4a O 115/01 – Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 834

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. April 2008, Az. 4a O 115/01

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Die Gerichtskosten, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin allein.

Das Urteil ist für alle Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 863 xxx (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist infolge von Verschmelzung und Rechtsformwechsel Gesamtrechtsnachfolgerin der A AG, Frankfurt, die als Inhaberin des Klagepatents im Patentregister eingetragen ist. Das Klagepatent wurde am 14.11.1996 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 28.11.1995 angemeldet und die Patenterteilung am 29.12.1999 veröffentlicht.

Die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) hob am 11.10.2006 die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Klagepatent im Einspruchsverfahren widerrufen worden war, auf und verwies das Verfahren an die Einspruchsabteilung zurück mit der Maßgabe, das Klagepatent auf der Grundlage der Ansprüche in der Fassung der mündlichen Verhandlung vor der technischen Beschwerdekammer mit einer entsprechend angepassten Beschreibung aufrecht zu erhalten. Das Patent steht in Kraft.

Die ursprüngliche Klagepatentschrift, deren Verfahrenssprache englisch ist, liegt als Anlage K1 vor, deren deutsche Übersetzung DE 696 05 xxx T2 als Anlage K1a. Die nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer geänderten Patentansprüche 1 bis 6 hat die Klägerin als Anlage K17 und die Übersetzung als Anlage K17a vorgelegt. Die in der Klagepatentbeschreibung geänderten Absätze [0010] bis [0016] liegen als Anlage K18 bzw. in Übersetzung als Anlage K18a vor.

Die Klagepatentansprüche 1 und 3, deren Verletzung mit der vorliegenden Klage geltend gemacht wird, beziehen sich auf umhüllte Natriumpercarbonatpartikel (Anspruch 1) und ein Verfahren zur Herstellung dieser Partikel (Anspruch 3). Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, wird nachfolgend in der ursprünglich erteilten Fassung wiedergegeben. Die Unterschiede zur später geänderten Fassung sind in kursiv hervorgehoben:

1. Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, umfassend einen Kern aus im wesentlichen Natriumpercarbonat und eine diesen Kern umgebende, fest daran haftende Hüllschicht, im wesentlichen aus Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann,
wobei die Partikel dadurch gekennzeichnet sind, dass der Kern aus Natriumpercarbonat besteht, das durch Wirbelschicht-Sprühgranulation hergestellt wird, und die Hüllschicht erhältlich ist durch Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfatlösung auf die in der Wirbelschicht befindlichen, nicht umhüllten Partikel des Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulats, und Verdampfen von Wasser unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschichttemperatur zwischen 25 und 100° C.

Der Klagepatentanspruch 1 in der geänderten Fassung lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt (Änderungen zur ursprünglich erteilten Fassung in kursiv):

1. Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, bestehend aus
(i) einem Kern aus im wesentlichen Natriumpercarbonat und
(ii) einer diesen Kern umgebenden, fest daran haftenden Hüllschicht bestehend aus Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann,
wobei die Partikel dadurch gekennzeichnet sind, dass
(a) der Kern der Partikel aus Natriumpercarbonat besteht, das durch Wirbelschicht-Sprühgranulation hergestellt wird, wobei
(a1) eine Wasserstoffperoxyd-Lösung und eine Sodalösung in einer Wirbelschichtapparatur auf Keime aus Natriumpercarbonat gesprüht werden und
(a2) gleichzeitig Wasser verdampft wird und
(b) die Hüllschicht erhältlich ist durch
(b1) Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfatlösung auf die in der Wirbelschicht befindlichen, nicht-umhüllten Partikel des Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulats und
(b2) Verdampfen von Wasser unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C, und
die Hüllschicht 0,5 bis 25 Gew.-% Natriumsulfat, berechnet hydratfrei und bezogen auf Natriumpercarbonat, ausmacht.

Der Klagepatentanspruch 3 in der geänderten Fassung lautet in der deutschen Übersetzung:

1. Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln nach einem der Ansprüche 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass eine wässrige Natriumsulfatlösung auf in einer Wirbelschicht befindliche Partikel aus Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulat unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C gesprüht und Wasser verdampft wird.

Die Beklagte zu 2) ist ein in Schweden ansässiger, zum Kemira-Konzern gehöriger Mitbewerber der Klägerin. Sie stellt her und liefert umhüllte Natriumpercarbonatpartikel unter der Bezeichnung „B“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) in die Bundesrepublik Deutschland. Dort werden sie von der Beklagten zu 1) bundesweit vertrieben. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um beschichtete Natriumpercarbonatpartikel, die in der Umhüllung unstreitig Natriumsulfat aufweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Zudem sei die angegriffene Ausführungsform ein unmittelbares Produkt des durch den Klagepatentanspruch 3 geschützten Verfahrens.
Sie behauptet, die angegriffene Ausführungsform weise lediglich eine einzige Schicht aus Natriumsulfat um den Kern aus Natriumpercarbonat auf. Eine Zwischenschicht aus Natriumbicarbonat oder Natriumsesquicarbonat sei nicht vorhanden.
Sie meint, die Untersuchungen der Beklagten seien nicht geeignet, das Vorhandensein einer Zwischenschicht aus Natriumbicarbonat oder Natriumsesquicarbonat darzutun. Die von ihr – der Klägerin – durchgeführte Untersuchung beim Forschungszentrum Karlsruhe habe gezeigt, dass weder Natriumbicarbonat, noch Natriumsesquicarbonat vorhanden sei. Vielmehr habe Burkeit nachgewiesen werden können, das sich unvermeidlich dann bilde, wenn eine wässrige Natriumsulfatlösung auf die Natriumpercarbonatpartikel gesprüht werde.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahre, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
a) umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, bestehend aus einem Kern aus im wesentlichen Natriumpercarbonat und einer diesen Kern umgebenden, fest daran haftenden Hüllschicht, bestehend aus Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei der Kern aus Natriumpercarbonat besteht, das durch Wirbelschicht-Sprühgranulation hergestellt wird, bei welcher eine Wasserstoffperoxyd-Lösung und eine Natriumcarbonat-Lösung in einer Wirbelschichtapparatur auf Keime aus Natriumpercarbonat gesprüht und gleichzeitig Wasser verdampft wird, und wobei die Hüllschicht erhältlich ist durch Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfatlösung auf die in der Wirbelschicht befindlichen, nicht-umhüllten Partikel des Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulats und Verdampfen von Wasser unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C und wobei die Hüllschicht 0,5 bis 25 Gew.-% Natriumsulfat ausmacht, berechnet hydratfrei und bezogen auf Natriumpercarbonat;
b) unmittelbare Produkte eines Verfahrens zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln gemäß lit. a)
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei eine wässrige Natriumsulfatlösung auf in einer Wirbelschicht befindliche Partikel aus Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulat unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C gesprüht und Wasser verdampft wird;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 29.01.2000 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziff. I.1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen haben;
3. die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten, in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen unter Ziff. I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 29.01.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, das Klagepatent werde weder mit dem Patentanspruch 1, noch mit dem Patentanspruch 3 verletzt. Sie behaupten, die angegriffene Ausführungsform werde nach dem in der EP 0 681 xxx patentierten Verfahren hergestellt und weise daher eine Schicht aus Natriumbicarbonat um den Natriumpercarbonatkern auf. Natriumbicarbonat sei mit dem in ihren Untersuchungen nachgewiesenen Natriumsesquicarbonat identisch. Bei der anschließenden Beschichtung werde keine reine Natriumsulfatlösung verwendet, sondern eine Lösung aus Natriumsulfat und Natriumcarbonat. Dadurch entstehe eine Hüllschicht aus einer Mischung von Natriumsulfat und Burkeit. Es handele sich nicht um eine unvermeidbare Verunreinigung mit Burkeit.

Mit der Widerklage nimmt die Beklagte zu 1) und Widerklägerin die Klägerin und Widerbeklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 681 xxx B2 (Widerklagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Widerklagepatents ist die D mit Sitz in Helsinki/Finnland. Sie ist aufgrund Rechtsformwechsels Rechtsnachfolgerin der D, die als Inhaberin des Widerklagepatents eingetragen ist. Das Widerklagepatent wurde am 29.11.1994 unter Inanspruchnahme einer finnischen Priorität vom 30.11.1993 angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 14.04.1999 veröffentlicht. Das ursprünglich erteilte Widerklagepatent wurde im Einspruchs- und anschließenden Beschwerdeverfahren im geänderten Umfang aufrechterhalten. Die geänderte Widerklagepatentschrift wurde am 13.06.2007 veröffentlicht und liegt als Anlage B20 vor. Die deutsche Übersetzung des geänderten Widerklagepatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, wurde am 10.08.2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und liegt als Anlag B21 vor. Das Patent steht in Kraft.

Der Patentanspruch 1 des Widerklagepatents betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Hüllschichten um Natriumpercarbonatteilchen. Er hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

1. Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen, die mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht beschichtet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren Folgendes umfasst:
a) den Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung in einem Wirbelschichtbett auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas, Erzeugen einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen und der zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht, wobei mindestens ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist, oder
b) einen ersten Schritt des Sprühens von Wasser oder einer wässrigen Beschichtungsmittellösung in einem Wirbelschichtbett auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas, Erzeugen einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen und wahlweise einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht und einen zweiten Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung in einem Wirbelschichtbett auf das Produkt aus dem ersten Schritt unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, oder irgendeinem anderen Gas als Wirbelschichtgas zur Bildung einer zusätzlichen Überzugsschicht auf der Oberfläche des Produkts aus dem ersten Schritt, wobei zumindest ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist.

Die Klägerin stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen „Q30“ und „Q35“ beschichtete Natriumpercarbonatteilchen. In der Wirbelschichtaufbaugranulation werden zunächst Keime aus Natriumpercarbonat mit einer Lösung aus Wasserstoffperoxyd und Natriumcarbonat besprüht und zu Granulat aus Natriumpercarbonat aufgebaut. Anschließend werden die Natriumpercarbonatpartikel getrocknet. Bei der Granulation und anschließenden Trocknung wird Luft verwendet, die unmittelbar mit einem Gasbrenner erhitzt wird und daher einen höheren Anteil Kohlendioxid als gewöhnliche Luft aufweist. Im darauf folgenden Beschichtungsverfahren werden die Natriumpercarbonatteilchen mit einer wässrigen Lösung aus Natriumsulfat besprüht und eine Schicht aus Natriumsulfat erzeugt. Das gesamte Herstellungsverfahren wird nachfolgend als angegriffenes Verfahren bezeichnet.

Am 24.09.2007 schloss die D mit der Beklagten zu 1) einen Lizenzvertrag über das Widerklagepatent, mit der der Beklagten zu 1) eine einfache Lizenz für die Bundesrepublik Deutschland erteilt wurde. Die Beklagte zu 1) wurde ermächtigt, das Widerklagepatent im eigenen Namen gegen Dritte geltend zu machen. Außerdem trat die Di alle möglichen Ansprüche gegen die Klägerin auf Schadensersatz, Auskunft, Rechnungslegung und Vernichtung wegen einer Verletzung des Widerklagepatents an die Beklagte zu 1) ab.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, das angegriffene Verfahren mache von der Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (a) wortsinngemäß Gebrauch. Sie behauptet, beim Coating mit Natriumsulfat werde mit Kohlendioxid angereicherte Luft verwendet.
Soweit die Klägerin behauptet, dass beim Coating Frischluft verwendet werde, ist die Beklagte zu 1) der Ansicht, die Alternative (b) des Widerklagepatentanspruchs werde zumindest mit äquivalenten Mitteln verwirklicht. Die Wirbelschichtaufbaugranulation stelle den ersten Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens dar, das Coating den zweiten Schritt. Auch wenn beim angegriffenen Verfahren nicht unmittelbar Wasser auf die Natriumpercarbonatteilchen gesprüht werde, sei doch eine äquivalente Benutzung des geschützten Verfahren gegeben. Die Beklagte zu 1) behauptet dazu, auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen befinde sich nach der Wirbelschichtaufbaugranulation noch Feuchtigkeit. Statt die Teilchen mit Wasser zu besprühen, führe die Klägerin die noch feuchten Teilchen der Trockung zu, wo sie mit kohlendioxidreicher Luft behandelt würden. Dadurch entstehe eine Schicht aus Natriumbicarbonat auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatpartikel.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

I. die Klägerin zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Klägerin zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf,
zu unterlassen,
a) in der Bundesrepublik Deutschland ein Verfahren anzuwenden zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen, die mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht beschichtet sind, wobei das Verfahren umfasst:
den Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung in einem Wirbelschichtbett auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas, Erzeugen einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen und der zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht, wobei mindestens ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist (EP 0 681 xxx B2, Anspruch 1, Alternative (a));
hilfsweise zu lit. a)
in der Bundesrepublik Deutschland ein Verfahren anzuwenden zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen, die mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht beschichtet sind, wobei das Verfahren umfasst:
einen ersten Schritt, in dem Natriumpercarbonatteilchen, die an der Oberfläche feucht sind, in ein Wirbelschichtbett gebracht werden, bei dem ein Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas benutzt wird, und in dem eine Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen erzeugt wird,
einen zweiten Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung in einem Wirbelschichtbett auf das Produkt aus dem ersten Schritt unter Verwendung von Luft als Wirbelschichtgas zur Bildung einer zusätzlichen Überzugsschicht auf der Oberfläche des Produkts aus dem ersten Schritt, wobei zumindest ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist (EP 0 681 xxx B2, Anspruch 1, Alternative (b));
b) in der Bundesrepublik Deutschland Natriumpercarbonatteilchen, die mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht beschichtet sind, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen, die unmittelbar durch das unter I.1.a) beschriebene Verfahren hergestellt worden sind;
2. der Beklagten zu 1)
a) Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der unter I.1.b) bezeichneten Erzeugnisse zu erteilen durch schriftliche Angaben über
aa) Namen und Anschriften sämtlicher Lieferanten und die Stückzahl sowie die Preise der bei jedem Lieferanten bestellten Erzeugnisse,
bb) die Stückzahl sowie die Preise der von jedem Lieferanten erhaltenen Erzeugnisse,
cc) Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und die Stückzahl sowie die Preise der an jeden dieser Abnehmer gelieferten Erzeugnisse,
dd) Namen und Anschriften sämtlicher Auftraggeber, Hersteller und Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen) sowie die Stückzahlen und Preise der von diesen hergestellten und/oder bestellten und/oder ausgelieferten Erzeugnisse,
und zwar unter Vorlage der entsprechenden Belege (Lieferscheine oder Rechnungen) in Kopie;
b) unter Vorlage einer übersichtlichen, in sich verständlichen Zusammenstellung Rechnung zu legen über
aa) die mit den unter I.1.b) bezeichneten Erzeugnissen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach einzelnen Lieferungen und jeweils mit Angabe
– des Zeitpunkt der Lieferung,
– der Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der gelieferten Mengen,
– des Preises,
– der zur Identifizierung der gelieferten Erzeugnisse notwendigen technischen Beschreibungen und Typenbezeichnungen,
bb) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der unter I.1.b) bezeichneten Erzeugnisse unter Angabe der Tatsachen, die die Beurteilung ermöglichen, ob der jeweilige Kostenfaktor ausschließlich durch Gestehung und/oder Vertrieb dieser Erzeugnisse verursacht wurde,
cc) den mit den unter I.1.b) bezeichneten Erzeugnissen erzielten Gewinn,
dd) die hergestellten Mengen mit jeweiligen Herstellungszeitpunkt und gegebenenfalls Chargenbezeichnung
jeweils unter Vorlage entsprechender Belege,
wobei
– die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 14.04.1999 zu machen sind,
– die Angaben zu b) nur für die Zeit seit dem 14.05.1999 zu machen sind,
– der Klägerin bei den Angaben zu b) vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Beklagten zu 1) einem von der Beklagten zu 1) zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Klägerin dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Beklagten zu 1) auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist;
3. die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befindlichen unter Ziff. I.1.b) beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten.
II. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der ihr und/oder der D durch die unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 14.05.1999 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das von ihre angewandte Verfahren mache von der Lehre des Widerklagepatentanspruchs weder wortsinngemäß, noch äquivalent Gebrauch.
Sie behauptet, beim Coating mit Natriumsulfat werde Frischluft verwendet, die mit einem Wärmetauscher erhitzt worden sei. Im Übrigen würden die Natriumpercarbonatteilchen keine Feuchtigkeit auf der Oberfläche aufweisen, wenn man sie der Trocknung zuführe. Bereits in der Granulationsstufe werde die Feuchtigkeit so niedrig gehalten, dass keine Agglomeration von Teilchen stattfinde, die die Bildung runder Natriumpercarbonatpartikel verhindere. Die Teilchen seien so trocken, dass sie rieselfähig seien. Bei der Trocknung werde lediglich die Feuchtigkeit im Innern des Kerns beseitigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage und die Widerklage sind zulässig, aber unbegründet.

A Klage

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9 S. 1 und 2 Nr. 1 und 3, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, 140b Abs. 1 und 2 PatG, §§ 242, 259 BGB.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen wortsinngemäßen Gebrauch (I.). Ebenso wenig wird sie unmittelbar in einem Verfahren hergestellt, dass die Lehre des Klagepatentanspruchs 3 wortsinngemäß verwirklicht (II.).

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 umhüllte Natriumpercarbonatpartikel und im Anspruch 3 ein Verfahren zu ihrer Herstellung.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, Natriumpercarbonat (2 Na2CO3 • 3 H2O2) finde als Aktivsauerstoffkomponente in Wasch-, Bleich- und Reinigungsmitteln Verwendung. Aufgrund der ungenügenden Lagerstabilität von Natriumpercarbonat in warm-feuchter Umgebung sowie in Gegenwart bestimmter Wasch- und Reinigungsmittelkomponenten müsse Natriumpercarbonat gegen den Verlust von Aktivsauerstoff (Oa) stabilisiert werden. Ein wesentliches Stabilisierungsprinzip bestehe darin, die Natriumpercarbonatpartikel mit einer Hülle aus stabilisierend wirkenden Komponenten zu umgeben.

Die Druckschrift GB 174 891 beschäftigt sich – so die Klagepatentschrift – mit dem Aufsprühen einer Hüllkomponente in flüssiger Form auf das zu stabilisierende pulverförmige Material. Um eine Verflüssigung oder Verbackung zu vermeiden, werde das Material mit Hilfe eines Luftstroms gekühlt oder getrocknet. Mit dem Verfahren ließen sich auch Per-Verbindungen wie Natriumpercarbonat mit Wasserglas umhüllen. Daran kritisiert die Klagepatentschrift, dass sich allein mit einer Umhüllung aus Wasserglas keine ausreichende Stabilisierung von Natriumpercarbonat erreichen lasse.

Die Klagepatentschrift erwähnt weitere Druckschriften, aus denen umhüllte Natriumpercarbonatpartikel bekannt sind und die Umhüllung aus einer gemischten Verbindung besteht. Die DE-OS 24 17 572 offenbart etwa als Hüllsubstanz eine Verbindung, die durch Kristallisation von Natriumcarbonat oder –bicarbonat mit Natriumsulfat gebildet wird. In der DE 26 22 610 enthält die einschichtige Umhüllung außer Natriumcarbonat und Natriumsulfat zusätzlich ein Natriumsilicat. In beiden Fällen wird ein wässrige Lösung des Hüllmaterials auf Natriumpercarbonatpartikel in einer Wirbelschicht unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschichttemperatur zwischen 30 und 80 °C aufgesprüht. Durch Verdampfen des eingebrachten Wassers bildet sich eine feste Umhüllung aus. Die Klagepatentschrift kritisiert an diesem Stand der Technik, dass trotz verbesserter Stabilität der Aktivsauerstoffgehalt bei längerer Lagerung in Gegenwart eines Waschmittelpulvers zu stark abnehme. Außerdem zeigten Natriumpercarbonatpartikel, deren Umhüllung in der äußersten Schicht ausschließlich oder hauptsächlich Soda enthalte, ein unbefriedigendes Silierverhalten. Die Produkte verfestigten sich mit der Zeit und zeigten ein schlechtes Fließverhalten.

In der DE-OS 43 15 380 wird eine Umhüllung von Natriumpercarbonat aus einem Mineralsalzgemisch offenbart, das im Wesentlichen aus Alkalimetallsulfat und Alkalimetallchlorid besteht. Dazu führt die Klagepatentschrift aus, dass durch eine solche Umhüllung zwar eine zufriedenstellende Aktivsauerstoffstabilität erzielt werde, die Verwendung von Alkalimetallchlorid und die damit verbundene Korrosionsgefahr als nachteilig anzusehen seien.

Weiterhin kann die Stabilität von Natriumpercarbonat nach der US 4.325.xxx dadurch erhöht werden, dass die Umhüllung aus Magnesiumsalzen, insbesondere Magnesiumsulfat, bestehe. Allerdings entspreche eine ausschließlich Magnesiumsalze enthaltende Umhüllung laut Klagepatentschrift nicht den derzeitigen Anforderungen an die Aktivsauerstoffstabilität.

Umhüllungen mit mehreren Komponenten werden durch die WO 95/02555 und der EP 0 623 xxx offenbart. Sie enthalten außer Magnesiumsulfat und einem Silicat zusätzlich Soda oder ein Alkalimetallsalz aus der Reihe der Carbonate, Bicarbonate und Sulfate. Durch eine solche ein- oder mehrschichtige Umhüllung werde zwar – so die Klagepatentschrift – eine sehr gute Aktivsauerstoffstabilität erzielt. Nachteilig sei jedoch das Erfordernis, drei verschiedene Hüllkomponenten verwenden zu müssen. Zudem neigten Produkte mit mehrschichtigem Aufbau und Soda in der äußersten Hüllschicht laut Klagepatentschrift zum Verbacken.

Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonatpartikeln bzw. ihrer Umhüllung werden in den Druckschriften GB 1 300 xxx und WO 95/15291 offenbart. Nach der GB 1 300 xxx kann Natriumpercarbonat mit einem Kristallisationsverfahren oder mit einem Wirbelschichtverfahren hergestellt werden. In dem Verfahren nach der WO 95/15291 wird in einer Wirbelschichtapparatur Natriumpercarbonat mit einem Gas mit erhöhtem CO2-Gehalt und mit Feuchtigkeit in Kontakt gebracht, um eine kontinuierliche Natriumbicarbonatschicht auf den Natriumpercarbonatpartikeln zu bilden. Zusätzlich kann eine Schicht aus Natriumsulfat aufgebracht werden.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu Grunde, weitere umhüllte Natriumpercarbonatpartikel bereitzustellen, die – obwohl sie nur eine einzige Hüllkomponente haben – eine sehr gute Aktivsauerstoffstabilität in Wasch-, Bleich- und Reinigungsmitteln und ein gutes Silierverhalten haben.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 und den Klagepatentanspruch 3 erreicht werden. Die Merkmale des Anspruchs 1 können wie folgt aufgegliedert werden:

1. Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, bestehend aus
1.1 einem Kern aus im wesentlichen Natriumpercarbonat und
1.2 einer diesen Kern umgebenden Hüllschicht, die
1.2.1 fest am Kern haftend ist und
1.2.2. aus Natriumsulfat besteht, das teilweise hydratisiert sein kann.
2. Der Kern der Partikel besteht aus Natriumpercarbonat, das durch Wirbelschichtsprühgranulation hergestellt wird, bei welcher
2.1 eine Wasserstoffperoxyd-Lösung und eine Natriumcarbonat-Lösung in einer Wirbelschichtapparatur auf Keime aus Natriumpercarbonat gesprüht und
2.2 gleichzeitig Wasser verdampft wird.
3. Die Hüllschicht ist erhältlich durch Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfat-Lösung auf die in der Wirbelschicht befindlichen, nicht umhüllten Partikel des Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulats und Verdampfen von Wasser, wobei
3.1 eine Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C aufrechterhalten wird.
4. Die Hüllschicht macht 0,5 bis 25 Gew.-% Natriumsulfat aus, berechnet hydratfrei und bezogen auf Natriumpercarbonat

Der Klagepatentanspruch 3 weist folgende Merkmale auf:
1. Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln bestehend aus
1.1 einem Kern aus im wesentlichen Natriumpercarbonat und
1.2 einer diesen Kern umgebenden Hüllschicht, die
1.2.1 fest am Kern haftend ist und
1.2.2. aus Natriumsulfat besteht, das teilweise hydratisiert sein kann.
2. Der Kern der Partikel besteht aus Natriumpercarbonat, das durch Wirbelschicht-Sprühgranulation hergestellt wird, bei welcher
2.1 eine Wasserstoffperoxyd-Lösung und eine Natriumcarbonat-Lösung in einer Wirbelschichtapparatur auf Keime aus Natriumpercarbonat gesprüht und
2.2 gleichzeitig Wasser verdampft wird.
3. Die Hüllschicht ist erhältlich durch Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfat-Lösung auf die in der Wirbelschicht befindlichen, nicht umhüllten Partikel des Natriumpercarbonat-Wirbelschicht-Sprühgranulats und Verdampfen von Wasser, wobei
3.1 eine Wirbelschicht-Temperatur zwischen 35 und 100 °C aufrechterhalten wird.

Laut Klagepatentbeschreibung kann eine sehr gute Aktivsauerstoffstabilität in Verbindung mit ausgezeichnetem Silierverhalten erreicht werden, wenn der Kern aus Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulat bestehe und Natriumsulfat als alleiniger Bestandteil der Hüllschicht verwendet werde.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Zwischen den Parteien ist streitig, ob bei der angegriffenen Ausführungsform der Natriumpercarbonatkern von ein oder zwei Schichten umgeben ist (Merkmal 1.2 und 3) und aus welchem Material die Umhüllung besteht (Merkmal 1.2.2). Ob die angegriffene Ausführungsform tatsächlich nur eine Hüllschicht um den Natriumpercarbonatkern aufweist und damit Merkmal 1.2 und 3 verwirklicht, kann dahinstehen, da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass das Merkmal 1.2.2 verwirklicht wird.

1. Gegenstand des Klagepatentanspruchs 1 sind umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, die aus einem Kern und einer diesen Kern umgebenden Hüllschicht bestehen (Merkmal 1.1 und 1.2). Dabei soll der Kern im Wesentlichen aus Natriumpercarbonat bestehen (Merkmal 1.1) und die den Kern umgebende Hüllschicht aus Natriumsulfat (Merkmal 1.2.2). Der Patentanspruch ist dahingehend auszulegen, dass das erfindungsgemäße Natriumpercarbonatpartikel nur eine Hüllschicht ausschließlich aus Natriumsulfat aufweisen darf. Darauf weist bereits das Merkmal 3 hin, wonach die wässrige Natriumsulfatlösung auf die nicht umhüllten Natriumpercarbonatpartikel gesprüht werden soll.

Ebenso geht aus der Beschreibung des Klagepatents, die bei der Auslegung des Klagepatentanspruchs gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ zu berücksichtigen ist, hervor, dass das Natriumpercarbonatpartikel nur eine einzige, allein aus Natriumsulfat bestehende Hüllschicht aufweisen darf. Mit dem Erfordernis, dass der Kern des Natriumpercarbonatpartikels von nur einer Hüllschicht ausschließlich aus Natriumsulfat umgeben ist, grenzt sich die patentgemäße Erfindung vom Stand der Technik – hier insbesondere von der DE-OS 24 17 572, die eine gemischte Verbindung aus Natriumcarbonat oder –bicarbonat mit Natriumsulfat vorsieht – ab. Im Stand der Technik waren Produkte aus Natriumpercarbonat sowohl mit einschichtiger, als auch mit mehrschichtiger Umhüllung bekannt. Die einschichtige Umhüllung konnte aus einer einzigen oder aus mehreren Komponenten bestehen. An der mehrschichtigen bzw. mehrere Komponenten aufweisenden einschichtigen Umhüllung kritisiert die Klagepatentschrift das Erfordernis, drei verschiedene Hüllkomponenten verwenden zu müssen (S. 3 Z. 34-36; Textstellen ohne weitere Bezüge beziehen sich auf die Anlage K1a, soweit sie die Entscheidung über den Klageantrag betreffen). Zudem sei ein Gemisch mit Natriumcarbonat in der äußeren Hüllschicht nachteilig, weil solche Produkte ein schlechtes Silierverhalten zeigen würden (S. 2 Z. 22-25 und S. 3 Z. 36 f).

Daher formuliert die Klagepatentschrift als Aufgabe, weitere umhüllte Natriumpercarbonatpartikel bereitzustellen, „die, obwohl sie nur eine einzige Hüllkomponente haben, eine sehr gute Aktivsauerstoffstabilität (…) zeigen“ (S. 4 Z. 14-17). Weiter heißt es in der Klagepatentschrift, im Stand der Technik – das heißt in der DE-OS 24 17 572 – sei bislang die Verwendung von Natriumsulfat in der Form von Mischsalzen oder als Bestandteil einer Zusammensetzung aus mehreren Substanzen als notwendig erachtet worden, um die Aktivsauerstoffstabilität verbessern zu können (S. 6 Z. 24-31). Es sei daher überraschend, dass eine gute Aktivsauerstoffstabilität und ein ausgezeichnetes Silierverhalten auch erreicht werden könnten, wenn „ein Kern aus Natriumpercarbonat-Wirbelschichtsprühgranulat und Natriumsulfat als alleiniger Bestandteil der Hüllschicht“ (S. 6 Zeile 31-36) verwendet werde. Eine ähnliche Formulierung („Verwendung eines einzigen Umhüllungsmaterials“) findet sich auch eingangs der Klagepatentschrift (S. 1 Z. 7 f)

Diese Auslegung, nach der die patentgemäßen Natriumpercarbonatpartikel lediglich eine Hüllschicht ausschließlich aus Natriumsulfat aufweisen dürfen, wird durch die im Laufe des Einspruchsverfahrens vorgenommene Änderung des Klagepatentanspruchs bestätigt. Denn der ursprünglich erteilte Anspruch sah eine „Hüllschicht, im Wesentlichen aus Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann“ vor (S. 16 Z. 5-7). Die Worte „im Wesentlichen“ wurden im Laufe des Einspruchsverfahren gestrichen, so dass erfindungsgemäße Natriumpercarbonatpartikel eine Umhüllung nur aus Natriumsulfat aufweisen dürfen. Auch die Technische Beschwerdekammer beim EPA weist in ihrer Entscheidung darauf hin, dass die mit dem Klagepatent beanspruchte Lösung in umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln bestehe, „die eine einzige Umhüllung, bestehend aus Natriumsulfat, (…) tragen“ (S. 25 der Anlage K16a).

2. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform eine Hüllschicht ausschließlich aus Natriumsulfat aufweist.

a) Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um das Produkt B. Dies hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.01.2008 klargestellt und im Übrigen selbst erklärt, dass eine Änderungen der Zusammensetzung nicht erkennbar und auch nicht relevant sei.

b) Die angegriffene Ausführungsform ließ die Klägerin im Forschungszentrum Karlsruhe, Institute für Technische Chemie, für Synchrotronstrahlung und für Nanotechnologie, gemeinsam mit anderen Proben Raman-mikroskopisch untersuchen. Die Parteien sind sich einig, dass die Zusammensetzung von Natriumpercarbonatproben grundsätzlich durch eine Raman-spektroskopische Analyse nachgewiesen werden kann. Dementsprechend hat die Beklagte hinsichtlich des als Anlage K24 vorgelegten Untersuchungsberichts lediglich zu bedenken gegeben, dass nicht der Original-Untersuchungsbericht des Forschungszentrums, sondern nur eine Zusammenfassung seitens der Klägerin vorgelegt worden sei, und dass die Konsistenz der untersuchten Proben aufgrund ihres Alters unsicher sei. Weiterhin hat sie eingewandt, dass unter den Bedingungen der durchgeführten Analyse der Nachweis einer Zwischenschicht aus Natriumbicarbonat in der angegriffenen Ausführungsform nicht möglich sei. Im Übrigen hat die Beklagte die Untersuchung, soweit sie in der als Anlage K24 vorgelegten Zusammenfassung wiedergeben ist, nicht angegriffen.

Die durchgeführte Untersuchung hat unstreitig ergeben, dass die angegriffene Ausführungsform eine Hüllschicht aufweist, die Natriumsulfat und Burkeit enthält. Burkeit ist ein Mischsalz aus Natriumsulfat und Natriumcarbonat (2 Na2SO4 • Na2CO3). Bei der Betrachtung des gesamten Raman-Spektrums der untersuchten Probe trat eine Raman-Bande nicht nur bei 1064 cm-1 auf, sondern die für Natriumsulfat charakteristische Bande bei 992 cm-1 wies auch eine so genannte „Burkeit-Schulter“ bei 1009 cm-1 auf. Die Klägerin hat dazu unbestritten vorgetragen, dass ein solches Spektrum charakteristisch für den Nachweis von Burkeit sei. Ein Peak bei 1064 cm-1 weise nicht allein auf Natriumsesquicarbonat hin, sondern könne auch durch Burkeit verursacht werden. Zeige sich außer dem Peak bei 1064 cm-1 die so genannte „Burkeit-Schulter“ bei 1009 cm-1, sei dies ein typischer Nachweis für Burkeit. Das Spektrum der Hüllschicht einer der Proben ist in der nachfolgenden Abbildung 16 und das allgemeine Spektrum von Burkeit in der Abbildung 20 – jeweils aus der Anlage K24 – wiedergegeben.

c) Da die angegriffene Ausführungsform eine Hüllschicht aufweist, die aus Natriumsulfat und Burkeit besteht, macht sie vom Gegenstand der Erfindung keinen Gebrauch. Nach der Lehre des Klagepatents dürfen die Natriumpercarbonatpartikel nur eine Hüllschicht ausschließlich aus Natriumsulfat aufweisen. Es kann dahinstehen, ob Natriumpercarbonatpartikel mit unvermeidbaren Verunreinigungen von Burkeit in der Natriumsulfatschicht noch vom Gegenstand der patentgemäßen Erfindung erfasst werden. Denn die Klägerin hat nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es sich bei dem in der Hüllschicht nachgewiesenen Burkeit um bloße unvermeidbare Verunreinigungen handelt.

Die Klägerin hat vorgetragen, bei der angegriffenen Ausführungsform bilde sich Burkeit zwangsläufig beim Aufsprühen einer wässrigen Natriumsulfat-Lösung auf nicht umhüllte Partikel aus Natriumpercarbonat in einer Wirbelschicht bei gleichzeitigem Verdampfen von Wasser. Beim Aufsprühen der Lösung auf das wasserlösliche Natriumpercarbonat löse sich unvermeidlich ein Teil des Natriumpercarbonats in der Natriumsulfat-Lösung, so dass beim anschließenden Verdampfen von Wasser zusammen mit Natriumsulfat als „Nebenprodukt“ das Mischsalz „Burkeit“ entstehe.

aa) Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung dazu erklärt, dass eine zwangsläufige Bildung von Burkeit nicht belegt sei. Vielmehr sei von vielen Parametern des Wirbelschichtverfahrens abhängig, welche Reaktionen an der Oberfläche der Natriumpercarbonatpartikel stattfinden. So könne unter anderem die Temperatur, die Menge der Lösung oder die Größe der Tröpfchen eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin schon nicht dargelegt, dass sich bei der Herstellung der Natriumsulfatschicht durch das im Klagepatentanspruch 1 beschriebene Wirbelschichtbettverfahren immer zwingend Burkeit bildet. Es fehlt an Vortrag dazu, ob die Entstehung von Burkeit bei der Bildung der Natriumsulfatschicht nicht durch die Einstellung der Parameter des Herstellungsverfahrens vermieden werden kann.

bb) Weiterhin haben die Beklagten schriftsätzlich erwidert, bei der Herstellung der Hüllschicht der angegriffenen Ausführungsform werde kein reines Natriumsulfat verwendet, sondern eine Lösung aus Natriumsulfat und Natriumcarbonat. Während der Bildung der Hüllschicht reagiere Natriumcarbonat mit Natriumsulfat zu Burkeit und finde sich daher in der Hüllschicht wieder. Der Anteil von Burkeit in der Hüllschicht betrage zwischen 18,8 % und 27 %, weil die Lösung aus Natriumsulfat und Natriumcarbonat einen Überschuss aus Natriumsulfat aufweise und nicht das gesamte Natriumsulfat mit Natriumcarbonat reagieren könne.

Dies hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 11.02.2008 vorgetragen. Bis dahin war zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte die Partikel mit Natriumsulfat besprüht und die angegriffene Ausführungsform eine Hüllschicht aus Natriumsulfat trägt. Die Beklagte hat sich in der Klageerwiderung lediglich darauf beschränkt einzuwenden, die angegriffene Ausführungsform weise zwischen dem Natriumpercarbonatkern und der Hüllschicht aus Natriumsulfat eine weitere Schicht aus Natriumbicarbonat beziehungsweise – nach Vorlage der Anlage K7 seitens der Klägerin – aus Natriumbicarbonat in der Form von Natriumsesquicarbonat auf. Diesen Vortrag hat die Beklagte jedoch ausweislich Seite 5-6 des Schriftsatzes vom 11.02.2008 (Blatt 223 f der Akte) weiter aufrechterhalten. Zudem hat sie sich den Vortrag der Klägerin, die Hüllschicht weise neben Natriumsulfat auch Burkeit auf, in prozessual zulässiger Weise zu eigen gemacht und den Anteil von Burkeit in der Hüllschicht dargelegt.

Die Klägerin hat zum Anteil von Burkeit in der Hüllschicht nichts vorgetragen. Sie hat auf die Darlegung des aufgesprühten Lösungsgemischs seitens der Beklagten lediglich erwidert, dass es sich dabei um eine Schutzbehauptung handele. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Beklagten haben dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, bis zur Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer beim EPA über den Klagepatentanspruch und bis zur Entdeckung von Burkeit in der Natriumsulfatschicht seitens der Klägerin, habe kein Anlass bestanden offenzulegen, dass eine Mischung von Natriumsulfat und Burkeit auf die Natriumpercarbonatpartikel gesprüht werde. Dies Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar. Denn bis zur Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer beim EPA war nach der Lehre des ursprünglichen Klagepatentanspruchs lediglich erforderlich, dass die Hüllschicht im Wesentlichen aus Natriumsulfat besteht. Insofern wäre der Vortrag der Beklagten, die Hüllschicht aus Natriumsulfat enthalte ca. 20 % Burkeit, unter Umständen tatsächlich nicht erheblich gewesen. Es war prozessual durchaus zulässig, die Verteidigung zunächst lediglich auf das Vorhandensein einer weiteren Hüllschicht aus Natriumbicarbonat zu stützen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagten erklärt haben, dass es sich bei dem Umstand, eine wässrige Lösung aus Natriumsulfat und Burkeit zur Bildung der Hüllschicht aufzusprühen, um ein Betriebsgeheimnis handele.

Auch wenn der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11.02.2008 im Hinblick auf ihren früheren Tatsachenvortrag überraschend erscheinen mag, befreit dies die Klägerin nicht von ihrer Darlegungslast und der Konkretisierung ihres Vortrags zu der Frage, in welcher Menge Burkeit in der Hüllschicht vorhanden ist. Da solche Angaben fehlen, hat die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt, dass es sich bei dem in der Hüllschicht nachgewiesenen Burkeit lediglich um unvermeidbare Verunreinigungen handelt. Allein aus dem früheren Vortrag der Beklagten zur Hüllschicht der angegriffenen Ausführungsform kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese aus reinem Natriumsulfat mit lediglich unvermeidbaren Verunreinigungen besteht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin als Anlage K27 vorgelegten Datenblatt, wonach das von den Beklagten vertriebene Natriumsulfat eine Reinheit von über 99 Gew.-% aufweist. Das Datenblatt sagt nichts darüber aus, welche Zusammensetzung die Lösung aufweist, mit deren Hilfe die Hüllschicht der angegriffenen Ausführungsform gebildet wird. Ebensowenig kann sich die Klägerin auf den Beitrag von Dr. E, Mitarbeiter der Beklagten, auf einem Workshop am 19./20.05.1998 berufen (Anlage K6). Auch wenn dieser erklärt hat, „unser Coating besteht fast ausschließlich aus purem Natriumsulfat“, schließt dies Zusätze von Natriumcarbonat in der Lösung bzw. Burkeit in der Hüllschicht nicht aus, die über bloße Verunreinigungen hinausgehen. Soweit die Klägerin auf die als Anlage K28 vorgelegte Masterthesis verweist, lässt diese allenfalls Rückschlüsse auf das von der Beklagten in ihrer schwedischen Anlage angewandte Verfahren zur Aufbringung der Hüllschicht zu, nicht aber auf den Anteil von Burkeit in der Hüllschicht.
Hinweise darauf, dass der Anteil von Burkeit über eine zwangsläufige Verunreinigung hinausgeht, ergeben sich nicht nur aus dem Vortrag der Beklagten zur Zusammensetzung der aufgesprühten Lösung, sondern auch aus den Untersuchungsergebnissen des Forschungszentrums Karlsruhe selbst. Denn aufgrund der deutlichen Intensität der Signale der weiteren Komponente – sprich Burkeit – in den Raman-mikroskopischen Messungen ist es nicht fernliegend, dass die weitere Komponente einen deutlichen Anteil der Hülle ausmacht und nicht nur eine unvermeidbare Verunreinigung darstellt.

III.
Die Beklagten machen bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs 3 keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass durch das von den Beklagten angewandte Verfahren Natriumpercarbonatpartikel hergestellt werden, deren Hüllschicht allein aus Natriumsulfat besteht. Zur Begründung kann ohne Einschränkung auf die Ausführungen zu (II.2) verwiesen werden.

IV.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerseite vom 20.03.2008 ist unter den Voraussetzungen des § 296a ZPO unbeachtlich und rechtfertigt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht. Auf die von der Klägerin geforderte Vorlage der konkreten Rezeptur für die Beschichtungsmittellösung aus Natriumsulfat und Natriumcarbonat, mit der die Beklagten die Natriumpercarbonatpartikel besprühen, kommt es nicht an, da die Klägerin schon nicht im einzelnen dargelegt hat, dass es sich bei dem in der Hüllschicht der angegriffenen Ausführungsform nachgewiesenen Burkeit lediglich um eine unvermeidbare Verunreinigung handelt. Sie hat lediglich erklärt, dass sich Burkeit aufgrund der offenen kristallinen Struktur der Natriumsulfatschicht in der gesamten Hüllschicht und nicht nur im Übergangsbereich zum Natriumpercarbonat-Kern bilden könne. Es fehlt jedoch an Darlegungen dazu, ob die Bildung von Burkeit bei der Beschichtung mit Natriumsulfat nicht vermieden werden kann und in welchem Umfang Burkeit tatsächlich in der Hüllschicht der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist.

B Widerklage

Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

I.
Die Beklagte zu 1) ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsantrags prozessführungsbefugt. Die Beklagte zu 1) ist nicht eingetragene Inhaberin des Widerklagepatents und hat als einfache Lizenznehmerin keinen eigenen Unterlassungsanspruch aus dem Widerklagepatent. Ebenso wenig ist dieser isoliert vom Vollrecht abtretbar. Allerdings hat die Inhaberin des Widerklagepatents, die D, mit Vertrag vom 27.09.2007 die Beklagte zu 1) zur gerichtlichen Geltendmachung etwaiger Unterlassungsansprüche aus dem Widerklagepatent gegen die Klägerin ermächtigt. Da die Beklagte zu 1) einfache Lizenznehmerin hinsichtlich des Widerklagepatents ist, hat sie für eine solche Prozessstandschaft ein hinreichendes eigenes Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen aus dem Widerklagepatent.

II.
Die Widerklage ist unbegründet.

Die Beklagte zu 1) hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9 S. 1 und 2 Nr. 2 und 3, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, 140b Abs. 1 und 2 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. § 398 BGB. Das angegriffene Verfahren macht von der mit dem Anspruch 1 des Widerklagepatents geschützten technischen Lehre weder wortsinngemäß (2.), noch in äquivalenter Weise (3.) Gebrauch.

1. Das Widerklagepatent schützt im Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung einer Hüllschicht um Natriumpercarbonatteilchen.

Ähnlich wie das Klagepatent stellt die Beschreibung des Widerklagepatents das prinzipielle Problem der geringen Lagerstabilität von Natriumpercarbonat dar. Natriumpercarbonat in Reinigungsmitteln zersetzt sich während der Lagerung und verliert aktiven Sauerstoff. Die Verwendung von ungeschütztem Natriumpercarbonat in Reinigungsmitteln, die Zeolithe enthalten, ist nicht möglich, weil es sich so schnell zersetzt, dass es in kurzer Zeit keinen Bleicheffekt mehr hat. Prinzipiell kann die Zersetzung der Natriumpercarbonatpartikel durch eine Beschichtung verhindert werden.

Nach der Widerklagepatentschrift sind im Stand der Technik beschichtete Natriumpercarbonatpartikel mit Natriumbicarbonat oder einer anderen anorganischen Beschichtung bekannt. Ebenfalls sei ein Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonat bekannt, das in Reinigungsmitteln trotz Anwesenheit von Zeolithe stabil sei. Dabei werde kommerzielles Natriumpercarbonat so gesiebt, das es eine bestimmte Partikelgröße und einen bestimmten Kornaufbau erhalte.

In der EP 0 546 xxx A1 wird laut Widerklagepatentschrift ein Verfahren beschrieben, bei dem Natriumpercarbonatpartikel mit Alkalimetallcitraten besprüht werden. Die daraus entstehende Beschichtung verbessere die Stabilität des Natriumpercarbonats. Die Widerklagepatentschrift kritisiert daran jedoch, dass die Beschichtung sehr dick sein müsse, um genügend undurchlässig zu sein. Das gleiche Problem trete bei der Verwendung von Natriumbicarbonatlösungen für die Umhüllung auf. Ein weiteres Beschichtungsverfahren von Natriumpercarbonatpartikeln mit Alkalimetallcarbonaten oder Alkalimetallbicarbonaten wird in der FR 2 226 xxx und in der EP 0 623 xxx beschrieben.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Widerklagepatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonat zu schaffen, das es gestattet, Natriumpercarbonat sogar in Zeolithe enthaltenden Reinigungsmitteln zu verwenden und bei hoher Luftfeuchtigkeit einzusetzen. Diese Aufgabe soll mit dem Anspruch 1 des Widerklagepatents gelöst werden, der in Alternative (a) folgende Merkmale aufweist:

1. Ein Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen,
1.1 die Natriumpercarbonatteilchen sind beschichtet mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und
1.2 mit einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht;
2. das Verfahren umfasst:
2.1 den Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen
2.1.1 in einem Wirbelschichtbett
2.1.2 unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas
2.1.3 Erzeugen einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen
2.1.3.1 zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen und
2.1.3.2. der zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht, wobei
2.3.3.3 mindestens ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist.

In der Alternative (b) können die Merkmale des Patentspruchs 1 der Widerklage wie folgt gegliedert werden:

1. Ein Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen,
1.1 die Natriumpercarbonatteilchen sind beschichtet mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und
1.2 mit einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht;
2. das Verfahren umfasst:
2.1 einen ersten Schritt des Sprühens von Wasser oder einer wässrigen Beschichtungsmittellösung auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen
2.1.1 in einem Wirbelschichtbett
2.1.2 unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, als Wirbelschichtgas
2.1.3 Erzeugen einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen
2.1.3.1 zur Bildung der ersten Schicht auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen und
2.1.3.2. wahlweise einer zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht, wobei
2.1.3.3 mindestens ein Teil der ersten Schicht aus dem Natriumcarbonat der Natriumpercarbonatteilchen und dem Kohlendioxid in der Gasphase gebildet ist, und
2.2 einen zweiten Schritt des Sprühens einer wässrigen Beschichtungsmittellösung auf das Produkt aus dem ersten Schritt
2.2.1 in einem Wirbelschichtbett
2.2.2 unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem Gas, welches reich an Kohlendioxid ist, oder irgendeinem anderen Gas als Wirbelschichtgas
2.2.3 zur Bildung einer zusätzlichen Überzugsschicht auf der Oberfläche des Produkts aus dem ersten Schritt.
Die Widerklagepatentschrift bezeichnet es als „Grundidee der Erfindung“, Natriumpercarbonatpartikel mit CO2-Gas in Anwesenheit von Feuchtigkeit zu behandeln, wobei auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatpartikel Natriumbicarbonat gebildet werde. Vor der eigentlichen Beschichtung würden die Natriumpercarbonatpartikel mit Wasser besprüht, während die Wirbelschichtluft mit CO2 vermischt werde. Dadurch werde die Oberfläche der Natriumpercarbonatpartikel mit einem sehr dünnen Wasserfilm überzogen. Das Natriumpercarbonat werde in diesem Wasserfilm gelöst und durch das CO2 aus der Gasphase unter der Bildung von Natriumbicarbonat neutralisiert. Die Natriumbicarbonatschicht ist laut Widerklagepatentschrift sehr dünn, aber auch sehr undurchlässig. Außerdem sei die Schicht sehr dicht. Es würden kleinste Unregelmäßigkeiten der Kornoberfläche und sogar kristalline Spitzen beschichtet.

2. Das angegriffene Verfahren der Klägerin macht von der Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (a) keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Die Beklagte zu 1) hat nicht dargelegt, dass bei dem angegriffenen Verfahren eine wässrige Beschichtungsmittellösung unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem kohlendioxidreichen Gas als Wirbelschichtgas (Merkmal 2.1.2) auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen gesprüht wird. Insofern bedarf es keiner Erörterung, ob die angegriffene Ausführungsform eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat (Merkmal 1.1) aufweist und infolgedessen auch die übrigen streitigen Merkmale (1.2, 2.1.3 und 2.1.3.1 bis 2.1.3.3) verwirklicht sind.

a) Gegenstand des Anspruchs 1 des Widerklagepatents ist ein Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonatteilchen mit einer Schicht aus Natriumbicarbonat (Merkmal 1.1) und einer weiteren Überzugsschicht (Merkmal 1.2). Das Verfahren beschränkt sich in der Alternative (a) des Widerklagepatentanspruchs auf einen einzigen Verfahrensschritt. In diesem Schritt wird eine wässrige Beschichtungsmittellösung auf die Oberfläche von Natriumpercarbonatteilchen gesprüht (Merkmal 2.1) und infolgedessen eine Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen erzeugt (Merkmal 2.3.1), um die beiden Schichten zu bilden (Merkmal 2.1.3.1 und 2.1.3.2).

Der Sprühvorgang soll in einem Wirbelschichtbett (Merkmal 2.1.1) unter Verwendung von Kohlendioxid oder einem kohlendioxidreichen Gas als Wirbelschichtgas (Merkmal 2.1.2) erfolgen. Das Prinzip des Wirbelschichtverfahrens kann allgemein dadurch beschrieben werden, dass Partikel auf einem durch einen Luftstrom gebildeten Luftbett schweben. Nach der Lehre des Anspruchs 1 des Widerklagepatents wird das Wirbelschichtbett durch Kohlendioxid oder ein kohlendioxidreiches Gas gebildet, auf dem die Natriumpercarbonatkerne schweben und mit einer wässrigen Beschichtungsmittellösung besprüht werden.

Dieses Verfahren führt zu einer Reaktion auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen, bei der die beiden, die Teilchen umhüllenden Schichten gebildet werden. Wie die Reaktion zur Bildung der ersten Schicht aus Natriumbicarbonat erfolgt, wird in der Beschreibung des Widerklagepatents erläutert. Demnach wird das Natriumpercarbonat an der Oberfläche der Teilchen aufgrund der wässrigen Beschichtungsmittellösung gelöst und durch das CO2 aus der Gasphase unter der Bildung von Natriumbicarbonat neutralisiert.

Wie die Reaktion zur Bildung der zweiten Überzugsschicht abläuft, wird weder im Patentanspruch, noch in der Beschreibung des Widerklagepatents näher erläutert. Der Patentanspruch in der Variante (a) ist jedoch dahin auszulegen, dass die zweite Überzugsschicht ebenso wie die erste Schicht allein durch den ersten Schritt, in dem die Natriumpercarbonatteilchen auf einem Wirbelschichtbett aus Kohlendioxid mit der Beschichtungsmittellösung besprüht werden, erzeugt werden muss. Denn der Patentanspruch in der Variante (a) beschreibt im Unterschied zur Variante (b) nur einen einzigen Verfahrensschritt. Aus dem Wortlaut des Anspruchs ergibt sich, dass durch diesen Verfahrensschritt eine Reaktion auf der Oberfläche erzeugt wird „zur Bildung der ersten Schicht (…) und der zweiten Überzugsschicht oben auf der ersten Schicht.“ In der Alternative (b) des Widerklagepatentanspruchs ist die Bildung der zweiten Überzugsschicht im ersten Verfahrensschritt freigestellt („wahlweise“ – vgl. Merkmal 3.1.3.2). Allerdings sieht die Alternative (b) zwingend einen zweiten Verfahrensschritt vor, der ähnlich wie der erste Schritt ablaufen soll, aber der Bildung einer zusätzlichen Überzugsschicht dient.

b) Vor dem Hintergrund dieser Auslegung des Anspruchs 1 in der Alternative (a) des Widerklagepatents hat die Beklagte zu 1) nicht dargelegt, dass die Merkmale 2.1.2 und 2.1.3.2 durch das angegriffene Verfahren verwirklicht werden.

Die Beklagte zu 1) hat behauptet, die von der Klägerin hergestellten Produkte Q30 und Q35 wiesen zwischen dem Kern aus Natriumpercarbonat und der unstreitig vorhandenen Hüllschicht aus Natriumsulfat eine weitere Schicht aus Natriumbicarbonat auf. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann dahinstehen. Denn auch wenn der – von der Klägerin bestrittene – Vortrag der Beklagten zu 1) zutreffen sollte, hat sie nicht dargelegt, dass die aus Natriumsulfat bestehende Überzugsschicht unter Anwesenheit erhöhter Mengen von Kohlendioxid gebildet wird.

Die Beklagte zu 1) hat dazu lediglich vorgetragen, die Klägerin habe in ihrem Schriftsatz vom 07.02.2002 ausgeführt, dass bei im großtechnischen Maßstab eingesetzten Wirbelschichten als Wirbelschichtgas regelmäßig Luft eingesetzt werde, die durch Verbrennung von Erdgas oder Heizöl erhitzt werde. Infolgedessen weise das Wirbelschichtgas einen Gehalt an Kohlendioxid von 11,8 Vol.-% bzw. 15,5 Vol.-% auf und könne im Vergleich zum gewöhnlichen Anteil von 0,04 Vol.-% in der Luft als kohlendioxidreich bezeichnet werden.

Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich ihre schriftsätzlichen Ausführungen lediglich auf die Herstellung der Natriumpercarbonatteilchen selbst bezogen haben, deren Herstellung nicht Gegenstand des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Widerklagepatents sei. Weiterhin hat sie dargelegt, dass sie ihre Produkte Q30 und Q35 nur in einem Werk in Rheinfelden herstelle. Dabei finde ein zweigeteiltes Verfahren statt. Lediglich in der Granulations- und Trocknungsphase, in der die Natriumpercarbonatkerne im Wirbelschichtverfahren hergestellt und anschließend getrocknet werden, werde mit Kohlendioxid angereicherte Luft verwendet. Die Beschichtung („Coating“) mit Natriumsulfat finde hingegen in einem zweiten Reaktor statt. Dort werde das Natriumpercarbonat-Granulat im Wirbelschichtverfahren mit Natriumsulfat besprüht. Als Wirbelschichtgas werde Frischluft verwendet, die lediglich über einen Wärmetauscher erhitzt werde.

Nach diesem Vortrag, den die Klägerin zudem mit Auszügen aus dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren belegt hat, wird die Schicht aus Natriumsulfat nicht unter Verwendung von Kohlendioxid oder kohlendioxidreichem Gas gebildet. Dem ist die Beklagte zu 1) nicht wirksam entgegentreten. Sie hat sich lediglich darauf beschränkt, den Vortrag pauschal zu bestreiten. Damit ist die Beklagte zu 1) ihrer Darlegungslast nicht gerecht geworden.

Der Beklagten zu 1) hilft auch nicht die Vermutung aus § 139 Abs. 3 PatG weiter. Denn sie hat nicht dargelegt, dass es sich bei den Produkten Q30und Q35 um ein neues Erzeugnis im Sinne von § 139 Abs. 3 PatG handelt. Dagegen spricht vielmehr, dass ausweislich der Widerklagepatentschrift beschichtete Natriumpercarbonatpartikel mit Natriumbicarbonat oder einer anderen anorganischen Beschichtung aus dem Stand der Technik bekannt waren.

3. Da es an einer wortsinngemäßen Verletzung der Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (a) fehlt, ist über den Hilfswiderklageantrag zu entscheiden, mit dem die Beklagte zu 1) eine Benutzung der Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (b) seitens der Klägerin mit äquivalenten Mitteln geltend macht. Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) wird die Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (b) jedoch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

a) Im Unterschied zur Alternative (a) des Patentanspruchs 1 erfordert die Alternative (b) zwei Schritte zur Herstellung von beschichteten Natriumpercarbonatteilchen. Im ersten Schritt werden die Natriumpercarbonatteilchen in einem Wirbelschichtbett unter Verwendung von Kohlendioxid oder kohlendioxidreichem Gas mit Wasser oder einer wässrigen Beschichtungsmittellösung besprüht (Merkmal 2.1, 2.1.1 und 2.1.2). Wie in der Alternative (a) wird dadurch eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat erzeugt (Merkmal 2.1.3.1). In der Alternative (b) ist jedoch freigestellt, ob auch die zweite Überzugsschicht bereits durch den ersten Verfahrensschritt erzeugt wird (Merkmal 2.1.3.2). In einem zweiten Schritt wird das Produkt aus dem ersten Schritt in einem Wirbelschichtbett unter Verwendung von irgendeinem Gas – nicht notwendig reich an Kohlendioxid – mit einer wässrigen Beschichtungsmittellösung besprüht, um eine zusätzliche – also zweite oder dritte – Überzugsschicht zu bilden.

In beiden Alternativen des Widerklagepatentanspruchs wird ein Verfahren beschrieben, um die Natriumpercarbonatteilchen mit einer ersten Schicht aus Natriumbicarbonat und einer weiteren Überzugsschicht zu versehen. Die Herstellung der Natriumpercarbonatteilchen selbst ist nicht Gegenstand des Patentanspruchs. Ihre Existenz wird vorausgesetzt. Der erste erfindungsgemäße Verfahrensschritt dient dementsprechend nicht der Herstellung der Natriumpercarbonatteilchen selbst, sondern der Erzeugung einer ersten, aus Natriumbicarbonat bestehenden Schicht und wahlweise einer zweiten Überzugsschicht auf der Oberfläche dieser Teilchen. Dem dient das Besprühen der Natriumpercarbonatteilchen mit Wasser oder einer wässrigen Beschichtungsmittellösung. Durch die Wahl zwischen Wasser und der wässrigen Beschichtungsmittellösung entscheidet der Fachmann, ob er im ersten Verfahrensschritt lediglich die erste Schicht aus Natriumbicarbonat erzeugt oder zugleich auch die (wahlweise vorhandene) zweite Überzugsschicht bildet.

Denn die erste Variante – Besprühen mit Wasser – hat nach der Beschreibung der Widerklagepatentschrift die Funktion, einen dünnen Wasserfilm auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zu bilden. Das Natriumpercarbonat löst sich in diesem Wasserfilm und das Kohlendioxid aus der Gasphase neutralisiert es unter Bildung von Natriumbicarbonat (S. 4 letzter Absatz und S. 5 erster Absatz; Textstellen ohne weitere Bezüge beziehen sich auf die Anlage B21, soweit sie die Widerklage betreffen). Dadurch wird die nach der Lehre des Widerklagepatentanspruchs erforderliche erste Schicht aus Natriumbicarbonat gebildet. Die zweite Schicht wird im zweiten Verfahrensschritt (Merkmal 2.2) erzeugt.

Die zweite Variante – Besprühen mit einer wässrigen Beschichtungsmittellösung – hat nicht nur die Funktion, die erste Schicht aus Natriumbicarbonat zu erzeugen, sondern zugleich eine weitere Überzugsschicht zu bilden. Der Begriff der „wässrigen Beschichtungsmittellösung“ ist bei wortsinngemäßer Auslegung des Widerklagepatentanspruchs dahingehend zu verstehen, dass sie eine Zusammensetzung aufweist, mit der eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat und eine zweite Überzugsschicht erzeugt werden kann. Darauf weist bereits der Begriff „wässrige Beschichtungsmittellösung“ selbst hin. Das in der Lösung enthaltene Wasser dient dazu, an der Oberfläche der Teilchen Natriumpercarbonat zu lösen, das in einer Reaktion mit dem Kohlendioxid die erste Schicht aus Natriumbicarbonat erzeugt. Das Beschichtungsmittel in der Lösung dient der Bildung der wahlweise vorhandenen zweiten Überzugsschicht. Genau diesem Prinzip folgt die Lehre des Widerklagepatentanspruchs in der Alternative (a). Dort besteht das Verfahren zur Bildung der beiden Schichten aus einem einzigen Verfahrensschritt. Daher müssen die Natriumpercarbonatteilchen mit einer wässrigen Beschichtungsmittellösung besprüht werden. Die Variante mit Wasser besteht nicht, weil in der Alternative (a) durch den ersten Verfahrensschritt zwingend auch die zweite Überzugsschicht erzeugt werden muss.

Diese Auslegung wird durch die Beschreibung der Widerklagepatentschrift gestützt, in der für ein beispielhaftes Verfahren eine Natriumbicarbonatlösung als Beschichtungsmittellösung vorgeschlagen wird. In der gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Originalfassung heißt es dazu: „In that case, sodium bicarbonate may be generated from sodium percarbonate under the effect of carbon dioxide, at the same time as sodium percarbonate is being coated with sodium bicarbonate from the sprayed solution phase” (Abs. [0014] der Anlage B20). Anders als in der als Anlage B21 vorgelegten deutschen Übersetzung wird in der Originalfassung deutlich, dass durch die Verwendung der Beschichtungsmittellösung eine Schicht aus Natriumbicarbonat mit Hilfe von Kohlendioxid aus dem vorhandenen Natriumpercarbonat und zugleich die Natriumpercarbonatteilchen mit dem aus der aufgesprühten Lösung stammenden Natriumbicarbonat beschichtet werden. Als weitere wässrige Beschichtungsmittellösung wird im Unteranspruch 2 eine wässrige Lösung aus Natriumsulfat genannt.

Als wässrige Beschichtungsmittellösung kommen alle Zusammensetzungen in Betracht, durch die eine zweite Überzugsschicht gebildet werden kann. Im Widerklagepatentanspruch wird nicht vorgegeben, aus welchem Stoff oder aus welcher Verbindung die zweite Überzugsschicht zu bilden ist. Dies ist dem Fachmann anders als bei der ersten Schicht aus Natriumbicarbonat grundsätzlich freigestellt. Aus der bei der Auslegung des Patentanspruchs ebenfalls zu berücksichtigenden Widerklagepatentschrift ergibt sich jedoch die Einschränkung, dass die zweite Überzugsschicht nicht aus Natriumpercarbonat bestehen darf. Denn die Funktion der Überzugsschicht besteht darin, die Zersetzung des Natriumpercarbonats zu verhindern (vgl. S. 2 letzter Absatz) und den Kern aus Natriumpercarbonat von anderen Verbindungen, insbesondere Zeolithe, zu isolieren (vgl. S. 3 erster Absatz). In der Widerklagepatentschrift ist auch die Rede von einer „Schutzschicht“ (S. 4 fünfter Absatz). Dies kann nicht erreicht werden, wenn sich das Material der Schutzschicht nicht von dem des zu schützenden Kerns unterscheidet.

b) Vor dem Hintergrund dieser Auslegung wird ein Verfahren, bei dem eine Lösung aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid auf Natriumpercarbonatteilchen gesprüht wird, wie es die Klägerin in ihrem Werk in Rheinfelden in der Ganulationsstufe praktiziert, vom Wortsinn des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (b) nicht erfasst. Dies wird auch von der Beklagten zu 1) nicht geltend gemacht. Denn bei einer Lösung aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid handelt es sich nicht um Wasser im Sinne von Merkmal 2.1. Ebensowenig handelt es sich um eine wässrige Beschichtungsmittellösung im Sinne der patentgemäßen Lehre. Denn die auf die Natriumpercarbonatkeime gesprühte Lösung aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid enthält lediglich Bestandteile zur Bildung von weiterem Natriumpercarbonat. Auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatkeime im Wirbelschicht-Granulator lagert sich das Wasserstoffperoxid an das Natriumcarbonat unter Bildung von Natriumpercarbonat an. Eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat oder eine zweite Überzugsschicht wird dadurch nicht gebildet.

c) Die Beklagte zu 1) ist jedoch der Ansicht, Merkmal 2.1 werde durch äquivalente Mittel verwirklicht. Statt im ersten Schritt Wasser auf die Oberfläche der Natriumpercarbonatpartikel zu sprühen, nutze die Klägerin die aus dem Granulationsverfahren verbliebene Restfeuchtigkeit auf den Natriumpercarbonatpartikeln und erzeuge eine Schicht aus Natriumbicarbonat, indem sie die Natriumpercarbonatteilchen mit Hilfe der mit Kohlendioxid angereicherten Luft trockne. Dass damit aber eine Verwirklichung der Lehre des Widerklagepatentanspruchs 1 in der Alternative (b) mit äquivalenten Mitteln verbunden ist, hat die Beklagte zu 1) nicht dargelegt.

Die Feststellung, dass eine vom Wortsinn des geltend gemachten Patentanspruchs abweichende Lösung eines angegriffenen Gegenstands als äquivalentes Mittel dennoch in den Schutzbereich eines Patentes fällt, setzt eine dreistufige Prüfung voraus. Zunächst ist zu prüfen, ob die nicht vollständig wortsinngemäße angegriffene Ausführung das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit objektiv gleichwirkenden Mitteln löst. Sodann ist der Frage nachzugehen, ob seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die angegriffene Ausführung in ihrer durch vom Sinngehalt abweichende Mittel gekennzeichneten Form als gleichwirkend aufzufinden. Schließlich ist zu prüfen, ob die Überlegungen, die hierzu angestellt werden müssen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die durch hiervon abweichende Mittel gekennzeichnete Ausführung als der gegenständlichen wortsinngemäßen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGHZ 150, 149 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 523 – Custodiol I; GRUR 2002, 527 – Custodiol II).

Diese Voraussetzungen sind bei dem angegriffenen Verfahren nicht erfüllt. Die Beklagte zu 1) hat nicht dargelegt, dass das mit dem Ersatzmittel versehene angegriffene Verfahren der Klägerin mit dem widerklagepatentgemäßen Verfahren gleichwirkend ist. Das Besprühen mit Wasser im ersten Verfahrensschritt (Merkmal 2.1) hat – wie bereits unter Ziffer 1. dargestellt – die Funktion, unter Verwendung eines kohlendioxidreichen Gases eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen zu erzeugen. Dass diese Wirkung auch mit dem von der Lehre des Widerklagepatentanspruchs abweichenden Verfahren der Klägerin erzielt wird, ist nicht dargelegt.

aa) Die Beklagte zu 1) hat schon nicht im Einzelnen vorgetragen, dass die Natriumpercarbonatkerne nach der Granulationsstufe auf der Oberfläche Feuchtigkeit aufweisen. Sie vermutet lediglich aufgrund der Tatsache der Trocknung, dass die Natriumpercarbonatteilchen auf ihrer Oberfläche einen Feuchtigkeitsfilm aufweisen, mit dem eine Schicht aus Natriumbicarbonat erzeugt werden könne. Die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten zu 1) bestritten und im Übrigen dargelegt, dass bei der Wirbelschichtaufbaugranulation der Feuchtegehalt im Wirbelbett stets so niedrig gehalten werde, dass die gebildeten Natriumpercarbonatteilchen keinen Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche aufweisen, da es sonst zur unerwünschten Agglomeration und unregelmäßig geformten Partikeln komme. Die frei rieselfähigen Partikel würden der Trocknung zugeführt, die lediglich die Feuchtigkeit aus dem Inneren der Partikel entferne. Dem ist die Beklagte zu 1) nicht substantiiert entgegengetreten. Die Klägerin hat vielmehr dazu ausgeführt, dass die Natriumpercarbonatteilchen eine kristalline Struktur haben, die es erlaube, dass Feuchtigkeit aus dem Kern nach außen dringe. Fehlt aber eine entsprechende Feuchtigkeit auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen, kann auf dem Kern auch keine erste Schicht – sei es aus Natriumbicarbonat oder einer anderen Substanz – gebildet werden.

bb) Die Beklagte zu 1) hat dazu lediglich in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, auf der Oberfläche müsse Feuchtigkeit vorhanden sein, da sie aus dem Kern nach außen dringen müsse, damit der Kern überhaupt trocknen könne. Außerdem treffe in der Granulationsphase irgendwann ein letzter Tropfen der Lösung aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid das Natriumpercarbonatteilchen, bevor es der Trocknung zugeführt werde. Mit diesem Vortrag ist nicht dargelegt, dass die Natriumpercarbonatteilchen einen Feuchtigkeitsfilm aufweisen, aus dem sich eine geschlossene, erste Natriumbicarbonatschicht um den Natriumpercarbonatkern bilden kann. Denn die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die Natriumpercarbonatteilchen mit einer gesättigten Lösung aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid besprüht werden, aus der sich Natriumpercarbonat abscheide. Dementsprechend werde das gesamte Teilchen unstreitig aus Natriumpercarbonat aufgebaut. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte nicht erklären können, warum der Kern selbst aus Natriumpercarbonat besteht, sich jedoch abschließend eine geschlossene, erste Schicht aus Natriumbicarbonat um den Kern bilden sollte.

cc) Die Beklagte zu 1) schließt allein aus dem Umstand der Trockung und aus allgemeinen chemischen Reaktionsgleichungen, dass sich eine solche erste Schicht aus Natriumbicarbonat bildet. Sie lässt dabei außer acht, dass die konkreten chemischen Reaktionen im Wirbelschichtverfahren – wie von ihr selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Welche Parameter im angegriffenen Verfahren vorliegen, ob dabei ein Feuchtigkeitsfilm auf der Oberfläche der der Trocknung zugeführten Natriumpercarbonatteilchen zurückbleibt und ob sich aus der angeblich vorhandenen Feuchtigkeit bei der Trocknung eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat bildet, wird nicht qualifiziert vorgetragen. Insofern hilft der Beklagten zu 1) auch nicht die Berufung auf den klägerischen Vortrag auf Seite 11 des Schriftsatzes vom 07.02.2002 (Blatt 91 der Akte) und auf Seite 13 des Schriftsatzes vom 10.04.2007 (Blatt 137 der Akte) weiter. Die Klägerin hat darin allgemeine Ausführungen zu den Voraussetzungen für die Bildung von Natriumbicarbonat gemacht und auch zugestanden, dass sich bei der Herstellung des Natriumpercarbonatkerns ein gewisser Anteil von Natriumbicarbonat bilden kann. Daraus folgt aber nicht, dass auf der Oberfläche der Natriumpercarbonatteilchen im Zeitpunkt der Trocknungsphase ein Feuchtigkeitsfilm vorhanden ist, aus dem sich eine erste Natriumbicarbonatschicht bildet.

dd) Die Klägerin hat auch nicht mit den als Anlage B16 bzw. B16a vorgelegten Untersuchungsergebnissen F AB dargelegt, dass in dem angegriffenen Verfahren zwischen dem Natriumpercarbonatkern und der Natriumsulfatschicht eine erste Schicht aus Natriumbicarbonat gebildet wird. Mit den Untersuchungen lässt sich eine solche Schicht nicht unmittelbar nachweisen. Vielmehr stützt sich der Vortrag der Beklagten zu 1), die mit dem angegriffenen Verfahren hergestellten Natriumpercarbonatteilchen würden eine solche Schicht aufweisen, lediglich auf eine Schlussfolgerung aus dem Untersuchungsbericht, die so nicht gezogen werden kann. Unter anderem untersuchte F AB auch zwei Proben von Natriumpercarbonatteilchen, die von der Klägerin mit dem angegriffenen Verfahren hergestellt wurden. Es wurde sowohl ein intaktes und ein gemörsertes Natriumpercarbonatteilchen Raman-spektroskopisch analysiert. Beim intakten Teilchen zeigte sich eine Raman-Bande bei 1064 cm-1. Die gemörserte Probe wies an dieser Stelle hingegen keinen Peak auf. Der Untersuchungsbericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Oberfläche der untersuchten Teilchen Natriumbicarbonat enthalte, nicht aber das Füllmaterial. Mit diesen Ausführungen hat die Beklagte zu 1) nicht dargelegt, dass die mit dem angegriffenen Verfahren gebildeten Natriumpercarbonatteilchen unmittelbar auf dem Kern aus Natriumpercarbonat eine Schicht aus Natriumbicarbonat aufweisen, auf der eine weitere Überzugsschicht aufgebracht ist.

Es ist bereits nicht nachvollziehbar, wie sich aus dieser Untersuchung ergeben soll, dass sich eine erste Schicht – sei es aus Natriumbicarbonat, Natriumsesquicarbonat oder Burkeit – zwischen dem Natriumpercarbonatkern und der zweiten Schicht aus Natriumsulfat befindet. Es wird aufgrund der unterschiedlichen Spektren der intakten und der gemörserten Probe lediglich festgestellt, dass die Proben „Bicarbonat-Spitzen an der Oberfläche“ aufweisen würden. Die Schlussfolgerung der Beklagten zu 1), dass es sich dabei um eine geschlossene Schutzschicht handele, die obendrein zwischen dem Kern und der Natriumsulfatschicht liege, erweist sich daher ebenso als bloße Vermutung wie der Vortrag, die Natriumpercarbonatteilchen wiesen einen Flüssigkeitsfilm auf, der unter Verwendung der kohlendioxidreichen Luft zur Bildung der ersten Schicht führe.

Darüberhinaus hat die Beklagte zu 1) mit den als Anlage B16 bzw. B16a vorgelegten Untersuchungsergebnissen nicht dargelegt, dass die vermeintliche erste Schicht aus Natriumbicarbonat besteht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Raman-spektroskopische Nachweis von Natriumbicarbonat durch eine Raman-Bande bei 1047 cm-1 erfolgt. Der von der Beklagten zu 1) vorgelegte Untersuchungsbericht zeigt jedoch einen Peak bei 1064 cm-1. Es kann dahinstehen, ob die Ansicht der Beklagten zu 1) zutrifft, Natriumsesquicarbonat sei mit Natriumbicarbonat identisch und über eine Raman-Bande bei 1064 cm-1 nachweisbar. Denn die Beklagte zu 1) hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Peak bei 1064 cm-1 auch durch Burkeit hervorgerufen werden kann. Die Grafiken des Untersuchungsberichts zeigen nicht den Bereich des Spektrums von 992 cm-1 bzw. 1009 cm-1. Um das Vorhandensein von Burkeit sicher ausschließen zu können, ist dieser Bereich erforderlich, da die Raman-Bande von Burkeit anders als Natriumsesquicarbonat an der für Natriumsulfat charakteristischen Raman-Bande bei 992 cm-1 die so genannte „Burkeit-Schulter“ bei 1009 cm-1 aufweist.

Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die mit dem angegriffenen Verfahren hergestellten Natriumpercarbonatteilchen Burkeit enthalten. Denn unstreitig werden die Produkte der Klägerin mit einer Hüllschicht aus Natriumsulfat versehen. Nach den Darlegungen der Klägerin ist es unvermeidbar, dass beim Aufbringen der Natriumsulfatschicht Natriumpercarbonat an der Oberfläche des Kerns gelöst werde und unter Verdampfen von Wasser mit Natriumsulfat zu Burkeit reagiere. Es ist daher durchaus möglich, dass mit den von F AB durchgeführten Untersuchungen lediglich Burkeit nachgewiesen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert:
20.000,00 EUR gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG (10.000,00 EUR für die Klage und 10.000,00 EUR für die Widerklage)