4c O 48/13 – Hufschuhschutz II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2173

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. 4c O 48/13

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 768 XXX B1 (Anlage K 1, in deutscher Übersetzung als Anlage K 2; im Folgenden: Klagepatent), welches unter Inanspruchnahme einer schwedischen Priorität vom 24. Juni 2004 (SE 0401XXX) am 22. Juni 2005 angemeldet, und dessen Anmeldung am 4. Juli 2007 veröffentlicht wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 5. Mai 2010 veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft einen Hufschuhschutz. Der Beklagte hat das Klagepatent angegriffen durch Erhebung der Nichtigkeitsklage mit Schriftsatz vom 8. Juli 2013. Über die Nichtigkeitsklage ist noch nicht entschieden.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„1. Hufschutzeinrichtung (1) für Pferde, mit einem schlingenartigen Schutzteil (3), das sich um einen Huf (2) erstreckt und ein Kopplungsmittel (4) für die lösbare Befestigung von Enden (10, 11) des Schutzteils aufweist, und wobei das Schutzteil (3) durch eine C-förmige Abdeckung aus Kunststoff- und/oder Gummimaterial geformt ist, die in einer Abwärtsrichtung (40) offen ist, dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Anzahl von Aufnahmekanälen (5, 51) entlang des Schutzteils (3) erstreckt, die einen Draht (6, 61) darin aufnehmen, dass der/die Kanal/Kanäle (5, 51) in einer Richtung auswärts (16) von dem einwärts weisenden Teil (17) des Schutzteiles offen ist/sind oder dass sich der/die Kanal/Kanäle innerhalb in das Schutzteil entlang des Umfangs desselben erstreckt/erstrecken, dass der Draht, der bevorzugt aus Metallmaterial besteht und bevorzugt mit einer Kunststoffschicht (7) beschichtet ist, teilweise oder vollständig umschlossen und vor einem Zugang von außerhalb in dem zugeordneten Kanal geschützt ist, und dass das Kopplungsmittel ein Klemmmechanismus (8) für die Anzahl von Drähten (6, 61) ist, der derart angeordnet ist, dass er zwischen beiden Enden (10, 11) des Schutzteils an der Vorderseite eines Pferdehufs (2) aufgenommen ist.“

Nachstehend verkleinert wiedergegebene Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:

Figuren 1 und 2 zeigen an einem Huf in verschiedenen Positionen angeordnete Hufschutzeinrichtungen in perspektivischer Ansicht.

Der Beklagte bietet an und vertreibt unter der Firma A Reitsport B Hufschutzeinrichtungen unter der Bezeichnung „C“. Nachstehend sind Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 4) verkleinert wiedergegeben:

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatentes wortsinngemäß.

Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Gerichtsakte gereichtem Schriftsatz vom 15. November 2013 (Bl. 69f. GA) hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs teilweise zurückgenommen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 erklärt, der teilweisen Klagerücknahme nicht zuzustimmen.

Die Klägerin beantragt,

I. den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft – betreffend die Beklagte zu 1) – an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Hufschutzeinrichtungen für Pferde mit einem schlingenartigen Schutzteil, das sich um einen Huf erstreckt und ein Kopplungsmittel für die lösbare Befestigung von Enden des Schutzteils aufweist, und wobei das Schutzteil durch eine C-förmige Abdeckung aus Kunststoff- und/oder Gummimaterial geformt ist, die in einer Abwärtsrichtung offen ist,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen

bei denen sich eine Anzahl von Aufnahmekanälen entlang des Schutzteils erstreckt, die einen Draht darin aufnehmen, bei denen der/die Kanal/Kanäle in einer Richtung auswärts von dem einwärts weisenden Teil des Schutzteiles offen ist/sind oder sich der/die Kanal/Kanäle innerhalb in das Schutzteil entlang des Umfangs desselben erstreckt/erstrecken, bei denen der Draht, der bevorzugt aus Metallmaterial besteht und bevorzugt mit einer Kunststoffschicht beschichtet ist, teilweise oder vollständig umschlossen und vor einem Zugang von außerhalb in dem zugeordneten Kanal geschützt ist, und bei denen das Kopplungsmittel ein Klemmmechanismus für die Anzahl von Drähten ist, der derart angeordnet ist, dass er zwischen beiden Enden des Schutzteils an der Vorderseite eines Pferdehufs aufgenommen ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. Mai 2007 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten, oder bei Fremdbezug der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. der Typenbezeichnungen),
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, und
dem Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. sämtliche in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziff. I.1 an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

4. die vorstehend zu Ziff. 1 bezeichneten, in der Zeit seit dem 30. April 2006 in Verkehr gebrachten und im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse dadurch zurückzurufen, dass denjenigen gewerblichen Abnehmern, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 768 XXX B1 erkannt hat, ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird, wobei den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird;

II. festzustellen,
1. dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu Ziff. I.1 bezeichneten und in der Zeit vom 4. Mai 2007 bis zum 4. Juni 2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziff. I.1 bezeichneten, seit dem 5. Juni 2010 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Nichtigkeitsklage gegen das Europäische Patent EP 1 768 XXX auszusetzen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht, da sie keinen Draht gemäß der technischen Lehre des Klagepatents aufweise. Auch werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen und deshalb auf die parallel erhobene Nichtigkeitsklage hin vernichtet werden.

Die Klägerin tritt dem Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits entgegen, weil sie der Auffassung ist, das Klagepatent werde sich als rechtsbeständig erweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen sowie auf Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, § 140a Abs. 1 und 3, §§ 242, 259 Abs. 1 BGB nicht zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Hufschuhschutz für Pferde.

Bei einer Vielzahl von Pferdesportarten können Pferdehufe an den Hinterbeinen die Vorderbeine des Pferdes treffen. Aus dem Stand der Technik ist es vorbekannt, sogenannte Pferdeschuhe als Trittschutz auf der Rückseite der Vorderhufe anzubringen. Bekannt sind solche Pferdeschuhe, die aus einer Karkasse aus Leder oder einem ähnlichen Material bestehen, wobei auf einer Seite ein weicheres Kunststoffschaummaterial oder eine Gummiabdeckung angebracht ist und der Schuh um den Huf herum mit einem Gurt und einer Schnalle angebracht wird, und Gurt und Schnalle mit der Karkasse vernäht sind.

An derlei vorbekannten Pferdeschuhen kritisiert das Klagepatent eine ganze Reihe von technischen Nachteilen: Die vorbekannten Schuhe sind spröde und zerfallen nach wenigen Verwendungen; sie sind für den rechten und den linken Huf hergestellt und müssen paarweise erworben werden; Ersatzteile für die Schuhe können nicht einzeln erworben werden, so dass die Schuhe insgesamt ersetzt werden müssen, und zwar paarweise; die Schuhe absorbieren Wasser und können deshalb ein für einen Wettkampf zulässiges Gewicht überschreiten; sie können bei Verwendung im offenen Terrain lose werden und die Pferdebeine hoch rutschen; sie müssen für einen sicheren Sitz sehr eng geschnürt werden; außerdem sind die vorbekannten Schuhe teuer.

Vor diesem technischen Hintergrund formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe, die aus dem Stand der Technik bekannten Probleme einfach, wirksam und zuverlässig zu lösen mit einem Schuh aus einem dauerhaften Material, der die Möglichkeit zum Austausch zerschlissener Teile bietet, und der komfortabel in einer einfach zugänglichen Weise angebracht werden kann, wobei er die Vorderbeine und Hufe des Pferdes nicht schädigt.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Hufschutzeinrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Hufschutzeinrichtung (1) für Pferde
2. mit einem schlingenartigen Schutzteil (3),
2.1 das schlingenartige Schutzteil (3) erstreckt sich um einen Huf
2.2 das Schutzteil (3) ist durch eine C-förmige Abdeckung aus Kunststoff- und/oder Gummimaterial geformt, die in einer Abwärtsrichtung (40) offen ist;
2.3 eine Anzahl von Aufnahmekanälen (5, 51) erstreckt sich entlang des Schutzteils (3);
2.3.1 die Kanäle (5, 51) nehmen einen Draht (6, 61) darin auf;
2.3.1.1 der Draht besteht bevorzugt aus Metallmaterial und ist bevorzugt mit einer Kunststoffschicht (7) beschichtet;
2.3.1.2 der Draht ist teilweise oder vollständig umschlossen und vor einem Zugang von außerhalb in dem zugeordneten Kanal geschützt;
2.3.2 der/die Kanal/Kanäle (5, 51) ist/sind
2.3.2.1 in einer Richtung auswärts (16) von dem einwärts weisenden Teil (17) des Schutzteiles offen
oder
2.3.2.2 erstreckt/erstrecken sich innerhalb in das Schutzteil entlang des Umfangs desselben;
2.4 das Schutzteil (3) weist ein Kopplungsmittel (4) für die lösbare Befestigung von Enden (10, 11) des Schutzteils (3) auf;
2.4.1 das Kopplungsmittel (4) ist ein Klemmmechanismus (8) für die Anzahl von Drähten (6, 61);
2.4.2 der Klemmmechanismus (8) ist derart angeordnet, dass er zwischen beiden Enden (10, 11) des Schutzteils an der Vorderseite eines Pferdehufs (2) aufgenommen ist.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht nicht alle diese Merkmale. Jedenfalls eine Verwirklichung des Merkmals 2.3.1 lässt sich nicht feststellen.

Einer Verwirklichung des Merkmals 2.3.1 steht entgegen, dass die angegriffene Ausführungsform keinen Draht im Sinne des Klagepatents aufweist.

1.
Ein Draht im Sinne des Klagepatents ist jedes hinreichend reißfeste Zugmittel, das in der länglichen Form eines Drahtes ausgebildet ist, bei dessen Querschnitt also die eine Kantenlänge die andere höchstens um ein geringes Vielfaches überschreitet.

Dies folgt zunächst daraus, dass das Klagepatent den Begriff des Drahtes (im Wortlaut der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache: „wire“), welcher in der Beschreibung an keiner Stelle näher erläutert wird, von demjenigen des Gurtes (in der englischen Verfahrenssprache: „belt“) oder Riemens (englisch: „strap“) abgrenzt. Diese Abgrenzung findet sich deutlich im Wortlaut der Unteransprüche 8 und 10, in welchen das Element Draht (6) vom Element Riemen auch funktional unterschieden wird. Die Unteransprüche 8 und 10 des Klagepatents lauten:

„8. Hufschutzeinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Klemmmechanismus (8) in der Form einer Schließe bzw. Schnalle vorliegt, die eine Übertotpunktfunktion oder einen Riemen aufweist.
10. Hufschutzeinrichtung (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Klemmmechanismus für die Anzahl von Drähten (6, 61) einen Riemen, der aus verstärktem Gummi- und/oder Kunststoffmaterial besteht, mit einer lösbaren Schließe umfasst, um zu ermöglichen, dass das Schutzteil (3) festgezogen werden kann, so dass es fest und sicher an dem Pferdehuf sitzt und diesen gegenüber Stößen von hinten schützt, und dass die Schließe von einem vorher offenbarten Typ ist, der einen Schwenkstift aufweist, der in ein geeignetes Loch an dem Riemen nach dem gewünschten Festziehen des Riemens zwischen beiden freien Enden (10, 11) des Schutzteils eingesetzt ist, und wobei der Riemen an dem Draht über ein Kopplungsteil befestigt ist, das in einer fixierten und/oder gelenkigen Art und Weise befestigt ist.“

Hiernach gewährleistet der in einen Kanal aufgenommene Draht die Ausübung der Kraft, mit welcher die Hufschutzeinrichtung am Huf des Pferdes gehalten wird. Der an dem Draht angebrachte Riemen hingegen ist derjenige Abschnitt des aus Draht und Riemen zusammengesetzten Zugmittels, an welchem der Klemmmechanismus angreift. Unteranspruch 8 lehrt insoweit allgemein eine Schließe mit Übertotpunktfunktion, welche den Riemen klemmt, Unteranspruch 10 beansprucht in näherer Ausgestaltung eine Schnalle mit einem Schwenkstift, welche den Riemen sowohl klemmt als auch an einem Loch hält, durch welches der Schwenkstift geführt ist. Die voneinander verschiedenen Funktionen von Draht einerseits und Riemen andererseits lassen sich durch die voneinander verschiedenen geometrischen Ausgestaltungen der beiden Elemente gewährleisten: Während der Draht alleine eine Zugkraft aufnehmen, dafür aber gemäß Merkmal 2.3.1 leicht durch Kanäle geführt werden soll, bietet der Riemen mit einem flachen Querschnitt eine bessere Angriffsfläche für die Klemmvorrichtung sowie die Möglichkeit, eine Lochbohrung aufzuweisen, in welche der Stift der Klemmvorrichtung gemäß Unteranspruch 10 eingreifen kann.

Die Bedeutung der geometrischen Ausgestaltung für die Bestimmung des Begriffes Draht im Sinne des Klagepatents folgt ferner daraus, dass gemäß Merkmal 2.3.1.1 des Klagepatents zwar Angaben zur Materialwahl für den Draht gemacht werden, diese jedoch auf die Angabe bevorzugter Materialien beschränkt bleiben, nämlich vorzugsweise aus Metall und vorzugsweise mit einer Kunststoffschicht beschichtet. Demnach misst der Fachmann der Angabe, ein Draht sei in Kanälen aufgenommen, eine andere als auf das Material bezogene Bedeutung bei, so dass er stattdessen die Bedeutung für die geometrische Ausgestaltung des Drahtes im Sinne des Klagepatents erkennt und ihr Gewicht beimisst.

Dies wird gestützt durch die funktionale Betrachtung der beanspruchten Vorrichtung: Der Draht soll gemäß Merkmalsgruppe 2.3.1 in einen Kanal aufgenommen werden, sind mehrere Drähte ausgeführt, sind sie in mehreren Kanälen aufgenommen, um auf diese Weise eine Einwirkung auf die Drähte und damit ein Losekommen der Hufschutzeinrichtung zu verhindern. Um zugleich zu gewährleisten, dass, wie es das Klagepatent als Aufgabe formuliert, die Hufschutzeinrichtung einfach zu handhaben ist, muss der im Kanal geführte Draht einen möglichst geringen Reibungswiderstand bei Führung durch den Kanal aufweisen. Das lässt sich mit einer dünnen, drahtartigen Form, also einem möglichst kantengleichen oder runden Querschnitt besser erreichen, als mit dem flachen Querschnitt eines Riemens, bei dem eine Kantenlänge um ein großes Vielfaches größer ist als die andere.

In der genannten Sichtweise zur Auslegung des Klagepatents gestützt wird der Fachmann durch die Zeichnungen des Klagepatents, welche zwar den Schutzbereich des Klagepatents nicht begrenzen, bei dessen Bestimmung sie jedoch gemäß Art 69 Satz 2 EPÜ zu berücksichtigen sind. Diese Zeichnungen zeigen durchgängig als Drähte solche Zugmittel, welche einen runden, drahtförmigen Querschnitt aufweisen.

2.
Die angegriffene Ausführungsform weist als in einem Kanal geführtes Zugmittel keinen Draht im Sinne des Klagepatents auf. Zugmittel ist vielmehr ein Riemen, wie anhand der Lichtbilder ersichtlich ist, welche unstreitig die angegriffene Ausführungsform zeigen. Anders als vom Patent gelehrt weist dieses Zugmittel einen flachen, nicht drahtförmigen Querschnitt auf.

III.

Einer Entscheidung über den vom Beklagten hilfsweise gestellten Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits bedarf es daher nicht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.