Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Dezember 2013, Az. 4b O 78/13
I.
Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
eine Vorrichtung, versehen mit einem auf einem Fahrrad zu montierenden Ringschloss, das konzipiert ist, um ein Rad eines Fahrrads zu blockieren, wobei das Schloss mit einem ringförmigen Gehäuse mit zwei gebogenen Beinen, die einen Führungsraum umgeben, und einem Schließbolzen zum Blockieren eines zwischen den Beinen verlaufenden Schließraums, versehen ist,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn die Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen versehen ist, wobei die Abdeckelemente auf dem Ringschlossgehäuse montiert sind, um das Gehäuse mindestens teilweise abzudecken, und wenn die Abdeckelemente des Satzes an den voneinander entfernten Seiten der Beine des Ringschlosses montiert sind, und wenn die Abdeckelemente des Satzes konzipiert sind, um die voneinander entfernten Seiten der Beine im Wesentlichen vollständig abzudecken, und wenn jedes Abdeckelement mit einem gebogenen Teil versehen ist, um ein entsprechendes Bein des Gehäuses mindestens teilweise abzudecken und wenn die Außenseite des Schlossgehäuses mit Vertiefungen versehen ist, in welche die Abdeckelemente passen, insbesondere so, dass die Abdeckelemente in das Schlossgehäuse vertieft werden können.
II.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) wird verpflichtet, die unter Ziffer I bezeichneten Fahrradringschlösser, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befinden, an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs herauszugeben.
III.
Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin und die Gerichtskosten werden der Verfügungsklägerin zu 10 % und den Verfügungsbeklagten zu 90 % auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 2) werden der Klägerin zu 10 % auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
IV.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich Ziffer I und II wird von einer Sicherheitsleistung der Verfügungsklägerin in Höhe von € 250.000,00 abhängig gemacht. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer III gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters DE 20 2005 022 XXX U1 (Anlage AS 5, nachfolgend: Verfügungsgebrauchsmuster). Die Anmeldung erfolgte am 28.01.2005. Das Verfügungsgebrauchsmuster wurde aus der Europäischen Patentanmeldung EP 1 686 XXX A1 (Anlagen AS 7, 7.1, 22; nachfolgend: EP-Anmeldung) vom selben Tage abgezweigt. Die EP-Anmeldung erfolgte in niederländischer Sprache (Anlage AG 1), die Veröffentlichung der EP-Anmeldung am 02.08.2006 in englischer Sprache (Anlagen AS 7, AG 4). Die dieser zugrundliegende englische Übersetzung wurde am 04.03.2005 beim Europäischen Patentamt eingereicht. Der Antrag auf Eintragung des abgezweigten Verfügungsgebrauchsmusters vom 21.12.2012 erfolgte ebenfalls in englischer Sprache (Anlage AG 3). Das Verfügungsgebrauchsmuster wurde am 18.03.2013 eingetragen, seine Eintragung am 08.05.2013 in deutscher Sprache veröffentlicht. Während des Registrierungsverfahrens überreichte die Verfügungsklägerin am 08.02.2013 den deutschsprachigen Text der EP-Anmeldung (Anlage AG 2) und die deutschsprachige Übersetzung des dem Antrag vom 21.12.2012 zugrundeliegenden englischen Textes des Verfügungsgebrauchsmusters. Das Verfügungsgebrauchsmuster steht in Kraft.
Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung, versehen mit einem Ringschloss für ein Fahrrad und ein Fahrrad.
Die Verfügungsklägerin macht eine Kombination der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 des Verfügungsgebrauchsmusters geltend. Die Ansprüche lauten – ohne Bezugsziffern – wie folgt:
Anspruch 1
„Vorrichtung, versehen mit einem auf einem Fahrrad zu montierenden Ringschloss, das konzipiert ist, um ein Rad eines Fahrrads zu blockieren, wobei das Schloss mit einem ringförmigen Gehäuse mit zwei gebogenen Beinen, die einen Führungsraum umgeben, und einem Schließbolzen zum Blockieren eines zwischen den Beinen verlaufenden Schließraums, versehen ist
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen versehen ist, wobei die Abdeckelemente auf dem Ringschlossgehäuse montiert sind, um das Gehäuse mindestens teilweise abzudecken.“
Anspruch 2
„Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei die Abdeckelemente des Satzes an den voneinander entfernten Seiten der Beine des Ringschlosses montiert sind.“
Anspruch 3
„Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Abdeckelemente des Satzes konzipiert sind, um die voneinander entfernten Seiten der Beine im Wesentlichen vollständig abzudecken.“
Anspruch 4
„Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei jedes Abdeckelement mit einem gebogenen Teil versehen ist, um ein entsprechendes Bein des Gehäuses mindestens teilweise abzudecken.“
Anspruch 8
„Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Außenseite des Schlossgehäuses mit Vertiefungen versehen ist, in welche die Abdeckelemente passen, insbesondere so, dass die Abdeckelemente in das Schlossgehäuse vertieft werden können.“
Die Verfügungsklägerin ist ein in den Niederlanden ansässiges, international tätiges Unternehmen. Sie vertreibt unter anderem Fahrradkomponenten, die sie selbst entwickelt und herstellt. Zu ihrem Sortiment gehören Fahrradringschlösser (Anlage AS 2).
Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges, ebenfalls international tätiges Unternehmen. Sie ist auch im Bereich der Herstellung und dem Vertrieb von Fahrradzubehör tätig. Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1). Die Verfügungsbeklagte zu 1) vertreibt unter anderem das Fahrradringschloss A1 (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform verfügt insbesondere über Abdeckelemente, die das Gehäuse des Ringschlosses abdecken und in dessen Vertiefungen passen.
Im November 2012 verteilte die Verfügungsbeklagte zu 1) auf der Fahrradmesse „Taichung Bike Week“ vom 13.11. bis zum 16.11.2012 in Taiwan den Katalog A OEM (Anlage AG 6) in deutscher und englischer Sprache, der unter anderem die angegriffene Ausführungsform zeigt. Im Januar 2013 stellte die Verfügungsbeklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „Fietsvak Amsterdam“ aus. Mitarbeiter der Verfügungsklägerin waren auf dem Messestand der Verfügungsbeklagten zu 1) anwesend und sahen die angegriffene Ausführungsform dort in einer Glasvitrine ausgestellt.
Mit Schreiben vom 22.04.2013 (Anlagen AS 17, 17.1) wies die Verfügungsklägerin auf die Abzweigung des Verfügungsgebrauchsmusters hin. Auf der Messe „Bike ISPO“ vom 25.07.2013 – 28.07.2013 in München stellte die B (Zweirad Experten Gruppe) Fahrräder der Marke „C“ aus, die mit der angegriffenen Ausführungsform ausgestattet waren. Daraufhin mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) mit Schreiben vom 05.08.2013 ab. Mit Schreiben vom 19.08.2013 teilte die Verfügungsbeklagte zu 1) der Verfügungsklägerin mit, dass sie das Verfügungsgebrauchsmuster nicht für schutzfähig erachte.
Die Verfügungsklägerin behauptet, dass sie die angegriffene Ausführungsform erst seit Juni/Juli 2013 konkret kenne. Anfang des Jahres 2013 habe die Verfügungsklägerin nur erste Informationen auf dem asiatischen Markt über ein Ringschloss mit möglicherweise wechselbaren Abdeckelementen erhalten. Sie habe aber mangels Kenntnis der Details des Schlosses und der Abdeckelemente nicht feststellen können, ob eine Verletzung ihrer Schutzrechte vorläge. Dies sei auch nicht auf der Messe im Januar 2013 in Amsterdam möglich gewesen. Die Mitarbeiter hätten das Schloss weder in Augenschein noch in die Hand genommen. Es sei ihnen nicht möglich gewesen, Details des Schlosses, insbesondere wie dessen farbige Gestaltung erzielt worden sei, zu erkennen. Zunächst sei nur der Vertrieb durch den in Holland ansässigen Fahrradhersteller „C“ in Holland bekannt gewesen. Die Verfügungsklägerin habe sich monatelang, insbesondere von Februar bis April 2013 bemüht ein Muster der angegriffenen Ausführungsform von einem der Fahrradhersteller zu bekommen. Erst im Juni/Juli 2013 habe sie ein Muster von einem Händler in Holland erhalten. Konkrete Kenntnis von der Verletzung des Verfügungsgebrauchsmusters in Deutschland habe sie erst auf der Messe „Bike ISPO“ Ende Juli 2013 in München erhalten. Anfang August 2013 habe auch der deutsche Hersteller D ein Fahrrad der Marke „E“, das mit der angegriffenen Ausführungsform ausgestattet gewesen sei, angeboten.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass für die Beurteilung einer möglichen unzulässigen Erweiterung die EP-Anmeldung in niederländischer Sprache maßgeblich sei (Anlage AG 1), welche sie in berichtigter Übersetzung erneut vorgelegt hat (Anlage AS 22). Ein Verfügungsgrund sei auch im Hinblick auf die Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters gegeben. Eine unzulässige Erweiterung scheide aus, da der nunmehr beanspruchte eine Satz von Abdeckelementen bereits anhand der drei Zeichnungen der EP-Anmeldung offenbart gewesen sei. Zudem würden die Ansprüche 9 und 10 ausdrücklich ein Schloss mit nur einem Abdeckelement beanspruchen. Auch die Beschreibung (Seite 3, Zeilen 3 ff.) zeigten Ausführungsformen mit nur einem Abdeckelement. Im Übrigen bestünde Erteilungsreife für das EP 1 686 XXX, das ebenfalls eine Vorrichtung mit nur einem Satz von Abdeckelementen beanspruche, ohne dass das EPA darin eine unzulässige Erweiterung gesehen hätte.
Nachdem die Verfügungsklägerin zunächst die Herausgabe der angegriffenen Ausführungsform an einen Treuhänder beantragt und die Sicherung des Vernichtungsanspruchs auch gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2) geltend gemacht hat, beantragt sie nunmehr sinngemäß,
1.
die Verfügungsbeklagten zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
eine Vorrichtung, versehen mit einem auf einem Fahrrad zu montierenden Ringschloss, das konzipiert ist , um ein Rad eines Fahrrads zu blockieren, wobei das Schloss mit einem ringförmigen Gehäuse mit zwei gebogenen Beinen, die einen Führungsraum umgeben, und einem Schließbolzen zum Blockieren eines zwischen den Beinen verlaufenden Schließraums, versehen ist,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn die Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen versehen ist, wobei die Abdeckelemente auf dem Ringschlossgehäuse montiert sind, um das Gehäuse mindestens teilweise abzudecken (Anspruch 1),
und
wenn die Abdeckelemente des Satzes an den voneinander entfernten Seiten der Beine des Ringschlosses montiert sind (Anspruch 2),
und
wenn die Abdeckelemente des Satzes konzipiert sind, um die voneinander entfernten Seiten der Beine im Wesentlichen vollständig abzudecken (Anspruch 3),
und
wenn jedes Abdeckelement mit einem gebogenen Teil versehen ist, um ein entsprechendes Bein des Gehäuses mindestens teilweise abzudecken (Anspruch 4)
und
wenn die Außenseite des Schlossgehäuses mit Vertiefungen versehen ist, in welche die Abdeckelemente passen, insbesondere so, dass die Abdeckelemente in das Schlossgehäuse vertieft werden können (Anspruch 8).
2.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) wird verpflichtet, die unter Ziffer 1 bezeichneten Fahrradringschlösser, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befinden, an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs herauszugeben.
sowie hilfsweise
3.
die Verfügungsbeklagten zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
eine Vorrichtung, versehen mit einem auf einem Fahrrad zu montierenden Ringschloss, das konzipiert ist, um ein Rad eines Fahrrads zu blockieren, wobei das Schloss mit einem ringförmigen Gehäuse mit zwei gebogenen Beinen, die einen Führungsraum umgeben, und einem Schließbolzen zum Blockieren eines zwischen den Beinen verlaufenden Schließraums, versehen ist,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn die Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen versehen ist, wobei die Abdeckelemente auf dem Ringschlossgehäuse montiert sind, um das Gehäuse mindestens teilweise abzudecken (Anspruch 1),
und
wenn die Abdeckelemente des Satzes an den voneinander entfernten Seiten der Beine des Ringschlosses montiert sind (Anspruch 2),
und
wenn die Abdeckelemente des Satzes konzipiert sind, um die voneinander entfernten Seiten der Beine im Wesentlichen vollständig abzudecken (Anspruch 3),
und
wenn jedes Abdeckelement mit einem gebogenen Teil versehen ist, um ein entsprechendes Bein des Gehäuses mindestens teilweise abzudecken (Anspruch 4)
und
wenn jedes der Abdeckelemente abnehmbar mit dem Gehäuse des Ringschlosses verbunden ist (Anspruch 6),
und
wenn die Außenseite des Schlossgehäuses mit Vertiefungen versehen ist, in welche die Abdeckelemente passen, insbesondere so, dass die Abdeckelemente in das Schlossgehäuse vertieft werden können (Anspruch 8).
4.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) wird verpflichtet, die unter Ziffer 3 bezeichneten Fahrradringschlösser, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befinden an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs herauszugeben.
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 22.08.2013 zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagten sind zunächst der Ansicht, dem Antrag auf Unterlassung fehle die notwendige Bestimmtheit.
Die Verfügungsbeklagten behaupten, die Verfügungsklägerin kenne die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform bereits seit November/Dezember 2012. Ausweislich im Januar 2013 geführter E-Mail-Korrespondenz (Anlage AG 10) habe die Verfügungsklägerin spätestens aber zu diesem Zeitpunkt über Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform verfügt. Im Januar 2013 auf der Messe in Amsterdam sei die angegriffene Ausführungsform ebenfalls Gesprächsthema zwischen Mitarbeitern der Parteien gewesen. Seit Frühjahr 2013 habe die Verfügungsbeklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform in Deutschland vertrieben. In diesem Zusammenhang sind die Verfügungsbeklagten der Ansicht, die notwendige zeitliche Dringlichkeit werde nicht mit Erteilung des Verfügungsgebrauchsmusters und mit jeder weiteren Geltendmachung von Unteransprüchen neu begründet. Im Übrigen sei auch die Kenntnisnahme auf ausländischen Messen zu berücksichtigen, wenn die in Rede stehenden Produkte im Inlandsbetrieb in Wettbewerb stünden.
Die Verfügungsbeklagten sind ferner der Ansicht, das Verfügungsgebrauchsmuster verfüge über einen unklaren Schutzgegenstand. Es sei zudem löschungsreif, da unzulässig erweitert. Die ursprünglich in der EP-Anmeldung offenbarte Erfindung habe mindestens zwei Sätze von Abdeckelementen enthalten. In dem nunmehr eingetragenen Verfügungsgebrauchsmuster sei das Merkmal des „mindestens zweiten Satz von Abdeckelementen“ entfallen. So ginge es ursprünglich nur um eine bestimmte Anordnung in Bezug auf das Ringschloss, jetzt aber um die Ausgestaltung des Ringschlosses selbst. Dabei handele es sich um ein Aliud, da der Schutzgegenstand ausgetauscht worden sei. Es würde nunmehr Schutz dafür begehrt, dass die Abdeckelemente auf dem Gehäuse des Ringschlosses montiert seien, um das Gehäuse teilweise abzudecken. Kern der Erfindung der ursprünglichen Anmeldung sei aber die Austauschbarkeit von zwei Sätzen von Abdeckelementen gewesen, die sich in bestimmten Eigenschaften voneinander unterschieden.
Es bestünden bereits Diskrepanzen zwischen der deutschen Übersetzung der EP-Anmeldung (Anlage AG 2/AS 7.1) und der niederländischen Ursprungsanmeldung (AG 1). Im Übrigen gäbe es auch Diskrepanzen zwischen der Anmeldung des Verfügungsgebrauchsmusters (AG 3) in Englisch und der ursprünglichen niederländischen Offenbarung (AG 1/ in englischer Übersetzung AS 7; in deutscher Übersetzung AG 2).
Dem Verfügungsgebrauchsmuster mangele es zudem an dem notwendigen erfinderischen Schritt und an der Ausführbarkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagten ein Unterlassungsanspruch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 GebrMG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG sowie gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) ein Herausgabeanspruch zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs nach § 24a Abs. 1 GebrMG zu. Sie hat diese Ansprüche ebenso wie das Vorliegen eines Verfügungsgrundes dargelegt und glaubhaft gemacht und kann sie daher im Wege der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO durchsetzen.
I.
Der Antrag ist zulässig und insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Unterlassungsantrag ist möglichst konkret zu fassen, um die Reichweite des Verbots klar zu umreißen. Daneben lässt sich auch durch Auslegung anhand der Antragsbegründung und des sonstigen Sachvortrags die ausreichende Bestimmtheit herbeiführen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. § 253 Rn. 13b m.w.N.). Die Verfügungsklägerin macht eine eingeschränkte Anspruchsfassung des Verfügungsgebrauchsmusters aus einer Kombination der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 geltend. Dies folgt bereits aus der „wenn“-Verknüpfung im Antrag. Darüber hinaus führt die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift zur Verletzung aus, dass die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale der in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 des Verfügungsgebrauchsmusters wortsinngemäß erfülle (Bl. 15 GA). Der Verfügungsklägerin steht es insbesondere frei, vor dem Verletzungsgericht einen auf die angegriffene Ausführungsform angepassten engen Schutzbereich des Verfügungsgebrauchsmusters geltend zu machen (vgl. BGH, GRUR 2003, 867 – Momentanpol). Die Merkmalsanalyse, welche die Rückbezüge der ebenfalls geltend gemachten Unteransprüche aufführt (Anlage AS 13), führt zu keiner anderen Auslegung des Unterlassungsantrags. Eine vermeintliche Unklarheit wird durch den Wortlaut des Antrags und die weiteren Ausführungen zur Verletzung beseitigt.
II.
Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung, versehen mit einem Ringschloss für ein Fahrrad und ein Fahrrad.
Aus dem Stand der Technik ist ein Ringschloss für ein Fahrrad per se – so das Verfügungsgebrauchsmuster – bekannt aus der Praxis. Das Verfügungsgebrauchsmuster verweist insoweit auf die Druckschrift EP 0 443 XXX. Das vorbekannte Ringschloss ist mit einem Gehäuse mit zwei gebogenen Beinen und einem Sperrbolzen zum Blockieren eines zwischen den Beinen verlaufenden Absperrbereichs versehen. Sofern der Sperrbolzen von den Beinen des Schlosses in eine Blockierposition gebracht wird, kann der Sperrbolzen das Fahrradrad blockieren, wenn das Ringschloss auf einem Fahrrad angebracht ist. Das Verfügungsgebrauchsmuster nennt als weiteren Stand der Technik die US-Schrift 2,647,XXX. Diese Schrift offenbart ein Fahrradschloss, das ein offenes, gebogenes Gehäuse und einen gebogenen Bolzen umfasst, wobei das Schloss starr an einem Spritzschutzblech eines Fahrrads befestigt werden kann. Die ferner als Stand der Technik angeführte Schrift WO 00/436XX betrifft ein Vorhängeschloss.
Das Verfügungsgebrauchsmuster sieht es bei dem bekannten Fahrradschloss als nachteilig an, dass sich das Schloss nicht einfach auf die Farbe, den Typ und/oder das Material eines bestimmten Fahrrads, auf dem das Schloss befestigt werden soll, abstimmen lässt. Aus dem positiv formulierten Vorteil der Erfindung – die Logistik betreffend – folgt, dass das Verfügungsgebrauchsmuster in der hohen Bevorratung von verschiedenen Fahrradschlössern und dem damit verbrauchten Lagerplatz einen Nachteil erblickt.
Diese Nachteile will das Verfügungsgebrauchsmuster durch die erfindungsgemäße Vorrichtung beheben. Es schlägt daher in der geltend gemachten Fassung der Kombination von Ansprüchen 1, 2, 3, 4 und 8 folgende Vorrichtung vor:
1. Vorrichtung, die mit einem auf einem Fahrrad zu montierenden Ringschloss versehen ist.
1.1. Das Ringschloss ist konzipiert, um ein Rad eines Fahrrads zu blockieren.
1.2. Das Schloss (1) ist mit einem ringförmigen Gehäuse (2) mit zwei gebogenen Beinen (3, 4), die einen Führungsraum umgeben, versehen.
1.3. Das Schloss ist mit einem Schließbolzen (8) zum Blockieren eines zwischen den Beinen (3, 4) verlaufenden Schließraums versehen.
2. Die Vorrichtung ist mit einem Satz von Abdeckelementen (13, 14; 113, 114) versehen.
3. Die Abdeckelemente sind auf dem Ringschlossgehäuse (2) montiert, um das Gehäuse (2) mindestens teilweise abzudecken.
4. Die Abdeckelemente (13, 14; 113, 114) des Satzes sind an den voneinander entfernten Seiten der Beine (3, 4) des Ringschlosses montiert.
5. Die Abdeckelemente des Satzes sind konzipiert, um die voneinander entfernten Seiten der Beine (3, 4) im Wesentlichen vollständig abzudecken.
6. Jedes Abdeckelement (13, 14) ist mit einem gebogenen Teil (13a, 14a) versehen, um ein entsprechendes Bein (3, 4) des Gehäuses (2) mindestens teilweise abzudecken.
7. Die Außenseite des Schlossgehäuses (2) ist mit Vertiefungen (8, 9) versehen.
7.1 In die Vertiefungen passen die Abdeckelemente (13, 14) insbesondere so, dass die Abdeckelemente (13, 14) in das Schlossgehäuse (2) vertieft werden können.
III.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Verfügungsgebrauchsmusters in seiner nach dem Hauptantrag geltend gemachten Fassung. Die Kammer ist zudem von der Schutzfähigkeit der Anspruchskombination 1, 2 ,3 ,4 und 8 des Verfügungsgebrauchsmusters positiv überzeugt.
1)
Unstreitig macht die angegriffene Ausführungsform von allen Merkmalen der geltend gemachten Kombination der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 des Verfügungsgebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch. In dem Vorbringen der Beklagten, der Schutzgegenstand des Verfügungsgebrauchsmusters sei unklar, ist kein Bestreiten des Verletzungsvorwurfs zu sehen. Der Schutzbereich der geltend gemachten Anspruchskombination ist durch Auslegung zu ermitteln. Danach schützt das Verfügungsgebrauchsmuster eine Vorrichtung bestehend aus einem Ringschloss (Merkmal 1) und einem Satz von Abdeckelementen (Merkmal 2). Die Verfügungsbeklagten haben kein konkretes Merkmal benannt, welches nicht von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht werden sollte. Da die Verfügungsbeklagten den klägerischen Vortrag nicht in Abrede gestellt haben, gilt die tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform – die insoweit von der Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch macht – als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Weitere Ausführungen der Kammer hierzu sind folglich nicht veranlasst.
2)
Weiter ist das Verfügungsgebrauchsmuster schutzfähig. Einwendungen der Beklagten die unzulässige Erweiterung und den erfinderischen Schritt betreffend vermochten nicht, bei der Kammer Zweifel an seiner Schutzfähigkeit zu hegen. Die Verfügungsbeklagten haben den Rechtsbestand des Verfügungsgebrauchsmusters nicht im Rahmen eines Löschungsverfahrens angegriffen, sondern wenden sich nur in hiesigem Verfügungsverfahren gegen die Schutzfähigkeit der geltend gemachten Anspruchskombination. Da es sich um ein ungeprüftes Recht handelt, hat die Kammer die Kompetenz, die Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters in genau diesem Umfang zu überprüfen. Dabei hat sie eine eigene Einschätzung vorzunehmen (vgl. LG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 66 – Tintenpatronen-Verfügung). Nur wenn die Kammer positiv von der Schutzfähigkeit der Merkmalskombination der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 überzeugt ist, kann das Verfügungsgebrauchsmuster Grundlage einer einstweiligen Verfügung sein. Dies ist vorliegend der Fall.
a)
Die Kammer hält den Einwand der unzulässigen Erweiterung (§§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG) für unbegründet.
aa)
Von einer unzulässigen Erweiterung ist auszugehen, wenn der Gegenstand der geltend gemachten Anspruchskombinationen der Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 8 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausginge. Ob dies der Fall ist, ist mittels eines Vergleichs des Gegenstandes des eingetragenen Verfügungsgebrauchsmusters mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu klären wobei der Inhalt der Anmeldung der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen ist. Es gilt der gleiche Maßstab wie im Patentrecht. Hier gilt: Ergibt der Vergleich, dass der Patentanspruch auf einen Gegenstand gerichtet ist, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt, ist eine unzulässige Erweiterung anzunehmen (vgl. BGH GRUR 2011, 1109 – Reifendichtmittel; BGH GRUR 2010, 513 – Hubgliedertor II). Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann. Eine unzulässige Erweiterung liegt vor, wenn der Gegenstand des Patents sich für den Fachmann erst auf Grund eigener, von seinem Fachwissen getragenen Überlegungen ergibt, nachdem er die ursprünglichen Unterlagen zur Kenntnis genommen hat. Zu einer unzulässigen Erweiterung führen auch solche Änderungen, durch die der Gegenstand der Anmeldung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus zu einem Aliud abgewandelt wird (BGH, GRUR 2013, 809 – Verschlüsselungsverfahren, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Im Falle einer Abzweigung (§ 5 GebrMG) bilden die Unterlagen der Patentanmeldung den Vergleichsmaßstab (vgl. Fitzner/Lutz/Bodewig/Eisenrauch, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 15 GebrMG Rn. 19; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl, § 15 GebrMG Rn. 17; Bührig, GebrMG, 7. Aufl., § 15 Rn. 23). Die anderweitig vertretene Ansicht, das auf die Anmeldeunterlagen der Gebrauchsmusteranmeldung abzustellen sei (vgl. Benkard/Goebel, PatG, 10. Aufl., § 15 GebrMG Rn. 14a), ist abzulehnen, da sie dem Grundsatz widerspricht, dass der Offenbarungsgehalt einer Anmeldung durch die am Anmeldetag eingereichten Unterlagen festgelegt wird (vgl. Fitzner/Lutz/Bodewig/Eisenrauch, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 15 GebrMG Rn. 19).
bb)
Nach den vorstehenden Grundsätzen bildet die ursprüngliche niederländische EP-Anmeldung (Anlage AG 1) den Vergleichsmaßstab, um zu beurteilen, ob die nunmehr erteilte Anspruchskombination des Verfügungsgebrauchsmusters eine unzulässige Erweiterung darstellt (Art. 70 Abs. 2 EPÜ). Die Verfügungsklägerin hat in der Replik eine berichtigte Übersetzung in deutscher Sprache als Anlage AS 22 vorgelegt. Die niederländische EP-Anmeldung inklusive der mit der Anmeldung eingereichten Figuren und Zeichnungen stellen die maßgeblichen Unterlagen dar, die mit den geltend gemachten Ansprüchen des Verfügungsgebrauchsmusters zu vergleichen sind.
Etwaige Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Übersetzungen sind insoweit unbeachtlich. Denn maßgeblich ist nur der Inhalt der nunmehr geltend gemachten Ansprüche im Vergleich zum ursprünglichen Offenbarungsgehalt der EP-Anmeldung. Inwiefern Teile der Beschreibung entfallen und/oder über die verschiedenen Übersetzungsschriften falsch übersetzt wurde, ist irrelevant. Sofern die Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang auf die verschiedenen Anlagen AS 7, AG 2, 3 und 4 Bezug nimmt, ist dies weder zielführend noch von Bedeutung. Entscheidend ist nur, welche technische Lehre das Verfügungsgebrauchsmuster verkörpert und ob der Fachmann diese bereits unmittelbar und eindeutig der EP-Anmeldung (Anlage AG 1, AS 22) entnehmen konnte.
Die Verfügungsbeklagten sehen eine unzulässige Erweiterung des Anspruchs 1 des Verfügungsgebrauchsmusters darin, dass Merkmal 2 lediglich einen Satz von Abdeckelementen vorsieht. Die ursprüngliche EP-Anmeldung habe demgegenüber mindestens zwei Sätze von Abdeckelementen offenbart. Die Kammer versteht den Vortrag der Verfügungsbeklagten so, dass nach ihrer Auslegung die Anspruchskombination des Verfügungsgebrauchsmusters die konkrete Ausgestaltung eines Ringschlosses mit einem Satz (fest) montierter Abdeckelementen schützt. Die ursprünglich offenbarte Vorrichtung habe aber aus den körperlichen Bauteilen des Ringschlosses und zwei Sätzen von Abdeckelementen bestanden, wobei jeweils einer der Sätze auf das Ringschlossgehäuse montierbar gewesen sei. Insofern handele es sich bei der nunmehr beanspruchten Vorrichtung um ein nicht zur Erfindung gehöriges Aliud. Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.
Das Verfügungsgebrauchsmuster schützt eine Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen, die von dem Ringschlossgehäuse wieder entfernt werden können. Ausweislich des Anspruchswortlauts in Merkmal 2 ist die Vorrichtung mit einem Satz von Abdeckelementen versehen. Aus der Systematik mit Merkmal 1 und Merkmal 3 erkennt der Fachmann, dass eine Vorrichtung geschützt wird, die aus einem Ringschloss besteht, auf dessen Gehäuse der eine Satz von Abdeckelemente montiert ist. In Anbetracht des Plurals im Wortlaut des Anspruchs besteht ein Satz aus mehreren Abdeckelementen, also mindestens zwei. Auch wenn nach der Beschreibung ein Satz der Abdeckelemente auch nur (mindestens) ein Abdeckelement umfassen soll (Absätze [0010], [0028] des Verfügungsgebrauchsmusters), wird der Fachmann den Anspruch nicht dahingehend auslegen. Die Figuren 1 bis 3 zeigen ihm die Verwendung eines ersten Satzes von Abdeckelementen (Figuren 1 und 2) und die Verwendung eines zweiten Satzes von Abdeckelementen (Figur 3) (Absatz [0016] des Verfügungsgebrauchsmusters), wobei ein Satz aus jeweils zwei Abdeckelementen besteht. Da das Verfügungsgebrauchsmuster bei sämtlichen anderen in der Beschreibung erläuterten bevorzugten Ausführungsbeispielen immer den Plural verwendet, wird der Fachmann die ausdrückliche Vorgabe des Plurals im Anspruch ernst nehmen. Der Fachmann entnimmt dem Anspruch ferner keine Vorgabe dahingehend, dass die Montage der Abdeckelemente des Satzes fest oder wieder lösbar ist. Der Absatz [0025] führt den Fachmann zu dem Verständnis, dass der Satz der Abdeckelemente sowohl fest als auch abnehmbar angebracht werden kann, wobei beispielsweise eine Schnappverbindung verwendet werden kann. So erreicht das Verfügungsgebrauchsmuster die erfindungsgemäße Lösung, das Design des Schlosses flexibel handhaben und auf Wünsche der Kunden auch nach Auslieferung des Fahrrads reagieren zu können (Absatz [0008] des Verfügungsgebrauchsmusters). Auch Absatz [0009] lässt den Fachmann nicht zu einem anderen Schluss gelangen. Abgesehen davon, dass hier ein nicht durch das Verfügungsgebrauchsmuster geschütztes Verfahren beschrieben wird, ist auch hier vorgesehen, dass die Abdeckelemente abnehmbar oder nach dem Montieren nicht abnehmbar angebracht werden können. Schließlich erreicht die Anspruchskombination des Verfügungsgebrauchsmusters auch den erfindungsgemäßen Vorteil, die Einsparung von Lagerfläche durch die Einlagerung einer Vielzahl verschiedener Sätze von Abdeckelementen und weniger Schlossvarianten zu gewährleisten.
Das beanspruchte Merkmal 2 ist bereits in der ursprünglichen EP-Anmeldung offenbart gewesen. Durch die Streichung der Merkmale „und wenigstens einem Satz an zweiten Abdeckelementen (113, 114) verstehen ist“ sowie „wobei der wenigstens zweite Satz an Abdeckelementen sich hinsichtlich Eigenschaften, Design, Farbe, Bebilderung und/oder Text von dem ersten Satz an Abdeckelementen unterscheidet“ ist der Schutzgegenstand nicht im Sinne eine „Aliuds“ abgewandelt. Die Beschränkung auf einen Satz von Abdeckelementen, der auf das Ringschloss montiert wird, ist der Offenlegungsschrift unmittelbar und eindeutig als der Erfindung zugehörig zu entnehmen. Zwar ist den Verfügungsbeklagten zuzustimmen, dass Anspruch 9 nicht einen Satz von Abdeckelementen im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters offenbart, sondern gerade das im Verfügungsgebrauchsmuster nicht beanspruchte einzelne Abdeckelement. Auch aus Anspruch 10 entnimmt der Fachmann vor allem Anforderungen, die an die Ausgestaltung eines Satzes als solchen gestellt werden und nicht unbedingt eine Vorgabe, ob der Satz allein oder zusätzlich zu einem anderen Satz Verwendung findet. Hingegen offenbart der Verfahrensanspruch 11 bereits eine Vorrichtung, die mit einem Fahrradringschloss und wenigstens einem Satz von Abdeckelementen versehen ist. Der Fachmann gelangt zudem aufgrund weiterer Anhaltspunkte aus der Beschreibung und den Figuren, deren Offenbarungsgehalt wegen des maßgeblichen Gesamtinhalts der ursprünglichen Unterlagen der gleiche Rang wie den Ansprüchen zukommt, zu dem Schluss, dass ein Satz auch aus beliebig mehr Abdeckelementen bestehen kann. So finden sich im Beschreibungsteil der EP-Anmeldung an verschiedenen Stellen Hinweise auf einen Satz der Abdeckelemente, der zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf dem Schloss angebracht werden (Anlage AS 22, S. 2, Z. 18 ff.) und später auch ausgetauscht werden kann, wenn der Fahrradkunde dies wünscht (Anlage AS 22, S. 3 Z. 27 ff.). Schließlich ist jeweils ein montierter Satz von Abdeckelementen aus den Figuren 1 bis 3 erkennbar. Auch wenn sich aus der Beschreibung ergibt, dass Figur 1 den ersten Satz der Abdeckelemente und Figur 3 den zweiten Satz der Abdeckelemente zeigt (Anlage AS 22, S. 4, Z. 14 ff.), erkennt der Fachmann gleichzeitig, dass für die Erfindung ein Satz von Abdeckelementen, der auf das Ringschloss montiert wird, genügt. Denn die Erfindung betrifft ebenso „einen mit mindestens einem Abdeckelement versehenen Satz, der offensichtlich zur Verwendung in einer […] Vorrichtung zum Abdecken von mindestens einem Teil des Gehäuses eines Fahrradringschlosses geeignet und gedacht ist“ (Anlage AS S. 4, Z. 6 ff.). An anderer Stelle spricht die EP-Anmeldung davon, dass durch Verwendung eines geeigneten Satzes an Abdeckelementen das Aussehen des Fahrrads nach Wunsch verschönert oder angepasst werden könne (Anlage AS 22, S. 2, Z. 1 ff.). Die durch das Verfügungsgebrauchsmuster beanspruchte Lehre stellt keine Abwandlung dar, die der Fachmann erst durch eigene Überlegungen erreicht. Vielmehr ist dem Fachmann bei der Lektüre der EP-Anmeldung bewusst, dass er die Designvariationen und die Platzersparnis auch dann erreicht, wenn er anstatt zweier Sätze von Abdeckelementen nur ein Satz von Abdeckelementen vorsieht. Denn bereits die Verwendung eines Satzes von Abdeckelementen führt dazu, dass er nur ein bestimmtes Ringschloss vorhalten muss. So genügt bereits allgemein die Verwendung von Abdeckelementen – unabhängig von der Anzahl der Sätze –, um die nötige Flexibilität während der Produktion und Montage der Schlösser zu erhalten. Um die erfindungsgemäße Lösung zu erreichen, muss die beanspruchte Vorrichtung daher nicht notwendigerweise zwei Sätze von Abdeckelementen vorsehen. Die Austauschbarkeit der Abdeckelemente ist vielmehr auch bei einem Satz gewährleistet. Daran ändert auch die Übersetzung von „samenstel“ mit Vorrichtung anstatt „Anordnung“, „System“ oder „Komplex“ nichts. Nach zutreffender obiger Auslegung ist in der EP-Anmeldung bereits eine Vorrichtung offenbart, die ein Ringschloss und ein Satz von Abdeckelementen aufweist. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Hinweis, dass die Vorrichtung beispielsweise mit einem oder mehreren Ringschlössern versehen werden kann (Anlage AS 22, S. 10, Z. 13 ff.). Aus dem bereits erläuterten Kontext der Offenlegungsschrift ergibt sich damit nicht notwendigerweise die Angabe einer Verkaufseinheit, sondern einer Vorrichtung, die mehrere Ringschlösser vorsieht. Auch aus der Verwendung von „wobei“ im Anspruchswortlaut des Verfügungsgebrauchsmusters wird der konkrete räumliche Bezug der einzelnen Merkmale, wie ursprünglich offenbart, hergestellt. Die Verfügungsbeklagten können ebenfalls nichts daraus herleiten, dass sich Teile der Beschreibung (Anlage AS 22, S. 3 Z. 3- 16 ff.) und der Hinweis auf eine Problemerfindung in dem Verfügungsgebrauchsmuster nicht wörtlich wiederfinden bzw. das Verfügungsgebrauchsmuster mehr Ansprüche als die EP-Anmeldung aufweist. Entscheidend ist nur, ob die beanspruchte technische Lehre bereits in der EP-Anmeldung enthalten ist. Dies ist wie gesehen der Fall. Irrelevant ist schließlich, ob die Offenlegungsschrift vorsieht, dass jeder Satz der erwähnten Abdeckelemente aus einem oder mehreren Abdeckelementen besteht (Anlage AS 22, S. 2, Z. 7 ff.).
Dass die EP-Anmeldung – bis auf einige wenige sprachliche Abweichungen – wie in der hier geltend gemachten Fassung des Verfügungsgebrauchsmusters mittlerweile als EP 1 686 XXX B1 (Anlage AG 17.2) vom EPA erteilt wurde, findet nur als ein weiteres Indiz Berücksichtigung. Die Patenterteilung ist von ihrer Bedeutung vergleichbar mit einer sachkundigen gutachterlichen Stellungnahme. Diesbezüglich ist für die Kammer jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Behörde eine etwaige unzulässige Erweiterung bezüglich der streitgegenständlichen Anspruchskombination als mögliches Erteilungshindernis angesehen hätte.
b)
Es kann dahinstehen, ob der Verweis auf die Einspruchsschrift (Anlage AG 17), das nunmehr erteilte EP 1 686 XXX betreffend, im Hinblick auf die fehlende Ausführbarkeit als Teilaspekt der allgemeinen Schutzfähigkeit genügt. Eine fehlende Ausführbarkeit des Verfügungsgebrauchsmusters kann die Kammer nicht feststellen. Die Annahme der Verfügungsbeklagten basiert auf der Annahme einer unzulässigen Erweiterung. Wie gesehen schützt das Verfügungsgebrauchsmuster auch weiterhin eine lösbare Montage eines Satzes von Abdeckelementen, so dass die Erfindung auch ausführbar ist.
c)
Ferner ist die Kammer überzeugt, dass der Gegenstand des Verfügungsgebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt beruht.
Die Druckschrift DE 102 40XXX (Anlage AG 16.1, nachfolgend: D6) zeigt weder die Merkmale 7, 7.1 noch offenbart sie den erfindungsgemäßen Satz von Abdeckelementen. Die D6 lehrt den Fachmann, eine Umhüllung für das Ringschloss zu verwenden, die das Schloss wie eine Kapsel umgibt und lediglich einen Schlitz für den Griffbügel vorsieht (vgl. D6, Absätze [0011], [0025], Figur 7). Die Umhüllung dient insbesondere dazu, dass Schloss vor Manipulationsversuchen und den Eintritt von Schmutz zu schützen, indem eine zur Betätigung des Schlossbügels erforderliche Teilung des Gehäuses vermieden wird (D6, Absätze [0002], [0003]). Demgegenüber zeigt das Verfügungsgebrauchsmuster nur eine teilweise, die Beine betreffende Abdeckung, um eine größere Anpassung des Schlosses an den jeweiligen Fahrradtyp zu gewährleisten. Zwar lässt der Wortlaut von Merkmal 3 auch zu, dass die Abdeckelemente das Gehäuse vollständig abdecken. Im Vordergrund der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters steht aber neben dem Schutzcharakter – unter anderem auch für die Umgebung – insbesondere eine leichtere Austauschbarkeit und bessere Lagerungsmöglichkeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Fachmann letzteres mit der Verwendung einer kompletten Umhüllung erreicht. Die Kammer kann daher bereits nicht feststellen, dass der Fachmann bei der Lektüre der D6 die erfindungsgemäßen Abdeckelemente automatisch mitliest.
Weiter ist kein Naheliegen der streitgegenständlichen Erfindung durch eine Kombination der D6 mit der Druckschrift G 93 19 XXX (Anlage AG 16.3; nachfolgend: D8) ersichtlich. Die Kammer kann zunächst nicht ohne weiteres nachvollziehen, dass der Fachmann in den Figuren 1 a) bis c) erkennt, dass er die Außenseite des Schlossgehäuses mit Vertiefungen versehen soll und die Abdeckelemente so in die Vertiefungen passen, dass die Abdeckelemente in das Schlossgehäuse vertieft werden können (Merkmal 7., 7.1.). Ferner erschließt sich nicht, woraus der Fachmann die Anregung erhalten haben sollte, die D8 mit der D6 zu kombinieren. Auch wenn das in der D8 gezeigte Bügelschloss ebenfalls bei einem Fahrrad eingesetzt wird, handelt es sich um eine andere Vorrichtung. Es ist gerade kein Teil des Fahrrads, sondern stellt ein separates Element dar. Zwar offenbart die D8 ein Sattelteil aus andersfarbigem Material als die beiden Hülsenteile, das entsprechend der Geschmacksvorstellungen der potentiellen Käufer ausgebildet werden kann (vgl. D8, S. 6, 3. Absatz). Indes zeigt die D8 nur ein anderes Farbmaterial des Schlossgehäuses, wobei die Bügel ausgenommen sind. Grundsätzlich werden die Sattel- und Hülsenteile miteinander verschweißt. Der Fachmann entnimmt dem allenfalls, ein Schutzgehäuse für ein Schloss umzubauen. Allerdings entnimmt er der Schrift nicht, Abdeckelemente auf das Gehäuse zu setzen und damit eine individuelle Gestaltung der Außenseite des Gehäuses zu erreichen. Der Verweis der D8 auf eine Anpassung des Designs allein genügt nicht als Anregung für den Fachmann, die Schrift mit der D6 zu kombinieren. Ohne eigene technische Kreativität gelangt der Fachmann daher nicht zu der erfindungsgemäßen Lösung.
d)
Sofern die Beklagten eine Kombination der D6 mit dem bekannten Stand der Technik anspricht, kann die Kammer keinen mangelnden erfinderischen Schritt feststellen. Abgesehen davon, dass eine Übersetzung der Anlage AG 16.2/D7 der Kammer nicht vorgelegt wurde und die Kammer daher an einer eigenen Beurteilung gehindert ist, hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, welche Merkmale sich aus welcher Schrift im Einzelnen ergeben sollen. In diesem Zusammenhang hilft auch der Verweis auf die Einspruchsschrift (Anlage AG 17) gegen das parallele EP 1 686 XXX B1 nicht weiter, da sich letzteres hieraus ebenfalls nicht ergibt und auch im Zusammenhang mit den weiteren Entgegenhaltungen nicht dargetan ist, welche Schriften kombiniert werden sollen.
3)
Die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Verfügungsbeklagten gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 GebrMG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG. Der Verfügungsbeklagte zu 2) haftet als Geschäftsführer und damit als gesetzlicher Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 1) neben dieser persönlich auf Unterlassung (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 867).
Ferner steht der Verfügungsklägerin ein Herausgabeanspruch zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs nach § 24a GebrMG gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) zu. Er ist auch verhältnismäßig, da lediglich Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher verlangt wird.
IV.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt neben dem Bestehen eines Verfügungsanspruchs gemäß §§ 940, 935 ZPO das Vorhandensein eines Verfügungsgrundes voraus. Eine einstweilige Verfügung ist nur zu erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist und damit eine Dringlichkeit für eine Regelung im Eilverfahren gegeben ist. Ein Verfügungsgrund ist nur dann seitens der Verfügungsklägerin hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, wenn neben einer für die Eilmaßnahme sprechenden zeitlichen Dringlichkeit und der hinreichend sicheren Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters auch eine sonstige Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen der Verfügungsklägerin und den schutzwürdigen Interessen der Verfügungsbeklagten ergibt, dass dem Begehren der Verfügungsklägerin nach einer einstweiligen Regelung Vorrang einzuräumen ist. Dies ist der Verfügungsklägerin gelungen.
1)
Insbesondere vermochte es die Verfügungsklägerin, die zeitliche Dringlichkeit darzulegen und glaubhaft zu machen.
Ausgangspunkt für die Frage, ob eine Dringlichkeit in zeitlicher Hinsicht im Einzelfall vorliegt, ist der Zeitpunkt der positiven Kenntnis der Verfügungsklägerin von den Umständen der Schutzrechtsverletzung. Der positiven Kenntnis steht das bewusste Verschließen der Augen vor der Verletzungshandlung gleich (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 5.7.2012, Az. 2 U 12/12 – Windturbine). Für die Beurteilung der Dringlichkeit ist maßgeblich, ob sich der Verletzte bei der Verfolgung seiner Ansprüche wegen einer Schutzrechtsverletzung in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten hat, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, dem Verletzten sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, weswegen es auch nicht angemessen ist, ihm die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu gestatten (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat). Sofern der Schutzrechtsinhaber greifbare Hinweise auf rechtsverletzende Handlungen des Verfügungsbeklagten hat, darf er sich diesen nicht verschließen, sondern hat ihnen nachzugehen. Kennt die Verfügungsklägerin bereits konkrete Umstände, die eine Verletzung des Schutzrechts naheliegend erscheinen lassen, ist von ihr zu erwarten, dass sie alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen mit der gebotenen Zielstrebigkeit ergreift und die Sachlage weiter aufklärt sowie alle möglichen Verletzer in Anspruch nimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 5.7.2012, Az. 2 U 12/12 – Windturbine). Rechtsverletzende Handlungen müssen insoweit einen Inlandsbezug aufweisen. Bei seiner Rechtsverfolgung muss die Verfügungsklägerin allerdings kein Prozessrisiko eingehen. Es kann von ihr nicht verlangt werden, überhastet und ohne ordnungsgemäße Prüfung einen Verfügungsantrag zu stellen. Sie muss daher erst gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgversprechend machen und sie diese Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass ihr Obsiegen sicher absehbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat).
Legt man diese Grundsätze zu Grunde, liegt eine Dringlichkeit in zeitlicher Hinsicht vor.
Neben dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der angegriffenen Ausführungsform ist die Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters am 18.03.2013 zuerst maßgeblich für die Beurteilung der Dringlichkeit. Denn erst seit diesem Tag war die Verfügungsklägerin aktiv legitimiert und die Verfügungsbeklagten gehalten, das Schutzrecht zu beachten. Ferner hat die Verfügungsklägerin dargelegt und durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn F vom 12.09.2013 (Anlage AS 18) glaubhaft gemacht, dass sie positive Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform erst Ende Juni/Juli 2013 erlangt hatte und von Vertriebshandlungen in Deutschland erst ab dem 25.07.2013 auf der Münchener Fahrradmesse „Bike ISPO 2013“ positiv wusste.
Im Juni/Juli 2013 konnte die Verfügungsklägerin die Verletzung erstmals verifizieren, nachdem sie ein Muster der angegriffenen Ausführungsform von einem niederländischen Händler zur Verfügung gestellt bekam. Insofern hat die Verfügungsklägerin dargelegt und durch die eidesstattlichen Versicherungen der Herren G, H und F vom 12.11.2013 (Anlage AS 25) glaubhaft gemacht, dass sie auf der Messe „Fietsvak Amsterdam“ im Januar 2013 in Amsterdam die angegriffene Ausführungsform zwar in einer Glasvitrine ausgestellt gesehen, ihre Mitarbeiter diese jedoch weder in die Hand genommen haben noch Details erkennen konnten. Insbesondere war es den Mitarbeitern der Verfügungsklägerin nicht durch die bloße Inaugenscheinnahme möglich, sicher zu sagen, ob die bunte Gestaltung des Schlosses durch entfernbare Abdeckelemente, die in das Schlossgehäuse vertieft waren, erreicht wurde oder lediglich durch eine bunte Lackierung, wie es ihnen auch von Schlössern anderer Hersteller, wie z.B. ABUS, bekannt war. Diese Feststellungen vermögen auch die eidesstattlichen Versicherungen der Herren J (Anlage AG 19) und K (Anlage AG 18) nicht zu erschüttern. Denn hieraus ergibt sich ebenfalls nur, dass Herr G die angegriffene Ausführungsform mit Interesse in Augenschein genommen hat, nicht aber, dass sie aus der Vitrine genommen und ihm ausgehändigt worden sei. Die Kammer schenkt der eidesstattlichen Versicherung des Herrn G auch nicht deswegen weniger Glauben, weil die Verfügungsklägerin eine Übernahme der Verfügungsbeklagten zu 1) erwog. Auch und gerade Mitarbeiter, die im Marketing/Vertrieb tätig sind – wie ein Business Line Director – müssen anlässlich einer geplanten Übernahme keine gesicherte Kenntnis über das Produktportfolio der zu übernehmenden Gesellschaft haben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass Herr G diesbezüglich besondere Kenntnisse hatte und/oder in die Übernahmeaktivitäten besonders involviert war. Aufgrund des Vorgesagten ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin bereits anhand der Bilder in dem A-Katalog (Anlage AG 6), den die Verfügungsklägerin unstreitig kannte, die Verletzung der angegriffenen Ausführungsform, insbesondere die im Schlossgehäuse vertieften Abdeckelemente, verlässlich beurteilen konnte. In der mündlichen Verhandlung hat die Verfügungsklägerin ferner dargelegt und unter Vorlage einer weiteren eidesstattlichen Versicherung von Herrn G glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin sich verstärkt im Nachgang der Messe im Januar 2013 bemühte, ein Muster der angegriffenen Ausführungsform zu erlangen. Ihre Außendienstmitarbeiter versuchten in der Zeit von Februar bis April 2013, unter anderem von den Herstellern B und C erfolglos Muster zu erlangen. Erst Ende Juni/Anfang Juli 2013 bekam die Verfügungsklägerin ein Muster von einem Händler in Holland zur Verfügung gestellt.
Ebenso hat die Verfügungsklägerin dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie konkrete Vertriebshandlungen in Deutschland erst Ende Juli 2013 auf der Münchener Fahrradmesse „Bike ISPO 2013“ wahrgenommen hat. Sodann erlangte sie zusätzlich Anfang August 2013 Kenntnis davon, dass auch der Hersteller D ein Fahrrad der Marke „E“, das mit der angegriffenen Ausführungsform ausgestattet war, auf dem deutschen Markt anbot. Sofern die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sie bereits seit Frühjahr die angegriffene Ausführungsform in Deutschland vertreibe, kann die Kammer jedenfalls nicht feststellen, dass die Verfügungsklägerin – auch angesichts dessen, dass sie zuvor kein Muster auf dem Markt erlangen konnte – vor der Messe in München von dem Vertrieb in Deutschland positiv wusste. Eine Woche nach der Messe in München Ende Juli und – der zwischenzeitlich ebenfalls stattgefundenen Hausmesse in X Anfang August – mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) unter Fristsetzung zum 20.08.2013 erfolglos ab. Sodann rief sie die Kammer mit Antrag vom 22.08.2013 zur Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung an.
Die Kammer vermag schließlich kein vorwerfbares zögerliches Verhalten darin zu erkennen, dass der Verfügungsklägerin jedenfalls seit Ende Juni 2013/Anfang Juli 2013 die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform und der in deutscher Sprache verfasste Produktkatalog bekannt war. Ausweislich der E-Mailkorrespondenz (Anlage AS 26) standen die Parteien in Kontakt und die Verfügungsklägerin versuchte seit Mai 2013 ein Treffen mit dem Verfügungsbeklagten zu 2) zu arrangieren. Vor diesem Hintergrund durfte die Verfügungsklägerin die Messe in München abwarten. Denn dem Schutzrechtsinhaber ist es im Hinblick auf das mögliche Risiko eines Prozessverlustes gestattet, sich zunächst gesicherte Erkenntnisse über das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen zu verschaffen. Vor dem Hintergrund, dass es sich lediglich um einen kurzen Zeitraum von ca. 3 1/2 Wochen handelte, musste die Verfügungsklägerin ihr Begehren einer einstweiligen Verfügung nicht ausschließlich auf das Anbieten in dem A-Katalog stützen, zumal in Aussicht stand, dass die Parteien anlässlich der Messe die Frage einer widerrechtlichen Verletzung würden klären können.
2)
Ferner ist auch die Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters hinreichend gesichert. Auf die Ausführungen der Kammer unter Ziffer III. 2) wird verwiesen. Im Übrigen haben die Verfügungsbeklagten den Rechtsbestand des Verfügungsgebrauchsmusters nicht mit einem Löschungsantrag angegriffen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung beruht auf §§ 936, 921 S. 2 ZPO. Sie ist sinnvoll und geboten, weil damit gewährleistet wird, dass der Unterlassungsausspruch nicht unter geringeren Bedingungen vollstreckbar ist, als er es bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil wäre. Die Sicherheitsleistung dient insbesondere zur Absicherung eines entsprechenden Vollstreckungsschaden nach § 717 Abs. 2 ZPO.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 29.11.2013 und 02.12.2013 haben bei der Urteilsfindung keine Berücksichtigung gefunden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht veranlasst. Dies bereits deshalb nicht, weil es sich vorliegend um ein Eilverfahren handelt.
VI.
Der Streitwert wird auf € 250.000,00 festgesetzt.