Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. Dezember 2013, Az. 4b O 169/12
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Schnellbefestigungselemente zur Befestigung von Führungsschienen an horizontal verlaufenden und im Endbereich von einer Führungsschiene winklig abgebogenen Stangen eines gitterartigen Seitenteils
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei die Schnellbefestigungselemente einen ersten, eine Stange in ihrem Längserstreckungsbereich und einen zweiten, die Stange in ihrem abgewinkelten Bereich teilweise umgreifenden, klammerartigen Halteabschnitt aufweisen und in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange aufschiebbar sind
(EP 1 965 XXX B1);
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 23.04.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Mengen der erhaltenen und/oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkauf- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen;
3.
die im unmittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziff. 1 an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. I.1 bezeichneten, seit dem 23.04.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch. Sie verlangt ferner die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des EP 1 965 XXX B1 (Anlage K1, nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29.12.2005 am 19.12.2006 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 23.03.2011. Das Klagepatent steht u.a. in Deutschland in Kraft (vgl. Anlage K2). Die Beklagte reichte am 26.03.2013 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht ein (Anlage B6), über die noch nicht entschieden ist.
Das Klagepatent betrifft ein Schnellbefestigungselement. Der geltend gemachte Anspruch 1 lautet wie folgt:
„Schnellbefestigungselement (4) zur Befestigung von Führungsschienen (1) an horizontal verlaufenden und im Endbereich von einer Führungsschiene (1) winklig abgebogenen Stangen (5) eines gitterartigen Seitenteiles, dadurch gekennzeichnet, dass das Schnellbefestigungselement (4) einen ersten, eine Stange (5) in ihrem Längserstreckungsbereich und einen zweiten, die Stange (5) in ihrem abgewinkelten Endbereich (5a) teilweise umgreifenden, klammerartigen Halteabschnitt (4a, 4b) aufweist und in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange (5) aufschiebbar ist.“
Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen, die bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung betreffen und der Klagepatentschrift entnommen sind.
Figuren 1 und 3 zeigen eine Führungsschiene mit darauf befestigten erfindungsgemäßen Schnellbefestigungselementen.
Figur 4 zeigt eine Draufsicht auf eine Führungsschiene mit erfindungsgemäßen Schnellbefestigungselementen und einer horizontal verlaufenden Stange, an der die Schnellbefestigungselemente und damit die Führungsschiene lösbar befestigt sind. Figur 5 zeigt ein Schnellbefestigungselement im Querschnitt (Linie V-V aus Figur 4).
Die Beklagte bietet an und vertreibt u.a. Schnellbefestigungselemente für Führungsschienen, deren Ausgestaltung sich aus der Anlage K8 und B10 ergibt (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform).
Nachfolgend eingeblendet ist eine CAD-Grafik der angegriffenen Ausführungsform in der Seitenansicht, und eine Ablichtung der angegriffenen Ausführungsform in Frontalsicht, die dem Schriftsatz der Beklagten vom 02.04.2013 (Bl. 50, 51 GA) entnommen sind:
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2012 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf (vgl. Anlage K9).
Die Klägerin meint, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von den Merkmalen des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch.
Der „erste Halteabschnitt“ im Sinne des Klagepatents sei aus einem unteren und einem oberen Schenkel gebildet, wobei der obere Schenkel auf der Stange aufliege und der untere Schenkel an der Unterseite der Stange anliege.
Die angegriffene Ausführungsform weise einen ersten Halteabschnitt auf, der die Stange teilweise umgreife: Die Stange wird durch die „obere Platte“, die „untere Platte“ und teilweise durch den „Taster“ umgriffen (vgl. CAD-Grafik, Bl. 50 GA). Die „Zunge“ der angegriffenen Ausführungsform sei dagegen kein Teil des Halteabschnitts. Denn sie liegt weder auf der Oberseite, noch an der Unterseite, noch flächig an der Stange an. Sie liegt vielmehr lediglich profilseitig an der Stange an. Darüber hinaus diene die „Zunge“ anders als der Halteabschnitt nicht der Verdreh- und Kippsicherung. Sie solle in Abgrenzung dazu das unbeabsichtigte Lösen des Schnellbefestigungselements von der Stange verhindern. Damit entspreche sie der „federnden Rastzunge“ am unteren Schenkel des ersten klammerartigen Halteteils im Sinne des Klagepatents, der ebenfalls nicht Teil des erfindungsgemäßen Halteabschnitts sei.
In der mündlichen Verhandlung argumentiert die Klägerin, dass selbst wenn die „Zunge“ Teil des Halteabschnitts sei, ein teilweises Umgreifen vorliege. Denn das teilweise Umgreifen diene dazu, dass Schnellbefestigungselement in horizontaler Richtung auf den Endbereich der Stange aufzuschieben. Den Anforderungen sei genügt, wenn im Moment des Aufsetzens – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – eine Öffnung gegeben sei, durch die ein Aufschieben auf die Stange möglich werde.
Das Klagepatent schreibe nicht vor, dass das Schnellbefestigungselement ohne Kraftaufwand in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange aufschiebbar sein müsse.
Bei der angegriffenen Ausführungsform stelle das Drücken des Tasters nach unten keinen komplexen Montagevorgang dar, den das Klagepatent zu verhindern suche.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte meint, nach Patentanspruch 1 sei das vollständige Umgreifen der Stange ausgeschlossen. Das Klagepatent fordere mit „teilweise umgreifend“ zwei Schenkel, die eine Klammer bildeten, die auf einer Seite offen sei. Dabei müssten oberer und unterer Schenkel der Klammer nicht an der Stange anliegen, um als Bestandteile des Halteabschnitts angesehen werden zu können.
Halteabschnitt und Rastzunge im Sinne des Klagepatents seien nicht zwei funktional getrennte Elemente. Die Rastzunge sei vielmehr Teil des ersten Halteabschnitts. Sie müsse nicht flächig an der Stange anliegen. Funktional solle die Rastzunge als Alternative zu der klemmenden Ausbildung des Halteabschnitts das unbeabsichtigte Lösen des Schnellbefestigungselements von der Stange verhindern. Die Haltefunktion des Halteabschnitts werde damit komplettiert. Neben der Verdreh- und Kippsicherung werde die Funktion der Sicherung vor unbeabsichtigtem Ablösen erfüllt. Da der mit der Rastzunge modifizierte Halteabschnitt immer noch den Anforderungen des Patentanspruchs 1 unterliege, dürfe er die Stange nur teilweise umgreifen.
Die angegriffene Ausführungsform umgreife die Stange vollständig. Die Stange werde durch die „obere Platte“, die „untere Platte“, den „Taster“ und die „Zunge“ vollständig umgriffen (vgl. CAD-Grafik, Bl. 50 GA). Die „Zunge“ sei Bestandteil des Halteabschnitts. Wegen des vollständigen Umgreifens der Stange sei ein einfaches horizontales Aufschieben des Schnellbefestigungselements in horizontaler Richtung auf den Endbereich der Stange nicht möglich. Denn der „Taster“ muss nach unten gedrückt werden, um die „untere Platte“ und die „Zunge“ nach unten zu drücken und Platz für die Stange zu schaffen.
Selbst wenn man aber der Auffassung der Klägerin folge, mithin die „Zunge“ nicht als Bestandteil des Halteabschnitts ansehe und fordere, dass die Teile des Halteabschnitts an der Stange anliegen müssten, scheide eine Verletzung aus. Denn der „Taster“ liege nicht bzw. nicht kontrolliert an der Stange an und ihm komme auch keine haltende Funktion zu. Der „Taster“ und der untergreifende Teil dienten nur dazu, die untere Platte und die Zunge nach unten zu bewegen, um die angegriffene Ausführungsform an dem Stab zu befestigen bzw. zu lösen.
Die Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Im anhängigen Nichtigkeitsverfahren werde das Klagepatent vernichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen Patentverletzung wie aus dem Tenor ersichtlich zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Schnellbefestigungselement zur Befestigung von Führungsschienen an Stangen eines gitterartigen Seitenteils. Die Stangen verlaufen horizontal und sind im Endbereich von der Führungsschiene winklig abgebogen.
Das Klagepatent führt einleitend aus, dass Schnellbefestigungselemente der gattungsgemäßen Art z.B. aus der DE 37 und der DE 475 bekannt seien. Sie würden beispielsweise zur Festlegung von Führungsschienen in Haushaltsgeräten, wie Geschirrspülern und Backöfen, verwendet werden. Bei den gitterähnlichen Seitenteilen, die aus Draht oder Stange gebildet seien, seien mehrere parallel zueinander verlaufende horizontale Stangen vorgesehen, die in ihren Endbereichen derart abgewinkelt seien, dass die abgewinkelten Abschnitte von einer zu befestigenden Führungsschiene in Richtung einer Seitenwand eines Haushaltsgerätes oder eines Möbels vorstünden.
Das Klagepatent stellt sich die Aufgabe (das technische Problem), ein Schnellbefestigungselement der gattungsgemäßen Art zu schaffen, das eine einwandfreie Halterung einer Führungsschiene an lediglich einer horizontal verlaufenden Stange eines gitterartigen Seitenteiles ermöglicht. Darüber hinaus ist objektive Aufgabe der Erfindung die Befestigung des Schnellbefestigungselements an der Stange durch schlichtes horizontales Aufschieben zu ermöglichen.
Diese Aufgabe wird durch ein Schnellbefestigungselement gelöst, das die folgenden Merkmale aufweist:
1. Schnellbefestigungselement (4) zur Befestigung von Führungsschienen (1) an horizontal verlaufenden und im Endbereich von einer Führungsschiene (1) winklig abgebogenen Stangen (5) eines gitterartigen Seitenteiles.
2. Das Schnellbefestigungselement (4) weist einen ersten, eine Stange (5) in ihrem Längserstreckungsbereich teilweise umgreifenden, klammerartigen Halteabschnitt (4a) auf.
3. Das Schnellbefestigungselement weist einen zweiten, die Stange (5) in ihrem abgewinkelten Endbereich (5a) teilweise umgreifenden, klammerartigen Halteabschnitt (4b) auf.
4. Das Schnellbefestigungselement ist in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange (5) aufschiebbar.
II.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß.
1.
Die Parteien stimmen zu Recht darin überein, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1 und 3 verwirklicht. Weitere Ausführungen der Kammer hierzu erübrigen sich.
2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht darüber hinaus auch die Merkmale 2 und 4.
Gemäß Merkmal 2 weist das Schnellbefestigungselement einen ersten, eine Stange in ihrem Längserstreckungsbereich teilweise umgreifenden klammerartigen Halteabschnitt auf. Nach Merkmal 4 ist das Schnellbefestigungselement in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange aufschiebbar.
a.
Unter dem Begriff „Halteabschnitt“ wird der Fachmann ausgehend vom Wortlaut einen Abschnitt des Schnellbefestigungselements verstehen, der die Stange hält. Dem Halteabschnitt kommt die technische Funktion zu, die Führungsschiene an einer Stange zu befestigen, die Stange zu halten und festzulegen (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0006], [0015], [0019], [0023]).
b.
Zur Erfüllung dieses technischen Zwecks ist der Halteabschnitt „klammerartig“ auszugestalten. Eine Klammer ist in der Regel ein Gegenstand, der zwei Schenkel aufweist, mit deren Hilfe ein anderer Gegenstand umfasst wird. Eine Klammer kann auch mehrere Gegenstände durch Krafteinwirkung zusammenhalten bzw. mehrere Gegenstände aneinander fixieren. Zudem ändert eine Klammer bei Gebrauch regelmäßig ihren Zustand bzw. ihre Form: Entweder werden ihre Schenkel geöffnet und damit voneinander beabstandet (bevor die zu umklammernden Gegenstände eingebracht werden) und sodann wieder geschlossen oder die bereits offenen Schenkel werden zwecks Zusammenhalten bzw. Fixieren der Gegenstände umgebogen, nachdem die Gegenstände in den Einwirkungsbereich der Klammer gelangt sind. „Klammerartig“ im Sinne des Merkmals 2 soll demnach dem Halten, Befestigen und Festlegen der Führungsschiene dienen.
Das Klagepatent spricht jedoch bewusst von „klammerartig“ und nicht von einer Klammer als solcher. Der Halteabschnitt soll lediglich in der Art einer Klammer ausgebildet sein. Das bedeutet, dass Abweichungen von einer aus dem Alltag bekannten Klammer erfindungsgemäß sind. Demnach ist es nicht zwingend erforderlich, dass der klammerartige Halteabschnitt eine Klemmwirkung erzielt (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0008] und Unteranspruch 9, die das Einklemmen der Stange bzw. ein Kraft- oder Reibschluss zum Gegenstand haben). Eine klemmende Wirkung ist auch nicht notwendig, da die erfindungsgemäße Haltefunktion vorrangig dadurch bewirkt wird, dass der zweite Halteabschnitt „über Eck“ greift. Dadurch, dass der abgewinkelte Endbereich der Stange auf beiden Seiten der Ecke umgriffen wird, kann es weder zu einer Verdrehung, noch zu einer Längsverschiebung oder Verkippung kommen (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0007], [0018], [0019], [0020]).
Das Umgreifen durch den klammerartigen Halteabschnitt muss nicht zwingend mittels eines in etwa C-förmigen Querschnitts erfolgen. Dies ist erst Gegenstand des abhängigen Unteranspruchs 2 (vgl. auch Abs. [0018] der Klagepatentschrift, in dem die C-förmige Ausgestaltung lediglich beispielhaft erwähnt wird). Daraus kann mithin nicht geschlossen werden, dass die technische Lehre des Klagepatents zwingend voraussetzt, dass eine Seite des Halteabschnitts offen sein muss. Unabhängig davon findet sich durch das „etwa C-förmig“ eine Relativierung, die anzeigt, dass keine exakte C-Form vorliegen muss. Dies wird durch Figur 3 bestätigt, die einen Halteabschnitt 4a zeigt, der einen Schenkel 6 aufweist, der zum Schenkel 7 gebogen ist und damit nicht „etwa C-förmig“ ausgestaltet ist.
Selbst wenn man aber einen „etwa C-förmigen“ Querschnitt des Halteabschnitts verlangt, würde dies nicht ausschließen, dass dieser Querschnitt sich beim oder vor dem Gebrauch des Halteabschnitts in der Form verändert. Er kann also insbesondere zunächst geöffnet und dann geschlossen werden. In dieser Situation muss das erfindungsgemäße Umgreifen gegeben sein. Maßgeblich ist zudem, dass die Haltefunktion beim Befestigen des Schnellbefestigungselements erfüllt ist.
c.
Nach Merkmal 2 umgreift der Halteabschnitt die Stange lediglich „teilweise“. Daraus folgt in Übereinstimmung mit der Auslegung des Merkmals „klammerartig“ sowie Sinn und Zweck des Klagepatents, dass – im Zeitpunkt des Aufschiebens – eine – wie auch immer konkret ausgestaltete – Öffnung zu einer Seite gegeben sein muss (vgl. hierzu auch Figur 3 in der Klagepatentschrift).
Diesem Verständnis stehen die Schriften DE 475 und DE 37 nicht entgegen. Das Klagepatent grenzt sich gerade gegenüber der DE 475 ab, die Führungseinrichtungen mit Halterungen vorsah, die den Tragstab vollständig umschlossen (DE 475, Abs. [0039]). Die DE 37 sieht demgegenüber anspruchsgemäß – wie das Klagepatent – ein nur teilweises Umgreifen vor. Das Klagepatent grenzt sich aber insofern von der DE 37 ab, als dass die DE 37 auch ein vollständiges Umgreifen als anspruchsgemäß ansieht, während Anspruch 1 des Klagepatents dies – unstreitig – nicht erfasst.
Ein vollständiges Umgreifen ist nicht anspruchsgemäß, da es dem horizontalen Aufschieben des Schnellbefestigungselements auf eine Stange entgegensteht (vgl. Merkmal 4). Bei einem Halteabschnitt, der an allen vier Seiten geschlossen ist, kann ein Aufschieben auf die Stange nur durch Einfädeln sowie Verkippen/Verschwenken des Halteabschnitts oder der Stange erfolgen. Dies ist im Vergleich zu einem horizontalen Aufsetzen aufwändiger. Soweit die Aufgabenstellung in Abs. [0006] der Klagepatentschrift die Abgrenzung zum Stand der Technik darin sieht, dass nur an einer Stange befestigt werden kann, handelt es sich lediglich um eine subjektive Aufgabenstellung. Objektiv leistet die Erfindung mehr, nämlich auch die Befestigung durch schlichtes horizontales Aufschieben.
Das teilweise Umgreifen stellt genau dies sicher. Durch das teilweise Umgreifen wird das horizontale Aufschieben ermöglicht. Es besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, dass stets (also sowohl vor als auch nach dem Aufschieben) eine Öffnung gegeben sein muss. Voraussetzung ist lediglich, dass die Ausgestaltung des Halteabschnitts gewährleistet, dass das Schnellbefestigungselement in horizontale Richtung auf die Stange aufschiebbar ist.
d.
Nach dem Klagepatent kann der Halteabschnitt „mit“ einer federnden Rastzunge „ausgestattet“ sein, die an einem der Führungsschiene abgewandten Bereich der Stange anliegt (Klagepatentschrift, Abs. [0008], [0021], Unteranspruch 3). Die Rastzunge soll ein ungewolltes Lösen des Schnellbefestigungselements von der Stange unmöglich machen (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0008], Abs. [0021], Figur 5, Unteranspruch 3 und 4). Das Klagepatent beschreibt die Rastzunge damit als Teil des Halteabschnitts, dem die Funktion zukommt, zu verhindern, dass die Stange aus dem Halteabschnitt „wieder herausrutscht“ (vgl. Figur 5). Da die Rastzunge Teil des Halteabschnitts ist, darf ihre Existenz nicht zu einem vollständigen Umgreifen im Zeitpunkt des Aufschiebens führen. Sie darf beim Aufschieben auch nicht „im Weg stehen“ und dadurch das horizontale Aufschieben verhindern. Die Rastzunge nach dem Klagepatent ist in Einführrichtung angeordnet (vgl. Figur 5). Sie schnappt hoch, sobald der Rest des Halteabschnitts die Stange umgreift.
e.
Das horizontale Aufschieben muss nicht gänzlich ohne Kraftaufwand erfolgen. Dafür gibt es in der Klagepatentschrift keine Anhaltspunkte (vgl. vielmehr Klagepatentschrift, Abs. [0008], [0009], [0021]). Dies ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der DE 37, die Halteabschnitte beschreibt, die an zwei Stangen befestigt sind.
III.
Die angegriffene Ausführungsform weist einen ersten Halteabschnitt auf, der eine Stange klammerartig und teilweise umgreift (Merkmal 2). Zudem ist die angegriffene Ausführungsform in horizontaler Richtung auf den Endbereich einer Stange aufschiebbar (Merkmal 4).
Der Halteabschnitt der angegriffenen Ausführungsform wird durch die untere Platte, die obere Platte, die Zunge und den unteren Bereich des Tasters gebildet. Sämtlichen Teilen kommt die Funktion zu, die Stange zu halten und an der Führungsschiene zu befestigen. Die Zunge verhindert darüber hinaus als Teil des Halteabschnitts – wie die Rastzunge des Klagepatents – das Abrutschen der Stange. Der Halteabschnitt ist auch klammerartig ausgestaltet. Die Stange wird durch die untere Platte und den unteren Bereich des Tasters klammerartig umfasst. Schließlich umgreift der Halteabschnitt die Stange auch teilweise. Zwar umschließen untere Platte, obere Platte, Zunge und unterer Teil des Tasters die Stange im festgehaltenen Zustand vollständig. Entscheidend ist aber, dass sich der Halteabschnitt im Moment des Aufschiebens auf die Stange öffnen lässt und somit ein horizontales Aufschieben möglich macht. Dass dafür zunächst der Taster betätigt werden muss, ist unschädlich. Einen minimalen Kraftaufwand schließt das Klagepatent nicht aus.
IV.
Angesichts der Patentbenutzung durch die angegriffene Ausführungsform stehen der Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte zu.
1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9, 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die unmittelbare Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und der Entschädigungspflicht anzuerkennen, § 256 ZPO.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Für nicht gewerbliche Abnehmer und die Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren (OLG Düsseldorf InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
4.
Der Vernichtungsanspruch findet seine Grundlage in §§ 9, 140a Abs. 1, S. 1 PatG. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung gem. § 140a Abs. 4 PatG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
V.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO ist nicht geboten. Insoweit handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, für die nach der Rechtsprechung der Kammer die zu prognostizierende Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbestandsangriffs eine wesentliche Rolle spielt. Auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes vermag die Kammer eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent nicht zu erkennen.
1.
Es lässt sich nicht feststellen, dass die Druckschrift US 3,596,770 (nachfolgend: US 770) sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg nimmt.
Die Entgegenhaltung betrifft einen Trockenständer (drying rack 10) zum Trocknen von flachen Gegenständen, bei dem eine Mehrzahl von flachen Tragböden (trays 12) an einer Querseite an vertikalen Ständern (standard 13) mit einer horizontalen Schwenkachse angelenkt sind (vgl. Spalte 2 der US 770, Zeilen 18 bis 31). Am freien Ende der Tragböden sind Abstandhalter (spacing means 20) in jeder der beiden Ecken des Tragbodens angeordnet (vgl. Spalte 2 Zeilen 66 bis 67). Ein Abstandhalter umfasst eine Basisplatte (supporting plate 21) mit Klemmeinrichtungen (clamping means), die aus rinnenförmigen Abschnitten (grooved portions 22) und aus zugeordneten hervorstehenden Abschnitten (struck out portions 23) bestehen (Spalte 2, Zeilen 41 bis 45). Figur 2 zeigt, dass die Abstandshalter mit den Klemmeinrichtungen (clamping means) im Bereich der Ecken der Tragböden an deren Rahmen (frame 19) festgelegt sind.
Die Figuren 7 und 8 zeigen das Festlegen des Abstandhalters am Rahmen des Tragbodens (vgl. Spalte 3, Zeilen 14 bis 26). Der Rahmen (frame 19) wird in die rinnenförmigen Elemente (grooved elements 22) vor dem Festklemmen eingelegt. Zur Befestigung wird dann der hervorstehende Abschnitt (struck out portion 23) auf das rinnenförmige Element zugebogen. Der Rahmen wird dadurch fest im rinnenförmigen Element gehalten.
Nach der US 770 wird also erst durch Herausbiegen der hervorstehenden Elemente aus dem Abstandshalter ein Befestigungselement. Ein solches Befestigungselement kann jedoch nicht als „Schnellbefestigungselement“ im Sinne der Merkmale 1 bis 4 des Anspruchs 1 des Klagepatents angesehen werden. Denn es ist nicht erkennbar, dass das aus der US 770 bekannte Befestigungselement dazu geeignet ist, eine schnelle Befestigung an einem Seitengitter in einem Küchengerät zu ermöglichen. Denn zum einen wird für das Herausbiegen der hervorstehenden Elemente Platz benötigt, der z.B. in dem Innenraum eines Küchengerätes (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0005]) nur begrenzt vorhanden ist. Zum anderen steht das Herausbiegen der hervorstehenden Befestigungsmittel mittels einer Zange (vgl. Anlage B7, Seite 4, letzter Absatz) einer schnellen Befestigung durch Aufschieben in horizontale Richtung auf den Endbereich der Stange entgegen (Merkmal 4).
2.
Es ist nicht erkennbar, dass die Entgegenhaltung US 3,214,141 (nachfolgend: US 141) sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnimmt.
Die US 141 offenbart einen Pfosten für einen Elektrozaun mit Isolatoren zur Befestigung von Elektrodraht. Der Pfosten besteht aus einem Metallstab mit kreisförmigem Querschnitt, der an mehreren Stellen Biegungen um 90° aufweist. Im unteren Abschnitt des Pfostens sollen die Biegungen des Metallstabes eine schnelle Verankerung des Pfostens im Boden durch Treten auf einen parallel zum Boden verlaufenden Abschnitt des gebogenen Pfostens und Eindrücken in den Boden erleichtern. Im unteren Abschnitt des Pfostens ist im Bereich dieses Abschnitts eine Verankerungsplatte (12) vorgesehen, die bei der Verankerung des Pfostens mit in den Boden eingetreten wird und ein Verdrehen des Pfostens verhindern soll (vgl. US 141, Spalte 2, Zeilen 10-14. 56-61).
Figur 1 der US 141 zeigt die Verankerungsplatte (12) montiert an den Abschnitten (18) und (19) des Pfostens. Der Pfosten besteht aus einem Metallstab (US 141, Spalte 2, Zeilen 10-14, Anlage B8, Seite 2, zweite Spalte, Absatz 3; Seite 3, zweite Spalte, vorletzter Absatz) mit kreisförmigen Querschnitt. Die Verankerungsplatte weist einen flachen Abschnitt (20) und zwei Halteabschnitten (21, 22) auf, (vgl. Figur 5). Der Halteabschnitt (21) ist „röhrenförmig“ und „passt“ „auf den Abschnitt des Pfostens, der in den Boden gedrückt werden soll (vgl. Anlage B8, Seite 3, erste Spalte, 4. Absatz; Anlage B8, Seite 4, erste Spalte, Absatz 2). Durch den „röhrenartige Abschnitt“ kann der Pfosten „eingefädelt“ werden (Anspruch 4, 5 und 11, zur Übersetzung s. die in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichte Anlage). Der zweite Halteabschnitt (22) kann z.B. so gebogen werden, dass er den Pfosten greift bzw. schnappt, (vgl. Anlage B8, Seite 4, erste Spalte, Absatz 2; Anspruch 4, 5 und 11).
Es lässt sich nicht feststellen, dass das beschriebene Befestigungselement eine schnelle Befestigung an einem gitterartigen Seitenteil ermöglicht, indem es in horizontaler Richtung auf den Endbereich des Pfostens aufschiebbar ist (vgl. Merkmale 1 und 4 des Klagepatents). Insbesondere das Wort „Einfädeln“ im Zusammenhang mit Halteabschnitt (21) zeigt vielmehr eine komplizierte Montage an, die dadurch erreicht wird, dass der Pfosten in den Halteabschnitt vertikal eingeführt werden muss.
3.
Schließlich ist nicht erkennbar, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Fachmann ausgehend von der DE 475 in Verbindung mit der US 770 oder der US 141 in naheliegender Weise auf Schnellbefestigungselemente im Sinne des Klagepatents schließen konnte. Es ist bereits ein Kombinationsanlass nicht ausreichend dargetan.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Voraussetzungen des § 712 ZPO sind nicht dargetan.
Streitwert: 800.000,00 €