4a O 241/07 – Luftweg-Intubationsvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 859

Landgericht Düsseldorf
Teilversämnis- und Schlussurteil vom 10. Januar 2008, Az. 4a O 241/07

I. Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtungen zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten, welche folgende Teile umfassen: ein flexibles Intubationsrohr und eine Maske, welche an einem Ende des Intubationsrohrs angebracht ist, wobei die Maske ein flexibles, ringförmiges Umfangsgebilde von ungefähr elliptischer Form aufweist, das sich an den tatsächlichen und möglichen Raum hinter dem Kehlkopf anpassen kann und bequem in diesen Raum hineinpassen kann, wobei eine Abdichtung um den Umfang des Kehlkopfeinlasses ausgebildet wird, ohne dass die Vorrichtung in das Innere des Kehlkopfes eindringt, wobei das ringförmige Umfangsgebilde ein Lumen der Maske umgibt und das Intubationsrohr in das Lumen der Maske so eintritt, dass die Achse des Intubationsrohrs im wesentlichen in derselben Ebene wie die Hauptachse des Umfangsgebildes liegt,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen,
die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Intubationsrohr in das Lumen durch eine Öffnung eintritt, über die sich mehrere flexible Querstäbe erstrecken, die so angeordnet sind, dass sie den Kehldeckel (Epiglottis) davor zurückhalten und so verhindern, dass er die Öffnung blockiert, während sie das Vorbeiführen eines zweiten kleineren Rohrs erlauben, sofern dies erforderlich ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, nach Wahl der Klägerin die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland noch in ihrem Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 80 % und der Klägerin zu 20 % auferlegt.

V. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Einspruchsfrist wird auf drei Wochen festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 294 xxx B1 auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Vernichtung in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 02.06.1988 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 07.12.1988 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 15.04.1992 veröffentlicht. Eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist die A Company Ltd., die Muttergesellschaft der Klägerin. Die Klägerin selbst ist hinsichtlich des Klageschutzrechts in Deutschland Lizenznehmerin und durch die Muttergesellschaft ermächtigt, im eigenen Namen alle Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents in Deutschland gerichtlich gegen die Beklagte geltend zu machen.

Gegenstand des Klagepatents ist eine künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtung zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten. Der von der Klägerin geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 hat in der deutschen Übersetzung der englischen Originalfassung folgenden Wortlaut:

1. Künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtung zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten, welche folgende Teile umfasst:
ein gebogenes oder flexibles Intubationsrohr (10) und eine Maske (12), welche an einem Ende des Intubationsrohrs (10) angebracht ist, wobei die Maske (12) ein flexibles, ringförmiges Umfangsgebilde (14) von ungefähr elliptischer Form aufweist, das sich an den tatsächlichen und möglichen Raum hinter dem Kehlkopf (38) anpassen und bequem in diesen Raum hineinpassen kann, wobei eine Abdichtung um den Umfang des Kehlkopfeinlasses (36) ausgebildet wird, ohne dass die Vorrichtung in das Innere des Kehlkopfes (38) eindringt, wobei das ringförmige Umfangsgebilde (14) einen hohlen Innenraum oder Lumen (18) der Maske (12) umgibt und das Intubationsrohr (10) in das Lumen (18) der Maske (12) so eintritt, dass die Achse des Intubationsrohrs (10) im Wesentlichen in derselben Ebene wie die Hauptachse des Umfangsgebildes (14) liegt,
dadurch gekennzeichnet, dass das Intubationsrohr (10) in das Lumen (18) durch eine Öffnung (19) eintritt, über die sich ein oder mehrere flexible Querstäbe (21) erstrecken, die so angeordnet sind, dass sie den Kehldeckel (Epiglottis) (32) vorher zurückhalten und so verhindern, dass er die Öffnung (19) blockiert, während sie das Vorbeiführen eines zweiten kleineren Rohrs erlauben, sofern dies erforderlich ist.

Die Beklagte ist ein Anbieter von Medizinprodukten mit Sitz in China und bietet ihre Produkte auf verschiedenen Messen in China und im Ausland an. Zu den von ihr vertriebenen Produkten gehören auch Luftweg-Intubationsvorrichtungen. Auf der Messe MEDICA im Jahr 2007 in Düsseldorf stellte die Beklagte auf ihrem Stand solche Luftweg-Intubationsvorrichtungen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) nebst entsprechendem Werbematerial aus. Diese angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

mit Versäumnisurteil

I. die Beklagte zu verurteilen,
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtungen zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten, welche folgende Teile umfassen: ein flexibles Intubationsrohr und eine Maske, welche an einem Ende des Intubationsrohrs angebracht ist, wobei die Maske ein flexibles, ringförmiges Umfangsgebilde von ungefähr elliptischer Form aufweist, das sich an den tatsächlichen und möglichen Raum hinter dem Kehlkopf anpassen kann und bequem in diesen Raum hineinpassen kann, wobei eine Abdichtung um den Umfang des Kehlkopfeinlasses ausgebildet wird, ohne dass die Vorrichtung in das Innere des Kehlkopfes eindringt, wobei das ringförmige Umfangsgebilde ein Lumen der Maske umgibt und das Intubationsrohr in das Lumen der Maske so eintritt, dass die Achse des Intubationsrohrs im wesentlichen in derselben Ebene wie die Hauptachse des Umfangsgebildes liegt,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen,
die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Intubationsrohr in das Lumen durch eine Öffnung eintritt, über die sich mehrere flexible Querstäbe erstrecken, die so angeordnet sind, dass sie den Kehldeckel (Epiglottis) davor zurückhalten und so verhindern, dass er die Öffnung blockiert, während sie das Vorbeiführen eines zweiten kleineren Rohrs erlauben, sofern dies erforderlich ist,

II. die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 15.05.1992 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten und -preisen (und Produktbezeichnung) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und Produktbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschlang ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A Co. Ltd. durch die in Ziffer I. bezeichneten seit dem 15.05.1992 entstanden ist und noch entstehen wird,

IV. die Beklagte zu verurteilen, nach Wahl der Klägerin die noch in ihrem Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben.

Der Beklagten ist am 16.11.2007 die Klageschrift vom 14.11.2007 und die Ladung zum frühen ersten Termin am 18.12.2007 nebst den Hinweisen zu den Folgen einer Säumnis im Termin zugestellt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Beklagte kein postulationsfähiger Rechtsanwalt erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Klageanträge zu I. und IV. begründet.

A.
Hinsichtlich der Anträge zu I. und IV. ist über die Klage durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Beklagte ist säumig gewesen, weil im frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2007 trotz ordnungsgemäßer Ladung kein postulationsfähiger Rechtsanwalt für sie erschienen ist. Gemäß Paragraph 331 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist daher das tatsächliche mündliche Vorbringen der Klägerin als zugestanden anzunehmen, das die Klageanträge zu I. und IV. schlüssig begründet.

I.
Die Klageanträge zu I. und IV. sind zulässig.
1. Das Landgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung über die Klageanträge zu I. und IV. international zuständig. Nach dem als unstreitig zu behandelnden Vortrag der Klägerin bot die Beklagte die angegriffenen Intubationsvorrichtungen auf der MEDICA in Düsseldorf an. Dies begründet nach Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen die internationale – und damit zugleich in Verbindung mit der Verordnung über die Zuweisung von Patentstreitsachen, Gebrauchsmusterstreitsachen und Topographieschutzsachen an das Landgericht Düsseldorf vom 13. Januar 1998 die örtliche – Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
2. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Sie wurde durch die eingetragene Inhaberin des Klagepatents ermächtigt, im eigenen Namen alle Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents in Deutschland gerichtlich gegen die Beklagte geltend zu machen. Das eigene Interesse der Klägerin an der gerichtlichen Durchsetzung wird dadurch begründet, dass sie einfache Lizenznehmerin der Inhaberin des Klagepatents im Hinblick auf dieses Patent ist und durch eine Verletzungshandlung auch ihre Umsätze geschmälert werden. Da der geltend gemachte Unterlassungs- und Vernichtungsanspruch nicht ohne das Patent übertragbar sind, besteht ein Bedürfnis für eine gewillkürte Prozessstandschaft.

II.
Die Klageanträge zu I. und IV. sind begründet.
1. Die Beklagte bot nach den als unstreitig zu behandelnden Ausführungen der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland Intubationsvorrichtungen an, die die technische Lehre des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen. Da die Beklagte zu diesen Benutzungshandlungen nicht berechtigt war, ist sie der eingetragenen Inhaberin des Klagepatents gegenüber zur Unterlassung verpflichtet (Artikel 64 des Europäischen Patentübereinkommens – EPÜ, Paragraph 139 Absatz 1 des Patentgesetzes – PatG).
2. Der Vernichtungsanspruch folgt aus Paragraph 140a PatG.

B.
Die Klageanträge zu II. und III. sind zulässig, aber unbegründet.

I.
Die Klageanträge zu II. und III. sind zulässig.
1. Das Landgericht Düsseldorf ist auch für die Entscheidung über die Klageanträge zu II. und III. international und örtlich zuständig. Zur Begründung kann ohne Einschränkung auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
2. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, da sie die Anträge zu II. und III. im eigenen Namen und aus eigenem Recht geltend macht. Sie begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Klägerin – allen Schaden zu ersetzen (Antrag zu III.). Ebenso verlangt sie, die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – Rechnung zu legen (Antrag zu II.), um ihren Schadensersatzanspruch vorbereiten zu können. Ein Fall der Prozessstandschaft für die Muttergesellschaft liegt nicht vor.

II.
Die Klageanträge zu II. und III. sind jedoch unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus Artikel 64 EPÜ, Paragraph 139 Absatz 2 PatG schlüssig dargelegt. Die Klägerin ist einfache Lizenznehmerin und kann den Ersatz ihres eigenen Schadens nicht verlangen (BGH GRUR 2004, 758, 763 – Flügelradzähler). Dementsprechend macht sie geltend, dass die Beklagte verpflichtet sei, den der A Co. Ltd. durch die Patentverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Um aber den Ersatz von Schäden, die einem Dritten entstanden sind, verlangen zu können, bedarf es der Übertragung des Ersatzanspruchs. Diese ist – anders als im Fall des Unterlassungs- und des Vernichtungsanspruchs – auch zulässig. Die Klägerin hat eine Abtretung des der A Co. Ltd. zustehenden Schadensersatzanspruchs jedoch nicht dargelegt. Die Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche genügt nicht, da sie lediglich die Prozessführungsbefugnis, nicht aber die materiellrechtliche Befugnis betrifft, den Anspruch im eigenen Namen als eigenes Recht geltend zu machen.
2. Mit dieser Begründung ist auch ein Anspruch der Klägerin auf Rechnungslegung und Auskunft aus Artikel 2 Absatz 2, Artikel 64 EPÜ, Paragraph 140b PatG, Paragraph 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verneinen. Aus eigenem Recht steht der Klägerin ein solcher Anspruch nicht zu. Eine Abtretung hat sie nicht dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 und 11, 711 ZPO.

Streitwert: 125.000,00 EUR.