um eine stehende Achse schwenkbaren Ausleger aufgenommen;

3.
das Kanalreinigungsfahrzeug weist einen mit Spülwasser beaufschlagbaren Räumschlauch auf;

3.1. der Räumschlauch ist auf einer mit horizontaler Achse unterhalb des Auslegers angeordneten, mit diesem verbundenen Haspel aufnehmbar;

3.2. der Saugschlauch ist auf einer einen Schlauchvorrat enthaltenen auf dem Schlammbehälter aufgenommenen Aufnahmeeinrichtung aufnehmbar;

4.
wobei der Saugschlauch mit seinem von der Aufnahmeeinrichtung ab- bzw. auf diese auflaufenden Trum auf dem mit einer dem Saugschlauch zugeordneten Führungsbahn bildenden Aufnahme- und Leitrollen versehenen Ausleger läuft;

4.1. an dem Ausleger ist die dem Räumschlauch zugeordnete Haspel aufgehängt;

5.
der Ausleger trägt auf der der Haspel zugewandten Innenseite seines Endbereichs wenigstens eine dem Räumschlauch zugeordnete Umlenkrolle;

6.
der Ausleger ist als Teleskopausleger mit einem schwenkbar gelagerten, mittels einer Antriebseinrichtung antreibbaren Grundträger und einem auf diesem ein- und ausfahrbar aufgenommenen Ausfahrträger ausgebildet;

7.
die dem Räumschlauch zugeordnete Haspel ist samt zugeordneter Führungseinrichtung am Grundträger gehaltert;

8.
der Ausfahrträger trägt wenigstens eine dem Räumschlauch zugeordnete Umlenkrolle.

V. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter IV. bezeichneten Handlungen seit dem 04.07.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Fahrzeuge sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferungen und anderer Vorbesitzer,

c) der einzelnen Liefermengen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu IV. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden.

VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. IV. bezeichneten, seit dem 04.07.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt:

1. die Klage wird abgewiesen;

2. hilfsweise , der Beklagten wird für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorbehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt dem Kläger einen von diesem zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichneter Empfänger eines Angebotes in der Rechnung enthalten ist.

Die Beklagte ist der Auffassung,
dass weder eine wortsinngemäße noch äquivalente Verletzung vorliege. Hilfsweise beruft sie sich auf den Formsteineinwand. Das Gebrauchsmuster sei nicht rechtsbeständig.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Braunschweig ist zuständig (1.). Zwar greift der Einwand des Rechtsmissbrauchs der Beklagten nicht durch (2.), es fehlt aber hinsichtlich des Patents an einer wortsinngemäßen (3. b) und 3. c)) oder äquivalenten (3. d) und 3. F)) Verletzung der Merkmale 2 und 4.1 des Anspruchs 1. Damit scheidet auch eine Verletzung der unselbständigen Unteransprüche aus (4.). Das nach Ablauf der Schutzfrist im Frühjahr 2005 ohnehin erlöschende Gebrauchsmuster ist nicht verletzt. (5.). Im einzelnen:

1.
Das Landgericht Braunschweig ist sachlich gemäß § 143 Abs. 1 PatG und örtlich gemäß § 32 ZPO, § 143 Abs. 2 PatG i. V. m. § 12 der ZuständigkeitsVO zuständig. Das als verletzend angegriffene Kanalreinigungsfahrzeug wurde im Internet angeboten. Dieses Angebot war auch für den Abruf in Niedersachsen bestimmt.
Der Beklagtenvertreter hat seine Zuständigkeitsrüge in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen.
Zwar haben die Parteien im Laufe des Rechtsstreits übereinstimmend die Verweisung an das Landgericht … beantragt. Eine nachträgliche Zuständigkeitsvereinbarung ändert aber an der gegebenen Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig nichts (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, vgl. Thomas/Putzo ZPO 26. A. § 261 Rdnr. 16).

2.
Der Kläger ist nicht unter den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauches durch den Vergleich in dem Verfahren 9 O 1862/03 gehindert, gegen die Beklagte vorzugehen. Die Beklagte hat weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass die jetzt von ihr produzierte Variante eines Kanalreinigungsfahrzeuges in den Vergleich einbezogen worden ist. Es hätte in diesem Falle nahe gelegen, in dem sehr ausführlichen Vergleich eine Regelung auch dahingehend aufzunehmen, dass eine bestimmte Bauvariante als nicht verletzend behandelt wird. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger bei Abschluss des Vergleiches bekannt war, dass es eine neue Bauform gibt. Ohne genaue Kenntnis, wie diese Bauform gestaltet ist, kann dem Vergleich kein Erklärungsinhalt gegeben werden, der sich auf diese neue Variante erstreckt.

3.
Das Kanalreinigungsfahrzeug der Beklagten verletzt das Patent der Klägerin nicht.

a)
Die Erfindung betrifft ein Kanalreinigungsfahrzeug mit einem Schlammbehälter, an dem ein Saugschlauch zum Aufsaugen des Schlamms angeschlossen ist. Weiter ist ein Räumschlauch vorhanden, um den Schlamm vor dem Aufsaugen mit Spülwasser zu lockern. Damit der Arbeitsbereich der Schläuche variierbar ist, werden sie über Ausleger geführt, die um eine stehende (vertikale) Achse schwenkbar sind.

Kanalreinigungsfahrzeuge mit Schlammbehälter, Saugschlauch und Räumschlauch sind aus dem Stand der Technik bekannt. Aus DE … ist ein Kanalreinigungsfahrzeug mit einem Ausleger bekannt, an dessen Ende eine Kabine für eine Bedienungsperson und eine Räumschlauchhaspel befestigt sind. Die Kabine dient dabei auch als Aufnahme für den Saugschlauch und den Räumschlauch. Als nachteilig schildert die Patentschrift die sperrige Bauweise.
Aus … ist ein Kanalreinigungsfahrzeug mit einem Ausleger bekannt. In Figur 1 der Patentschrift ist ein Kanalreinigungsfahrzeug gezeigt, bei dem ein Knickausleger mit einem Ober- und einem Untermast oben auf dem Schlammbehälter befestigt ist. Der Saugschlauch wird über den Obermast geführt. An dem Untermast ist eine Haspel für den Räumschlauch angebracht. Als nachteilig wird es angesehen, dass die Anordnung keinen Platz für einen Saugschlauchvorrat lässt. Das gleiche gelte für die in Figur 3 dargestellte Ausführungsform, bei dem die Räumschlauchhaspel auf einem eigenen Ausleger angeordnet ist, der sich bezogen auf die Schwenkachse entgegengesetzt zum Saugschlauchausleger erstreckt. Auch bei diesem Ausführungsbeispiel fehle der für einen Saugschlauchvorrat erforderliche Platz.

Hiervon ausgehend ist es Aufgabe der Erfindung, ein Kanalreinigungsfahrzeug der eingangs erwähnten Art so zu verbessern, dass eine kompakte Anordnung und eine hohe Bedienungsfreundlichkeit erreicht werden.

Dies löst das Patent mit einem Anspruch, der sich wie folgt gliedern lässt:

1. Das Kanalreinigungsfahrzeug weist wenigstens einen an einem Schlammbehälter angeschlossenen Saugschlauch (2) auf;

2. der Saugschlauch (2) ist auf einem auf dem Schlammbehälter angeordneten, um eine stehende Achse schwenkbaren Ausleger (5) aufgenommen;

3. das Kanalreinigungsfahrzeug weist einen mit Spülwasser beaufschlagbaren Räumschlauch (10) auf;

3. 1. der Räumschlauch ist auf einer mit horizontaler Achse unterhalb des Auslegers (5) angeordneten, mit diesem verbundenen Haspel (11) aufnehmbar;

3.2. der Saugschlauch (2) ist auf einer einen Schlauchvorrat enthaltenen, auf dem Schlammbehälter aufgenommenen Aufnahmeeinrichtung (3) aufnehmbar;

4. wobei der Saugschlauch (2) mit seinem von der Aufnahmeeinrichtung (3) ab- bzw. auf diese auflaufenden Trum auf dem mit eine dem Saugschlauch (2) zugeordnete Führungsbahn bildenden Aufnahme- und Leitrollen (6, 7) versehenen Ausleger (2) läuft;

4.1. an dem Ausleger (5) ist die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) aufgehängt;

5. der Ausleger (5) trägt auf der der Haspel (11) zugewandten Innenseite seines Endbereichs wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13); (Anspruch 1)

6. der Ausleger (5) ist als Teleskopausleger mit einem schwenkbar [vorzugsweise auf dem Schlammbehälter] gelagerten, mittels einer Antriebseinrichtung (8) antreibbaren Grundträger (19) und einem auf diesem ein- und ausfahrbar aufgenommenen Ausfahrträger (20) ausgebildet; (Anspruch 5)

7. die dem Räumschlauch (10) zugeordnete Haspel (11) ist samt zugeordneter Führungseinrichtung (14) am Grundträger (19) gehaltert;

8. der Ausfahrträger (20) trägt wenigstens eine dem Räumschlauch (10) zugeordnete Umlenkrolle (13) [und vorzugsweise die dem Arbeitsschlauch (24) zugeordnete Haspel (25)] (Anspruch 6).

b)
Das Merkmal 2 ist nicht wortsinngemäß verletzt. Bei der Ausführungsform der Beklagten ist der Ausleger hinter dem Schlammbehälter und nicht „auf dem Schlammbehälter“ angeordnet.

aa)
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH gelten für die Auslegung von Patentansprüchen folgende Grundsätze:
Nach § 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Die Auslegung der Patentansprüche dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln.

bb)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 2 nicht wortsinngemäß, denn sie weist keinen um eine stehende Achse schwenkbaren Ausleger auf, der auf dem Schlammbehälter angeordnet ist und auf dem der Saugschlauch aufgenommen ist.

Aus den Anlagen K 10 und K 11/3 ist zu erkennen, dass der Ausleger der angegriffenen Ausführungsform nicht unmittelbar mit dem Schlammbehälter verbunden ist. Vielmehr ist er auf einem schwenkbaren Unterbau aufgesetzt. Dieser ist über ein Scharnier um eine vertikale Achse schwenkbar an dem rückseitigen Entleerungsdeckel des Schlammbehälters befestigt.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, Merkmal 2 sei bereits seinem Wortsinn nach dahingehend zu verstehen, dass „auf“ dem Schlammbehälter auch „am Außenumfang“ des Schlammbehälters bedeute.
Der Fachmann versteht den Begriff „auf“ auch unter Berücksichtigung der Patentschrift, die zu einem von dem allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Inhalt eines Begriffs führen kann (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube), im Sinne von „oben auf“. Der Patentschrift ist kein Hinweis zu entnehmen, dass „auf“ – abweichend vom normalen Wortverständnis – auch „am“ bedeuten kann.

Der in Spalte 1 diskutierte Stand der Technik hat ausschließlich Fahrzeuge zum Gegenstand, bei denen die Ausleger oben auf dem Schlammbehälter schwenkbar gelagert sind.
Gegenüber der Entgegenhaltung … wird die hinter dem Fahrzeug, neben der Kabine angebrachte Aufnahme für den Saugschlauch wegen der sperrigen Bauweise als nachteilig beschrieben. Die in Figur 5 von … gezeigte Anordnung entspricht von der räumlichen Zuordnung der Saugschlauchaufnahme eher der angegriffenen Ausführungsform. Diese Bauweise soll durch die Anbringung „auf“ dem Schlammbehälter gerade vermieden werden.
Auch bei der Entgegenhaltung … wird es gerade als nachteilig beschrieben, dass die Konstruktion den Platz für eine oben auf dem Schlammbehälter aufgenommene Aufnahmeeinrichtung verbaut.
Der Fachmann kann das „auf“ daher nur als „oben auf“ verstehen.
Auch die beiden in der Patentschrift beschriebenen Zeichnungen zeigen ausschließlich einen oben auf dem Schlammbehälter angeordneten Ausleger.
Ferner wird in Spalte 4 Zeilen 17, 18 des Klagepatents ausgeführt: „Der Ausleger 5 besteht hier aus einem auf einem auf das Fass 1 aufgesetzten Lagerbock 18 um die stehende Achse a schwenkbar gelagerten Grundrahmen 19 …“. Hier wird das Wort „auf“ im Sinne von „oben auf“ verwendet, ohne dass dies von der Formulierung im Patentanspruch 1 abgegrenzt worden ist.

Kaum nachvollziehbar ist die Auffassung des Klägers (S. 20 der Klage, Bl. 21 d. A.), dass sich auch bei einem engen Verständnis von „auf“ die wortsinngemäße Verletzung aus Bild 2 der Anlage K 8 ergebe. Dieses Bild zeigt die Entleerungsstellung des Schlammbehälters. Der hintere Deckel wird aufgeklappt und der Schlammbehälter wie bei einem Kipplader schräg gestellt, damit der Schlamm auslaufen kann. Dabei handelt es sich nicht um eine Arbeitsposition und in dieser Phase ist auch kein Ausleger schwenkbar. Die Aufnahme ist auch nicht „auf“ dem Schlammbehälter im Sinne einer räumlichen Zuordnung, sondern durch das Verschwenken des Deckels ist der Ausleger etwas höher als das hintere Ende des Schlammbehälters. Mit dem Patent hat dies alles nichts zu tun.

Die Formulierung in Anspruch 5, in dem von „vorzugsweise auf dem Schlammbehälter“ die Rede ist, ändert nichts. Zum einen bezieht sich diese Angabe nicht auf den gesamten Ausleger, sondern auf den Grundträger als Teil des Auslegers. Zum anderen kann die Formulierung des abhängigen Unteranspruchs nicht den Schutzumfang des Hauptanspruchs erweitern.

c)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 4.1 nicht wortsinngemäß.
Auf Anlage K 11/3 ist zu erkennen, dass der Ausleger auf dem Unterbau für die Räumschlauchhaspel befestigt ist, der seinerseits über ein Scharnier mit dem rückseitigen Deckel des Schlammbehälters befestigt ist. Der Fachmann versteht unter „aufhängen“, dass die Gewichtskraft eines Köpers von einem anderen Körper kompensiert, dass also das Gewicht des getragenen Körpers von dem tragenden Körper aufgenommen wird. Das klagende Patent sieht vor, dass der Ausleger die Gewichtskraft des Unterbaus ausgleicht und an die gemeinsame Schwenkachse überträgt. Bei der angegriffenen Ausführungsform kompensiert aber der Unterbau die Gewichtskraft des Auslegers und übertragt diese an die am rückseitigen Deckel angebrachte Achse. Damit ist der Unterbau nicht an dem Ausleger „aufgehängt“, sondern der Unterbau trägt den Ausleger. Eine wortsinngemäße Verwirklichung scheidet somit aus.

d)
Es fehlt auch an einer äquivalenten Verletzung des Merkmals 2.

aa)
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II; Nieder, Die Patentverletzung, Rn. 23) ist es für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich folgendes erforderlich:
• das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden (Gleichwirkung)
• seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Auffindbarkeit)
• die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit)

bb)
Hinsichtlich des Merkmals 2 liegt weder Gleichwirkung noch Gleichwertigkeit vor.
Der Ausleger des klägerischen Kanalreinigungsfahrzeugs hat die technische Aufgabe einer kompakten Bauweise. Dies folgt zum einen daraus, dass – wie die Beklagte auf Seiten 4, 5 ihrer Klageerwiderung (Bl. 36, 37 d. A.) richtig ausführt – die Bedienungsfreundlichkeit durch einen schwenkbaren Ausleger sowie der gemeinsamen Führung des Saug- und des Räumschlauchs bereits Stand der Technik waren. In Spalte 1, Zeilen 45-49 des Klagepatents wird zudem ausgeführt, dass eine kompakte Anordnung Aufgabe der Erfindung ist.
Das Fahrzeug der … wird wegen der sperrigen Bauweise als nachteilig bezeichnet (Spalte 1 Zeilen 15-23). Die sperrige Bauweise ist bei einem Vergleich mit den Figuren 1-3 deshalb als sperrig bezeichnet worden, weil an dem Ausleger eine Kabine für das Bedienpersonal angebracht ist. Daraus kann gefolgert werden, dass die Erfindung gerade vermeiden will, dass ein sperriges Bauteil um das Fahrzeug herum im Bereich, in dem das Personal arbeitet, die Arbeiten behindert. Weiter wird in Spalte 2, Zeilen 2 und 3 des Klagepatents ausgeführt, die Erfindung erziele eine sehr übersichtliche und kompakte Anordnung.
Auch der Vergleich mit der Entgegenhaltung … zeigt, dass das Patent sich die Aufgabe stellt, eine kompakte Lösung zu finden, bei der möglichst keine Bauteile über den Schlammbehälter nach hinten hinausragen. Fig. 2 der … zeigt ein Kanalreinigungsfahrzeug mit einem auf dem Schlammbehälter angebrachten Ausleger. Die Haspel für den Räumschlauch ist hinter dem Fahrzeug angebracht. Gegen dieses Patent will sich das Klagepatent mit seiner kompakten Bauweise abgrenzen.
Diese von dem Merkmal 2 zu lösende Aufgabe wird von der angegriffenen Ausführungsform nicht gelöst. Bei dieser ist am rückseitigen Deckel ein sehr sperriger Aufbau vorgesehen, an dem die Haspel für den Räumschlauch und der Ausleger für den Saugschlauch angeordnet sind. Dieser Aufbau befindet sich im unmittelbaren Wirkbereich des Bedienpersonals, genau wie die Kabine der ….
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass auch das Fahrzeug der Beklagten „kompakt“ sei. Wegen der unterschiedlichen Konstruktion hat das Fahrzeug der Beklagten eine geringere Aufbauhöhe und mag in diesem Sinne kompakt sein, während das Patent in Abgrenzung zu dem Stand der Technik eine kompakte Fahrzeuglänge verwirklichen will.
Damit fehlt es bereits an der Gleichwirkung.

Es fehlt zudem an der Gleichwertigkeit, denn die Abwandlung ist nicht am Sinngehalt der Patentansprüche orientiert. Der Auffassung des Klägers, wonach der Fachmann einen Anhaltspunkt für diese Ausführungsform aus Anspruch 5, in dem von „vorzugsweise auf dem Schlammbehälter“ die Rede ist, erhält, kann nicht gefolgt werden. Zum Einen bezieht sich das Wort „vorzugsweise“ nicht auf den Ausleger als solchen, sondern auf den Bestandteil „Grundträger“, so dass über die konkrete Anordnung des gesamten Auslegers keine Aussage gemacht wird. Zum Anderen steht der Anspruch 5 im Widerspruch zum Anspruch 1. Wenn nämlich das klägerische Verständnis zugrunde gelegt wird, hätten die Angaben „auf“ und „vorzugsweise auf“ in den Ansprüchen den gleichen Sinngehalt. Dies widerspricht aber dem Grundsatz, dass in einer Patentschrift technisch gleiche Sachverhalte gleich zu bezeichnen sind. Wenn in dem Klagepatent einerseits vorbehaltlos das Wort „auf“ verwendet und an anderer Stelle für den das Wort „vorzugsweise“ eingefügt wird, spricht Vieles dafür, dass das Wort „auf“ in Alleinstellung eine bestimmte Bedeutung hat. Ansonsten wäre das Wort „vorzugsweise“ in Anspruch 5 überflüssig. Eine andere Frage ist es allerdings, ob abweichend von „oben auf“ durch die Wortwahl in Anspruch 5 überhaupt andere Ausführungen möglich sind, weil der Anspruch 5 dann in Widerspruch zu Anspruch 1 stehen würde.

e)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch das Merkmal 4 nicht äquivalent.
Es fehlt bereits an der Gleichwertigkeit.
Dass der Ausleger von dem Unterbau getragen wird, ist nicht an den Patentansprüchen des Klagepatents orientiert. Den Patentansprüchen ist hierzu kein Hinweis zu entnehmen. Im Gegenteil: Anspruch 4 sieht unter anderem vor, dass „die dem Arbeitsschlauch (24) zugeordnete Haspel (25) am Ausleger (5) gehaltert ist“. Anspruch 6 sieht vor, dass die „Haspel (11) samt zugeordneter Führungseinrichtung (14) am Grundkörper (19) gehaltert“ ist. Aus diesen Formulierungen geht wieder hervor, dass der Ausleger das Gewicht der Haspel aufnimmt.

Das abgewandelte Mittel der Beklagten hat auch nicht nahegelegen, denn die Anordnung der Beklagten erfordert ganz andere statische Überlegungen als diejenige des Klägers. Die Schwenkachse des Klägers, die die Drehmomente des Auslegers und der Haspel (mit Unterbau) aufnimmt, ist am Mantel des Schlammbehälters befestigt und befindet sich dichter am Schwerpunkt des gesamten Fahrzeugs. Der Mantel muss so ausgestaltet sein, dass er die Drehmomente halten kann, ohne dass es zu Beschädigungen kommt. Dagegen greifen die Drehmomente der angegriffenen Ausführungsform am rückseitigen Deckel des Schlammbehälters an, so dass dieser in geeigneter Weise konstruiert sein muss. Damit werden auch die Ansprüche an die Dichtungen und Scharniere des Deckels erhöht. Dies setzt nach diesseitigem Verständnis besondere statische und konstruktive Überlegungen voraus, die nicht nahe gelegen haben.

4.
Es fehlt bereits an einer Verletzung der Merkmale 2. und 4.1. Die Verletzung der ebenfalls streitigen Merkmale 6 und 7 kann daher offen bleiben.
Da Anspruch 1 nicht verwirklicht ist, kann auch keine Verletzung der Kombination aus den Ansprüchen 1, 5 und 6 vorliegen.

5.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Gebrauchsmuster nicht.
Sie verwirklicht weder wortsinngemäß noch äquivalent das Merkmal, dass das Kanalreinigungsfahrzeug einen „um eine horizontale Achse (a) schwenkbar vorzugsweise auf dem Schlammbehälter aufgenommenen Ausleger“ aufweist.

Der Auffassung des Klägers, nach der das Merkmal „horizontale Achse“ berichtigend als „vertikale Achse“ bzw. „stehende Achse“ zu verstehen ist, ist nicht zu folgen.

Das Gebrauchsmustergesetz regelt nicht die Frage, ob ein Gebrauchsmuster nach Eintragung geändert werden kann. Nach § 4 Abs. 5 S. 1 GebrMG sind Änderungen der Anmeldung bis zur Verfügung über die Eintragung möglich. Daraus folgt, dass Änderungen der Unterlagen nach Eintragung ausgeschlossen sind (Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage, § 4 Rn. 103). Die Eintragung legt den Gegenstand des Gebrauchsmusters fest und kann nur durch Verzicht oder Löschung geändert werden (Bühring, Rn. 104). Somit kommt eine Änderung nicht in Betracht.
Eine solche Änderung ist auch weder beantragt noch erfolgt.

Auch eine „berichtigende Auslegung“ von „horizontal“ in „vertikal“ bei der Bestimmung des Schutzbereichs ist nicht möglich.

Nach § 12a GebrMG wird der Schutzbereich des Gebrauchsmusters durch den Inhalt der Schutzansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Schutzansprüche heranzuziehen.

Gegen die von dem Kläger begehrte Auslegung (Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers) spricht bereits, dass auch die Beschreibung im 1. Absatz von einer horizontalen Achse spricht.

Im übrigen können durch das Heranziehen der Beschreibung und Zeichnungen Ungenauigkeiten der verwendeten Begriffe geklärt oder auch Begriffe aus dem betreffenden Fachgebiet erweiternd oder einschränkend ausgelegt werden.
Eine Ungenauigkeit liegt nicht vor, denn der Fachmann verbindet mit dem Begriff „horizontal“ eine ganz bestimmte räumliche Lage der Achse. Für ihn liegt die Achse bei Studium des Anspruchs 1 in einer Ebene parallel zur Standfläche des Fahrzeugs, also dem Boden. Für dieses Verständnis spricht auch Anspruch 3, der von einer „stehenden Achse“ im Gegensatz zu einer „horizontalen Achse“ spricht. Damit scheidet bereits eine Auslegung dahingehend, dass die Patentschrift unter „horizontal“ eine senkrecht auf dem Boden stehende Lage versteht, aus.
Lediglich im speziellen Beschreibungsteil auf Seite 5 wird ausgeführt, dass der Ausleger um eine „stehende Achse“ schwenkbar sein soll in Übereinstimmung mit den Figuren 1 und 2. Dieses Verständnis findet in den Ansprüchen selbst keinen Niederschlag. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch zu fordern, dass sachkundige Dritte anhand der Ansprüche mit gewisser Zuverlässigkeit feststellen können, wie weit das Gebrauchsmuster zu beachten ist. Aus diesem Grund wird gefordert, dass der Gebrauchsmusterinhaber schon bei Eintragung dafür sorgen muss, dass sein Schutzbegehren in den Merkmalen der Ansprüche objektiv zum Ausdruck kommt. Das ist hier nicht der Fall. Schließlich spricht gegen eine korrigierende Auslegung, dass es technisch durchaus denkbar ist, dass ein Ausleger um eine horizontale Achse schwenkbar ist, beispielsweise bei den Leiterwagen der Feuerwehr. Das in der Beschreibungseinleitung und den Figuren erläuterte Ausführungsbeispiel widerspricht diesem Verständnis auch nicht, denn der Anspruch 1 schließt nicht aus, dass der Ausleger auch um eine vertikale/stehende Achse schwenkbar ist.

Nach alledem ist das Merkmal „horizontale Achse“ in Anspruch 1 in seiner allgemeinen Bedeutung zu verstehen.

Der Ausleger in der angegriffenen Ausführungsform ist unstreitig um eine vertikale Achse schwenkbar (vgl. das gut erkennbare Scharnier in Anlage 11/3).

6.
Das Verletzungsgericht hat auf entsprechenden Einwand die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters zu prüfen. Es sind die Frage der Neuheit, des erfinderischen Schritts sowie der materiellen Schutzvoraussetzungen zur überprüfen (BGH GRUR 1997 892 (893); Loth Gebrauchsmustergesetz § 24 Rn. 3).
Da es aber bereits an einer Verletzung des Gebrauchsmusters fehlt, kann offen bleiben, ob dieses ungeprüfte Schutzrecht rechtsbeständig ist.

7.
Mangels Verletzungstatbestandes haben auch die Ansprüche auf Auskunft bzw. Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung keine Grundlage.

8.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

9.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

10.
Der Streitwert wurde gem. §§ 51 GKG, 3 ZPO in der mündlichen Verhandlung nach Anhörung der Parteien auf … EUR festgesetzt.
Dabei entfallen für das Patent … EUR auf den Unterlassungsanspruch und je … EUR auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung.
Für das ablaufende Gebrauchsmuster entfallen … EUR auf den Unterlassungsanspruch und je … EUR auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung.