Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. September 2013, Az. 4a O 184/12
Leitsätze der Redaktion
Für das Entstehen einer sortenschutzrechtlichen Auskunftspflicht nach § 10a Abs. 6 SortG, Art. 14 Abs. 3, 6. Gedankenstrich GemSortV i.V.m. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 ist erforderlich, aber auch aus – reichend, dass ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt dafür bestand, dass er abstrakt die Möglichkeit zu einem Nachbau hatte. Hierfür genügte der Besitz des entsprechenden Saatgutes.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 391,50 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin wurde von verschiedenen Sortenschutzinhabern und Inhabern von ausschließlichen Nutzungsrechten an Sortenschutzrechten zur Wahrnehmung von deren Rechten gegenüber Landwirten im Zusammenhang mit dem von diesen betriebenen Nachbau ihrer Sorten beauftragt und ermächtigt, diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Dazu gehören auch die Sortenschutzinhaber und ausschließlichen Nutzungsberechtigten der in den ursprünglichen Klageanträgen zu 1) bis 3) näher bezeichneten Sorten.
Der Beklagte betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb.
Er legte zur Ernte 2006 jeweils eine vertragliche Vermehrung der Sorten „A“ und „B“, zur Ernte 2007 eine vertragliche Vermehrung der Sorte „C“, sowie zu den Ernten 2008, 2009 und 2010 jeweils eine vertragliche Vermehrung der Sorten „D“ und „E“ an (Anlage K 4).
Im April 2009, im April 2010 und im Mai 2011 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich auf, ihr jeweils Auskunft über den von ihm betriebenen Nachbau der entsprechenden Sorten in den Wirtschaftsjahren 2008/2009, 2009/2010 und 2010/2011 zu erteilen. Den Schreiben war eine Aufstellung derjenigen der oben genannten Sorten beigefügt, von deren Nachbau die Klägerin aufgrund ihrer dem jeweiligen Wirtschaftsjahr zeitlich vorausgegangenen Vermehrung durch den Beklagten ausging (Anlagenkonvolut 1).
Da der Beklagte nicht reagierte, forderte die Klägerin ihn mit Schreiben vom 21.08.2009 für das Wirtschaftsjahr 2008/2009, mit Schreiben vom 17.09.2010 für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 und mit Schreiben vom 26.08.2011 für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 erneut zur Erteilung der geforderten Auskunft auf (Anlagenkonvolut 2). Auch diese Schreiben blieben unbeantwortet.
Die Klägerin beauftragte in der Folgezeit ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, die den Beklagten mit Schreiben vom 20.11.2009 für 2008/2009, mit Schreiben vom 14.12.2010 für 2009/2010 und mit Schreiben vom 23.11.2011 für 2010/2011 erneut aufforderten, Auskunft zu erteilen (Anlagenkonvolut K 3). Die Kosten ihrer Inanspruchnahme durch die Klägerin berechneten die Prozessbevollmächtigten für jedes Schreiben unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von € 1.000,- und einer 1,3 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG von jeweils € 20,-.
Die Klägerin hat ursprünglich im Wege der am 05.01.2013 zugestellten Stufenklage beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob er in dem Wirtschaftsjahr 2008/2009 (Anbau zur Ernte 2009) in seinem Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten XXX im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über
– die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzguts und
– im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen,
sowie die erteilten Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob er in dem Wirtschaftsjahr 2009/2010 (Anbau zur Ernte 2010) in seinem Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten XXX im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über
– die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzguts und
– im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen,
sowie die erteilten Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;
3. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob er in dem Wirtschaftsjahr 2010/2011 (Anbau zur Ernte 2011) in seinem Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten XXX im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über
– die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzguts und
– im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen,
sowie die erteilten Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;
4. an die Klägerin EUR 391,50 zu zahlen;
5. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemäß Ziffer 1, Ziffer 2 und Ziffer 3 des Antrags gemachten Angaben an Eides statt zu versichern;
6. an die Klägerin Nachbaugebühren und/oder Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziff. 1, Ziffer 2 und Ziffer 3 des Antrags noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 und/oder 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat nach Erhebung der Klage mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 01.02.2013 erklärt, keinen Nachbau zu betreiben und sämtliches Getreide, das angebaut werde, abzuernten und komplett zu vermarkten.
Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.03.2013 ihren Antrag zu Ziffer 5 fallen gelassen und den Rechtsstreit im Übrigen im Hinblick auf Ziffer 1, Ziffer 2, Ziffer 3 und Ziffer 6 in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 29.05.2013 ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt im Hinblick auf Ziffer 4 des Klageantrags,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, zu einer Erteilung von Auskunft gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet gewesen zu sein.
Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben mit Schriftsatz vom 12.06.2013 (Klägerin) und Schriftsatz vom 11.07.2013 erklärt, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann Ersatz für die ihr entstandenen Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens, §§ 280 Abs. 1, 2 i.V.m. § 286 BGB fordern.
I.
Der Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Erfüllung seiner Auskunftspflicht gemäß § 10a Abs. 6 SortG, Art. 14 Abs. 3, 6. Gedankenstrich GemSortV i.V.m. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24.07.1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz („GemNachBV“) in Verzug, nachdem ihn die Klägerin für die in Streit stehenden Wirtschaftsjahre jeweils unter Nennung von Anhaltspunkten um Auskunft ersucht und infolge der Nichterteilung der Auskunft unter Fristsetzung gemahnt hatte.
Nach den genannten Vorschriften sind Landwirte, die Nachbau betreiben, verpflichtet, dem Sortenschutzinhaber auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, ob und wenn ja mit welchen Sorten und in welchem Umfang sie auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen Nachbau betreiben. Um eine entsprechende Auskunftspflicht zu begründen, genügt es, dass ein tatsächlicher Anhaltspunkt für einen gegenwärtigen oder künftigen Nachbau vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 10.04.2003, Az.: C – 305/00, BGH, Urteil vom 13.09.2005, Az.: X ZR 170/04). Ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte im vorgenannten Sinn liegen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich dann vor, wenn ein Landwirt in seinem Betrieb über zu Gunsten eines Sortenschutzinhabers geschütztes Vermehrungsmaterial verfügt hat und deshalb die Möglichkeit hatte, daraus gewonnenes Erntegut wiederum als Vermehrungsmaterial einzusetzen (vgl. OLG München, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 6 U 3623/02; OLG Frankfurt, Urteil vom 29.03.2004, Az.: 6 U 25/00; LG Braunschweig, Urteil vom 25.02.2004, Az.: 9 O 2451/01; LG Bad Kreuznach, Urteil vom 28.04.2004, Az.: 2 O 345/00).
So liegt der Fall hier. Unstreitig hat der Beklagte zur Ernte 2006 jeweils eine vertragliche Vermehrung der Sorten „A“ und „B“, zur Ernte 2007 eine vertragliche Vermehrung der Sorte „C“, sowie zu den Ernten 2008, 2009 und 2010 jeweils eine vertragliche Vermehrung der Sorten „D“ und „E“ angelegt. Daraus ergibt sich, dass er über zertifiziertes Saatgut der jeweiligen Sorten verfügte, mit denen er im der jeweiligen Ernte nachfolgenden Wirtschaftsjahr Nachbau hätte betreiben können.
Bei dieser Sachlage bedurfte es entgegen der Auffassung des Beklagten keiner hierüber hinausgehenden Anhaltspunkte, die auf eine konkrete Verwendung des ihm zur Verfügung stehenden Vermehrungsmaterials zu Nachbauzwecken schließen ließen. Für das Entstehen der den Beklagten treffenden sortenschutzrechtlichen Auskunftspflicht war erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt dafür bestand, dass er abstrakt die Möglichkeit zu einem Nachbau hatte. Hierfür genügte der Besitz des entsprechenden Saatgutes.
Der Beklagte wurde von der Klägerin mit Schreiben vom April 2009, April 2010 und Mai 2011 unter konkreter Bezugnahme auf Sorten zur Auskunft aufgefordert, für die der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte vorlagen, dass der Beklagte aufgrund des Besitzes zertifizierten Saatgutes zu einem Nachbau in den jeweils in Bezug genommenen Wirtschaftsjahren in der Lage war. Der Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass er die entsprechenden Auskunftsverlangen erhalten hat. Die Schreiben, die jeweils eine Aufforderung enthielten, die Angaben der Klägerin zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, stellten eine den Anforderungen der Rechtsprechung genügende Aufforderung zur Auskunftserteilung dar. Zumindest zu den konkret benannten Sorten hätte der Beklagte daher Auskunft erteilen müssen. Nachdem der Beklagte auch die auf die jeweiligen Anschreiben folgenden Erinnerungen vom 21.08.2009, 17.09.2010 und 26.08.2011 unstreitig erhalten und die darin jeweils gesetzte Nachfrist bis zum 14.09.2009, 15.10.2010, und 07.10.2011 fruchtlos verstreichen hat lassen, befand er sich in Verzug, als die Klägerin ihn durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit anwaltlichen Schreiben vom 20.11.2009, 14.12.2010 und 23.11.2011 erneut außergerichtlich zur Erteilung von Auskunft auffordern ließ, § 286 Abs. 1 BGB.
Die Angemessenheit der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Rechnung gestellten, von ihm als Schadensersatz zu ersetzenden Gebühren nach dem RVG hat der Kläger zu Recht nicht in Abrede gestellt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Hs), 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Ihren angekündigten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gemäß Ziffer 5 konnte die Klägerin ohne Rücknahme und ohne Kostenfolge fallen lassen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf Ziffer 1, Ziffer 2, Ziffer 3 und Ziffer 6 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage führt dazu, dass diese Kosten dem Beklagten aufzuerlegen waren. Denn die Klage hätte auch insoweit in der Sache Erfolg gehabt.
Der Beklagte war bis zum Eintritt der Erledigung zur Auskunftserteilung verpflichtet. Insoweit kann zur Begründung zunächst auf die Ausführungen unter Ziffer I. Bezug genommen werden. Seine Verpflichtung, geeignete Nachweise zur Überprüfung der Auskunftserteilung zu erbringen, ergab sich aus Art. 14 Abs. 1 GemNachbV.
Im Hinblick auf Ziffer 6 stand der Klägerin bis zum Eintritt der Erledigung ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihr durch die nicht rechtzeitige Erteilung der durch den Beklagten geschuldeten Auskünfte entstanden ist. Dieser umfasst die Kosten, die der Klägerin durch die Erhebung ihrer im Hinblick auf den Anspruch auf Nachbaugebühren oder Schadensersatz gemäß Ziffer 6 unbegründeten Stufenklage entstanden sind. Denn die Erhebung einer Stufenklage, die das Gesetz den Parteien in Fällen der vorliegenden Art in § 254 ZPO aus Gründen der Prozessökonomie zur Verfügung stellt, ist in solchen Fällen die adäquate Folge des säumigen Verhaltens eines Auskunftsschuldners (vgl. BGH NJW 1994, 2895 (2896)). Einen entsprechenden Schadensersatzanspruch hat die Klägerin vorliegend auch prozessual geltend gemacht. Denn insoweit war in dem Antrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21.03.2013, die Erledigung der Hauptsache in Hinblick auf Ziffer 6 festzustellen und dem Beklagten insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zugleich das Begehren zu sehen, die Ersatzpflicht des Beklagten für nutzlos aufgewendete Kosten festzustellen (vgl. BGH, a.a.O. (2896)). Der insoweit im Wege einer sachdienlichen Klageänderung geltend gemachte Schadensersatzanspruch hätte ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung des Beklagten im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.05.2013 in der Sache Erfolg gehabt, weil die Klägerin erst durch die verspätete Auskunftserteilung durch den Beklagten Klarheit über das Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs hatte und der Beklagte schuldhaft seiner Auskunftsverpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen ist.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 108 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird bis zum 29.05.2013 auf € 3.000,-, danach auf € 391,50 zzgl. der gesamten Kosten des Verfahrens festgesetzt.