4a O 209/07 – Spitzenkappe

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 993

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. Dezember 2008, Az. 4a O 209/07

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 192 xxx B1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 12.12.1995 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 12.12.1994 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 03.08.2005 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte zu 1) erhob mit Schriftsatz vom 22.05.2008 beim Bundespatentgericht (BPatG) Nichtigkeitsklage hinsichtlich des Klagepatents, über die noch nicht entschieden wurde.

Das Klagepatent betrifft eine Spitzenkappe zum sicheren Abdichten der Spitze eines Subkutanspritzenzylinders. Die von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1 und 4 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, lauten in der deutschen Übersetzung wie folgt:

1. Endstückkappenanordnung (54) für den Zylinder (12) einer Injektionsspritze (10), wobei der Zylinder ein distal vorstehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurchgang (24) aufweist, der sich durch das Endstück erstreckt, wobei die Endstückkappenanordnung (54) aufweist:
eine Hülse (44) am Zylinder am Endstück oder die sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine äußere Kappe (58), die sicher um die innere Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die innere Kappe (56) abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44) sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht wird, und wobei die innere Kappe (56) vom Endstück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äußeren Kappe (58) von der Hülse (22) getrennt werden kann;
dadurch gekennzeichnet, dass eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbefugten Eingriffes vorhanden ist, die sich zwischen der Hülse (44) und der äußeren Kappe (58) für das Anzeigen der Trennung der äußeren Kappe (58) von der Hülse (44) erstreckt.

4. Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere und die äußere Kappe (56, 58) eine Einrichtung (68, 78) für das Verhindern einer relativen axialen Bewegung dazwischen umfasst.

Wegen des im Rahmen eines „insbesondere“-Antrags geltend gemachten Unteranspruchs 9 wird auf die Übersetzung der Klagepatentschrift (Anlage K9a) Bezug genommen. Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung abgebildet. Figur 2 und 3 zeigen im Seitenriss das distale Ende eines Spritzenzylinders und einer Spitzenkappenbaugruppe, einmal im auseinandergezogenen Zustand und einmal im zusammengebauten Zustand. Ein Querschnitt durch die Figur 3 ist in der Figur 4 abgebildet. Weitere Querschnitte durch die einzelnen Bauteile einer Spitzenkappenbaugruppe – Innenkappe, Außenkappe und Luerbund – sind in den Figuren 5 bis 7 abgebildet.

Die Beklagte zu 1), ein Unternehmen der A, ist auf dem Gebiet der Herstellung von Glas und Plastik unter anderem für vorgefüllte Spritzensysteme spezialisiert. Die Beklagte zu 2) ist die Muttergesellschaft der A und insbesondere Herstellerin von Produkten aus Glas und Kunststoff für die Pharma- und Lifescience-Industrie. Die Beklagte zu 1) stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „B“ ein Verschlusssystem für vorgefüllte Luerlockspritzen (nachfolgend als angegriffene Ausführungsform bezeichnet). Dieses Verschlusssystem wird auch von der Beklagten zu 2) im Rahmen ihres Internetauftritts in einer Broschüre beworben. Auf die als Anlage K5 zur Akte gereichte Broschüre wird Bezug genommen. Nachstehend sind Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben, die aus der Broschüre der Beklagten zu 2) stammen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre der kombinierten Klagepatentansprüche 1 und 4 wortsinngemäß Gebrauch. Eine erfindungsgemäße innere Kappe habe die Funktion, das Endstück des Spritzenzylinders abzudichten. Anders als bei einem Stopfen erfolge dies bei einer Kappe durch die Abdeckung der Oberfläche der Spitze. Der Gummieinsatz der angegriffenen Ausführungsform weise die funktionalen und konstruktiven Eigenschaften einer erfindungsgemäßen Innenkappe auf, weil er die distale Oberfläche des Endstücks abdecke. Aufgrund seiner Elastizität komme er mit dem Ende der Spitze in Eingriff und dichte sie ab. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass die innere und äußere Kappe einer erfindungsgemäßen Spitzenkappenbaugruppe keine bestimmten Materialeigenschaften aufweisen müssten. Abgesehen davon sei die äußere Kappe so starr, dass sie mit der Hülse der angegriffenen Ausführungsform verschraubt werden könne und die Innenkappe schützend einschließe, weil der Drehverschluss härter als der Gummieinsatz sei und aus einem anderen Material bestehe.

Die Klägerin beantragt,

A die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gerichts festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Endstückkappenanordnung für den Zylinder einer Injektionsspritze
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei der Zylinder ein distal vorstehendes Endstück mit einem Fluiddurchgang aufweist, der sich durch das Endstück erstreckt, wobei die Endstückkappenanordnung aufweist:
eine Hülse am Zylinder am Endstück oder die sicher um das Endstück in Eingriff kommen kann,
eine innere Kappe, die abdichtend mit dem Endstück in Eingriff kommen kann,
eine äußere Kappe, die sicher um die innere Kappe angeordnet wird oder werden kann und lösbar mit der Hülse in Eingriff gebracht wird,
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die innere Kappe abdichtend mit dem Endstück in Eingriff kommt, wenn die Hülse sicher um das Endstück in Eingriff gebracht wird, und wobei die innere Kappe vom Endstück als Reaktion auf eine Trennung der äußeren Kappe von der Hülse getrennt werden kann,
dadurch gekennzeichnet, dass eine Einrichtung zum Anzeigen eines unbefugten Eingriffes vorhanden ist, die sich zwischen der Hülse und der äußeren Kappe für das Anzeigen der Trennung der äußeren Kappe von der Hülse erstreckt,
wobei die innere und die äußere Kappe eine Einrichtung für das Verhindern einer relativen axialen Bewegung dazwischen umfasst.
II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Rechnungen und Lieferscheinen zumindest hinsichtlich der Angaben zu A. II. 1., 2. und 3. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter A. I. bezeichneten Handlungen seit dem 03.09.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe
1. der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
2. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
3. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
4. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
5. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
6. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

B die Beklagte zu 2) zu verurteilen,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gerichts festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
eine Endstückkappenanordnung für den Zylinder einer Injektionsspritze wie unter A I. beschrieben
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Rechnungen und Lieferscheinen zumindest hinsichtlich der Angaben zu B II 1. und 2. über den Umfang der zu B I. bezeichneten Handlungen, seit dem 03.09.2005 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten zu 2) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

C die Beklagten zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu A I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

D festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu A I. und B I. bezeichneten und seit dem 03.09.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise der Klägerin zu gestatten, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung abzuwenden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Erledigung der gegen den deutschen nationalen Teil des europäischen Patents 1 192 xxx B1 erhobenen Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) auszusetzen,

hilfsweise den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagten sind der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt. Unter einer Kappe sei ein Bauteil zu verstehen, das als Abdeckung ein anderes Bauteil überwölbe. Die innere Kappe müsse Abschnitte der Spitze einschließen, um den Durchgang durch die Spitze abzudichten. Dies ergebe sich aus dem Erfordernis, dass die innere Kappe mit dem Endstück abdichtend in Eingriff komme. Auch die Verwendung des Begriffs „äußere Kappe“ und ihre Funktion, die innere Kappe zu schützen, weise darauf hin, dass die innere Kappe nicht nur auf der Spitze aufliegen, sondern auch Abschnitte des Endstücks umschließen müsse. Eine solche innere Kappe weise die angegriffene Ausführungsform nicht auf, weil der Gummieinsatz lediglich auf der Spitze aufliege. Nicht einmal der Fortsatz an der Unterseite diene als Stopfen und dichte nicht die Spitze ab. Die Dichtfunktion übernehme der aus einem elastischen Material geformte Drehverschluss. Dieser stelle keine erfindungsgemäße äußere Kappe dar, weil er nicht „starr“ sei. Auch wenn diese Eigenschaft nicht im Klagepatentanspruch genannt sei, müsse sie in den Anspruch hineingelesen werden, da die äußere Kappe andernfalls nicht sicher um die innere Kappe angeordnet werden könne und sie schützend einschließen könne. Tatsächlich – das ist unstreitig – bestehe der Drehverschluss aber aus thermoplastischem Material der Härte 56. Der Gummieinsatz habe die Härte 54. Werde der Drehverschluss fest angefasst, werde auch der Gummieinsatz verformt. Daher habe die angegriffene Ausführungsform keine äußere Kappe, die sicher um eine innere Kappe angeordnet sei.

Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren nicht als rechtsbeständig erweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, 140b Abs. 1, §§ 242, 259 BGB. Die Beklagten machen mit der angegriffenen Ausführungsform keinen wortsinngemäßen Gebrauch von der Lehre des Klagepatentanspruchs.

I.
Das Klagepatent schützt mit den in Kombination geltend gemachten Patentansprüchen 1 und 4 Spitzenkappen zum sicheren Abdichten der Spitze eines Subkutanspritzenzylinders.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass Subkutanspritzen herkömmlich einen Spritzenzylinder mit einer länglichen Spitze an ihrem distalen Ende aufweisen. Die Spitze enthält einen engen Durchgang, der mit dem Zylinder in Verbindung steht und dem Durchfluss der im Zylinder befindlichen Arzneimittel dient. Für die Befestigung einer Nadelkanüle auf dem Spritzenzylinder wird üblicherweise eine Nadelbaugruppe benutzt. Zu einer solchen Baugruppe gehört auch ein Verbindungsstück, das mit Befestigungsmitteln auf dem Spritzenzylinder ineinandergreifen kann, um die Nadel mit dem Spritzenzylinder zu verbinden. Als Verbindungsstück ist im Stand der Technik vor allem ein Luer-Bund bekannt, der in einem konzentrischen Abstandsverhältnis um die Spitze des Spritzenzylinders angeordnet ist.

Arzneimittel, die in einem Spritzenzylinder vorgefüllt werden, müssen abgedichtet werden, um eine Kontamination oder einen Verlust des Arzneimittels zu verhindern. Außerdem sorgt eine Abdichtung dafür, dass Personen, die mit diesen Spritzen hantieren, nicht unnötig Arzneimitteln ausgesetzt sind. Im Stand der Technik werden unter anderem Stopfen zur Abdichtung der Spitze des Spritzenzylinders verwendet. Die Stopfen werden über der Spitze am distalen Ende des Spritzenzylinders angebracht, um ein Auslaufen zu verhindern und eine Kontamination des Arzneimittels zu vermeiden. Ebenso sind im Stand der Technik Spitzenkappen bekannt. Sie werden aus Elastomer-Material geformt und werden reibschlüssig und/oder elastisch im Eingriff mit der Spitze des Spritzenzylinders nach dem bekannten technischen Stand gehalten. Kurz vor der Benutzung der Spritze kann die aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenkappe von der Spitze des Spritzenzylinders abgenommen werden.

Laut Klagepatentschrift funktionieren die aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen im Allgemeinen gut. Als Nachteil wird jedoch angesehen, dass die im elastischen und/oder reibschlüssigen Eingriff mit der Spitze des Spritzenzylinders befindliche Spitzenkappe als Reaktion auf eine unbeabsichtigt ausgeübte Kräfte oder aufgrund von Größenänderungen oder Instabilität der Elastomerdichtung versehentlich außer Eingriff mit dem Spritzenzylinder gebracht werden kann. Außerdem entsteht bei der Abnahme der Elastomer-Spitzenkappe von der Spitze des Spritzenzylinders ein Vakuum, das zum Verlust von Arzneimitteln und zu unnötigem Kontakt des Personals mit dem Arzneimittel führen kann. Schließlich zeigt die aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenkappe nicht an, ob ein Eingriff oder eine falsche Benutzung einer vorgefüllten Spritze erfolgte.

Laut Klagepatentschrift ist zwar aus der EP 0 462 355 A1 eine Abschlusskappe für einen Luer-Adapter bekannt, bei dem die Kappe darauf ausgelegt ist, eine Standard Luer-Spitze abzuschließen. Die Kappe besitzt innere und äußere Teile, wobei der innere Teil mit der Luer-Spitze und der äußere Teil mit einem mit der Luer-Spitze verbundenen Kragen in Eingriff gebracht werden kann. Aber auch diese Druckschrift, so die Klagepatentschrift, offenbare keine Einrichtung, mit der ein unbefugter Eingriff an der Vorrichtung angezeigt werden könne.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, die vorstehend genannten Nachteile der aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen zu beseitigen. Dies soll durch die mit den kombinierten Klagepatentansprüchen 1 und 4 unter Schutz gestellte Lehre geschehen. Die Merkmale der im vorliegenden Fall geltend gemachten Patentansprüche 1 und 4 des Klagepatents können wie folgt gegliedert werden:

1. Endstückkappenanordnung (54) für den Zylinder (12) einer Injektionsspritze (10),
2. wobei der Zylinder ein distal vorstehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurchgang (24) aufweist, der sich durch das Endstück erstreckt,
3. wobei die Endstückkappenanordnung (54) aufweist:
3.1 eine Hülse (44), die am Zylinder am Endstück oder sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
3.2 eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
3.3 eine äußere Kappe (58),
3.3.1 die sicher um die innere Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und
3.3.2 die lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
4. die Anordnung ist so konfiguriert, dass die innere Kappe (56) abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44) sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht wird, und
5. wobei die innere Kappe (56) vom Endstück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äußeren Kappe (58) von der Hülse (22) getrennt werden kann;
6. es ist eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbefugten Eingriffes vorhanden, die sich zwischen der Hülse (44) und der äußeren Kappe (58) für das Anzeigen der Trennung der äußeren Kappe (58) von der Hülse (44) erstreckt;
7. die innere und die äußere Kappe (56, 58) umfassen eine Einrichtung (68, 78) für das Verhindern einer relativen axialen Bewegung dazwischen.

II.
Die angegriffene Ausführungsform weist keine erfindungsgemäße innere Kappe auf, die abdichtend mit dem Endstück eines Spritzenzylinders in Eingriff kommen kann (Merkmal 3.2) beziehungsweise in Eingriff kommt, wenn die Hülse sicher um das Endstück in Eingriff gebracht wird (Merkmal 4). Insofern kann dahinstehen, ob auch die weiteren streitigen Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht werden. Die Parteien streiten in dieser Hinsicht darüber, ob die angegriffene Ausführungsform mit einer äußeren Kappe versehen ist, die sicher um die innere Kappe angeordnet wird oder werden kann (Merkmal 3.3.1), und ob infolgedessen auch die Merkmale 5 und 7 nicht verwirklicht sind.

1. Der Klagepatentanspruch bedarf im Hinblick auf die streitigen Merkmale 3.2 und 4 der Auslegung, wobei gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind. Dabei dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Fachmanns (BGHZ 105, 1, 11 – Ionenanlyse).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist unter einer inneren Kappe im Sinne der Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 4 eine Vorrichtung zu verstehen, die das Endstück des Spritzenzylinders von oben und (zumindest teilweise) auch seitlich von außen umschließt, wobei die innere Kappe und das Endstück derart miteinander verbunden sind, dass sich die innere Kappe nicht selbsttätig vom Endstück lösen kann und das Endstück abgedichtet ist. Dabei kommt es für die Abdichtung nicht darauf an, ob die am distalen Ende der Spitze befindliche Öffnung des Durchgangs unmittelbar dichtend verschlossen wird oder ob die Spitze seitlich von der Innenkappe dichtend umschlossen wird. Maßgeblich ist, dass die innere Kappe das Endstück (zumindest teilweise) auch seitlich von außen umschließt. Eine auf dem distalen Ende der Spitze lediglich aufliegende Abdeckung stellt keine erfindungsgemäße Innenkappe dar. Ebenso wenig genügt es, wenn die innere Kappe so gestaltet ist, dass sie ausschließlich in den aus dem Endstück austretenden Durchgang eingreift. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und der Beschreibung des Klagepatents.

a) Die Klagepatentansprüche 1 und 4 enthalten konkrete Anweisungen für die konstruktive Gestaltung der inneren Kappe. Nach Merkmal 3.2 muss die innere Kappe „abdichtend mit dem Endstück in Eingriff kommen“ können. Diese Anforderung wird im Merkmal 4 wieder aufgegriffen, wo es heißt, dass „die innere Kappe abdichtend mit dem Endstück in Eingriff kommt, wenn die Hülse sicher um das Endstück in Eingriff gebracht wird.“ Die Wendung „in Eingriff kommen“ beziehungsweise „in Eingriff gebracht“ ist dahingehend zu verstehen, dass zwei Bauteile derart miteinander verbunden werden, dass sie sich nicht mehr selbsttätig voneinander lösen können. Eine erfindungsgemäße innere Kappe muss daher so gestaltet sein, dass sie eine haltende Verbindung mit dem Endstück eingehen kann beziehungsweise eingeht. Es genügt nicht, dass die innere Kappe lediglich auf dem Endstück aufliegt, dort nur durch die äußere Kappe gehalten wird und infolgedessen ihre Abdichtfunktion erfüllt. Denn nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs (Merkmal 4) kommt die innere Kappe selbst in Eingriff mit dem Endstück. Von der äußeren Kappe ist in dieser Hinsicht keine Rede. Darüber hinaus muss das Merkmal 4 mit dem Merkmal 5 zusammen betrachtet werden. In der maßgeblichen englischen Originalfassung der Klagepatentansprüche kommt klar zum Ausdruck, dass sich Merkmal 4 und Merkmal 5 nebeneinander auf die Konfiguration der Anordnung („said assembly being configured so that (…)“) beziehen. Der Klagepatentanspruch enthält insoweit die Anweisung, dass die innere Kappe bei installierter Spitzenkappenbaugruppe mit dem Endstück dichtend in Eingriff kommt – sprich: haltend verbunden ist – (Merkmal 4) und vom Endstück getrennt – sprich: außer Eingriff gebracht – wird, indem die äußere Kappe entfernt wird. Merkmal 5 stellt also sicher, dass die mit dem Endstück verbundene innere Kappe quasi „mit einem Griff“ mittels der äußeren Kappe getrennt werden kann. Dem Klagepatentanspruch, insbesondere den Merkmalen 4 und 5, kann aber nicht entnommen werden, dass die innere Kappe lediglich die Spitze abdichten soll, indem sie durch die äußere Kappe auf der Spitze aufliegend fixiert wird.

b) Aus der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich weiterhin, dass die innere Kappe mit dem Endstück des Spritzenzylinders in Eingriff kommt, indem sie das Endstück seitlich von außen (zumindest teilweise) umschließt. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, die erfindungsgemäße Spitzenkappe schließe „eine Elastomer-Innenkappe in reibschlüssigem und/oder elastischem Eingriff mit Abschnitten der Spitze ein, um den Durchgang durch die Spitze abzudichten“ (Abs. [0011]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage K9a). Auch wenn diese Textstelle in der Klagepatentschrift in einem Absatz unter der Überschrift „Bevorzugte Ausführungsbeispiele“ (vor Abs. [0010]) steht, handelt es sich gleichwohl um die allgemeine Beschreibung der Spitzenkappe, wovon auch beide Parteien zutreffend ausgehen. Dabei ist der im Klagepatentanspruch verwendete Begriff „Endstück“ mit der in der Beschreibung des Klagepatents verwendeten Begriff „Spitze“ gleichbedeutend. In der maßgeblichen englischen Fassung der Klagepatentschrift wird einheitlich der Begriff „tip“ gebraucht. Da der reibschlüssige und/oder elastische Eingriff nicht allein durch ein Aufliegen auf dem distalen Ende des Endstücks erreicht werden kann, weist die Klagepatentschrift zu Recht darauf hin, dass die Innenkappe mit Abschnitten der Spitze in Eingriff steht (Abs. [0011]). Mit Abschnitten der Spitze ist der distale Teil der Mantelfläche der in der Regel zylinder- oder kegelstumpfförmigen Spitze gemeint. Demnach muss die innere Kappe in irgendeiner Weise die Seitenflächen der Spitze (zumindest teilweise) umschließen, um mit dem Endstück in Eingriff gebracht werden zu können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Unteranspruch 6. Die Klägerin vertritt unter Verweis auf den Unteranspruch 6 die Auffassung, ein seitliches Umschließen des Endstücks durch die innere Kappe werde nicht zwingend von den Klagepatentansprüchen 1 und 4 vorgegeben, weil erst im Unteranspruch 6 die räumliche Gestaltung der inneren Kappe mit einer Seitenwand und einem Hohlraum für die Aufnahme des Endstücks vorgegeben sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Denn das über die Klagepatentansprüche 1 und 4 hinausgehende, den Unteranspruch 6 kennzeichnende Merkmal besteht darin, in der Seitenwand eine Entlüftungsöffnung vorzusehen, um zu verhindern, dass ein Vakuum entsteht, wenn die Endstückkappenanordnung entfernt wird. Die konstruktive Gestaltung der inneren Kappe mit einer das Endstück umgebenden Seitenwand stellt keine besondere Ausführungsform der durch die Klagepatentansprüche 1 und 4 geschützten technischen Lehre dar. Vielmehr verlangt bereits die Kombination dieser beiden Patentansprüche, dass die innere Kappe das Endstück seitlich umschließt.

c) Für eine erfindungsgemäße Kappe genügt es nicht, wenn sie dadurch mit dem Endstück abdichtend in Eingriff kommt, dass sie in den in der Spitze befindlichen Fluiddurchgang eingreift und dadurch den Spritzenzylinder nach außen abdichtet. Es ist vielmehr erforderlich, dass die innere Kappe die Spitze des Spritzenzylinders (zumindest teilweise) seitlich von außen umschließt. Der Grund dafür liegt in der Unterscheidung zwischen einer (inneren) Kappe und einem Stopfen, die in der Klagepatentschrift vorgenommen wird und bei der Auslegung zu berücksichtigen ist. Während die Innenkappe die Spitze von außen dichtend umschließt, greift ein Stopfen von innen in den Durchgang der Spitze ein und dichtet sie ab. Diese Unterscheidung wird in der Klagepatentschrift nachvollzogen. Bereits im Stand der Technik waren Stopfen bekannt, die über der Spitze am distalen Ende des Spritzenzylinders angebracht werden, um ein Auslaufen zu verhindern und um eine Kontamination des Arzneimittels zu vermeiden (Abs. [0005]). Die aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen sind hingegen aus einem Elastomermaterial geformt und werden reibschlüssig und/oder elastisch (zu ergänzen: von außen) im Eingriff mit der Spitze gehalten (Abs. [0005]).

d) Dieser Auslegung des Klagepatentanspruchs im Hinblick auf den Begriff der „inneren Kappe“ folgen auch die in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiele. In den Figuren 1 bis 8 wird eine Spitzenkappenbaugruppe gezeigt, bei der die Innenkappe (56) einen Spitzeneingriffsabschnitt (64) mit einem Hohlraum (66) aufweist, der dafür bemessen ist, eng elastisch mit der Spitze (22) des Spritzenzylinders (12) ineinander zu greifen (Abs. [0030] und [0038]). Es ist die Innenkappe (56) selbst, die dichtend im Eingriff mit der Spitze (22) des Spritzenzylinders steht, der Gewinde-Eingriff der Außenkappe (58) mit dem Luerbund (44) und der gleichzeitige Eingriff der Außenkappe (58) mit der Innenkappe (56) verhindern lediglich eine unbeabsichtigte Trennung der Innenkappe (56) aus ihrem dichtenden Eingriff mit der Spitze (22) (Abs. [0041]). Darüber hinaus wird in den Ausführungsbeispielen die Unterscheidung zwischen einer Kappe und einem Stopfen aufgegriffen. Der durch den Hohlraum (66) gebildete Spitzeneingriffsabschnitt (64) der Innenkappe (56) greift elastisch mit den Außenumfangsabschnitten der Spitze (22) ineinander, während der Stopfen (67) in den Durchgang (24) durch die Spitze (22) passt und dichtend mit demselben ineinandergreift (Abs. [0030] und Figur 4 und 8). In der Klagepatentschrift heißt es ausdrücklich, der Stopfen sei „angeordnet und bemessen, um in den Durchgang 24 der Spitze 22 zu passen, um die Dichtfähigkeit der Innenkappe 56 zu steigern“ (Abs. [0030], vgl. auch Abs. [0038]). Die innere Kappe erfüllt ihre Dichtfunktion also bereits dadurch, dass sie die Spitze seitlich von außen umschließt. Durch den Stopfen wird die Dichtfähigkeit lediglich gesteigert. Aufgrund dieser Abgrenzung von einem Stopfen kann als innere Kappe nur eine Vorrichtung angesehen werden, die mit der Spitze derart dichtend in Eingriff gebracht werden kann, dass sie diese von außen (zumindest teilweise) umschließt. Ein Eingriff mittels eines Stopfens genügt dafür nicht.

e) Eine erfindungsgemäße innere Kappe, wie sie sich nach der hier vertretenen Auslegung ergibt, unterscheidet sich hinsichtlich ihrer konstruktiven Gestaltung grundsätzlich nicht von den aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen und soll sich auch nicht von ihnen unterscheiden. Vielmehr übernimmt die mit dem Klagepatent unter Schutz gestellte Lehre die aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen als „innere“ Kappe. Dazu führt die Klagepatentschrift – fast wortgleich zur allgemeinen Beschreibung des Klagepatents – aus: „Spitzenkappen nach dem bekannten technischen Stand sind aus einem Elastomermaterial geformt und reibschlüssig und/oder elastisch im Eingriff mit der Spitze des Spritzenzylinders nach dem bekannten technischen Stand gehalten“ (Abs. [0005]). Die erforderliche Abdichtung der Öffnung des Durchgangs in der Spitze des Spritzenzylinders (vgl. Abs. [0005]) kann die aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenkappe nur dann erfüllen, wenn sie nicht nur auf dem distalen Ende der Spitze aufliegt, sondern auch die Mantelfläche der Spitze seitlich umschließt. Auch eine Abdichtung allein durch einen Eingriff in den Durchgang durch die Spitze stellt nach der Diktion der Klagepatentschrift keine Spitzenkappe dar, sondern einen Stopfen (vgl. Abs. [0005]).

Von diesem Stand der Technik grenzt sich die mit dem Klagepatent unter Schutz gestellte Lehre nicht durch die konstruktive Gestaltung der (inneren) Kappe ab. Vielmehr soll die aus dem Stand der Technik bekannte, eine Abdichtungsfunktion übernehmende Spitzenkappe von einer weiteren äußeren Kappe sicher umgeben werden (Merkmal 3.3 und 3.3.1). Dadurch soll verhindert werden, dass die mit der Spitze in Eingriff stehende Spitzenkappe durch unbeabsichtigte Krafteinwirkungen oder aufgrund von Größenänderungen oder Instabilität des Elastomermaterials außer Eingriff gebracht wird und Arzneimittel aus dem Spritzenzylinder austreten kann (Abs. [0006] und Abs. [0011]). Demnach dient die äußere Kappe lediglich dazu, die innere Kappe schützend einzuschließen. Die Existenz der äußeren Kappe ändert aber nichts daran, dass die Innenkappe selbst in Eingriff mit der Spitze des Spritzenzylinders stehen und diese von außen umschließen muss. Aus der Schutzfunktion der äußeren Kappe folgt, dass es für eine Spitzenkappe nicht ausreicht, wenn sie lediglich von innen mit dem Endstück in Eingriff steht und quasi als Stopfen verstanden wird. Denn einer Außenkappe, die Schutz vor von außen einwirkenden Kräften bietet, bedarf es bei einem Stopfen nicht, weil sich ein Stopfen innerhalb des Endstücks befindet und bereits dadurch vor Krafteinwirkungen geschützt ist.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit Verweis auf das US-Patent 4,597,758 (dort insbesondere Figur 5, Anlage K7 zur Anlage D) die Ansicht vertreten hat, dass die aus dem Stand der Technik bekannten Spitzenkappen lediglich auf der Spitze aufliegen und diese nicht von außen umgreifen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Es kann dahinstehen, ob eine Druckschrift, die – wie im vorliegenden Fall die US 4,597,758 – lediglich auf dem Deckblatt des Klagepatents erwähnt wird, überhaupt zur Auslegung eines Patentanspruchs herangezogen werden kann. Denn in der Beschreibung des Klagepatents wird ausdrücklich der Stand der Technik beschrieben, von dem das Klagepatent ausgeht. Es handelt sich dabei um Spitzenkappen, die nicht nur auf der Spitze des Spritzenzylinders aufliegen oder die Spitze von innen abdichten, sondern diese auch an ihrer Mantelfläche von außen umschließen, weil sie anders auf der Spitze keinen Halt fänden. Dies ist bei dem in der Figur 5 der US 4,597,758 abgebildeten Einsatz (36) nicht der Fall. Wollte man diesen Einsatz als die in der Klagepatentschrift benannte, aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenkappe ansehen, ließe sich nicht erklären, warum der Einsatz, der ja bereits in eine Kappe eingesetzt ist, von einer weiteren äußeren Kappe umgeben werden sollte.

f) Die vorstehende Auslegung des Klagepatentanspruchs findet ihren Niederschlag in der Verwendung des Begriffs „Kappe“ – in der maßgeblichen englischen Fassung der Klagepatentschrift „cap“ – für die innere Kappe. In der Klagepatentschrift wird der Begriff „Kappe“ für verschiedene Bauteile verwendet. Dabei geht die Klagepatentschrift davon aus, dass eine „Kappe“ ein anderes Bauteil bedeckt und zugleich seitlich umschließt oder – wie es die Beklagten ausgedrückt haben – ein solches Bauteil „überwölbt“. In dieser Hinsicht stellt die Klagepatentschrift ihr eigenes Wörterbuch dar (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube). Für die aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenkappe – in der englischen Fassung: „tip cap“ – ist dies bereits gezeigt worden. Die bereits bekannte Elastomer-Spitzenkappe wird in der Klagepatentschrift von einem Stopfen – im Englischen: „stopper“ – abgegrenzt und befindet sich reibschlüssig und/oder elastisch im Eingriff mit der Spitze des Spritzenzylinders (Abs. [0005]). Das ist nur möglich, weil sie das Endstück abdeckt und zugleich seitlich von außen umschließt. Gleiches gilt für die im Klagepatentanspruch genannte „äußere Kappe“ – im Englischen: „outer cap“. Diese hat die Aufgabe, die Innenkappe schützend einzuschließen (Abs. [0011]), indem sie sicher um die Innenkappe angeordnet ist (Merkmal 3.3.1). Eine solche Funktion der Außenkappe bringt es zwingend mit sich, dass die Außenkappe die Innenkappe seitlich umschließt, weil sie die Innenkappe sonst nicht vor Krafteinwirkungen von außen oder einem anderweitigen Verlust des Eingriffs mit der Spitze schützen könnte. Dies spiegelt sich auch im Wortlaut des Klagepatentanspruchs wieder, wonach die äußere Kappe um die innere Kappe – im Englischen: „around said inner cap“ – angeordnet wird. Die Wortwahl in der Klagepatentschrift, dass die Außenkappe „die Innenkappe schützend einschließt“ (Abs. [0011]) – im Englischen: „enclosing“ – bestätigt ebenfalls ein solches Verständnis einer „Kappe“ im erfindungsgemäßen Sinn.

2. Ausgehend von der vorstehenden Auslegung des Klagepatentanspruch weist die angegriffene Ausführungsform keine erfindungsgemäße innere Kappe auf, die abdichtend mit dem Endstück in Eingriff kommen kann (Merkmal 3.2). Die angegriffene Ausführungsform weist einen Luerbund mit Innengewinde auf, der am Zylinder eines Endstücks oder um das Endstück selbst in Eingriff kommen kann. Weiterhin gehört zur angegriffenen Ausführungsform ein Drehverschluss mit Außengewinde, der mit den Innengewindegängen des Luerbundes in Eingriff gebracht werden kann. Dieser Drehverschluss weist an der Unterseite eine Öffnung auf, die einen über fast die gesamte Länge des Drehverschlusses sich erstreckenden zylindrischen Hohlraum bildet. In den Hohlraum ist ein ebenfalls zylinderförmiger Gummieinsatz eingesetzt, der etwa die Hälfte der Länge des Hohlraums ausfüllt und mittig an seiner Unterseite einen Fortsatz geringen Durchmessers aufweist. Wird der Drehverschluss auf den Luerbund geschraubt, kommt der Gummieinsatz mit seiner Unterseite auf der Oberseite der Spitze des Spritzenzylinders zur Auflage. Der Fortsatz an der Unterseite des Gummieinsatzes ragt in den Durchgang der Spitze des Spritzenzylinders.

Bei dem Gummieinsatz handelt es sich nicht um eine erfindungsgemäße innere Kappe handelt. Die Klägerin hat zwar in der Klageschrift erklärt, bei dem Gummieinsatz handele es sich um eine „‚elastomere Dichtung’, welche die Spitze des Spritzenzylinders in Übereinstimmung mit dem Merkmal [3.2] der Anlage K 10 umschließt“ (Seite 24 der Klageschrift). Wie die Klägerin aber zu dieser Ansicht kommt, hat sie nicht näher dargelegt. Vielmehr bestätigen die Abbildungen der beanstandeten Spitzenkappenbaugruppe den Vortrag der Beklagten, wonach der Gummieinsatz lediglich auf der Spitze des Spritzenzylinders aufliegt. Schon aus diesem Grund kann von einer erfindungsgemäßen inneren Kappe keine Rede sein, da der Gummieinsatz nicht in der Weise dichtend mit der Spitze in Eingriff gebracht werden kann (Merkmal 3.2) beziehungsweise ineinander greift (Merkmal 4), dass die innere Kappe die Spitze (zumindest teilweise) seitlich umschließt. Die „innere Kappe“ muss entsprechend der vorstehend vorgenommenen Auslegung eine Gestaltung aufweisen, die es erlaubt, die Spitze (zumindest teilweise) zu umschließen, damit sie so mit der Spitze in Eingriff gebracht werden kann, dass sich die beiden Bauteile nicht selbsttätig lösen können. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Es kann dahinstehen, ob nach dem Vorbringen der Klägerin der mittig an der Unterseite des Gummieinsatzes angeordnete Fortsatz so in den Durchgang durch die Spitze eingeführt wird, dass er mit der Spitze dichtend in Eingriff steht. Denn selbst wenn der Durchgang durch die Spitze mittels des Fortsatzes an der Unterseite des Gummieinsatzes abgedichtet wird, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. In einem solchen Fall stellt der Gummieinsatz einen Stopfen dar, der nicht mit einer erfindungsgemäßen Innenkappe gleichgesetzt werden kann. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Rahmen der Auslegung des Klagepatentanspruchs verwiesen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 500.000,00 EUR