9 O 2408/02 – Reinigungstuch

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 226

Landgericht Braunschweig
Urteil vom 3. März 2004, Az. 9 O 2408/02 (207)

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.07.2003 wird aufrechterhalten.
2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand
Die Parteien sind Konkurrenten auf dem Gebiet des Vertriebs von Reinigungstextilien.
Die Beklagte verfügt über ein beim DPMA mit Priorität vom … eingetragenes Gebrauchsmuster (…), dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
„Hautreinigungstextilie, insbesondere Hautreinigungstuch oder Hautreinigungshandschuh für die Gesichtsreinigung aus einem textilen Material, dadurch gekennzeichnet, daß das textile Material aus einem durch Maschenbildung auf einem Wirkstuhl hergestellten Stoff aus einer Fasermischung von 70 bis 90 % Polyester und 10 bis 30 % Polyamid besteht, wobei die Garnstärke der einzelnen Garnfilamente 0,1 bis 0,3 ditex beträgt.“
Hinsichtlich des weiteren Wortlautes wird auf das Anlagenkonvolut 8 (Bl. 27) Bezug genommen.
Die Beklagte richtete am … an die einzige Vertriebspartnerin der Klägerin, die Tele-Shopping betreibende „… AG“ ein anwaltliches Schreiben, in welchem sie die Meinung vertritt, dass diese mit dem Vertrieb des klägerischen Mikrofaser-Wellness-Sets mit Hautreinigungstüchern und -handschuh gegen das Gebrauchsmuster der Beklagten verstoße. Dieses Schreiben endet mit dem folgenden Text: “Wir dürfen Sie daher auffordern, uns mitzuteilen, aufgrund welcher Umstände Sie sich als berechtigt ansehen, die Gebrauchsmusterrechte … nicht beachten zu müssen.“ (Vgl. Anlage K 1, Bl. 14 f.).
Die … AG schloss die Klägerin darauf hin mit ihrem Produkt vom Tele-Shopping aus, unterzeichnete jedoch nicht die von der Beklagten ursprünglich geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung.
Die Klägerin behauptet, dass Produkte, welche dieser Gebrauchsmusteranmeldung entsprächen, bereits vor der Anmeldung dieses Schutzrechtes auf dem Markt gewesen und u. a. auch über Tele-Shopping vertrieben worden seien. Sie hat als Anlage K 18 ein entsprechendes Bestätigungsschreiben des Zeugen S. vom 15.03.2002 zur Akte gereicht, der die Klägerin in der Vergangenheit mit Waren beliefert hat (Bl. 78). Ferner hat sie eine Rechnung dieses Zeugen an die Fa. R. vom 20.07.1999 vorgelegt (Anlage K 19, Bl. 79).
Die Klägerin behauptet, bei der Anlage K 21 (Bl. 81 f.) handele es sich um einen Prospekt, welchen die Zeugin R. auf zwei Sonderveranstaltungen im Juli/August sowie im Oktober 2000 in einer Stückzahl von 5.000 verteilt habe.
Die Klägerin behauptet weiter, ausländische Unternehmen hätten derartige Produkte schon seit 1999 nach Deutschland geliefert. So habe u. a. die schwedische Firma … dem deutschen Unternehmen … auf der Frankfurter Messe „…“ im … 2000 derartige Reinigungsutensilien verkauft und auch geliefert.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Gebrauchsmuster der Beklagten löschungsreif sei, da es diesem wegen der seit vielen Jahren bekannten Reinigungswirkung von Mikrofasergemischen an einem erfinderischen Schritt fehle.
Die Klägerin beruft sich ferner auf ein Vorbenutzungsrecht, da sie die von der Beklagten als schutzrechtsverletzend beanstandeten Hautreinigungstücher und -handschuhe schon seit 1999 vertreibe. Sie hat als Anlage K 17 ein vom 07.04.2000 datierendes Angebot an eine … GmbH & Co. KG vorgelegt, welches sich auf ein Microfaser-Kosmetik-Set bezieht (Bl. 77). Des Weiteren hat die Klägerin als Anlagen K 22 (Bl. 83) und K 26 (Bl. 124) Bestätigungsschreiben des für das niederländische Unternehmen … handelnden Zeugen M. zur Akte gereicht, wonach dieses seit 1999 Peeling-Handschuhe an die Klägerin geliefert habe, deren Material aus einer Faser von 0,13 denier Dicke und einer Mischung von 70 bis 80 % Polyester und 30 bis 20 % Polyamid bestanden habe.
In einem vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Landgericht Braunschweig (9 O 1225/02) hat die Klägerin ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen, nachdem die Kammer zu erkennen gegeben hatte, dass sie vom Fehlen eines Verfügungsgrundes ausgehe.
Am 01.07.2003 ist ein klagabweisendes Versäumnisurteil ergangen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Versäumnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.07.2003 aufzuheben;
2. festzustellen, dass die Klägerin mit dem Anbieten und Vertrieb der Mikrofaser Wellness-Sets mit Hautreinigungstüchern und –handschuh nicht gegen das zu Gunsten der Beklagten eingetragene deutsche Gebrauchsmuster … verstößt;
3. die Beklagte zu verurteilen, im Geschäftsverkehr die Behauptung zu unterlassen, dass die Klägerin mit dem Anbieten und Vertrieb der Mikrofaser Wellness-Sets mit Hautreinigungstüchern und –handschuh gegen das für die Beklagte eingetragene deutsche Gebrauchsmuster … verstoße;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der durch die Behauptung der Gebrauchsmusterverletzung infolge des Schreibens vom 11.03.2002 seit diesem Tage entstanden ist und noch entsteht;
5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die von ihr nach dem 11.03.2002 erzielten Umsätze beim Absatz von Mikrofasertüchern zum Zwecke der Hautreinigung zu geben.
Die Beklagte beantragt,
wie erkannt.
Sie behauptet, dass zwar Misch-Mikrofasern seit vielen Jahren bekannt seien, deren besondere hautreinigende Eigenschaft jedoch erst durch die im Gebrauchsmuster der Beklagten festgelegte Merkmalskombination von Materialmischung und Faserstärke bekannt geworden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die weiteren von den Parteien zur Akte gereichten Unterlagen sowie auf die von der Kammer im Beschluss vom 16.12.2002 und in der Ladungsverfügung des Vorsitzenden vom 05.05.2003 (Bl. 128) erteilten Hinweise Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 01.07.2003 ist zulässig.
Die Klage ist insgesamt zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 ZPO für die beiden Feststellungsanträge ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die Beklagte der aus ihrer Gebrauchsmustereintragung resultierenden Ansprüche in der Vergangenheit berühmt hat und dies auch weiterhin tut.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das zu Gunsten der Beklagten eingetragene Gebrauchsmuster …. erfüllt die materiellen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GebrMG. Das von der Klägerin vertriebene Mikrofaser Wellness-Set verletzt dieses Schutzrecht. Die darin enthaltenen Hautreinigungstextilien erfüllen die in Anspruch 1 des Gebrauchsmusters aufgeführten Merkmale. Dies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 trotz fehlender Analyse des von ihr verwendeten Stoffes unstreitig gestellt. Der Beklagten steht demzufolge das Recht zu, im geschäftlichen Verkehr auf diesen Umstand hinzuweisen.
Das Gericht gelangt auf der Grundlage der von der Klägerin zur Akte gereichten Unterlagen sowie der sonstigen von ihr angebotenen Beweismittel nicht zu der Überzeugung, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters der Beklagten in einer Weise vorweggenommen worden ist, dass dieser nicht als neu im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebrMG anzusehen wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er dem zur Zeit der Schutzrechtsanmeldung gültigen Stand der Technik entspräche. Dieser umfasst nach der in § 3 Abs. 1 S. 2 GebrMG enthaltenen Definition alle Kenntnisse, die durch schriftliche Beschreibung oder durch eine auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Eine Vorbekanntheit in diesem Sinne bestand nicht.
Die von der Klägerin als Anlage K 9 (Bl. 31 ff.) vorgelegte Offenlegungsschrift DE … bezieht sich auf Reinigungszwecken dienende Textilstücke. Es finden sich dort zwar Ausführungen zu Mikrofasern aus Polyester oder Polyamidbasis, „die um ein Vielfaches feiner als ein menschliches Haar sind“. Zu der wesentlichen Merkmalskombination eines spezifischen Mischungsverhältnisse dieser Fasern sowie einer bestimmten Garnstärke werden jedoch keine Aussagen getroffen.
Bei den Anlagen K 10 bis K 12 (Bl. 35 bis 45) sowie K 14 bis K 16 (Bl. 52 bis 76) handelt es sich um in Fachzeitschriften erschienene Artikel, die sich allgemein mit den chemischen Eigenschaften bestimmter in der Textilindustrie verwendeter (Mikro)-Fasern befassen. Ein Bezug zu besonderen hautreinigenden Eigenschaften derartiger Fasermischungen wird dabei nicht hergestellt. Dem durchschnittlichen Fachmann wird durch diese zur Zeit der Schutzrechtsanmeldung vorliegenden Publikationen nicht nahe gelegt, dass durch eine Kombination von Materialmischung und Garnstärke, wie sie im Gebrauchsmuster der Beklagten niedergelegt ist, der Effekt einer besonders gründlichen Hautreinigung erzielt werden kann.
Die Anlage K 13 (Bl. 46 ff.), eine WIPO-Veröffentlichung mit der Nr. …, bezieht sich auf einen kosmetischen Handschuh zur Entfernung von Gesichts-Make-up. Sie beschäftigt sich auch ausdrücklich mit dem Einsatz bestimmter Textilien zu kosmetischen Zwecken, enthält jedoch weder genaue Angaben zu Garnstärken, die in den Bereich des Gebrauchsmusters der Beklagten fielen, noch zum Mischungsverhältnis der betreffenden Materialien.
Der Anlage K 19 (Bl. 79), einer Rechnung des Zeugen S. an die Fa. R vom 20.07.1999, lässt sich allenfalls entnehmen, dass dieser die Lieferung von Textilware zugrunde gelegen hat. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese der Hautreinigung dienten. Angaben zu ihrer stofflichen Beschaffenheit fehlen ganz.
Die Anlage K 23 (Bl. 84) stellt eine der Klägerin auf ihre Anfrage hin erteilte Auskunft des Sächsischen Textilforschungsinstitutes dar, in der allgemeine Ausführungen zur Bekanntheit von Matrix- und Mehrfachkomponentenfasern, jedoch keine konkreten Angaben zu den hier relevanten Eigenschaften bei einer Verwendung als Hautreinigungstextilie gemacht werden.
In dem von der Klägerin vorgelegten Prospekt der Fa. R. (Anlage K 21, Bl. 81 f.) wird zur Garnstärke lediglich die Aussage getroffen, dass „jede einzelne Faser 100mal feiner ist als ein Menschenhaar“. Hierdurch wird jedoch nicht eine Faserstärke beschrieben, die in den Anwendungsbereich des Gebrauchsmusters der Beklagten fällt. Die Kammer gelangt zu dieser Schlussfolgerung aufgrund ihrer in der Ladungsverfügung des Vorsitzenden vom 05.05.2003 (Bl. 128) niedergelegten Berechnungen, hinsichtlich derer sie sich auf die von den Parteien vorgelegten Veröffentlichungen der Fa. W. (Bl. 112 ff.) bzw. P. (Anlage K 27, Bl. 125) zu den Eigenschaften des menschlichen Haares, insbesondere seinem längenbezogenen spezifischen Gewicht, gestützt hat. Hiernach gibt die in dem genannten Prospekt getroffene Aussage keine Feinheit der betreffenden Fasern im Bereich von 0,1 bis 0,3 dtex wieder.
In den Anlagen K 22 (Bl. 83) und K 26 (Bl. 124) bestätigt der von der Klägerin benannte Zeuge M. zwar ausdrücklich, dass er die Klägerin seit 1999 mit Produkten beliefert habe, deren Material die im Gebrauchsmuster der Beklagten aufgeführte Merkmalskombination aufgewiesen habe. Es fehlt jedoch an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, aufgrund welcher eigenen Wahrnehmungen der als Verfasser dieser Bestätigungsschreiben zu entsprechenden Bekundungen in der Lage sein sollte. Hierauf hat die Kammer im Beschluss vom 16. 12. 2002 hingewiesen. Die darauf hin von der Klägerin zur Akte gereichte eidesstattliche Versicherung des Zeugen M. K 29 (Bl. 141) lässt erkennen, dass dieser seine Angaben pauschal auf Informationen stützt, die er von nicht näher bezeichneten koreanischen Herstellern bezogen habe. Die Vernehmung dieses Zeugen hatte folglich zu unterbleiben.
Eine neuheitsschädliche Offenkundigkeit der Erfindung der Beklagten kann auch nicht aufgrund der Aussage des Zeugen L. zur Überzeugung des Gerichtes festgestellt werden.
Dieser hat bekundet, dass die von ihm geführte schwedische Fa. D. … schon 1999 Textilien mit den gebrauchsmustergeschützten Eigenschaften an eine Fa. C. in Deutschland geliefert habe. Er hat den von der Klägerin als Muster zur Akte gereichten Schwamm (Anlage K 32, Bl. 163) als ein von seinem Unternehmen in dieser Form in der Zeit von 1995 bis 1999 hergestelltes Produkt identifiziert. Dieses weise eine Fasermischung aus 70 % Polyester und 30 % Polyamid sowie eine Faserstärke von durchschnittlich 0,2 dtex auf. Der Zeuge L. hat die in seinem Unternehmen vorgenommenen Produktionsschritte im Einzelnen erläutert und bekundet, dass er sowohl hinsichtlich der Faserstärke als auch des Mischungsverhältnisses der beteiligten Materialien auf die Angaben derjenigen Hersteller vertraut habe. Diese hätten die betreffenden Garne nach seinen Vorgaben als von der Fa. D. weiter zu verarbeitendes Vorprodukt wie auch jeweils eine entsprechende Aufnahme eines Elektronenmikroskopes geliefert, die ihm jedoch nicht mehr zur Verfügung stünden.
Der Zeuge L. hat weiter ausgesagt, dass er Schwämme gemäß der Anlage K 32 auf der Fachmesse „…“ in … Ende August 2000 angeboten und hierbei von der Fa. C. aus … einen Lieferauftrag erhalten habe, den er kurz darauf ausgeführt und, wie aus der Rechnung Bl. 144 ersichtlich, am 25.09.2000 abgerechnet habe.
Aus dieser Aussage des Zeugen L. folgt keine Vorbekanntheit der Erfindung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 2 GebrMG auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Seinen Bekundungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Zeuge L. auf der genannten Messe oder bei anderer Gelegenheit die seinen Produkten zukommenden Materialeigenschaften schriftlich konkret in einer Weise beschrieben hätte, die über werbemäßige Anpreisungen ihrer Reinigungsqualität hinausginge. In der Verteilung von Produktmustern bzw. der Lieferung entsprechender Waren an die Fa. C. ist auch keine Benutzungshandlung zu erblicken, welche die Erfindung der Öffentlichkeit im Sinne der genannten Vorschrift zugänglich gemacht hätte.
Die hierfür zu fordernde Offenkundigkeit liegt nur dann vor, wenn beliebigen Dritten und damit auch potentiell fachkundigen Personen zuverlässige, ausreichende Kenntnis nicht nur von dem vorbenutzten Gegenstand als solchem, sondern auch gerade von seinen spezifischen Eigenschaften gegeben wird (BGH GRUR 1986, 372, 373 – Thrombozyten-Zählung; BGH GRUR 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem). Dabei kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles darauf an, ob nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass solche dritten Personen die Erfindung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wahrnehmen. Maßgeblich ist insoweit die Frage, ob die erfindungswesentlichen Merkmale klar zu erkennen sind und beim Betrachter Verständnis für das Vorgezeigte vorausgesetzt werden kann (BGH a. a. O.).
Die bloße Präsentation und Veräußerung eines kosmetischen Zwecken dienenden Reinigungsproduktes auf einem Messestand erfüllt diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer nicht. Der Aussage des Zeugen L. zu seinem Auftreten auf der … Messe „…“ lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, nach denen sich ein durchschnittlicher Fachmann für derartige Produkte hierdurch ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die konkreten Materialeigenschaften des Schwammes hätte veranlasst sehen können, einen Testkauf vorzunehmen, um sodann eine elektronenmikroskopische Analyse durchzuführen. Denn die Verwendung von Mikrofasern für derartige kosmetische Reinigungsprodukte war in der Branche bekannt.
Es ist ferner zu berücksichtigen, dass Zielgruppe derartiger Messen Vertreter von Unternehmen sind, welche die betreffenden Produkte an die Verbraucher weiter veräußern. Deren Interesse ist demzufolge auf die Attraktivität der betreffenden Ware aus der Sicht des Endkunden gerichtet. Dieser trifft seine Kaufentscheidung jedoch nicht aufgrund der ihm mitgeteilten besonderen chemischen Eigenschaften der Reinigungstextilie. Im Vordergrund stehen vielmehr Aspekte wie Form- und Farbgebung sowie Preisgestaltung. Die spezifische Beschaffenheit der verwendeten Stoffe im Hinblick auf das Mischungsverhältnis der jeweiligen Fasern sowie die konkrete Garnstärke sind auch mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Nur ein expliziter Hinweis auf diese Besonderheiten hätte deshalb den betreffenden Verkehrskreisen Veranlassung gegeben, die zur Feststellung dieser strukturellen Eigenschaften erforderlichen und mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbundenen Untersuchungen vorzunehmen. Der Zeuge L. hat nicht bekundet, einen derartigen Hinweis in allgemeiner Form oder jedenfalls erkennbar interessierten Personen gegeben zu haben.
Dieses Beweisergebnis geht zu Lasten der Klägerin, welche für die Frage einer neuheitsschädlichen Vorbekanntheit die Darlegungs- und Beweislast trägt. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob die Bekundungen des Zeugen L., der selbst keine Analyse der von seinem Unternehmen hergestellten Schwämme vorgenommen hat, als für eine entsprechende Überzeugungsbildung ausreichender Nachweis angesehen werden kann, dass dieses Produkt die von ihm angenommenen Eigenschaften aufgewiesen hat.
Zweifel ergeben sich insoweit aus dem Umstand, dass das Unternehmen des Zeugen L. selbst lediglich mit dem Verweben von dritter Seite gelieferten Fasermaterials mittels Web- bzw. Wirkstühlen befasst ist. Die für die hier relevanten Materialeigenschaften maßgeblichen Arbeitsschritte, nämlich die Herstellung der Fasern wie auch das von ihm so bezeichnete Splittingverfahren werden hingegen von anderen Unternehmen durchgeführt, so dass sie sich der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen L. entziehen.
Dieser hat außerdem davon gesprochen, dass es sich bei der von ihm angegebenen Faserstärke von 0,2 dtex um einen Durchschnittswert handele. Hieraus ergibt sich, dass das von der Fa. D. vertriebene Produkt unter Umständen auch Fasern enthält, welche dicker als die im Gebrauchsmuster der Beklagten genannte Obergrenze von 0,3 dtex sind.
Die Erfindung der Beklagten beruht auch auf einem erfinderischen Schritt. Hierunter ist ein Maß an Erfindungshöhe zu verstehen, das den dis dahin gegebenen Stand der Technik nicht unerheblich bereichert (vgl. nur BGH GRUR 1969, 271 – Zugseilführung). Diese Bereicherung ist hier in der Erkenntnis einer besonders günstigen Reinigungseigenschaft von Textilien zu sehen, deren Materialmischung sowie Garnstärke die im Gebrauchsmuster beschriebenen Merkmale aufweisen. Den von der Klägerin zur Akte gereichten Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass diese erhöhte hautreinigende Wirkung dem schon zuvor gegebenen Stand der Technik entsprach. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu den einzelnen Entgegenhaltungen der Klägerin verwiesen werden.
Der Klägerin steht auch kein Vorbenutzungsrecht i. S. v. § 13 Abs. 3 GebrMG i. V. m. § 12 Abs. 1 S. 1 PatG zu. Die Anlage K 17 (Bl. 77), ein Angebot der Klägerin an ein Teleshopping-Unternehmen vom 07.04.2000, enthält keine Angaben zu den relevanten Merkmalen des dort bezeichneten Produktes der Klägerin. Bei der Anlage K 18 (Bl. 78) handelt es sich um ein im März 2003 aufgesetztes Schreiben des Zeugen S., das im Hinblick auf an die Klägerin seit 1999 gelieferte Ware zwar ein Mischungsverhältnis von 70 % Polyester und 30 % Polyamid nennt, zur Frage der Garnstärke jedoch schweigt und keine Auskunft darüber gibt, woher dieser Zeuge seine entsprechenden Kenntnisse bezieht. Auch hinsichtlich dieses Zeugen war demzufolge von einer Vernehmung abzusehen. Trotz des im Beschluss vom 16.12.2002 erteilten Hinweises der Kammer hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin die zur Substantiierung ihres diesbezüglichen Vortrages erforderlichen Unterlagen wie authentische Angebotsschreiben, Lieferpapiere oder Rechnungen, aus welchen sich die betreffenden Parameter ergeben, nicht vorgelegt.

Vor diesem Hintergrund kann die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass das von ihr vertriebene Mikrofaser Wellness-Set das Gebrauchsmuster der Beklagten nicht verletze, nicht getroffen werden. Die Beklagte ist zur Unterlassung ihrer entsprechenden Behauptung nicht verpflichtet. Folglich kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen dieser Behauptung nicht in Betracht, so dass auch ein der Berechnung eines solchen Schadens dienender Auskunftsanspruch nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 ZPO.
Den Streitwert des Verfahrens hat die Kammer bereits gemäß § 12 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO im Versäumnisurteil vom 01.07.2003 festgesetzt.