Landgericht Braunschweig
Urteil vom 22. Dezember 2004, Az. 9 O 496/04
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es im deutschen Geltungsbereich des Europäischen Patents ….. zu unterlassen,
Haltevorrichtungen, insbesondere Kleiderhalter, mit einem Aufnahmeelement, das mindestens ein Mittel zur Aufnahme wenigstens eines Kleidungsstücks oder dergleichen aufweist, und mit vorzugsweise zwei Abstützelementen, denen zur Montage der Haltevorrichtung an einem Fahrzeugsitz jeweils ein zur lösbaren Befestigung an Kopfstützhalterungen von Fahrzeugsitzen ausgebildetes Befestigungsmittel zugeordnet ist,
herzustellen, anzubieten, zu bewerben oder in Verkehr zu bringen oder herstellen, anbieten, bewerben oder in Verkehr bringen zu lassen,
wenn die Haltevorrichtung Federeigenschaften aufweist, derart, dass sie durch Veränderung des Abstandes der Befestigungsmittel an unterschiedliche Abstände der Kopfstützhalterungen anpassbar ist,
insbesondere, wenn mindestens das Aufnahmeelement und/oder Teile der Abstützelemente federnd ausgebildet sind,
und/oder die Abstützelemente und/oder die Befestigungsmittel durch die Federwirkung insbesondere des Aufnahmeelements an unterschiedliche Abstände der Kopfstützhalterungen anpassbar sind;
II.
Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen vorstehendes Unterlassungsgebot wird der Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht. Ordnungshaft ist an einem der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollziehen.
III.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
dem Kläger über den Umfang der seit dem ….. begangenen Handlungen gemäß I. durch geordnete Aufstellung Auskunft zu erteilen, nämlich über
a)
die Herkunft zugelieferter Erzeugnisse, insbesondere Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie die Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,
b)
die Menge der hergestellten Erzeugnisse unter Angabe der Typbezeichnung und Seriennummern,
c)
die Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer unter Angabe der Typbezeichnung und Seriennummern,
d)
die Angebotsmengen, -zeiten, -preise sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e)
die für Gegenstände gemäß I.1. betriebene Werbung unter Angabe der Art des Werbeträgers, des Verbreitungszeitraums, gegebenenfalls der Auflagenhöhe und der Kosten der jeweiligen Werbung;
2.
dem Kläger über den seit dem …… durch Handlungen gemäß I.1. erzielten Gewinn Rechnung zu legen, und zwar unter Aufschlüsselung der Gestehungskosten samt zugelieferten Erzeugnissen und deren Einstandspreisen, der Lohnkosten, der Vertriebskosten, der Kosten für Werbung sowie der anteiligen Gemeinkosten für den Fall, dass diese den gesamten Handlungen unmittelbar zugeordnet werden können, nebst Begründung für die Zuordnung.
IV.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen durch Handlungen gemäß I. seit dem ….. entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
V.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
VI.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages und im übrigen (Unterlassung und Nebenansprüche) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
VII.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber des Europäischen Patents ….., welches bestimmte Haltevorrichtungen für Kleidungsstücke in Fahrzeugen schützt. Die Beklagte stellt Kleiderhalter für Autos her, die an der Kopfstütze der vorderen Fahrzeugsitze befestigt werden können, wodurch der Kläger sein Patent verletzt sieht.
Der Patentanspruch 1 des Patents ….., angemeldet am …., veröffentlicht am …., lautet wie folgt:
„Haltevorrichtung, insbesondere Kleiderhalter, mit einem Aufnahmeelement, das mindestens ein Mittel zur Aufnahme wenigstens eines Kleidungsstücks oder dergleichen aufweist, und mit vorzugsweise zwei Abstützelementen, denen zur Montage der Haltevorrichtung an einem Fahrzeugsitz jeweils ein zur lösbaren Befestigung an Kopfstützenhalterungen von Fahrzeugsitzen ausgebildetes Befestigungsmittel zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Haltevorrichtung Federeigenschaften aufweist, derart, dass sie durch Veränderung des Abstandes der Befestigungsmittel an unterschiedliche Abstände der Kopfstützhalterungen anpassbar ist.“
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Patentschrift wird auf dieselbe (Anlage K1) Bezug genommen.
Der Kläger ist bzgl. solcher Haltevorrichtungen ferner Inhaber des am ……. angemeldeten und am ….. eingetragenen Gebrauchsmusters …… Insoweit wird auf die Gebrauchsmusterschrift (Anlage K3) Bezug genommen.
Der Beklagte produziert und vertreibt aus Draht gebogene Autokleiderbügel (z.B. “ ….“ und „……“, Anlage K 9), bei denen zwei Aufnahmeelemente fest mit den Stangen der Kopfstütze verschraubt werden müssen. Die zwei zapfenförmigen Enden des aus Draht ausgebildeten Kleiderbügels müssen dann in jeweils eine entsprechende Buchse in den Aufnahmeelementen geschoben werden. Da die Drahtbügelenden federnd ausgestaltet sind, sind sie an verschiedene Abstände der Kopfstützenhalterungsstangen anpassbar. Hinsichtlich der Ausführungsformen wird auf den vorgelegten Autokleiderbügel (Anlage K 9 ) sowie die bildlichen Darstellungen in den Anlage B1 und B2 Bezug genommen.
Ein Angebot dieser Autokleiderbügel durch die Beklagte ist am …. in …. in Niedersachsen erfolgt. Außerdem gibt es ein bundesweit wirksames Internetangebot. Die Beklagte ist durch den Kläger erfolglos abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert worden.
Der Jahresumsatz, den der Kläger mit den von ihm hergestellten Autokleiderbügeln erzielt, beläuft sich auf ca. 150.000,00 €. Die Beklagte erzielt mit den von ihr hergestellten Autokleiderbügeln ca. 2.000.000,00 € Jahresumsatz.
Die Beklagte erhob im …. vor dem Bundespatentgericht Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents ….. hinsichtlich der Patentansprüche 1 bis 3. Hinsichtlich des Inhaltes der Nichtigkeitsklage wird auf die Klageschrift vom …. (Anlage B3 nebst deren Anlagen) sowie die Anlagen B 4.2 und B 5 (jeweils nebst deren Anlagen) Bezug genommen.
Die Beklagte hat den Kläger vor dem Landgericht Düsseldorf (4b O 49/04) im Wege der negativen Feststellungsklage in Anspruch genommen. Es erging Versäumnisurteil gegen den Kläger. Nach rechtzeitigem Einspruch wurde Verhandlungstermin auf den ….. bestimmt.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte durch die Produktion und den Verkauf dieser Autokleiderbügel sein Patent verletze. Denn Kern der technischen Lehre der Erfindung sei es, dass die Halteeinrichtung Federeigenschaften aufweise, die es ermögliche, sie an verschiedene Kopfstützen anzupassen. Auch die Haltevorrichtung, die die Beklagte herstelle, weise wie die Erfindung Federeigenschaften auf, so dass sich durch Zusammendrücken bzw. Auseinanderziehen der Abstützelemente der Abstand der Befestigungsmittel variieren und damit an unterschiedliche Abstände der Kopfstützhalterungen anpassen lasse. Die Beklagte interpretiere den Patentanspruch in einer ihn auf ein Ausführungsbeispiel reduzierenden Weise, was unzulässig sei. Denn der Patentanspruch verlange weder, dass die Befestigungsmittel fest mit dem Abstützelement verbunden seien, noch dass sie durch Federwirkung an den Kopfstützhalterungen befestigt würden noch dass sie mit einem Handgriff lösbar seien
Der Kläger beantragt:
wie erkannt
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten gegen das Klagepatent eingereichte Teilnichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie verletze das Patent des Klägers nicht. Dessen Gegenstand bestehe, wenn man die Aufgabenstellung zur Interpretation mit heranziehe, gerade darin, dass aufgrund der Federeigenschaft der Drahtbügelenden (sog. Abstützelement) und der festen Verbindung der Befestigungsmittel an den Abstützelementen eine denkbar einfache Anbringung des Autobügelhalters gegen verschieden weit auseinanderstehende Kopfstützenhalterungen möglich sei. Eben diese federnde Beweglichkeit der Befestigungselemente sei bei der von der Beklagten verwendeten Form nicht gegeben. Die Befestigungselemente müssten vielmehr umständlich aufgeschraubt und an andere Kopfstützen angepasst werden, wolle man sie in einem anderen Auto verwenden. Das Konstruktionsprinzip sei ein ganz anderes: während der Kleiderbügelhalter des Klägers aufgrund seiner federnden Eigenschaften und der festen Verbindung zwischen Drahtbügel und Befestigungselementen nur aufgrund seiner Federkraft an den Kopfstützen halte, bedürfe der Kleiderbügelhalter der Beklagten eines zeitraubenden und relativ umständlichen dauerhaften Verschraubens. Erst wenn dies geschehen sei, könne der Bügelkörper mit seinen beiden Schenkelenden aufgrund seiner federnden Eigenschaft in die Buchsen gesteckt werden. Die Formulierung im Patentanspruch, dass die Befestigungsmittel an den Abstützelementen a n g e o r d n e t sein müssen, bedeute, dass sie f e s t damit verbunden sein müssten, um sich zusammen mit diesen durch die Federeigenschaft bewegen lassen zu können.
Durch nicht nachgelassenen Schriftsatz vom … hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung weiteren Vortrag, insbesondere unter Beifügung weiterer Anlagen (Zeitungsartikel und Foto) zum Mercedes-Autokleiderbügel gehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom …. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der im Tenor ausgeführte Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten folgt aus Art. 64 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1, § 9 S. 1, 2 Nr. 1 PatG.
Der Kläger ist unstreitig Inhaber des Patents …. für bestimmte Haltevorrichtungen für Kleidungsstücke in Kraftfahrzeugen, welches auch in Kraft steht. Die Beklagte stellt unstreitig Autokleiderbügel der Modelle …. und „….“ her und vertreibt sie.
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen den Patentanspruch 1 des Klagepatents.
1.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft eine Haltevorrichtung insbesondere zum faltenfreien Aufhängen von Kleidungsstücken in Kraftfahrzeugen. Derartige Haltevorrichtungen sind aus dem Stand der Technik vorbekannt. Aus der ….. ist eine Haltevorrichtung bekannt, die mittels Schienen in einem Führungselement an den Kopfstützenhaltern anzubringen ist. Durch entgegengesetztes Verschieben der Schienen zueinander und anschließende Arretierung lässt sich die Haltevorrichtung an verschiedene Abstände der Kopfstützenhalter anpassen und von den Kopfstüzen lösen. Die Patentschrift beschreibt es als nachteilig, dass dieses System in der Anwendung umständlich und in der Herstellung aufwändig ist.
Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde „eine einfach aufgebaute Haltevorrichtung zu schaffen, die einfach montierbar und demontierbar ist“ (Sp. 1, Z. 26).
Zur Lösung schlägt das Patent einen Anspruch vor, der sich wie folgt gliedern läßt:
Haltevorrichtung
1. mit einem Aufnahmeelement,
1.1. das mindestens ein Mittel zur Aufnahme wenigstens eines Kleidungsstücks oder dergleichen aufweist, und
2. mit vorzugsweise zwei Abstützelementen,
2.1 den Abstützelementen ist ein Befestigungsmittel zugeordnet
2.1.1. das Befestigungsmittel dient zur Montage der Haltevorrichtung an einem Fahrzeugsitz
2.1.2. das Befestigungsmittel ist von den Kopfstützenhalterungen lösbar
(Oberbegriff)
3. die Haltevorrichtung weist Federeigenschaften auf, derart,
3.1. dass sie durch Veränderung des Abstandes der Befestigungsmittel
3.2. an unterschiedliche Abstände der Kopfstützhalterungen anpassbar ist.
(kennzeichnender Teil)
2.
Die von der Beklagten hergestellten Ausführungsformen verletzen dieses Patent.
a)
Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die von der Beklagten hergestellte Haltevorrichtungen die Merkmale 1., 1.1., 2., 2.1.1. und 3. erfüllt. Denn die Haltevorrichtungen der Beklagten weisen ebenfalls ein Aufnahmeelement, nämlich den eigentlichen Bügel, zwei Abstützelemente und Befestigungsmittel auf, mit denen die Haltevorrichtung an den Kopfstützenhalterungen befestigt werden kann. Ferner weist die Haltevorrichtung Federeigenschaften auf.
b)
Auch das Merkmal 2.1 ist erfüllt. Denn auch bei den Ausführungsformen der Beklagten ist jedem Abstützelement ein Befestigungselement, nämlich die an die Kopfstützenhalter anschraubbaren Halbschalen „zugeordnet“. Jedes der Befestigungselemente an der Haltevorrichtung der Beklagten kann nämlich mittels einer Buchse die entsprechenden Zapfen an den Abstützelementen aufnehmen.
Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten hinsichtlich des Merkmals 2.1., aus dem Begriff „zugeordnet“ in Verbindung mit der Patentbeschreibung ergebe sich, dass die Befestigungsmittel mit den Abstützelementen „fest verbunden“ sein müssen. Der Begriff der „Zuordnung“ ist wesentlich weiter als der der festen Verbindung. Vom Wortsinn her erfasst er nämlich auch eine lose Gruppierung nach bestimmten Ordnungsmerkmalen. Eine Auslegung des Wortes „Zuordnung“ dahingehend, dass eine feste Verbindung, z.B. durch Verkleben oder Verlöten oder ähnliches gegeben sein müsse, würde den Wortlaut einengen.
Dies würde jedoch gegen die Auslegungsregeln verstoßen. Der Schutzbereich eines Patents bestimmt sich gem. Art. 69 EPÜ, § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zur Auslegung heranzuziehen. Einschränkungen, die sich aber ausschließlich aus der Beschreibung ergeben, sind ohne Bedeutung (Busse-Keukenschrijver, PatG, 6.A. § 14, Rn.45).
Daraus folgt, dass der Patentanspruch des Klägers selbst dann nicht eingeschränkt werden kann, wenn sich die Patentbeschreibung an einer bestimmten Ausführungsform orientieren würde, bei welcher Abstützelemente und Befestigungselemente fest verbunden sind.
Aus der Patentbeschreibung ergibt sich aber im übrigen auch nicht, dass die Befestigungselemente fest mit den jeweiligen Abstützelementen verbunden sein müssen. Die bloße Einsteckbarkeit reicht aus. Denn bereits in der Patentbeschreibung ist die Möglichkeit einer bloßen Einsteckbarkeit in Sp. 4, Z. 14 erwähnt worden. Die in diesem Abschnitt erwähnten „Aufnahmen“ sind nichts anderes als die von der Beklagten als „Buchsen“ bezeichneten Vertiefungen in den Befestigungsmitteln. Von einem Verkleben, Verlöten o. ä. der Abstützelemente mit den Befestigungselementen ist in der Patentbeschreibung noch nicht einmal ansatzweise die Rede.
c)
Die Kammer sieht auch das Merkmal 2.1.2. durch die angegriffenen Ausführungsformen als erfüllt an. Auch hier gilt, dass die Rechtsauffassung der Beklagten, der Begriff „lösbar“ in Merkmal 2.1.2. in Verbindung mit der Patentbeschreibung müsse dahingehend ausgelegt werden, dass die Lösung mit „einem Handgriff“, also ohne Schrauben o.ä. erfolgen müsse, zu einer Einschränkung des Wortsinns führen würde. Auch Schrauben lassen sich lösen, sind also lösbar im eigentlichen Wortsinn. Es ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass man bei einer Auslegung des Begriffs „lösbar“ im Sinne der Aufgabenstellung des Patentes zu dem Ergebnis gelangen könnte, dass kein umständliches Demontieren mit Hilfe eines Schraubendrehers, sondern eine Lösung durch einen einfachen Handgriff gemeint ist. Denn die Aufgabenstellung des Patentes besteht gerade darin, die bisherige „umständliche“ Befestigung mittels zu arretierender Befestigungsmittel zu vereinfachen. Daher heißt es in der Beschreibung (0005 und 0006) mehrfach: „Durch Federkraft werden die Befestigungsmittel gegen die Kopfstützhalterung gedrückt und dadurch die Haltevorrichtung selbsttätig arretiert“, „durch die Federkraft des Trägerelementes und/oder der Abstützelemente ist die Haltevorrichtung an den Kopfstützenhalterungen einfach und zuverlässig fixierbar…Die Haltevorrichtung ist dadurch mit einem Handgriff ein- bzw. ausbaubar.“
Eine Auslegung des Patentanspruches „unter seinem Wortlaut“ ist aber grundsätzlich unzulässig (vgl. Busse, a.a. O. Rn. 44, Benkard/Scharen, EPÜ Art. 69, Rn. 33). Die Patentbeschreibung und Zeichnungen haben nur dienende Funktion, d.h. sie können zur Auslegung herangezogen werden. Einschränkungen, die sich ausschließlich aus der Beschreibung ergeben, sind jedoch ohne Bedeutung (Busse, aaO, Rn. 45). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es ist daher nicht zulässig, die Einschränkung „mit einem Handgriff“ aus der Patentbeschreibung als Einschränkung für das Wort „lösbar“ im Patentanspruch 1 heranzuziehen. Lösbar im Sinne des Patentanspruchs sind daher auch mit Schrauben angebrachte Befestigungsmittel.
Der Kleiderbügel der Beklagten ist auch mit einem Handgriff von den Befestigungsmitteln abnehmbar. Dies kann etwa sinnvoll sein, wenn der hintere Sitz benutzt wird. Die Beklagte wirbt auf der Packung daher auch mit: „Montage bzw. Demontage innerhalb von 10 Sekunden (Einstecken bzw. Herausnehmen des Metallbügels aus den beiden Kunststoffhalterungen)“.
d)
Auch die Merkmale 3.1 und 3.2 sind erfüllt. Denn die Beklagte verwendet Autokleiderbügel, deren Haltevorrichtung Federeigenschaften aufweist. Aufgrund dieser Federeigenschaften kann man sie an verschiedene Kopfstützenstangen anpassen, auch wenn die Befestigungsmittel in unterschiedlichen Abständen angeordnet sind.
Dass die Befestigungsmittel an der federnden Eigenschaft der Haltevorrichtung teilhaben müssen – wie die Beklagte meint -, ist im Patentanspruch 1 nicht ausdrücklich formuliert. Lediglich aus der Patentbeschreibung könnte man eine solche Konstruktion ableiten: „Durch Federkraft werden die Befestigungsmittel gegen die Kopfstützhalterung gedrückt und dadurch die Haltevorrichtung selbsttätig arretiert“ (Sp. 1 Z. 37 f.).
Allerdings ergibt sich bereits aus dem Patentanspruch zu 5., dass im oben zitierten Teil der Patentbeschreibung nur an eine bestimmte Ausführungsform gedacht wurde. Denn im Patentanspruch 5 (Sp. 11. Z. 49 – 52), der ein Unteranspruch zu Patentanspruch 1 ist, sind ausdrücklich Haltevorrichtungen genannt, die dadurch gekennzeichnet sind, „dass die Befestigungsmittel durch Federkraft an den Kopfstützenhalterungen fixierbar sind“. Daraus kann man im Umkehrschluss folgern, dass mit dem Patentanspruch zu 1) jedenfalls auch solche Befestigungsmittel erfasst werden, die nicht durch Federkraft sondern auf sonstige Weise fixiert werden. Für eine solche Interpretation spricht, dass in der Patentbeschreibung unter Ziff. 0020 ff. (Sp. 5, Z. 36 ff.) Befestigungselemente mit Verriegelungselementen (Fig. 4), Bolzen, Spangen und dergleichen (Sp. 5 Z. 51 f.), umlaufender Nut mit Schiebeelement (Sp. 6 Z. 8 und14) etc. aufgeführt sind, sowie im Patentanspruch zu 8. als „Schnappverschlüsse“ Der Patentinhaber hat also auch Befestigungsmöglichkeiten über die bloße Federwirkung hinaus in Betracht gezogen. Somit beinhaltet bereits die Patentbeschreibung selbst keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass von Patentanspruch 1 nur solche Ausführungsformen erfasst sein sollen, bei denen die Befestigungselemente an der federnden Eigenschaft der Haltevorrichtung teilhaben. Im übrigen ergibt sich das auch nicht aus dem Wortlaut des Patentanspruchs.
Da eine den Schutzumfang reduzierende Auslegung unzulässig ist (s.o.), nutzen die von der Beklagten hergestellten Ausführungsformen die erfinderische Lehre des Patents und verletzen somit die Rechte des Patentinhabers. Der Kläger hat folglich gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
3.
Da der Kläger bereits einen Unterlassungsanspruch aus dem von ihm innegehaltenen Patent hat, kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher auch aus dem von ihm innegehaltenen Gebrauchsmuster …. folgen würde.
4.
Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in § 890 ZPO.
II.
Der Kläger hat ferner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gem. Art. 64 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 2 S. 1, § 9 PatG. Die Beklagte hat zumindest fahrlässig gehandelt. Denn ein Fabrikant, der die Patentanmeldungen und -erteilungen auf seinem Fachgebiet nicht verfolgt, handelt fahrlässig (Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl., § 139 Rn. 47 m.w.N.) Die Beklagte hätte als Hersteller in der Fachbranche des Autozubehörs einschließlich Haltevorrichtungen die für dieses Fachgebiet einschlägigen Schutzrechte kennen und sich danach richten müssen.
Schadensersatz war ab dem Veröffentlichungstag zu gewähren.
Da dem Kläger der Umfang der Verletzungen und die Höhe des daraus resultierenden Schadensersatzes noch nicht bekannt sind, war die Erhebung einer bloßen Feststellungsklage insoweit zulässig.
III.
Der Auskunftsanspruch folgt aus Art. 64 EPÜ in Verbindung mit § 140b PatG.
IV.
Der Anspruch auf Rechnungslegung gem. Art. 64 EPÜ, § 259 BGB ist in Fällen der schuldhaften Patentverletzung als Hilfsanspruch zur Verwirklichung des bestehenden Schadensersatzanspruches gewohnheitsrechtlich anerkannt (BGH GRUR 1962, 398 – Kreuzbodenventilsäcke II; 1984, 728 -Dampffrisierstab II, Mes PatG, § 140b, Rn. 15).
V.
Der Hilfsantrag der Beklagten auf Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf den vor dem Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsprozess wird zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung gem. § 148 ZPO liegen nicht vor. Im Rahmen der im Verletzungsprozess von der Kammer vorzunehmenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage kann nicht festgestellt werden, dass die Nichtigkeitsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Soweit die Beklagte in der Nichtigkeitsklage ausgeführt hat, die Ausnutzung von Federwirkungen bei Kleiderbügeln sei bereits vorbekannt (…..), bezieht sich dies nur auf das Spannen von Röcken und Hosen mit unterschiedlicher Bundweite an dem Bügel selbst, nicht aber auf die Befestigung des Kleiderbügels selbst an einem dritten Objekt, hier den Kopfstützenhalterungen.
Das Patent für einen Klemmhalter (…) befasst sich überhaupt nicht mit der Aufhängung von Kleidungsstücken. Außerdem dient die Federkraft des Bügels weder dazu, den Bügel am Schenkel festzuhalten noch die Gartengeräte zu befestigen. Sie dient nur dazu, die Enden des Bügels in die Lochbohrungen des Schenkels einführen zu können. Die Gartengeräte selbst werden durch eine Klemmwirkung befestigt. Bei der Hängebuchstütze dient die Federwirkung des Drahtbügels lediglich dazu, die Enden der Buchstütze in ihre Halterungen einführen bzw. wieder entfernen zu können.
Bei dem Autokleiderbügel für den Mercedes V 230 TD handelt es sich um ein Zubehörteil für genau dieses Fahrzeug, welches mitbestellt wird. Damit stellt sich weder die Frage der Anpassungsfähigkeit noch der Montage. Auch für die Lösbarkeit ergibt sich aus den Fotos nichts. Wegen des Charakters als Sonderzubehör stellt sich die Frage der Mitnahme in ein anderes Fahrzeug auch nicht. Da die Bügel dem Kofferraum zugeordnet sind, stellt sich auch nicht die Frage der Lösbarkeit bei Benutzung der hinteren Sitze. Selbst wenn den bei Mercedes verwendeten Kleiderbügeln Federeigenschaften zukämen, ist es zweifelhaft, ob der Offenbarungsinhalt neuheitsschädlich ist.
Es war für die Kammer aber aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos im Artikel der Zeitschrift Auto Motor Sport vom … über den Mercedes V 230 TD (S. 28) nicht erkennbar, ob diese Drahtbügelkonstruktion überhaupt Federeigenschaften aufweist, sodass dieser Autokleiderbügel auch an andere Kopfstützenhalterungen angepasst werden kann. Aus diesem Zeitungsartikel kann daher nicht gefolgert werden, dass es bereits einen vorbekannten Stand der Technik gab der der Nichtigkeitsklage zum Erfolg verhelfen würde. Die Beklagte hat zwar ein weiteres Foto des Autokleiderbügels für den Mercedes V 230 TD vorgelegt, auf welchem dieser deutlich zu erkennen ist. Die Metallteile auf diesem Foto machen gegenüber der als Anlage K3 vorgelegten Ausführungsform einen so massiven Eindruck, dass die Kammer nicht davon ausgehen kann, die Mercedes-Autokleiderbügel würden nennenswert federn.
Es bestand daher auch keine Veranlassung, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten.
Da bei der Aussetzung Zurückhaltung geboten ist (Busse, PatG, § 140 Rn. 7), um den Schutz eines bereits geprüften Schutzrechtes nicht zu stark einzuschränken, können die vorgelegten Patentschriften, Prospekte und Zeitungsartikel nicht als ausreichend erachtet werden, die Kammer von der Erfolgsaussicht der Nichtigkeitsklage zu überzeugen.
VI
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeit des Unterlassungsgebots war nur gegen Sicherheitsleistung anzuordnen. Mit dieser sollen etwaige wirtschaftliche Nachteile der Beklagten gem. § 717 ZPO ausgeglichen werden, die dadurch entstehen, dass sie aufgrund der vorläufigen Vollstreckung dieses Urteil an der Herstellung und dem Vertreiben der streitgegenständlichen Autokleiderbügel gehindert sein wird. Einen Betrag von 150.000,00 € hält die Kammer im Hinblick auf den Jahresumsatz der Beklagten in Höhe von 2.000.000,00 € bzgl. der angegriffenen Autokleiderbügel für diesen Zweck für angemessen.
VII.
Da der Rechtsstreit vor dem 01.07.2004 rechtshängig war, war der Streitwert gem. § 12 b GKG in der Fassung vom 15.12.1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.03.2004, welches gem. § 72 S. 1 Nr.1 GKG in der jetzt geltenden Fassung anzuwenden ist, nach dem Interesse der Klägerin an der Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche zu bemessen. Der Kläger erzielt durch die Herstellung der Autokleiderbügel einen Jahresumsatz von ca. 150.000,00 €. Dieser Umsatz wird durch die Verletzungshandlungen der Beklagten teilweise gefährdet. Es war daher angemessen, den Streitwert – entsprechend der indiziellen Klägerangabe auf 50.000,00 € festzusetzen.